In dieser Dissertation werden verschiedene Möglichkeiten analysiert, wie politische Entscheidungsträger die Bildung von Humankapital und die Entstehung von Ungleichheiten in diesem Bereich beeinflussen können. Sie besteht aus vier in sich abgeschlossenen empirischen Forschungsarbeiten, die jeweils einen Beitrag zur bildungsökonomischen Analyse der Bildung von Humankapital leisten. Unter Berücksichtigung des vielschichtigen Charakters des Konzepts Humankapital werden in den Kapiteln verschiedene Dimensionen untersucht, darunter Entwicklungsaspekte während des ersten Lebensjahres eines Kindes, verschiedene Maßstäbe für die Leistung von SchülerInnen in der Grundschule, die sozio-emotionale Entwicklung und die Persönlichkeit sowie Aspekte der körperlichen und mentalen Gesundheit. Es werden Reformen, Programme und Entwicklungen analysiert, die Individuen zu unterschiedlichen Zeitpunkten im Lebensverlauf betreffen: Als Kleinkinder, in der Grund- und Sekundarschulzeit und als Erwachsene bei der Erziehung der eigenen Kinder. Den Kapiteln geht eine allgemeine Einführung in das Thema voraus (Kapitel 1). Die Dissertation schließt mit einer Schlussfolgerung ab, in der politische Implikationen, Limitationen und Möglichkeiten für anknüpfende Forschung diskutiert werden (Kapitel 6).In den ersten beiden Kapiteln werden unterschiedliche Auswirkungen des Ausbaus von Bildungsangeboten im öffentlichen bzw. privaten Schulbereich untersucht. Kapitel 2 analysiert die heterogenen Effekte des Ausbaus von Ganztagsbetreuung auf die Kindesentwicklung. Es wird häufig argumentiert, dass institutionalisierte Nachmittagsbetreuung insbesondere solchen Kindern zugutekommen kann, die zu Hause keine angemessene Unterstützung bei den Hausaufgaben erhalten und somit die Chancengleichheit fördern kann. Trotz beträchtlichen politischen Interesses ist jedoch unklar, ob diese Nachmittagsprogramme die Entwicklung von Kindern fördern und ob der zugrunde liegende Selektionsmechanismus effizient ist, d. h. ob diejenigen SchülerInnen, die am meisten von den Programmen profitieren würden, sich für die Teilnahme entscheiden. In diesem Beitrag untersuche ich die Auswirkungen von Nachmittagsbetreuung an Ganztagsschulen auf die schulischen Leistungen und die Entwicklung sozio-emotionaler Fähigkeiten von Grundschulkindern. Unter Verwendung der Marginal Treatment Effect Methode und regionaler sowie zeitlicher Variation im Zugang zu Ganztagsbetreuung im Zuge einer umfassenden Reform in Deutschland instrumentiere ich die Teilnahme an der außerschulischen Betreuung mit der Veränderung der Entfernung zur nächsten Schule mit Ganztagsangebot innerhalb eines Kreises. Meine Ergebnisse deuten darauf hin, dass Kinder aus niedrigeren sozioökonomischen Verhältnissen häufiger Ganztagsangebote nutzen und davon zum Teil auch stärker profitieren. In Bezug auf die sozio-emotionale Entwicklung zeigt sich, dass Kinder mit einer niedrigen "Resistenz", die freiwillig eine Ganztagsschule besuchen, auch häufiger davon profitieren. Dies deutet darauf hin, dass die Selektion in Ganztagsschulen effizient ist, da die Angebote die "richtigen" Kinder anziehen. Insgesamt ist davon auszugehen, dass ein universelles freiwilliges Ganztagsangebot dazu beiträgt, Bildungsungleichheiten zu verringern.Im Anschluss beschäftigen wir uns in Kapitel 3 mit der Ausweitung des Privatschulsektors in Deutschland. Der Anlass für dieses Papier ist die erhebliche Unterrepräsentation von sozioökonomisch benachteiligten Kindern an Privatschulen trotz des "Sonderungsverbots'' nach Artikel 7(4) im Grundgesetz. Privatschulen dürfen demnach zwar generell ein Schulgeld verlangen, müssen dieses aber entweder nach dem Einkommen der Eltern staffeln, Schulgeldbefreiungen für ökonomisch benachteiligte Haushalte anbieten oder das Schulgeld so niedrig ansetzen, dass es theoretisch von allen Eltern gezahlt werden kann. Obwohl diese Vorschrift in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich ausgelegt wird, ist das Schulgeld allein möglicherweise nicht der einzige Grund für die unausgewogene sozioökonomische Zusammensetzung der Privatschulen. Um besser zu verstehen, warum Kinder mit niedrigem sozioökonomischem Status seltener Privatschulen besuchen, wird in dieser Studie die Rolle der geografischen Verteilung von Privatschulen untersucht. Mithilfe von georeferenzierten Daten des Sozio-oekonomischen Panels und Adressdaten aller deutschen Schulen (öffentlich und privat) von 2000 bis 2019 schätzen wir lineare Wahrscheinlichkeitsmodelle. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass sozioökonomisch privilegierte Haushalte nicht notwendigerweise näher an Privatschulen wohnen, aber empfindlicher auf die Entfernung reagieren, wenn es um die Entscheidung für eine Privatschule geht. Sozioökonomisch benachteiligte SchülerInnen werden möglicherweise nicht nur aufgrund der Schulgebühren, sondern auch aufgrund persönlicher Präferenzen und mangelnder Informationen zu alternativen Schulangeboten vom Besuch von Privatschulen abgehalten. Die räumliche Verteilung von Privatschulen spielt dabei eine untergeordnete Rolle.Kapitel 4 wendet sich von der Schulpolitik ab und widmet sich der Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Umweltpolitik und Humankapital. Empirische Studien haben gezeigt, dass Kinder aufgrund ihrer erhöhten Anfälligkeit besonders negativ von Luftverschmutzung betroffen sind, die von Atemwegserkrankungen bis hin zur Kindersterblichkeit reicht. Neuere Studien haben zudem gezeigt, dass schlechte Luftqualität das menschliche Gehirn schädigen und die kognitive Leistung beeinträchtigen sowie zu Verhaltensproblemen führen kann. Daher ist es nicht überraschend, dass die Luftqualität auch die Testergebnisse und Fehlzeiten von Kindern in der Schule beeinflussen kann. Allerdings ist bisher wenig darüber bekannt, welche langfristigen Auswirkungen Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität auf die schulische Bildung haben. In diesem Beitrag wird der kausale Effekt der Einführung von Umweltzonen auf die schulischen Leistungen von GrundschülerInnen in Deutschland untersucht. Umweltzonen reduzieren die lokale Luftverschmutzung, indem sie emissionsintensiven Fahrzeugen den Zutritt zu ausgewiesenen Gebieten verwehren und somit nachweislich die Gesundheit der Bevölkerung verbessern. Wenig ist hingegen darüber bekannt, welche Auswirkungen Fahrverbote wie LEZs auf andere Lebensbereiche haben. Wir nutzen Daten auf Schulebene aus Nordrhein-Westfalen, um die gestaffelte Einführung von Umweltzonen seit 2008 in einem Differenz-in-Differenzen-Rahmen zu analysieren. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Umweltzonen die Übergangsraten von Grundschülerinnen und Grundschülern auf Gymnasien in Nordrhein-Westfalen um 0,9-1,6 Prozentpunkte erhöht haben. Diese Ergebnisse werden durch unsere Analysen auf Kreisebene für ganz Deutschland bestätigt, was ihre externe Validität stützt. Zudem liefern wir Hinweise darauf, dass eine Verringerung der Prävalenz von Atemwegsinfektionen ein wichtiger Kanal ist, über den Umweltzonen den Schulerfolg von GrundschülerInnen positiv beeinflussen.Kapitel 5 befasst sich schließlich mit dem häuslichen Umfeld im ersten Lebensjahr eines Kindes. Hausbesuchsprogramme, die sich an Familien während der Schwangerschaft oder kurz nach der Geburt richten, können ein wirksames Instrument zur Förderung des Wohlergehens von Kindern und Familien darstellen, insbesondere für benachteiligte Familien. Es gibt jedoch nur wenig Evidenz zu der (Kosten-)Effektivität dieser Programme im europäischen Kontext. In dieser Studie präsentieren wir neue Erkenntnisse zu den Kosten und Auswirkungen von Pro Kind, einem Hausbesuchsprogramm im Rahmen der Bremer Initiative zur Förderung frühkindlicher Entwicklung (BRISE). Im Rahmen von BRISE werden zufällig (randomisiert auf Stadteilebene) einige Familien über Pro Kind informiert und der Zugang zu diesem Programm erleichtert. Somit werden diese Familien angeregt, an Pro Kind teilzunehmen. Wir nutzen diese zufällige Variation in einem Instrumentalvariablen (IV)-Ansatz in Kombination mit Entropy Balancing, um die kausalen Effekte der Intervention auf verschiedene Ergebnisse von Müttern und Kindern während der ersten sieben Lebensmonate der Kinder zu schätzen. Darüber hinaus liefern wir Kostenschätzungen auf der Grundlage selbst erhobener Kostendaten. In diesem frühen Stadium der Intervention und aufgrund von Datenbeschränkungen können wir keine belastbaren kausalen Effekte von Pro Kind auf die Ergebnisse bei Kindern und Müttern ableiten. Die Kostenanalyse legt nahe, dass Pro Kind weniger kostenintensiv ist als die meisten vergleichbaren (nationalen und internationalen) frühkindlichen Programme. Unsere Analyse bildet die Grundlage für künftige Kosteneffektivitäts- und Kosten-Nutzen-Studien, welche ein wichtiges Instrument sind, um fundierte politische Entscheidungen über die Zuweisung knapper Ressourcen zu treffen.
This dissertation analyzes different ways in which policymakers can impact the formation of human capital and the emergence of inequalities therein. It comprises four self-contained empirical research papers that contribute to the economic analysis of skill formation during childhood. The chapters explore different dimensions of the multifaceted concept of human capital, including developmental aspects during the first year of a child's life; different measures of student performance in elementary school; socio-emotional development and personality; and aspects of physical and mental health. It analyzes reforms, programs, and developments that affect individuals differently and at various stages in their lives: as toddlers, in primary and secondary school, and as adults when caring for their children. The chapters are preceded by a general introduction of the topic (Chapter 1) and followed by a conclusion discussing the policy implications, limitations, and scope for further research (Chapter 6).The first two chapters examine different implications of the expansion of educational offers in the public and private school sectors. Chapter 2 analyzes the roll-out of after-school care (ASC) programs within German elementary schools due to an extensive subsidy program in 2003. These programs, consisting mainly of homework support and supervised recreational activities, are usually offered voluntarily, although organizational forms with stricter participation requirements also exist. It is often argued that institutionalized ASC can benefit children lacking adequate homework support at home and are likely to foster equality of opportunity. However, despite considerable policy interest, it is unclear whether these afternoon programs benefit child development and whether they are reaching the "right'' children. My research interests in this paper are twofold: First, I study which groups of students benefit from ASC. Second, I analyze how the selection into the afternoon programs relates to the treatment effect, i.e., whether a universal offer of ASC attracts the children that benefit from it. I use a unique combination of self-collected school-level data from six Western German federal states between 2003 and 2018 with student-level data from the German Socio-Economic Panel (SOEP). By analyzing the effects on grades in math and German, the Strengths and Difficulties Score, prosocial behavior, and the Big Five personality traits, I cover critical aspects of cognitive and non-cognitive development. Using a Marginal Treatment Effect framework and regional and temporal variation caused by the subsidy program, I instrument after-school care attendance with the change in distance to the next school offering ASC within one district. My findings suggest that children with a low socio-economic status (SES), who more often select into treatment, tend to have higher ASC premiums. Further, the average treatment effects on the treated's non-cognitive skills are more sizable than those on the untreated, suggesting that selection into ASC is positive and efficient. Overall, a universal voluntary offer of ASC will likely help reduce educational inequality.Chapter 3 then turns to the expansion of the private school sector in Germany. This paper is motivated by the significant under-representation of socio-economically disadvantaged children in private schools, despite the Basic Law's Article 7(4), which prohibits schools from discriminating based on socio-economic status when selecting students. To comply with this law, private schools must either adjust their fees based on the parents’ income, set them low enough to be affordable, or offer allowances for economically disadvantaged households. Although the interpretation of this rule varies across federal states, school fees alone may not be the sole reason for the imbalanced socio-economic composition in private schools. This study investigated the role of the geographical distribution of private schools to better understand why low-SES children attend private schools less frequently. We estimate linear probability models using geo-referenced data from the SOEP and address data for all German schools (public and private) from 2000 to 2019. Our results suggest that high-SES households do not necessarily have shorter distances to private schools but are more "distance-sensitive" when deciding on private school enrollment. Our findings indicate that low-SES students, in addition to school fees, may be deterred from attending private schools because of personal preferences and a lack of information on alternative school forms, and that the spatial distribution of private schools plays a subordinate role in this regard.Chapter 4 moves away from schooling policies and explores the connections between environmental policies and human capital. Children are particularly susceptible to the adverse health effects of air pollution ranging from respiratory diseases to infant mortality. Recent economic literature has shown that poor air quality may also harm the human brain, affecting individuals' cognitive performance and leading to behavioral problems. Given these findings, it is unsurprising that air quality on a given day can also affect children's test scores and school absence. Substantially less is known about the long-term schooling effects of policies targeting air quality. In this study, we examine the causal effect of implementing Low Emission Zones (LEZs) on the educational achievement of elementary school students in Germany. We focus on the transition rates of children in 4th grade, the last year of primary education, to a "Gymnasium", the academic track of the secondary school system. LEZs reduce local air pollution by restricting emission-intensive vehicles from accessing designated areas, and have been shown to improve population health. Little is known about the effects of driving restriction policies in other areas of life. Using school-level data from North-Rhine Westphalia (NRW), Germany's most populous federal state, we exploit the staggered adoption of LEZs since 2008 within a difference-in-differences framework. Our results imply that LEZs increased transition rates to the academic track by 0.9-1.6 percentage points in NRW. Our findings on the district level for all of Germany confirm the external validity of these findings. Using geo-referenced data from the German Socio-Economic Panel, we provide suggestive evidence that reducing the prevalence of respiratory infections is a vital channel through which LEZs affect schooling outcomes.Finally, Chapter 5 focuses on the home environment during the first year of a child's life. Home-visiting programs targeting families during pregnancy or shortly after birth can be powerful tools to promote child and family well-being, particularly for disadvantaged families. However, there is little evidence on the effectiveness of these programs' (cost-)effectiveness in the European context. In this study, we present novel evidence of the costs and effects of Pro Kind, a home-visiting program under the Bremen Initiative to Foster Early Childhood Development (BRISE). BRISE randomly assigns an information and access treatment on the neighborhood level that nudges families in the treatment group to participate in Pro Kind. We exploit this random variation in an instrumental variables (IV) framework combined with entropy balancing to estimate the causal effects of the intervention on several mother and child outcomes during the first seven months of children's lives. In addition, we provide cost estimates based on self-collected cost data. At this early stage of the intervention, and due to data limitations, we cannot deduce meaningful causal effects of Pro Kind on child and maternal outcomes. The cost analysis suggests that Pro Kind is less costly than most comparable early childhood programs. Our analysis builds the basis for future cost-effectiveness and cost-benefit studies, which are essential tools for making sound policy decisions on allocating scarce resources.
Keywords: Economics of Education, Human Capital Development, Inequality, Environmental Policy
Externer Link:
https://refubium.fu-berlin.de/handle/fub188/39969
DOI:
http://dx.doi.org/10.17169/refubium-39691