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Offshore-Finanzvermögen: Steuerhinterziehung als Motiv hat an Bedeutung verloren: Interview

DIW Wochenbericht 47 / 2023, S. 657

Sarah Godar, Erich Wittenberg

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Frau Godar, Offshore-Vermögen ist eine diskrete Angelegenheit. Wie haben Sie es dennoch geschafft, den Umfang des globalen Offshore-Finanzvermögens abzuschätzen? Wir können in den internationalen Finanzstatistiken schon seit langem beobachten, dass die Summe der weltweit berichteten Finanzvermögen systematisch niedriger ist als die Summe der weltweit berichteten Verbindlichkeiten. Das heißt, ein Teil der Vermögen scheint niemandem zu gehören. Daraus kann man ableiten, wie viele von diesen Vermögen vermutlich in ausländischen Depotbanken gehalten werden.

Wie hat sich die Höhe der Offshore-Vermögen in den letzten Jahren entwickelt? Für 2021 schätzen wir die globalen Offshore-Vermögen auf ungefähr 14 Billionen US-Dollar. Nominal betrachtet sind die Offshore-Vermögen über die letzten 20 Jahre gestiegen, betrachten wir sie aber in Prozent der Wirtschaftsleistung, sehen wir, dass die globalen Offshore-Finanzvermögen in den letzten 20 Jahren ungefähr um zehn bis elf Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts schwanken. Das heißt, sie haben weder stark zugenommen, noch abgenommen.

Seit 2017 macht der automatische Informationsaustausch über Finanzkonten Steuerhinterziehung deutlich schwieriger. Inwieweit hat sich das auf die Höhe der Offshore-Vermögen ausgewirkt? Es gibt natürlich auch legale Gründe, Vermögen offshore zu halten, aber bis zum automatischen Informationsaustausch konnte man davon ausgehen, dass die Offshore-Vermögen den Steuerbehörden nicht bekannt waren und somit wahrscheinlich Steuerhinterziehung passiert ist. Jetzt kann man davon ausgehen, dass ein wachsender Teil dieser Offshore-Vermögen den Behörden bekannt sein müsste. Leider wissen wir darüber für Deutschland bisher recht wenig. Unsere Schätzungen für 2019 ergeben, dass die Deutschen ungefähr 400 Milliarden Euro Vermögen offshore halten. Die Behörden sagen, dass sie Informationen über Finanzkonten im Wert von 526 Milliarden aus dem Ausland erhalten haben. Die Frage ist, wie aussagekräftig diese Daten sind. Wie viele Unternehmenskonten sind da eigentlich drin? Sind es wirklich die Offshore-Vermögen, die wir suchen?

Aus welchen Ländern stammt das Offshore-Finanzvermögen? Der größte Teil gehört Anleger*innen in reichen OECD-Ländern, aber wir sehen über die letzten 20 Jahre, dass ein zunehmender Teil Menschen in Ländern mit mittleren bis niedrigen Einkommen gehört.

In welchen Ländern werden die Offshore-Vermögen vorwiegend verwaltet? In der Schweiz, früher das Epizentrum der Vermögensverwaltung, sind die dort gehaltenen Offshore-Vermögen schätzungsweise um etwa 17 Prozentpunkte zurückgegangen, während sie in den asiatischen Finanzzentren, vor allem in Hongkong und Singapur, stark gestiegen sind.

Was bedeuten Ihre Ergebnisse für künftige finanzpolitische Entscheidungen? Wir beobachten einen Rückgang der von Deutschen gehaltenen Offshore-Vermögen. Hier wäre es aber wünschenswert, dass die Behörden Ergebnisse vorlegen, wie erfolgreich der automatische Informationsaustausch für Deutschland war und welche Erkenntnisse sie daraus gewinnen konnten. Eine Frage ist auch, ob eventuell Finanzvermögen in den Immobiliensektor verschoben worden ist. Daher ist eine wichtige politische Forderung, dass Immobilien in den automatischen Informationsaustausch einbezogen werden müssen. Zudem sollten auch ärmere Länder, die noch nicht die institutionellen Bedingungen erfüllen, um die Daten für den automatischen Informationsaustausch zu erheben, trotzdem schon Zugang zu Daten aus den reicheren Ländern bekommen, damit Steuerhinterziehung auch dort effektiv bekämpft werden kann.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton von Sarah Godar
Offshore-Finanzvermögen: Steuerhinterziehung als Motiv hat an Bedeutung verloren - Interview mit Sarah Godar

Sarah Godar

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Makroökonomie

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