DIW Wochenbericht 46 / 2023, S. 644
Alexander Schiersch, Erich Wittenberg
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Herr Schiersch, wenn keine Mikrochips mehr geliefert werden können, steht unter Umständen ein ganzes Autowerk still. Wie abhängig sind deutsche Unternehmen von Vorleistungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT)? Grundsätzlich muss man sich das für jedes einzelne IKT-Gut anschauen. Ein Beispiel haben Sie ja schon genannt, aber es gibt noch eine ganze Reihe von IKT-Gütern, unter anderem im Bereich der Mikroelektronik, wo wir deutlich abhängig sind, weil wir sehr viel aus dem Ausland importieren, vor allem aus dem asiatischen Raum und hier insbesondere aus China.
Wie viele Unternehmen beziehen IKT-Güter aus nur einem einzigen Land oder nur wenigen Ländern? Wir haben herausgefunden, dass die deutschen Unternehmen im Mittel aus etwa vier bis fünf Ländern importieren und von dort etwa zwölf Produktarten beziehen. 80 Prozent dieser Importe kommen tatsächlich aus einem einzigen Land und mindestens zehn Prozent der Unternehmen beziehen komplett alles aus einem Land.
Was ist der Ausweg aus der Abhängigkeit? Sollte wieder mehr im Inland produziert werden? Das ist tatsächlich das aktuelle Ziel der Politik. Es gibt den Chips Act, also das Chip-Gesetz der Europäischen Union, das vorsieht, dass wir die aktuelle Produktion in Europa mehr als verdoppeln. Dafür werden auch Gelder bereitgestellt. Aber es gibt auch die Möglichkeit der Diversifizierung. Das bedeutet, dass wir unsere Resilienz nicht nur dadurch erhöhen, dass wir mehr zu Hause produzieren, sondern auch versuchen, unsere Lieferketten und Zulieferbeziehungen auszubauen und zu streuen, um weniger abhängig von einzelnen Zulieferern, Ländern oder auch Regionen zu sein.
Könnte eine stärkere Diversifizierung nicht auch Nachteile mit sich bringen? Das Hauptproblem dabei ist, dass es zunächst einmal höhere Such- und Koordinierungskosten bei den Unternehmen gibt. Ich habe gewachsene Lieferbeziehungen. Wenn ich jetzt zusätzlich auch noch in ein anderes Land gehe, mit dem ich vielleicht noch gar kein Kontakt habe, dann ist das einfach mit Mehrkosten verbunden. Zudem muss ich ja in meinem Unternehmen auch die Produktionsprozesse so anpassen, dass ich auf unterschiedliche Zulieferer reagieren kann. All das kann meine Kosten erhöhen.
Wie wirkt sich die Diversifizierung der Importe von IKT-Gütern auf den Unternehmenserfolg aus? Genau das haben wir uns in dieser Studie angeschaut. Dabei haben wir relativ viele Einflussfaktoren berücksichtigt und festgestellt, dass eine stärkere Diversifizierung mit einem besseren Unternehmenserfolg einhergeht. Ob es nun der Bruttobetriebsüberschuss ist oder die Bruttowertschöpfung: egal welches Maß wir uns anschauen, wir finden einen positiven Zusammenhang.
Sollte der Staat auf eine Diversifizierung hinwirken und kann er das überhaupt? Die Möglichkeiten des Staates sind natürlich begrenzt, denn es ist letztlich eine Unternehmensentscheidung, wie die Lieferketten aufgestellt werden. Aber wir haben in den letzten Jahren regelmäßig gesehen, dass der Staat Unternehmen, die einem Schock ausgesetzt waren, mit Steuergeldern unterstützt hat. Daher kann der Staat schon von den Unternehmen erwarten, dass sie sich auf Krisen vorbereiten. Es gibt aber noch einen interessanten zweiten Punkt: Wir haben relativ viele privatwirtschaftliche und auch staatliche Instrumente zur Absicherung von Exportgeschäften. Das finden wir so auf der Importseite nicht. Ich habe jetzt kein perfektes Instrument in der Hinterhand, aber hier könnte man vielleicht einmal überlegen, ob man nicht auch Absicherungsmöglichkeiten für Importe ermöglicht, um so den Unternehmen dieses zusätzliche Risiko abzusichern.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
Themen: Unternehmen, Digitalisierung
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2023-46-2
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/280711