DIW Wochenbericht 49 / 2023, S. 694
Franziska Holz, Erich Wittenberg
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Frau Holz, das Land Berlin hat sich verpflichtet, bis 2045 klimaneutral zu werden. Die größte Baustelle ist dabei die Wärmeerzeugung. Worauf beruht die aktuelle Wärmeversorgung in Berlin? Zum einen ist in Berlin ein Großteil der Wohngebäude an die Fernwärme angeschlossen und zum anderen wird Wärme individuell in den Häusern erzeugt wie in vielen Gegenden Deutschlands. Beide hängen im Moment in sehr starkem Maße von Erdgas ab. Kohle wird zum Glück kaum noch verfeuert, aber noch immer heizen fast 20 Prozent in Berlin mit Heizöl für die individuelle Wärmeerzeugung.
Welche Maßnahmen hat Berlin konkret geplant, um in Zukunft klimaneutral zu heizen? Der Energieversorger Vattenfall hat sich verpflichtet, bis 2030 aus der Kohle auszusteigen, und das gelingt auch. Der andere große Versorger für Gas in Berlin, die Gasag, hat sich verpflichtet, bis 2045 nur noch klimaneutrale Gase zu verkaufen, also kein fossiles Erdgas mehr. Das ist jedoch noch kein kompletter Fahrplan für die Wärme.
Welche Rolle spielt Wasserstoff in diesen Planungen? Vattenfall hat einen sogenannten Dekarbonisierungsfahrplan vorgelegt und dieser sieht die Wasserstoffnutzung vor. Der Plan ist noch relativ vage in der Darstellung, aber man gewinnt den Eindruck, dass das Unternehmen einen Teil der heutigen, mit Erdgas betriebenen Heizwerke auf Wasserstoff umstellen möchte. Dafür bräuchte Vattenfall sehr große Mengen an Wasserstoff, die erst einmal erzeugt werden müssten, und das ist ausgesprochen ineffizient.
Sie haben verschiedene Modellszenarien untersucht. Was für Szenarien sind das und was lässt sich daraus ableiten? In Berlin gibt es noch eine gewisse Unsicherheit bezüglich der Verfügbarkeit von erneuerbaren Energien. Deswegen haben wir zum einen ein Szenario gerechnet, in dem wir von einem hohen Erneuerbare-Energien-Potenzial ausgehen, in dem von der Geothermie bis zur Abwasserabwärme ein breiter Rahmen an Technologien genutzt wird. Kontrastiert haben wir das mit einem Szenario mit einem niedrigeren Erneuerbare-Energien-Potenzial, in dem mehr Einschränkungen bestehen.
Zeichnet sich daraus ein Weg ab, den das Land Berlin gehen könnte, um in Zukunft klimaneutral zu heizen? Wir haben für beide Szenarien herausgefunden, dass weiterhin ein relativ großer Anteil der Wärmeversorgung über Fernwärme geleistet werden kann. Im Unterschied zu heute soll dabei vor allen Dingen die Wärmepumpe eine große Rolle spielen. Das gilt insbesondere im Szenario mit sehr hohem Erneuerbare-Energien-Potenzial. Wenn wir das geringere Erneuerbare-Energien-Potenzial ins Auge fassen, dann muss in der Fernwärmeerzeugung vielleicht auch ein kleinerer Anteil an Wasserstoff verbrannt werden, aber vor allen Dingen auch Strom direkt genutzt werden. Auch auf der dezentralen Wärmeerzeugungsseite würden Wärmepumpen in beiden Szenarien eine wichtige Rolle spielen. Die Verbrennung von Wasserstoff kann in der dezentralen Wärmeerzeugung keine wichtige Rolle spielen, weil Wasserstoff durch einen Umwandlungsprozess erzeugt wird, der noch einmal elektrische Energie kostet.
Welche konkreten Schritte müsste Berlin auf dem Weg zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung gehen? Berlin sollte eine integrierte Planung für Strom, aber auch für Gas und für die Entwicklung der Gasnetze sowie für die Wärme entwickeln. Ganz konkret: In den einzelnen Sektoren muss das Stromnetz ausgebaut werden. Es muss auch darüber nachgedacht werden, was mit den heutigen Erdgasnetzen passiert, denn wenn wir in Zukunft kein Erdgas nutzen, aber auch nicht auf Wasserstoff umstellen, dann muss irgendetwas mit diesen Netzen passieren.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2023-49-2
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/281002