DIW Wochenbericht 48 / 2023, S. 680
Cornelia Kristen, Erich Wittenberg
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Frau Kristen, wie hat sich die Erwerbsbeteiligung von Geflüchteten in ihrem Beobachtungszeitraum entwickelt? Wir beobachten Geflüchtete, die zwischen 2013 und 2020 nach Deutschland gekommen sind, meist in den Jahren 2015 und 2016. In diesem Zeitraum ist die Anzahl derjenigen, die auf dem deutschen Arbeitsmarkt aktiv sind, kontinuierlich gestiegen. Die Zahlen liegen bei den Männern deutlich höher als bei den Frauen, die durch Familienverpflichtungen häufiger zu Hause bleiben. Bei den Männern waren im Jahr 2016 unter den Geflüchteten etwa 16 Prozent erwerbstätig. Vier Jahre später waren es dann schon 55 Prozent, also eine klare Zunahme.
Wie gelingt der Einstieg in den Arbeitsmarkt und welche Aufstiegsmöglichkeiten gibt es? Diejenigen, die gekommen sind, waren zu dem Zeitpunkt tendenziell relativ jung. Es gibt eine Gruppe von Geflüchteten, die sich zunächst weiterbildet, und es gibt eine Gruppe, die relativ lange darauf warten muss, bis der Aufenthaltsstatus und damit der Zugang zum Arbeitsmarkt geklärt ist. Das Gros der Geflüchteten, die in den Arbeitsmarkt eingetreten sind, begann in Hilfskrafttätigkeiten, manche gelangten auch in etwas höher platzierte Fachkrafttätigkeiten, aber noch nicht in die ganz hohen Positionen.
Welche Rolle spielen dabei die Bildung und die Sprachkenntnisse? Für die Positionierung auf dem Arbeitsmarkt spielen alle Arten der Qualifikation eine zentrale Rolle. Die im Herkunftsland erworbene Bildung ist wichtig und kann auf dem deutschen Arbeitsmarkt genutzt werden, aber für die Positionierung auf dem Arbeitsmarkt ist es noch wichtiger, welche Qualifikation in Deutschland zusätzlich erworben wurde. Die Sprachkenntnisse sind mindestens genauso wichtig. In den Daten sehen wir klar, dass sich jede zusätzliche Qualifikation im sprachlichen Bereich auf dem Arbeitsmarkt auszahlt. Mit jedem zusätzlichen Zertifikat steigt die berufliche Positionierung. Das zahlt sich aus beim Einstieg in den Arbeitsmarkt, aber auch bei den Aufstiegsmöglichkeiten.
Untersucht wurden auch die Unterschiede in der Aufteilung der unbezahlten Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern, also der sogenannte Gender Care Gap. Sie haben jetzt unterschiedliche Paarkonstellationen betrachtet. In welcher Konstellation ist der Gender Care Gap am größten und wo ist er am geringsten? Eigentlich geht es dabei um Erwerbskonstellationen. Das heißt, wir schauen zum Beispiel, ob der eine Partner erwerbstätig ist und der andere nicht oder ob beide erwerbstätig sind. Vor dem Hintergrund dieser Konstellationen haben wir die Aufteilung der unbezahlten Sorgearbeit, also zum Beispiel Hausarbeit und Kinderbetreuung, zwischen Paaren untersucht. In der Regel ist es so, dass die Frauen davon mehr übernehmen. Die wichtigste Größe, die zu einer ausgeglicheneren Aufteilung der unbezahlten Sorgearbeit führt, ist eine Erwerbstätigkeit der Frau. Sobald beide erwerbstätig sind, ist eine deutlich egalitärere Aufteilung der häuslichen Arbeit festzustellen. Interessanterweise ist das ein Muster, das wir in allen betrachteten Gruppen finden, also bei Personen der Mehrheitsbevölkerung genauso wie bei Geflüchteten.
Wie ließe sich die Situation geflüchteter Menschen auf dem deutschen Arbeitsmarkt verbessern? Mit Blick auf den Gender Care Gap muss man versuchen, die Frauen in den Arbeitsmarkt zu bringen, weil das zu einer ausgeglicheneren Aufteilung der häuslichen Arbeit beiträgt. Dafür ist natürlich die Kinderbetreuung wichtig. Was den Eintritt und die Aufstiegsmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt angeht, steht die Qualifizierung an vorderster Stelle. Das betrifft das Nachholen von Bildungsabschlüssen, das Erwerben zusätzlicher Qualifikationen und das Aufholen von Sprachdefiziten.
Themen: Verteilung, Verkehr, Migration, Gender, Familie, Bildung, Arbeit und Beschäftigung
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2023-48-4
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/280721