DIW Wochenbericht 50 / 2023, S. 703-742
Timm Bönke, Geraldine Dany-Knedlik, Guido Baldi, Hella Engerer, Pia Hüttl, Konstantin A. Kholodilin, Frederik Kurcz, Theresa Neef, Laura Pagenhardt, Werner Roeger, Marie Rullière, Jan-Christopher Scherer, Teresa Schildmann, Ruben Staffa, Kristin Trautmann
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„Die Inflation ist zuletzt deutlicher zurückgegangen als wir noch Anfang und Mitte dieses Jahres erwartet haben. Wir werden 2024 ein noch etwas erhöhtes Inflationsniveau haben, uns dann aber relativ schnell zu dem Zwei-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank bewegen.“ Timm Bönke
Die Erholung der deutschen Wirtschaft wird zur Geduldsprobe. Im dritten Quartal dieses Jahres lief es schlechter als erwartet – vor allem, weil die privaten Haushalte trotz steigender Löhne und sinkender Inflation ihr Geld nach wie vor nur zurückhaltend ausgeben. Der private Konsum und auch die Wirtschaftsleistung insgesamt gingen sogar zurück. Und nun folgt die nächste Bewährungsprobe: Das Bundesverfassungsgericht hat im November ein für den Bundeshaushalt und damit auch die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland folgenreiches Urteil gefällt. Es erklärte die Verschiebung von nicht genutzten Corona-Nothilfen in den Klima- und Transformationsfonds (KTF) für verfassungswidrig.
Für diese Prognose wird unterstellt, dass vor allem bei Investitionen Mittel wegfallen werden und der Umfang der nötigen Einsparungen bei jeweils rund 19 Milliarden Euro in den Jahren 2024 und 2025 liegt, bei elf Milliarden Euro im Jahr 2026 und bei drei Milliarden Euro im Jahr 2027. Und: Die Hängepartie um die Neuaufstellung des Etats sorgt für erhebliche Verunsicherung. Die hier unterstellten Kürzungsannahmen wurden vor der Einigung am 13. Dezember getroffen, entsprechen aber in Struktur und Größenordnung den Konsolidierungsvorschlägen der Koalitionsspitzen. Für dieses Jahr hat die Bundesregierung per Notlagenbeschluss rasch erneut die Schuldenbremse ausgesetzt. Mit Blick auf den Bundeshaushalt 2024 hat sie sich vor allem auf Kürzungen bei Subventionsprogrammen und Unternehmenskompensationen in Höhe von rund zwölf Milliarden Euro aus dem KTF geeinigt, auf eine leichte CO2-Preisanhebung von fünf Euro und auf den Erhalt der EEG-Umlage und des Heizungsprogramms im Rahmen des Gebäudeenergiegesetzes. Weitere 17 Milliarden Euro sollen durch Kürzungen im Kernhaushalt erwirtschaftet werden.
Für dieses Jahr prognostiziert das DIW Berlin einen Rückgang der Wirtschaftsleistung von 0,3 Prozent. In den kommenden beiden Jahren dürfte die deutsche Wirtschaft zwar um 0,6 beziehungsweise 1,0 Prozent wachsen. Damit wird es der DIW-Prognose zufolge aber deutlich langsamer bergauf gehen als noch im Herbst erwartet. Der Wegfall öffentlicher Gelder und die Unsicherheit infolge des Verfassungsgerichtsurteils werden das Wachstum allein 2024 um 0,3 Prozentpunkte schmälern. Insgesamt wurde die Prognose sogar um 0,6 Prozentpunkte herabgesetzt, da neben dem Urteil und dessen Folgen für die Investitionstätigkeit der private Verbrauch nur schwer in die Gänge kommt.
Die Weltwirtschaft zeigt sich weiterhin robust. Die fortgeschrittenen Volkswirtschaften haben zuletzt ebenso solide zugelegt wie die Schwellenländer. Von diesen schwächelt lediglich China. Im Euroraum und im Vereinigten Königreich ist die Wirtschaftsleistung noch schwach. Dort werden aber die rückläufigen Inflationsraten zunehmend die Reallöhne stärken, was ab kommendem Jahr die Kaufkraft stützen dürfte. Aufgrund der graduellen Erholung in Europa, einer allmählich anziehenden Konjunktur in China und einer sich abkühlenden Wirtschaft in den USA fällt das weltwirtschaftliche Wachstum im kommenden Jahr mit 3,7 Prozent etwas geringer aus.
Die Weltwirtschaft hat sich im Jahresverlauf 2023 überraschend robust gezeigt, insbesondere die Wirtschaft in den USA und Japan. Während zum Jahresauftakt noch die hohe Inflation die Nachfrage belastete, sind die Zentralbanken der meisten fortgeschrittenen Volkswirtschaften nun am Ende ihrer Zinsanhebungen angekommen. Die rückläufigen Inflationsraten stärken die Reallöhne, was ab kommendem Jahr die Kaufkraft stützen dürfte. Die Schwellenländer legen zu, nur China schwächelt.
Die Weltwirtschaft wuchs im dritten Quartal 2023 um 0,9 Prozent und damit etwas stärker als im zweiten Quartal (0,8 Prozent). Die fortgeschrittenen Volkswirtschaften haben ebenso solide zugelegt wie die Schwellenländer (Abbildung 1). Die US-Wirtschaft wuchs mit 1,3 Prozent überaus kräftig. Die Verbraucher*innen dort haben ihren Konsum überraschend deutlich ausgeweitet, wohl auch wegen noch vorhandener Überschussersparnisse und stetig zurückgehender Inflationsraten. Die Wirtschaftsleistung in den europäischen Ländern blieb hingegen im dritten Quartal schwach. So schrumpfte die Wirtschaft im Euroraum minimal um 0,1 Prozent, wobei sich Spanien mit einem zwar verlangsamten, aber immer noch relativ starken Wachstum (0,3 Prozent) von den anderen großen Mitgliedsländern abhob. Im Vereinigten Königreich stagnierte das Bruttoinlandsprodukt (BIP). In Japan schrumpfte es aufgrund einer rückläufigen Binnennachfrage um 0,5 Prozent, nachdem die Wirtschaft dort im ersten Halbjahr dank eines deutlichen Export- und Tourismuswachstums noch kräftig zugelegt hatte.
In China wuchs die Wirtschaft mit 1,3 Prozent zwar kräftiger als im zweiten Quartal (0,5 Prozent). Dort wird die Konjunktur aber weiterhin durch die schwelenden Probleme im Immobiliensektor belastet. Recht robust hat das Bruttoinlandsprodukt im dritten Quartal in anderen großen Schwellenländern wie Indien und Mexiko zugelegt. In Brasilien deutet sich hingegen eine zumindest vorübergehende Abkühlung der Konjunktur an, nachdem im ersten Halbjahr noch starke Ernten und Ausfuhren das Wachstum trieben. Auch das Bruttoinlandsprodukt der EU-Länder Mittel- und Südosteuropas (MOE) wuchs robust (Tabelle 1).
In Prozent
Bruttoinlandsprodukt | Verbraucherpreise | Arbeitslosenquote in Prozent | ||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent | ||||||||||||
2022 | 2023 | 2024 | 2025 | 2022 | 2023 | 2024 | 2025 | 2022 | 2023 | 2024 | 2025 | |
Europa | ||||||||||||
Europäische Union | 3,5 | 0,5 | 1,2 | 1,7 | 9,2 | 6,4 | 3,2 | 2,4 | 6,1 | 6,0 | 6,1 | 5,9 |
Euroraum | 3,4 | 0,5 | 0,9 | 1,4 | 8,4 | 5,4 | 2,8 | 2,1 | 6,7 | 6,5 | 6,5 | 6,4 |
ohne Deutschland | 3,9 | 1,1 | 1,1 | 1,5 | 8,0 | 5,2 | 3,1 | 2,1 | 8,5 | 8,2 | 8,2 | 8,0 |
Frankreich | 2,5 | 0,9 | 1,2 | 1,4 | 5,9 | 5,6 | 2,9 | 2,0 | 7,3 | 7,3 | 7,4 | 7,3 |
Italien | 3,9 | 0,7 | 0,6 | 1,0 | 8,7 | 6,1 | 2,9 | 2,2 | 8,1 | 7,7 | 7,7 | 7,7 |
Spanien | 5,8 | 2,4 | 1,6 | 2,0 | 8,3 | 3,5 | 3,7 | 1,9 | 12,9 | 12,1 | 11,5 | 11,1 |
Niederlande | 4,4 | 0,2 | 1,1 | 1,9 | 11,6 | 4,3 | 3,4 | 2,4 | 3,5 | 3,6 | 3,9 | 3,8 |
Vereinigtes Königreich | 4,3 | 0,5 | 0,7 | 1,4 | 9,1 | 7,3 | 2,9 | 2,2 | 3,7 | 4,1 | 4,6 | 4,8 |
Schweiz | 2,7 | 0,8 | 1,5 | 1,9 | 2,8 | 2,2 | 1,3 | 1,2 | 4,3 | 4,1 | 4,4 | 4,4 |
Mittel- und Südosteuropa (MOE) | 4,8 | 0,6 | 2,7 | 3,3 | 13,5 | 11,9 | 5,1 | 3,5 | 3,5 | 3,5 | 3,4 | 3,2 |
Türkei | 5,3 | 3,3 | 3,3 | 3,2 | 72,3 | 52,7 | 47,9 | 39,0 | 10,5 | 9,5 | 9,5 | 10,0 |
Russland1 | −1,3 | 1,8 | 1,0 | 1,4 | 13,8 | 5,7 | 6,0 | 4,6 | 3,9 | 3,2 | 3,2 | 3,2 |
Amerika | ||||||||||||
USA | 1,9 | 2,5 | 1,6 | 1,7 | 8,0 | 4,1 | 2,0 | 1,8 | 3,6 | 3,7 | 4,1 | 4,0 |
Mexiko | 3,9 | 3,1 | 1,7 | 2,2 | 7,9 | 5,4 | 3,2 | 2,8 | 3,3 | 2,9 | 3,4 | 3,6 |
Brasilien | 3,1 | 3,1 | 1,6 | 2,1 | 9,3 | 4,6 | 3,4 | 2,9 | 9,5 | 8,3 | 10,6 | 14,8 |
Asien | ||||||||||||
Japan | 0,9 | 1,7 | 1,2 | 1,1 | 2,5 | 3,0 | 1,9 | 1,4 | 2,6 | 2,6 | 2,6 | 2,5 |
Südkorea | 2,6 | 1,3 | 2,2 | 2,4 | 5,1 | 3,5 | 2,3 | 2,0 | 2,9 | 2,8 | 3,2 | 3,2 |
China | 3,0 | 5,3 | 4,7 | 4,5 | 2,0 | 0,5 | 1,6 | 2,1 | 5,6 | 5,2 | 5,1 | 5,1 |
Indien | 6,6 | 6,8 | 6,1 | 6,3 | 6,7 | 5,9 | 5,6 | 4,1 | 7,6 | 7,6 | 7,2 | 7,4 |
Total | ||||||||||||
Fortgeschrittene Volkswirtschaften | 2,4 | 1,5 | 1,1 | 1,4 | 7,4 | 4,6 | 2,1 | 1,7 | 4,4 | 4,4 | 4,6 | 4,5 |
Schwellenländer | 3,8 | 5,0 | 4,6 | 4,6 | 9,1 | 5,0 | 4,0 | 4,1 | 6,3 | 6,0 | 6,0 | 6,4 |
Welt | 3,4 | 4,1 | 3,7 | 3,9 | 9,1 | 5,5 | 4,3 | 4,3 | 5,9 | 5,6 | 5,7 | 6,0 |
Nachrichtlich: | ||||||||||||
Exportgewichtet2 | 2,6 | 2,1 | 1,7 | 2,0 | ||||||||
BIP in US−Dollar gewichtet3 | 3,5 | 3,0 | 3,1 | 3,3 |
1 Die für Russland prognostizierten Daten sind mit großen Unsicherheiten behaftet. Russland hat nur geringes Gewicht in der Gesamtprognose.
2 Gewichtung der Welt mit den Anteilen an der deutschen Ausfuhr über das Jahr 2022.
3 Gewichtung der Welt mit dem Bruttoinlandsprodukt in US-Dollar über 2022–2025.
Anmerkung: Die schwarzen Zahlen sind abgerechnete Zahlen. Die Werte der Ländergruppen sind ein gewichteter Durchschnitt, wobei für die Gewichtung des BIP und der Verbraucherpreise das jeweilige Bruttoinlandsprodukt in Kaufkraftparitäten aus dem IMF World Economic Outlook für die Jahre 2022–2025 verwendet wird. Für die Gewichtung der Arbeitslosenzahlen in den Ländergruppen wird die Erwerbsbevölkerung (15–64 Jahre) des jeweiligen Landes für das Jahr 2022 verwendet. MOE besteht aus Polen, Rumänien, Tschechien und Ungarn.
Quellen: Nationale statistische Ämter; DIW-Konjunkturprognose Winter 2023.
In den vergangenen Monaten haben sich in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften die Industrieproduktion und die Einzelhandelsumsätze meist nur verhalten entwickelt. Die Einkaufsmanagerindizes für die Industrie verharrten zuletzt vielerorts unter oder knapp an der Expansionsschwelle von 50, wobei die Werte im Euroraum und im Vereinigten Königreich niedriger sind als in den anderen fortgeschrittenen Volkswirtschaften. Etwas günstiger sind die Aussichten für die Dienstleistungen. Die abnehmenden Inflationsraten dürften die Reallöhne stützen und damit dem Konsum der privaten Haushalte leichten Auftrieb verleihen.
Im laufenden vierten Quartal belasten die vielerorts restriktive Geldpolitik und die schleppende Auslandsnachfrage weiterhin die Wirtschaft in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften: In den Vereinigten Staaten dürfte sich das Wachstum nach den zwei starken letzten Quartalen mit 0,4 Prozent deutlich verlangsamen. Im Euroraum und dem Vereinigten Königreich ist vorerst mit jeweils 0,1 Prozent wohl kein nennenswerter Aufschwung in Sicht. Japans Wirtschaft dürfte auch nur noch moderat um 0,2 Prozent wachsen.
Die meisten Schwellenländer werden im Schlussquartal wohl weiter zulegen, nur in China dürfte mit 0,2 Prozent das Jahr schwach ausklingen. Hoffnung für 2024 machen fiskalpolitische Maßnahmen, die China im Oktober ergriffen hat. Damit könnte die binnenwirtschaftliche Talsohle durchschritten sein. Die indische Wirtschaft zeigt sich bislang aufgrund einer starken Binnennachfrage recht robust; die mexikanische Wirtschaft profitiert von Bestrebungen amerikanischer Unternehmen, ihre Produktion und den Bezug von Vorleistungen von China weg zu verlagern.
Der Welthandel hat sich im laufenden Jahr schwach entwickelt. Er fiel im zweiten Quartal um 0,2 und im dritten Quartal um 1,0 Prozent im Vergleich zum jeweiligen Vorquartal. Die nur moderat wachsende Weltwirtschaft und geopolitische Konflikte dürften dazu führen, dass der globale Handel im Prognosezeitraum nur leicht zulegen wird. Die Liefersituation ist vielerorts entspannter als vor der Pandemie. Das dürfte auch zu geringeren Importpreisen für nicht energetische Güter führen und somit die rückläufige Inflation unterstützen (Abbildung 2).
Die meisten Zentralbanken der fortgeschrittenen Volkswirtschaften dürften nun mit ihren Zinsanhebungen am Ende angekommen sein (Kasten 1). Die Inflationsraten waren in den vergangenen Monaten vielerorts stark rückläufig. Auch die Kerninflationsraten geben inzwischen nach. Die Geldpolitik bleibt jedoch in vielen fortgeschrittenen Volkswirtschaften – mit Ausnahme Japans – noch restriktiv. Im Jahresdurchschnitt 2023 wird die Teuerung in den meisten fortgeschrittenen Volkswirtschaften immer noch deutlich über den Zielwerten der jeweiligen Notenbanken liegen. Im Jahr 2024 dürfte sich die Inflation den angestrebten Raten aber immer mehr annähern. Ab dem Frühsommer 2024 ist zunächst in den USA und später im Euroraum mit ersten Senkungen der Leitzinsen zu rechnen. In Japan gab es jüngst eine Serie von Ankündigungen, denen zufolge die Geldpolitik langsam von ihrer sehr lockeren Ausrichtung abrückt. Die Kluft zwischen den Niedrigzinsen in Japan und den sehr hohen Zinsen der Zentralbanken anderer fortgeschrittener Volkswirtschaften hat den Yen seit 2020 gegenüber anderen wichtigen Währungen etwa 25 Prozent an Wert verlieren lassen (Abbildung 3).
Dieser Prognose liegen die folgenden Annahmen über den weiteren Verlauf von Leitzinsen, Wechselkursen und Rohstoffpreisen zugrunde (Tabelle). Sie wurden auf Basis der bisherigen Entwicklung, der Preise an den Terminmärkten sowie der Schlussstände zum Stichtag dieser Prognose am 13. November 2023 getroffen.
2022 | 2023 | 2024 | 2025 | ||
---|---|---|---|---|---|
EZB-Leitzins (Jahresende) | Prozent | 2,5 | 4,5 | 3,75 | 2,75 |
Geldmarktzins | EURIBOR-Dreimonatsgeld in Prozent | 0,3 | 3,4 | 3,5 | 2,9 |
Kapitalmarktzins | Rendite für Staatsanleihen im Euroraum mit zehnjähriger Restlaufzeit | 2,0 | 3,3 | 3,4 | 3,3 |
Kapitalmarktzins | Rendite für Staatsanleihen in Deutschland mit zehnjähriger Restlaufzeit | 1,8 | 2,5 | 2,5 | 2,5 |
Wechselkurs | US-Dollar/Euro | 1,05 | 1,07 | 1,06 | 1,06 |
Erdölpreis | US-Dollar/Barrel | 98,6 | 83,1 | 80,5 | 76,7 |
Gaspreis | Euro/MWh | 133,9 | 42,8 | 48,2 | 44,3 |
Anmerkung: Jahresdurchschnittswerte, sofern nicht anders angegeben.
Quellen: Europäische Zentralbank; European Money Markets Institute (EMMI); Eurex Exchange; Deutsche Bundesbank; Federal Reserve; Energy Information Administration (EIA); Intercontinental Exchange (ICE); CME Group; DIW-Konjunkturprognose Winter 2023.
Die Europäische Zentralbank (EZB) setzte Ende Oktober nach zehn Zinserhöhungen das erste Mal eine weitere Erhöhung aus und hält den Hauptrefinanzierungssatz somit konstant auf 4,5 Prozent. Im Jahresverlauf verlor die Inflation an Dynamik. Die EZB dürfte somit den Höhepunkt der Zinssteigerungen erreicht haben. Es ist damit zu rechnen, dass die EZB als Reaktion auf rückläufige Verbraucherpreise im zweiten Quartal 2024 eine Zinswende einleiten wird.
Im Einklang mit den Leitzinsen wird mit keinem weiteren Anstieg der Geldmarktzinsen gerechnet. Ab 2024 und über den weiteren Prognosezeitraum dürften sie leicht sinken. Auch die Finanzierungsbedingungen sind im Zuge der strafferen Geldpolitik restriktiver geworden. Die Renditen für Staatsanleihen sind in Folge der Leitzinserhöhungen der EZB im vergangenen Jahr stark gestiegen. Es wird angenommen, dass die Kapitalmarktzinsen über den Prognosehorizont weitestgehend unverändert bleiben. Der Euro hat gegenüber dem US-Dollar zuletzt abgewertet. Für den Prognosezeitraum wird angenommen, dass der Wechselkurs des Euro gegenüber dem US-Dollar auf dem zum Datenschluss erreichten Niveau von 1,06 Dollar pro Euro verbleibt.
Der Preis für Brent-Rohöl wird laut Futures in den kommenden Monaten leicht steigen, bevor er ab dem kommenden Jahr und bis zum Ende des Prognosezeitraums wieder sinken wird. In diesem Jahr dürfte der Preis im Durchschnitt bei 83 US-Dollar pro Barrel liegen, bevor er von einem Durchschnittspreis von 81 US-Dollar im Jahr 2024 auf einen Durchschnittspreis von 77 US-Dollar im Jahr 2025 sinkt. Die Großhandelspreise für Gas (TTF) haben ihre Höchststände vom Sommer 2022 ebenfalls überwunden und verbleiben auf einem niedrigeren Niveau. Für das laufende Jahr ist mit einem leichteren Preisanstieg im letzten Quartal zu rechnen. Auch für das Jahr 2024 wird eine leichte Erhöhung der Gaspreise angenommen, die aber im Jahr 2025 wieder leicht absinken dürften. Der durchschnittliche Gaspreis dürfte im Jahr 2023 bei 43 Euro je Megawattstunde liegen. In den Jahren 2024 und 2025 wird jeweils mit einem Preis von 48 Euro und 44 Euro je Megawattstunde gerechnet. Vor allem die Ölpreise unterliegen stärkeren Risiken. So könnte eine Ausweitung des Kriegs zwischen Israel und der Hamas die Preise stark erhöhen. Auch der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine birgt weiterhin erhöhte politische und wirtschaftliche Risiken. Dieser Prognose liegt die Annahme zugrunde, dass der Krieg zwischen der Ukraine und Russland im Prognosezeitraum andauern wird und die westlichen Sanktionen gegen Russland bestehen bleiben. Insgesamt wird davon ausgegangen, dass die Zahl der Geflüchteten auf dem aktuellen Niveau verbleibt.
In vielen Schwellenländern ist die Geldpolitik nicht mehr restriktiv ausgerichtet. In Brasilien wurden die Zinsen angesichts einer dort schwächelnden Konjunktur seit Anfang August sogar schon drei Mal gesenkt. In China ist kein Preisdruck festzustellen; dort dämpfen die Probleme im Immobiliensektor die Kauflaune der Menschen und so auch die Teuerung. Die weltweiten Aktienmärkte zeigten 2023 einen überraschend robusten Verlauf. Der S&P 500 in den USA verbuchte seit Januar ein Plus von fast 19 Prozent, der EuroStoxx 50 legte zwölf Prozent zu (Abbildung 2).
Von der Finanzpolitik kommen im Prognosezeitraum einige Impulse: Japans Regierung hat Anfang November ein umgerechnet 103 Milliarden Euro (drei Prozent des BIP) schweres Konjunkturprogramm auf den Weg gebracht, um die Belastung der Haushalte durch die hohe Inflation abzumildern. Auch das Vereinigte Königreich hat im Herbst weitere fiskalpolitische Maßnahmen beschlossen. In anderen fortgeschrittenen Volkswirtschaften gehen Impulse eher von mittelfristig ausgerichteten Investitionspaketen aus.
In den meisten Schwellenländern sind vor dem Hintergrund noch hoher Zinsen und eines robusten Wachstums keine umfangreichen Fiskalpakete zu erwarten. Eine Ausnahme dürfte China darstellen: Angesichts der schwächelnden Wirtschaft hat die chinesische Zentralregierung im Oktober einen Plan zur Ausgabe von Staatsanleihen in Höhe von umgerechnet 128 Milliarden Euro (0,8 Prozent des BIP) bis Ende des Jahres angekündigt.
Mit der erwarteten Zinswende im Frühsommer 2024 in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften und den finanzpolitischen Impulsen in China und Japan wird die Weltwirtschaft im kommenden Jahr wohl solide wachsen (Tabelle 1). Auch dürfte der deutliche Rückgang der Gesamtinflation dazu führen, dass die Reallöhne im Euroraum ab 2024 wieder stärker steigen und die Kaufkraft ankurbeln (Abbildung 4). Sinkende Zinsen werden wohl im zweiten Halbjahr 2024 den Wohnungsbau und die Unternehmensinvestitionen zusätzlich fördern. Im Jahr 2025 dürften sich die meisten Volkswirtschaften dann angesichts rückläufiger Inflationsraten weiter deutlich erholen, die Schwellenländer voraussichtlich meist besser als die fortgeschrittenen Volkswirtschaften. In China bleiben die Aussichten allerdings weiterhin verhalten (Kasten 2).
Die Insolvenz eines großen chinesischen Bauträgers dieses Jahr deckte endgültig die Probleme im chinesischen Immobilienmarkt auf. Diese Krise trifft nicht nur die privaten Haushalte und die lokalen Verwaltungen in China schwer, sondern könnte auch die Weltwirtschaft längerfristig belasten.
Im Vergleich zu den fortgeschrittenen Volkswirtschaften ist die Verschuldung der chinesischen Haushalte zwar immer noch niedrig. Die Wachstumsrate stieg jedoch in den vergangenen 15 Jahren von zehn Prozent auf beeindruckende 61 Prozent des BIP (Abbildung 1). Dabei machen Hypotheken den größten Teil dieser Verschuldung aus, wobei der Eigenkapitalanteil bei Immobilienkäufen hoch ist. Gleichzeitig sind in China Immobilien zum wichtigsten Vermögensbestandteil geworden. Der Anteil des Wohneigentums im Vermögen chinesischer Haushalte liegt bei 80 Prozent im Jahr 2023. Nach Angaben der chinesischen Zentralbank hat im Jahr 2020 die urbane Eigenheimquote 96 Prozent erreicht.Liao Shumin (2020): China Is Likely First Country to Reach 96 % Urban Home Ownership, PBOC Says. Yicai Global vom 27. April (online verfügbar).
Die Verschuldung privater Haushalte ging somit Hand in Hand mit dem jahrelangen Immobilienboom, der den Immobiliensektor zu einem der wichtigsten Treiber der hohen Wachstumsraten in China machte. Im Jahr 2023 trug der Immobiliensektor rund 25 Prozent zur chinesischen Wertschöpfung bei.Kenneth Rogoff und Yuanchen Yang (2021): Has China’s Housing Production Peaked? China and the World Economy 21 (1), 1-31 (online verfügbar).
Auch lokale chinesische Behörden profitierten von diesem Bauboom, da Immobilien zu einer wichtigen Steuereinnahmenquelle wurden, und von den steigenden Immobilienpreisen, vor allem in den Großstädten. Die lokalen Regierungen erheben Einnahmen aus Grund und Boden über zwei Kanäle: über den Verkauf von Landnutzungsrechten an Bauträger und über Grund- und Immobiliensteuern. Laut einer aktuellen Studie tragen Immobilien zu fast der Hälfte der lokalen Einnahmen bei.Sheng Zhongming (2023): Fiscal Revenue and Government Financing under the Sustainable Development of the Real Estate Market”, China Finance 40 Forum (online verfügbar).
Die derzeitige Krise im Immobiliensektor begann im Jahr 2020, als die chinesische Regierung restriktive Maßnahmen für die Finanzierung von Bauträgern beschloss. Das Ziel war es, einerseits die hoch verschuldeten Immobilienentwickler zu zwingen, ihre Schulden abzubauen. Zum anderen sollten die Banken ihre Kreditvergabe im Immobiliensektor reduzieren.Für eine weitere Analyse siehe Tianlei Huang (2023): Why China's housing policies have failed. Peterson Institute for International Economics. Working Papers Nr. 5 (online verfügbar).
Weitere scharfe Corona-Lockdowns ohne nennenswerte fiskalische Unterstützung privater Haushalte schmälerten auf der einen Seite die privaten Ersparnisse und reduzierten die Nachfrage nach Wohnungen. Auf der anderen Seite brachten die Finanzreformen die Bauträger in Zahlungsschwierigkeiten. Als einer der größten Bauträger dieses Jahr in Konkurs ging, hat dies das Vertrauen in die Branche endgültig erschüttert.
Preise für neue und bestehende Wohnungen fallen seit Anfang 2023 laut einer Stichprobe von 70 chinesischen Städten (Abbildung 2). Dies bestätigt den breit angelegten Vertrauensverlust: Private Haushalte scheuen das Risiko, im angeschlagenen Immobiliensektor zu investieren. Sie sparen lieber, als ihr Geld in Immobilien anzulegen.Für eine weitere Analyse der wirtschaftlichen Schocks auf chinesische Haushalte vgl. Jeff Dawson (2023): Why Are China’s Households in the Doldrums? Liberty Street Economics vom 27. September (online verfügbar).
Die Zentralregierung reagierte darauf vor kurzem mit einem substanziellen Fiskalpaket, mit dem die Provinzregierungen in diesem Jahr auch weitere Anleihen ausgeben dürfen, um ihre Schulden zu begleichen. Dies löst zwar vorübergehend das Schuldenproblem der lokalen Regierungen, aber gleichzeitig schmälert die Immobilienkrise weiterhin die Einnahmen aus Grundstücksverkäufen und Steuern. Laut einer aktuellen Studie, die die Auswirkungen eines dauerhaft niedrigeren Aktivitätsniveaus im Immobiliensektor untersucht hat, werden die Einnahmen des öffentlichen Sektors um bis zu drei Prozent des BIP niedriger ausfallen.Sheng Zhongming (2023), a.a.O.
Da die Immobilien überwiegend Eigenheime mit hohem Eigenkapitalanteil sind, stellen fallende Immobilienpreise – anders als zum Beispiel in den USA oder Spanien – zunächst kein größeres Risiko für die Finanzstabilität dar. Da aber der Immobiliensektor sehr viel zur Wertschöpfung beiträgt, können Einkommensverluste in dieser Branche das chinesische Wachstum belasten. Zudem können regionale Verwaltungen in weitere Finanzierungsschwierigkeiten kommen.
Im Jahresdurchschnitt 2023 wird das Wachstum in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften – trotz einer mageren Entwicklung im Euroraum und im Vereinigtem Königsreich – um solide 1,5 Prozent zulegen. In den Schwellenländern wird sich die Wirtschaftsleistung wohl um 5,0 Prozent erhöhen. Alles in allem dürfte die Weltwirtschaft 2023 um 4,1 Prozent wachsen. Damit bleibt die Winterprognose des DIW Berlin mit einer Abweichung von 0,2 Prozentpunkten nahe an der Herbstprognose. In den Jahren 2024 und 2025 dürfte die Weltwirtschaft jeweils um 3,7 und 3,9 Prozent zulegen, je 0,2 Prozentpunkte weniger als in der Herbstprognose.
Dieser Prognose liegen mehrere Unsicherheitsfaktoren zugrunde, die zumeist abwärts gerichtete Risiken für die Weltwirtschaft darstellen. Ein Risikofaktor ist die Entwicklung in China. Falls sich der Immobilienmarkt dort weiter verschlechtert und die staatlichen Maßnahmen nicht ausreichen, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, könnte dies über den Prognosehorizont stärker als angenommen auf die chinesische Binnennachfrage durchschlagen. Dies würde auch die Weltwirtschaft beeinträchtigen.
Auch die geopolitischen Risiken sind deutlich erhöht. Der Krieg zwischen Israel und der Hamas könnte sich auf andere Länder in der Region ausweiten. Die relevanten Akteure im Nahen Osten haben zwar durchblicken lassen, dass sie keine Eskalation anstreben. Doch unvorhergesehene Ereignisse könnten die Energiepreise steigen lassen. Ein weiterer geopolitischer Risikofaktor ist der Krieg in der Ukraine, wo sich ein Ende nicht abzeichnet. Eine Ausweitung des Handelskonflikts zwischen China und den USA sowie die schwere Dürre, die die Durchfahrt durch den Panamakanal derzeit sehr teuer macht, könnten den Welthandel stärker belasten als angenommen. Auch länger erhöhte Inflationsraten stellen ein Risiko dar. Dies würde auch die Zinsen länger auf einem hohen Niveau belassen, was die Tragfähigkeit der öffentlichen Schulden in Frage stellen könnte und für eine etwas restriktivere Fiskalpolitik in der Zukunft sprechen würde.
Die Wirtschaft im Euroraum tritt derzeit weiter auf der Stelle. Nachdem das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal 2023 leicht um 0,1 Prozent zugelegt hatte, ist es im dritten Quartal gegenüber dem Vorquartal um 0,1 Prozent gesunken. Dabei schlug vor allem das leicht negative Wirtschaftswachstum Deutschlands und Frankreichs zu Buche.
Eine rückläufige, aber weiterhin hohe Inflation, eine schwache Auslandsnachfrage und restriktive geldpolitische und finanzielle Bedingungen belasteten im dritten Quartal die Konjunktur im Euroraum weiterhin. Dennoch trugen Spanien und in geringerem Umfang Italien dank einer robusten Binnennachfrage positiv zur Expansion des Euroraums bei. Das Wirtschaftswachstum in Frankreich zeigte zwar ebenfalls einen positiven Beitrag der Binnennachfrage, wurde jedoch durch negative Beiträge des Außenhandels und der Vorratsveränderungen gedämpft. Die niederländische Wirtschaft schrumpfte aufgrund eines deutlichen Rückgangs der Investitionstätigkeit auch im dritten Quartal. Deutschland trug vor allem aufgrund des schwachen privaten Konsums negativ zum Wachstum des Euroraums bei.
Im laufenden Quartal dürfte sich die konjunkturelle Stagnation im Euroraum weiter fortsetzen. Nach einer rückläufigen Entwicklung im Spätsommer erholte sich zwar das Konsumentenvertrauen im November, verblieb aber auf niedrigem Niveau. Die wichtigen Einkaufsmanagerindizes für die Industrie und für Dienstleistungen scheinen ihre Talsohlen hinter sich zu lassen und legten im November leicht zu. Sie liegen aber immer noch unter der Expansionsschwelle von 50 (Abbildung 5). Positiv stimmen weiterhin der sehr resiliente Arbeitsmarkt und das Beschäftigungswachstum, auch wenn der Beschäftigungsindikator der Europäischen Kommission erste Anzeichen einer Abkühlung zeigt. Die Industrieproduktion verlangsamt ihre Talfahrt und wird wohl erst im Frühjahr 2024 wieder zulegen.
Nach einer Stagnation im vierten Quartal dürfte die Wirtschaft im Euroraum dank deutlich steigender Kaufkraft der privaten Haushalte und etwas stärkerer Investitionstätigkeit im kommenden Jahr wieder zulegen. Maßgebliche Impulse aus der Weltwirtschaft für den Außenbeitrag werden wohl vorerst ausbleiben. Im Jahr 2025 dürfte das Wachstum leicht über dem Potenzialwachstum liegen.
Die Wiederbelebung des privaten Konsums wird voraussichtlich über den Prognosezeitraum der Haupttreiber der wirtschaftlichen Erholung im Euroraum sein. Steigende Reallohnzuwächse werden wohl den Kaufkraftverlust der vergangenen Jahre zunehmend ausgleichen. Dies dürfte dem privaten Konsum Schwung verleihen. Auch die Arbeitsmärkte sind weiterhin robust. Die Beschäftigung wuchs im Euroraum im dritten Quartal 2023 weiter (0,2 Prozent), während die Arbeitslosenquote im Oktober 2023 bei 6,5 Prozent lag und damit stabil auf ihrem Tiefststand blieb. In einigen Ländern (Italien, Spanien) stieg die Arbeitslosenquote zuletzt leicht. Über den Prognosehorizont dürften die Arbeitsmärkte widerstandsfähig bleiben. Die derzeitige Nachfrageschwäche dürfte jedoch in den kommenden Quartalen den Beschäftigungsaufbau verlangsamen und die Arbeitslosigkeit erhöhen, was den Druck auf die Arbeitsmärkte etwas verringern wird. Die Erholung des privaten Verbrauchs und der Auslandsnachfrage dürfte die Beschäftigung im Laufe des Jahres 2024 wieder ankurbeln. Daher wird die Arbeitslosenquote voraussichtlich 2023 bei 6,5 Prozent liegen und in den kommenden beiden Jahren auf diesem Niveau verharren.
Dank stark nachlassender Energie- und Lebensmittelpreise geht die Gesamtinflation weiter zurück. Nach noch moderaten Rückgängen im Spätsommer fiel sie im Euroraum im November 2023 nach einer ersten Schätzung auf 2,4 Prozent und damit auf den niedrigsten Stand seit zwei Jahren. Die Teuerungsraten in den einzelnen Mitgliedsländern unterscheiden sich aber deutlich: Während die Inflation in Italien im Oktober und November stark zurückging und in den Niederlanden im September und Oktober sogar negativ war, stieg sie in Spanien sogar wieder. Nur im November verzeichnete die spanische Teuerungsrate einen leichten Rückgang. Diese Rückgänge sind vor allem auf starke Basiseffekte zurückzuführen, die Anfang 2024 die Gesamtinflation steigen lassen dürften, bevor sie allmählich wieder zurückgeht. Auch die Kerninflation – also die Verbraucherpreisinflation ohne Energie und Lebensmittel – ist in den meisten großen Mitgliedsländern seit dem Frühjahr gesunken. Die besonders hartnäckige Teuerung im Dienstleistungssektor wird jedoch nur leicht abnehmen. Die Gesamtinflation dürfte im Jahresdurchschnitt 2023 bei 5,4 Prozent liegen. In den Jahren 2024 und 2025 wird sie wohl auf 2,8 Prozent und 2,1 Prozent sinken.
Der deutliche Rückgang der Gesamtinflation dürfte dazu führen, dass die Reallöhne im Schlussquartal 2023 leicht steigen, bevor sie ab 2024 stärker wachsen (Abbildung 4). Trotz der laufenden Lohnverhandlungen und der kommenden Mindestlohnerhöhungen (insbesondere in Deutschland und Frankreich ab 1. Januar 2024) dürfte sich das Nominallohnwachstum im Laufe des Jahres 2024 etwas verlangsamen. Dazu dürfte auch die etwas nachlassende Arbeitsnachfrage beitragen. Alles in allem dürfte über den Prognosehorizont das Wachstum der Reallöhne nicht ausreichen, um ihre Verluste der vergangenen Jahre vollständig auszugleichen. Zwar werden die Reallöhne das Niveau von Ende 2019 voraussichtlich überschreiten, aber nicht auf ihren Trend von vor der Pandemie zurückkehren.
Die Investitionstätigkeit im Euroraum, die sich bisher als überraschend widerstandsfähig erwies, dürfte die Konjunktur in den kommenden Quartalen aufgrund ungünstiger Finanzierungsbedingungen belasten. In Spanien und den Niederlanden trotzte die Investitionstätigkeit in der ersten Jahreshälfte den durch die restriktive Geldpolitik verschlechterten Finanzierungsbedingungen, was wohl auch auf die Umsetzung der nationalen Aufbau- und Resilienzprogramme zurückzuführen ist. Jedoch gingen im dritten Quartal in beiden Ländern die Investitionen zurück. In Italien bremst das Zurückfahren der Steueranreize für Bauinvestitionen die Investitionsdynamik. Dies dürfte im Schlussquartal 2023 zu einer leichten Schrumpfung der Konjunktur beitragen und auch das Wachstum im Jahr 2024 belasten. Die geplanten Haushaltskürzungen in Reaktion auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Deutschland werden sich voraussichtlich auch in den Investitionen der öffentlichen Haushalte und der Unternehmen negativ niederschlagen. Die geldpolitische Lockerung Mitte 2024 dürfte insgesamt die Investitionen im Euroraum wieder ankurbeln.
Die schwache Erholung des Welthandels wird sich wohl weiterhin negativ auf den Außenhandel des Euroraums auswirken. Im dritten Quartal 2023 schrumpften die Exporte der meisten Mitgliedsländer des Euroraums besonders stark, ebenso wie die Importe. Dennoch ergab sich für Deutschland und die Niederlande ein positiver Außenbeitrag, weil die Importe aufgrund der schwachen Binnennachfrage stärker fielen als die Exporte. Italien verzeichnete ebenfalls einen positiven Außenbeitrag, der aber auf einen Anstieg der Exporte zurückzuführen war. Zum Jahresende dürfte Frankreich einen positiven Außenhandelsbeitrag verzeichnen, da viele Exporte von Transportausrüstungen erwartet werden. Die Nachfrage aus den USA und dem asiatischen Raum wird sich ab dem kommenden Jahr wohl allmählich erholen und 2025 an Fahrt gewinnen.
Die Geldpolitik der EZB bleibt zunächst restriktiv. Dieser Prognose liegt die Annahme zugrunde, dass der Zinsgipfel bereits erreicht ist und die Zinswende im Frühsommer 2024 stattfinden wird. Die Energiepreisinflation fällt derzeit stark und dürfte nächstes Jahr leicht negativ zur Gesamtinflation beitragen, die Lebensmittelinflation wird die Teuerung wohl nur marginal treiben. Die anhaltende Stagnation der Konjunktur im Euroraum dürfte die Produktionslücke negativ werden lassen und die Arbeitsnachfrage dämpfen. Dies dürfte den Lohndruck und damit die bisher hartnäckig hohe Kerninflation senken. Die mittelfristigen Inflationserwartungen sind zwar noch deutlich erhöht, tendieren aber inzwischen wieder Richtung Zwei-Prozent-Ziel der EZB. Dennoch dürfte die Inflation – nach stark fallenden Raten dieses Jahr – noch über die kommenden zwei Jahre erhöht bleiben und sich aufgrund der prognostizierten Erholung der Konjunktur nur langsam dem EZB-Ziel nähern. Alles in allem hat aber die Unsicherheit über das nötige Ausmaß der geldpolitischen Straffung, um die Inflation mittelfristig auf zwei Prozent zu reduzieren, abgenommen.
Im Einklang mit der Straffung der Geldpolitik ist über den Prognosehorizont mit einer leicht restriktiven Fiskalpolitik im Euroraum zu rechnen. Durch Abschaffung der pandemiebedingten finanzpolitischen Maßnahmen und das Auslaufen der Energiestützungsmaßnahmen werden öffentliche Haushalte entlastet. Der so gewonnene fiskalpolitische Spielraum dürfte hauptsächlich der Einhaltung der bald wieder in Kraft tretenden EU-Schulden- und Defizitregeln dienen. Die Europäische Kommission hat zudem in ihrer Bewertung der Haushaltsplanentwürfe der Euro-Mitgliedsländer für 2024 einige Länder, unter anderem Frankreich und Deutschland, aufgefordert, schneller die zeitlich begrenzten finanzpolitischen Maßnahmen abzuschaffen.Vgl. European Commission (2023): 2024 Draft budgetary plans Overall Assessment (online verfügbar, abgerufen am 30. November 2023. Dies gilt für alle Onlinequellen in diesem Bericht, sofern nicht anders angegeben).
Insgesamt dürfte das Bruttoinlandsprodukt dieses Jahr schwach um 0,5 Prozent steigen (Abbildung 5). Das Wachstum wird voraussichtlich in den nächsten zwei Jahren mit 0,9 Prozent im Jahr 2024 und 1,4 Prozent im Jahr 2025 anziehen. Im Vergleich zur Herbstprognose hat sich das Konjunkturbild im Euroraum in der zweiten Jahreshälfte 2023 leicht verschlechtert, so dass das Jahreswachstum 2023 und 2024 jeweils um 0,2 und 0,4 Prozentpunkte nach unten revidiert wird. Die Wachstumsprognose für 2025 bleibt unverändert.
In den mittel- und südosteuropäischen Ländern der Europäischen Union zeigte sich im Herbst ein gemischtes Bild: Das Bruttoinlandsprodukt Polens wuchs nach einem mit 0,3 Prozent schwachen zweiten Quartal im dritten Quartal deutlich stärker (1,4 Prozent); auch in Rumänien war das Wachstum positiv (0,4 Prozent). In beiden Ländern stützten wohl Investitionen das Wachstum. Dazu passt, dass die Bauwirtschaft zulegte. Das Wachstum in Ungarn war im dritten Quartal mit einem Plus von 0,9 Prozent zum ersten Mal seit vier Quartalen positiv. Demgegenüber hielt die Wachstumsschwäche der tschechischen Wirtschaft an (−0,5 Prozent). Dem Land ist es bislang nicht gelungen, weitere Investoren für Zukunftstechnologien − auch im wichtigen Automobilsektor − ins Land zu holen.
Ende des dritten Quartals zeigte die Region eine noch verhaltene Entwicklung im Einzelhandel. In Polen stiegen im Oktober die Einzelhandelsumsätze bereits leicht. Auch das Konsumentenvertrauen hellte sich in den Herbstmonaten im Vergleich zur ersten Jahreshälfte etwas auf. In der Region dürfte der private Konsum ab dem Jahr 2024 weiter anziehen. Hierfür sprechen die sinkenden Preise, die in den meisten Ländern auch für Energie und Nahrungsmittel nachgegeben haben. Die Teuerungsrate ist im Oktober auf knapp zehn Prozent in Ungarn und sechs Prozent in Polen gesunken. Die Lage am Arbeitsmarkt ist weiterhin gut und dürfte auch im Prognosezeitraum stabil bleiben. Teilweise nehmen die Reallöhne zu.
In Polen ist der Einkaufsmanagerindex im November auf 48,7 Punkte deutlich gestiegen, in Tschechien nur leicht. Noch ist die Nachfrage in der Region schwach, was sich in geringeren Auftragseingängen spiegelt, teilweise auch aus dem Ausland. Der Außenhandel der mittel- und südosteuropäischen Länder wird sich angesichts der schwachen weltweiten Nachfrage zunächst wohl noch gedämpft entwickeln.
Zentralbanken in der Region haben aufgrund sinkender Inflationsraten und -erwartungen ihre Geldpolitik neu ausgerichtet: Die polnische Zentralbank hat seit September 2023 in zwei Zinsschritten den Leitzins insgesamt um einen Prozentpunkt gesenkt; Ungarn hat seit Ende Oktober ebenfalls zwei Zinsschritte mit einer Senkung um insgesamt 1,5 Prozentpunkte vollzogen. Damit liegen die geldpolitischen Entscheidungen in diesen MOE-Ländern zeitlich deutlich vor der Zinswende der EZB.
Nach Mehrbelastungen während der Corona-Pandemie sollen die Defizite der öffentlichen Haushalte zurückgeführt werden, um ab 2024 den Vorgaben des EU-Stabilitätspakts zu genügen. Allerdings wird in Ungarn das Minus im revidierten Haushaltsplan zunächst noch über fünf Prozent betragen. Die in Rumänien beschlossenen Ausgabenkürzungen zum Jahresende werden ebenfalls nicht ausreichen. Demgegenüber wurde in Tschechien ein Konsolidierungsprogramm aufgelegt, das 2024 in Kraft tritt.
Zuflüsse aus EU-Fonds hat die EU-Kommission für Polen aufgrund des Streits um die Justizreform blockiert. Mit dem Regierungswechsel in Polen wird sich der Konflikt voraussichtlich entspannen. Allerdings wird die neue Regierung Zeit für eine Rücknahme der Justizreform benötigen. Daher werden die blockierten Mittel wohl nicht rasch fließen können. Die EU-Kommission hat Polen kurzfristig eine Anschubfinanzierung in Höhe von 5,1 Milliarden Euro im Rahmen des REPpowerEU-Programms in Aussicht gestellt.
Alles in allem ist in der Region nach einem schwachen Wachstum im laufenden Jahr (0,6 Prozent) eine allmähliche Belebung des Wachstums auf 2,7 Prozent im kommenden Jahr und 3,3 Prozent im Jahr 2025 zu erwarten (Abbildung 6).
Die Wirtschaft des Vereinigten Königreiches wuchs im zweiten Quartal um 0,2 Prozent und stagnierte im dritten Quartal. Ein positiver Außenbeitrag verhinderte einen stärkeren Rückgang, während der inländische Verbrauch nachließ. Mit einem Wachstum von 0,1 Prozent dürfte die britische Wirtschaft auch im laufenden Quartal weiter stagnieren. Das Konsumentenvertrauen ist weiterhin gedämpft. Die Stimmung in den einzelnen Wirtschaftsbereichen verbesserte sich hingegen etwas. Die Einkaufsmanagerindizes lagen im Bausektor und Verarbeitenden Gewerbe mit 45,5 und 47,2 (November) jedoch immer noch unter der Expansionsschwelle von 50. Zuletzt hellte sich die Stimmung im Dienstleistungssektor leicht auf, so dass der Index mit 50,9 im November knapp über der Expansionsschwelle lag.
Zum Jahresauftakt dürfte die restriktive Geldpolitik weiterhin die Investitionen drücken. Ab dem zweiten Quartal 2024 wird die Wirtschaft wohl wieder Fahrt aufnehmen. Steigende Reallöhne, resultierend aus einer fallenden Inflation und höheren Lohnabschlüssen, dürften den Konsum stützen. Auch die im Herbst beschlossenen Maßnahmen, wie eine Erhöhung des Mindestlohns und der Renten sowie eine Senkung der Sozialversicherungsbeiträge, dürften ab der ersten Jahreshälfte 2024 ebenfalls die Konsumfreudigkeit wiederbeleben. Die Engpässe am Arbeitsmarkt haben sich etwas aufgelöst. Die rückläufige Anzahl offener Stellen seit Anfang des Jahres 2023 und der Anstieg der Arbeitslosenquote im Juni auf 4,3 Prozent weisen auf einen Rückgang der Arbeitsnachfrage hin.Dies zeigen ebenfalls alternative Arbeitsmarktschätzungen. Aufgrund größerer Unsicherheiten in der Berechnung der Arbeitsmarktzahlen, die in der Erwerbstätigenbefragung (Labour Force Survey) erhoben werden, hat die nationale Statistikbehörde begonnen, alternative Arbeitsmarktdaten zu veröffentlichen. Vgl. Website des Office for National Statistics: Labour market overview, November (online verfügbar).
Die Inflation fiel in den vergangenen Monaten stärker als erwartet und betrug im Oktober 4,6 Prozent. Das ist vor allem auf einen Rückgang der Energiepreise zurückzuführen. Die Kerninflation, also die Inflation ohne Energiegüter und Lebensmittel, bleibt aber hartnäckig hoch, auch wenn sie Oktober mit 5,7 Prozent rückläufig war. Die Inflation dürfte über den Prognosezeitraum weiter sinken, allerdings erst gegen Ende 2025 das Inflationsziel der Zentralbank von zwei Prozent erreichen. Die Geldpolitik hat wohl den Höhepunkt ihrer Zinserhöhungen erreicht und dürfte zur zweiten Jahreshälfte 2024 die Zinswende einleiten. Der weitere Verlauf der Zinsentwicklung ist allerdings besonders im Hinblick auf die persistentere Kerninflation mit größerer Unsicherheit behaftet als im Euroraum oder in den USA.
Der im November beschlossene Haushaltsplan, der sich auf umgerechnet 108,3 Milliarden Euro (3,7 Prozent des BIP) beläuft, sieht neben Ausgaben für die Entlastung der Haushalte auch Zulagen für Unternehmensinvestitionen vor.Vgl. House of Lords Library (2023): Autumn statement 2023: Key announcements and analysis (online verfügbar). So wurde die Möglichkeit der Vollabschreibung von Anlageinvestitionen dauerhaft geändert, was eine Steuererleichterung von 11,6 Milliarden Euro für die Unternehmen bedeutet. Auch sollen ab 2025 umgerechnet 5,2 Milliarden Euro für das Verarbeitende Gewerbe zur Erreichung der Klimaneutralität ausgezahlt werden. Die Maßnahmen dürften die Wirtschaft über den Prognosezeitraum stützen.
Die ausländische Nachfrage wird aufgrund einer schwächelnden Weltwirtschaft in den kommenden Quartalen wohl nur moderat zulegen, bevor sie über den Prognosezeitraum wieder Fahrt aufnimmt. Eine hartnäckigere Kerninflationsrate und eine länger andauernde restriktive Geldpolitik stellen Risiken für die wirtschaftliche Erholung dar.
Alles in allem ist mit einem Wachstum von 0,5 Prozent im Jahr 2023 sowie 0,7 Prozent und 1,4 Prozent in den Jahren 2024 und 2025 zu rechnen (Abbildung 7). Im Vergleich zur Herbstprognose bleibt das Wachstum unverändert.
Abweichend von anderen fortgeschrittenen Volkswirtschaften legte die Wirtschaft in den Vereinigten Staaten im dritten Quartal 2023 kräftig um 1,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal zu (annualisiert 5,2 Prozent). Gestützt wurde dieser hohe Zuwachs vom privaten Konsum. Die Unternehmensinvestitionen, die noch im ersten Halbjahr 2023 im Zuge von massiven staatlichen Subventionen für Halbleiterfabriken und erneuerbare Energieproduktion deutlich gestiegen waren, stagnierten im dritten Quartal. Die Wohnungsbauinvestitionen legten hingegen zum ersten Mal seit dem Frühjahr 2021 zu. Sowohl die Exporte als auch die Importe nahmen im dritten Quartal mit ähnlichen Raten deutlich zu; der Außenbeitrag lag somit bei null.
Nach der dynamischen Entwicklung im dritten Quartal 2023 deutet sich nun eine wirtschaftliche Abkühlung an. Im vierten Quartal dürfte die US-Wirtschaft weniger stark als zuletzt wachsen, aber immer noch solide mit 0,4 Prozent. Vor allem der private Konsum wird sich abkühlen. Die während der Pandemie angesammelten Ersparnisse dürften zunächst den privaten Verbrauch weiter stützen, aber in absehbarer Zeit aufgebraucht sein.Hamza Abdelrahman und Luiz E. Oliveira (2023): Data Revisions and Pandemic-Era Excess Savings, November. Federal Reserve Bank San Francisco. Zudem müssen seit Oktober die Studienkredite wieder bedient werden; das zu Beginn der Pandemie beschlossene Zahlungsmoratorium ist ausgelaufen. Bei den Unternehmen im Dienstleistungssektor ist die Stimmungslage besser als in der Industrie. Von der Industrie gehen auch angesichts der verschlechterten Finanzierungsbedingungen vorerst nur wenig positive Impulse aus.
Zum Jahresbeginn 2024 wird die US-Wirtschaft wohl nur verhalten zulegen. Die Lage am Arbeitsmarkt ist gegenwärtig zwar noch gut, hat sich aber etwas abgekühlt. Im November lag die Arbeitslosenquote bei 3,7 Prozent und hat sich somit seit Januar 2023 um 0,3 Prozentpunkte erhöht. Dies dürfte den privaten Konsum dämpfen. Die Unternehmensinvestitionen dürften erst ab dem Sommer, wenn sich nach der Zinswende die Finanzierungskonditionen verbessern, wieder die Wirtschaft ankurbeln. Mit wieder dynamischeren Wohnungsbauinvestitionen wird die US-Wirtschaft ab der zweiten Jahreshälfte 2024 wohl wieder Fahrt aufnehmen.
Von der Finanzpolitik dürften im Prognosezeitraum keine neuen Impulse für die US-Konjunktur ausgehen. Weiterhin dürften die im Sommer 2022 beschlossenen Maßnahmen des Inflation Reduction Act sowie die Förderprogramme für den Ausbau der Halbleiterproduktion und der Infrastruktur die US-Konjunktur stützen. Unsicherheiten gehen von den anhaltenden politischen Streitigkeiten um die Verabschiedung eines Haushaltsgesetzes aus. Diese könnten im Januar zu einer teilweisen Stilllegung der Bundesverwaltung führen, an der die politischen Akteur*innen im Wahljahr 2024 allerdings kein Interesse haben dürften.
Im Oktober sank die Inflation im Vergleich zum Vorjahresmonat weiter auf 3,2 Prozent. Die Kerninflation (ohne Energie- und Lebensmittelpreise) legte um 4,0 Prozent zu. Die US-Notenbank wird vor diesem Hintergrund die Zinsen wohl zunächst auf dem gegenwärtigen Niveau belassen. Ab dem Frühsommer 2024 ist mit ersten Zinssenkungen zu rechnen. Die Inflation wird im Jahresdurchschnitt 2023 mit 4,1 Prozent noch deutlich erhöht sein, aber in den Jahren 2024 und 2025 auf unter zwei Prozent sinken.
Alles in allem wird die US-Wirtschaft im laufenden Jahr kräftig um 2,5 Prozent zulegen. Aufgrund einer schwachen Dynamik in der ersten Jahreshälfte dürfte das Wachstum im Jahr 2024 mit 1,6 Prozent niedriger ausfallen. Im Jahr 2025 dürfte die Wachstumsrate 1,7 Prozent betragen (Abbildung 8). Im Vergleich zur Herbstprognose wurde das Konjunkturbild für das laufende Jahr um 0,5 Prozentpunkte nach oben revidiert, während das Wachstum für das Jahr 2024 um 0,2 Prozentpunkte leicht nach unten revidiert wird.
Nach einem überraschend positiven Wirtschaftswachstum im ersten Halbjahr ist Japans Wirtschaft im dritten Quartal mit −0,5 Prozent gegenüber dem Vorquartal stärker geschrumpft als erwartet. Die Exporte waren – dank eines schwachen Yen – zwar weiterhin positiv (0,5 Prozent), aber schwächer als im zweiten Quartal. Der wirtschaftliche Aufholbedarf nach der Pandemie ist ausgeschöpft: Eine schwache Binnennachfrage (−0,5 Prozent gegenüber dem Vorquartal) prägte das dritte Quartal. Die Konsumentenzuversicht stagniert seit Monaten, ähnlich wie die Investitionsbereitschaft japanischer Unternehmen. Diese verharrt seit Juni unter der Expansionsschwelle von 50 und sank im November auf 48,3.
Japan wird mit 0,2 Prozent im Schlussquartal nur noch leicht wachsen. Anfang des Jahres wurden zwar die größten Lohnerhöhungen für Beschäftigte seit drei Jahrzehnten beschlossen, diese dürften aber erst im nächsten Jahr das Einkommen der Haushalte stärken und den Konsum wieder ankurbeln. Gleichzeitig hat Japans Premierminister Fumio Kishida Anfang November ein umgerechnet 103 Milliarden Euro (drei Prozent des BIP) schweres Konjunkturprogramm angekündigt, um die Belastung der hohen Inflation mit vorübergehenden Einkommens- und Wohnsteuersenkungen sowie Bargeldzuwendungen an Haushalte mit niedrigem Einkommen abzumildern. Die Steuererleichterungen sollen voraussichtlich im Juni 2024 in Kraft treten. Die amtliche Arbeitslosenquote dürfte sich kaum verändern: Von 2,6 Prozent im Jahr 2023 wird sie wohl im Prognosezeitraum auf 2,5 Prozent leicht fallen.
Die japanische Teuerungsrate ist im Oktober auf 3,3 Prozent gestiegen, nach 3,0 Prozent im September, und verbleibt somit weiterhin weit über dem Zielwert der Bank of Japan (BoJ) von zwei Prozent. Dabei liegt die Kerninflation ohne frische Lebensmittel bei 4,0 Prozent – so hoch wie seit 1981 nicht mehr. Somit schlagen sich weiterhin die hohen Preise für Importe auf die Kerninflation nieder.
Anfang Oktober beschloss die Zentralbank, ihre starre Ein-Prozent-Grenze für die Renditen zehnjähriger Staatsanleihen aufzuweichen. Das ist die jüngste aus einer Serie von Ankündigungen, die die Geldpolitik langsam von ihrer sehr lockeren hin zu einer restriktiveren Ausrichtung abrücken lassen. Die Kluft zwischen den Niedrigzinsen in Japan und den sehr hohen Zinsen der Zentralbanken anderer entwickelter Volkswirtschaften hatte zuletzt den Yen unter die Marke von 150 Yen gegenüber den Dollar und damit auf den tiefsten Stand seit einem Jahr gedrückt (Abbildung 3).
In diesem Jahr dürfte die Inflation weiterhin auf erhöhtem Niveau verharren (3,0 Prozent), bevor sie im Jahr 2024 allmählich auf 1,9 Prozent und im Jahr 2025 auf 1,4 Prozent sinkt. Japan-spezifische Faktoren könnten jedoch einer Abschwächung der Inflation entgegenwirken: Anhaltende Zweitrundeneffekte der importierten Inflation und weitere große Lohnerhöhungen in den Verhandlungen Anfang 2024 könnten die Teuerungsrate hoch halten.
Das Bruttoinlandsprodukt Japans dürfte im laufenden Jahr um solide 1,7 Prozent zulegen und damit um 0,1 Prozent unter der Herbstprognose liegen. Die schwache Binnennachfrage trug zu dieser Revision bei: Auch wenn Anfang des Jahres wichtige Lohnerhöhungen durchgesetzt wurden, konnten diese die Inflation nicht ausgleichen und belasten die inländische Kaufkraft. Dank des Aufwinds aus den anderen fortgeschrittenen Volkswirtschaften und der steigenden Reallöhne, die die Kaufkraft der privaten Haushalte stützen, wird sich die Wirtschaft im kommenden Jahr erholen. Die Raten dürften aber mit 1,2 Prozent etwas schwächer ausfallen (Abbildung 9) als noch in der Herbstprognose angenommen. Im Jahr 2025 wird die japanische Wirtschaft mit 1,1 Prozent wohl zu ihren längerfristigen Wachstumsraten zurückkehren.
Chinas Wirtschaft ist im dritten Quartal 2023 im Vergleich zum Vorquartal um 1,3 Prozent zwar wieder stärker gewachsen, befindet sich aber weiterhin in einer Schwächephase, die auf eine schwelende Immobilienkrise und einen niedrigen Außenbeitrag zurückgeht. Um die Wirtschaft wieder anzukurbeln, hat China ein substanzielles Konjunkturpaket präsentiert. Dies erklärt teilweise auch die besseren Aussichten: Die aktuellen Einzelhandelsumsätze und die Industrieproduktion im Oktober zeichnen wie schon die Konsumentenzuversicht ein zuversichtlicheres Bild als noch vor wenigen Monaten. Auch der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe lag mit 50,7 im November wieder oberhalb der Expansionsschwelle von 50. Das Bruttoinlandsprodukt wird im verbleibenden vierten Quartal wohl etwas weniger zulegen als im dritten Quartal. Trotz schwächelnder Quartalsraten wird die Wirtschaft wie geplant dieses Jahr mehr als fünf Prozent wachsen.
Chinas Verbraucherpreise hatten zum zweiten Mal dieses Jahr im Oktober deflationäre Tendenzen und sanken im Jahresvergleich um 0,2 Prozent, nachdem sie im September unverändert geblieben waren, ein Zeichen für die schwache Binnennachfrage. Nach mehreren schrittweisen Lockerungen der Geldpolitik hat die chinesische Zentralbank in ihrem Oktobertreffen die Zinssätze unverändert belassen, wohl auch um eine weitere Ausweitung der Zinsdifferenz zum Westen zu vermeiden. In diesem Jahr dürfte die Inflationsrate nur 0,5 Prozent betragen, bevor sie sich in den Jahren 2024 mit 1,6 Prozent und 2025 mit 2,1 Prozent wieder normalisiert.
Angesichts der schwächelnden Wirtschaft hat die Zentralregierung im Oktober einen Plan zur Ausgabe von Staatsanleihen in Höhe von umgerechnet 128 Milliarden Euro (0,8 Prozent des BIP) bis Ende des Jahres angekündigt, die zur kostengünstigen Finanzierung von Wasserschutz- und Hochwasserschutzprojekten, von erschwinglichem Wohnraum und zur Unterstützung von klammen lokalen Regierungen verwendet werden sollen. Gleichzeitig hat China staatliche Banken dazu angehalten, Kredite an angeschlagene private Bauträger und lokale Regierungen auszuweiten. Provinzregierungen können außerdem dieses Jahr noch Anleihen ausgeben, um ihre Schulden zurückzuzahlen. Damit wurde zwar das Schuldenproblem der lokalen Regierungen vorübergehend gelöst. Gleichzeitig erodiert die Immobilienkrise durch einen Rückgang der Grundstückverkäufe und Mehrwertsteuern aber auch deren Einnahmen. Laut einer Stichprobe in 70 chinesischen Städten fallen die Preise für neue und bestehende Wohnungen seit Jahresanfang 2023 weiterhin, jedoch etwas langsamer als zuvor (Kasten 2).
In diesem Jahr dürfte Chinas Wirtschaft um 5,3 Prozent wachsen (Abbildung 10), etwas mehr als in der Herbstprognose angenommen. Die weiterhin geringe Nachfrage im Außenhandel belastet nach wie vor das Wachstum, selbst wenn bis Anfang 2024 der wirtschaftliche Aufschwung in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften etwas an Fahrt gewinnen sollte. Die Wachstumsprognose für 2024 liegt bei 4,7 Prozent und für 2025 bei 4,5 Prozent. Im Vergleich zur Herbstprognose haben sich die Aussichten für 2025 eingetrübt, da die Immobilienkrise die strukturellen Schwächen im chinesischen Wachstumsmodell aufgezeigt hat. Der politisch gesteuerte Bauboom hat teilweise zu Fehlinvestitionen geführt, was das langfristige Wachstum dämpfen dürfte.
Der gegenwärtig bedeutendste Risikofaktor liegt im Immobilienmarkt Chinas. Die Immobilienkrise könnte die wirtschaftliche Erholung nach den Pandemiebeschränkungen stärker abwürgen als angenommen, wenn sich die Lage auf dem Immobiliensektor weiter verschlechtert und die staatlichen Maßnahmen nicht ausreichend sind. Dadurch könnte es zu einem deutlichen Beschäftigungsabbau in der Branche kommen, was die Binnennachfrage schwächen würde. Des Weiteren sind der Handelsstreit zwischen China und den USA sowie die Spannungen rund um Taiwan geopolitische Gefahren, deren Ausweitung sich auf dem Welthandel niederschlagen könnte.
Die deutsche Wirtschaft tritt weiter auf der Stelle – vor allem, weil die privaten Haushalte immer noch weniger konsumieren als vor einem Jahr. So ging die Wirtschaftsleistung im dritten Quartal leicht zurück, nachdem sie zuvor minimal gestiegen war (Abbildung 11). Zwar sind die nominalen Arbeitseinkommen im Laufe des Jahres kräftig gestiegen. Bis in den Herbst hinein hat dies aber allenfalls weitere Kaufkraftverluste infolge der hohen Inflation verhindert. Eine schleppende Investitionstätigkeit und ein abgekühltes außenwirtschaftliches Umfeld haben die deutsche Wirtschaft ebenfalls ausgebremst. Ein Lichtblick ist, dass die anhaltend starken Lohn- und Gehaltszuwächse bei deutlich niedrigeren Preissteigerungen sukzessive zu höheren Realeinkommen führen. Diese begonnene Kompensation der Realeinkommenseinbußen der vergangenen Jahre setzt eigentlich den Startschuss für eine zügige Erholung des privaten Verbrauchs und der Binnenwirtschaft. Das wäre auch im Hinblick auf eine sich abkühlende Weltwirtschaft und entsprechend gedämpfte Auslandsnachfrage in den kommenden Quartalen wichtig.
Doch die Unklarheiten in der deutschen Finanzpolitik und die angekündigten Kürzungen in den öffentlichen Haushalten in den kommenden Jahren schieben die Erholung der deutschen Konjunktur auf die lange Bank. Im November hatte das Bundesverfassungsgericht die Umwidmung von Sondervermögen zur Bekämpfung akuter Notlagen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie für verfassungswidrig erklärt.Siehe dazu auch den folgenden Abschnitt zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts in diesem Bericht. Das betrifft direkt 60 Milliarden Euro aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) und indirekt auch den Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF). Somit stehen bereits verabschiedete Haushalte in Frage, aber auch der Entwurf für das kommende Jahr ist betroffen. Für den Haushalt 2023 hat die Bundesregierung rasch eine Notlage erklärt, damit die Schuldenbremse erneut ausgesetzt werden kann. Ein konkreter Vorschlag für den umgestalteten Haushalt für das kommende Jahr liegt seit dem 13. Dezember 2023 vor und wird voraussichtlich im Januar verabschiedet werden.
Dieser Prognose liegen Annahmen zugrunde, die vor der Einigung über den Haushalt erstellt wurden. Diese Annahmen über Mittelkürzungen entsprechen in Größenordnung und Strukur den am 13. Dezember veröffentlichten Kürzungseinigungen der Koalitionsspitzen. Konkret liegt dieser Prognose die Annahme zugrunde, dass für dieses Jahr die Finanzmittel aus den öffentlichen Haushalten wie geplant zur Verfügung stehen, die Ausgaben für die kommenden Jahre aber gekürzt werden müssen. Unterstellt wird, dass die öffentlichen Ausgaben um rund 19 Milliarden Euro in den Jahren 2024 und 2025, um elf Milliarden Euro im Jahr 2026 und um drei Milliarden Euro im Jahr 2027 geringer ausfallen werden als ursprünglich vorgesehen. Die entfallenen Ausgaben betreffen annahmegemäß vor allem investive Maßnahmen aus dem KTF und in geringerem Umfang konsumtive Maßnahmen aus dem WSF. So wird zum Beispiel unterstellt, dass die Kompensation der EEG-Umlage vollständig erhalten bleibt. Die angekündigten Haushaltskürzungen infolge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts dürften zu großer Verunsicherung führen und sowohl die Investitionsbereitschaft der Unternehmen als auch die Konsumneigung der privaten Haushalte schmälern.
Im dritten Quartal sank das BruttoinlandsproduktIn dieser Prognose werden preisbereinigte Kennzahlen berichtet, außer bei der Beschreibung von Preis- und Lohnentwicklungen, öffentlichen Finanzen und öffentlichem Defizit. um 0,1 Prozent, nach 0,1 Prozent Wachstum im Vorquartal. Hinter den Erwartungen zurück blieb vor allem der private Konsum. Dieser schrumpfte nach einer leichten Erholung im Sommer zuletzt wieder, obwohl die verfügbaren Einkommen gegenüber dem Vorquartal kräftig, um 1,6 Prozent, zulegten. Obgleich die Effektivlöhne der Niedrigverdienenden, die oftmals eher in Teilzeit arbeiten, am stärksten zulegten, hat dies wohl kaum die Arbeitseinkommen insgesamt angeglichen: Der DIW-Nowcast zur Arbeitseinkommensverteilung deutet daraufhin, dass die Ungleichheit bis zuletzt auf dem Niveau vom vergangenen Jahr verharrte (Kasten 3). Vor allem der Konsum von Verbrauchsgütern, der den Großteil des privaten Konsums der Haushalte ausmacht, bleibt auf der im Herbst 2022 begonnen Abwärtsfahrt. Er rutschte im dritten Quartal auf ein Niveau, das zuletzt im Jahr 2012 erreicht wurde. Die anhaltende Misere beim privaten Konsum dürfte durch die aufgestauten Realeinkommensverluste der vergangenen Jahre begründet sein. Zudem scheinen diejenigen privaten Haushalte, die es sich leisten können, weiterhin abzuwarten und einen Gutteil ihres Einkommens zu sparen, was die zuletzt weiterhin hohe Sparquote nahelegt.
Das DIW Berlin hat ein Modell entwickelt, mit dem die Arbeitseinkommensungleichheit bis an den aktuellen Rand prognostiziert werden kann (sogenannter Nowcast).Vgl. Timm Bönke, Geraldine Dany-Knedlik und Laura Pagenhardt (2023): Neues DIW-Modell kann Einkommensverteilung am aktuellen Rand vorhersagen – Ungleichheit dürfte in diesem Jahr leicht zunehmen. DIW Wochenbericht Nr. 24, 326−332 (online verfügbar). Das Modell wird laufend überarbeitet und an aktuelle Forschungsergebnisse angepasst. Dabei werden jährlich vorliegende mikroökonomische Daten aus dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) mit einer Vielzahl höherfrequenter gesamtwirtschaftlicher Indikatoren und solchen für den Arbeitsmarkt in einem makroökonometrischen Modell kombiniert, um so die durchschnittlichen Arbeitseinkommen verschiedener Einkommensgruppen fortzuschreiben. Auf Basis der Modellergebnisse kann unter bestimmten Verteilungsannahmen eine Arbeitseinkommensverteilung für die Gesamtbevölkerung erstellt werden.
Das Modell erlaubt es auch, die aktuelle Konjunkturprognose in den Nowcast einzubeziehen. Somit kann eine Aussage über den wahrscheinlichen Verlauf der Arbeitseinkommensungleichheit in Abhängigkeit der vom DIW Berlin prognostizierten Entwicklung der Wirtschaftsleistung getroffen werden. Die SOEP-Daten liegen aktuell bis zum Jahr 2021 (Welle v38) vor. Somit wird das Modell genutzt, um die Entwicklung der Ungleichheit für die Jahre 2022 und 2023 zu schätzen. Dabei beruht die Schätzung für 2022 ausschließlich auf abgerechneten makroökonomischen Daten, während der Nowcast für das aktuelle Jahr auch die Konjunkturprognose des DIW Berlin beinhaltet.
Die Modellergebnisse suggerieren einen Anstieg der Ungleichheit der Bruttolöhne und -gehälter im Jahr 2022, die sich in diesem Jahr kaum verändert haben dürfte (Abbildung). Die Aufwärtstendenz der vergangenen Jahre ist nicht unüblich in Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs, von dem Besserverdienende in der Regel stärker profitieren als Beschäftigte am unteren Ende der Verteilung. So ist der Gini-Koeffizient in den Jahren 2021 und 2022 wohl deutlich gestiegen. Die Einkommensverhältnisse zwischen Spitzen- und Niedrigverdienenden (P90/10) sowie zwischen der Mitte und dem unteren Ende der Verteilung (P50/10) verzeichnen eine ähnliche, wenn auch abgeschwächte, Dynamik. In diesem Jahr dürfte die Ungleichheit bei einer stagnierenden Wirtschaftsleistung weitgehend unverändert geblieben sein.
Die Investitionen liefen zuletzt unerwartet gut, was vor allem an öffentlichen Anlageinvestitionen und dem Wirtschaftsbau lag. Aber auch die privaten Ausrüstungsinvestitionen legten mit 0,4 Prozent etwas zu. Dies konnte die Zurückhaltung des Konsums allerdings kaum ausgleichen. Zusammen mit einem deutlichen Lagerabbau schrumpfte die inländische Verwendung zuletzt um 0,4 Prozent (Abbildung 12). Dass der Rückgang des Bruttoinlandsprodukts im Herbst dann doch geringer ausfiel, lag daran, dass die Importe etwas stärker fielen als die Exporte und der positive Außenbeitrag somit stützend wirkte.
Die Produktion konnte im dritten Quartal hingegen leicht zulegen. Dahinter standen zwei unterschiedliche Entwicklungen: Das Produzierende Gewerbe war mit einem Prozent deutlich im Minus. Zwar wurde die Bauproduktion um 0,4 Prozent ausgeweitet, aber die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe ging um 0,9 Prozent zurück und zog die Produktion insgesamt ins Minus. Auf der anderen Seite nahm die Wertschöpfung im Dienstleistungssektor in fast allen Bereichen zu. So stieg die Produktion im Bereich Handel, Verkehr und Gastgewerbe um 1,7 Prozent. Auch Finanz- und Versicherungsdienstleistungen waren mit 1,1 Prozent deutlich im Plus. Insgesamt trugen die Dienstleistungen 0,4 Prozentpunkte zur Wertschöpfung bei und kompensierten somit den negativen Beitrag des Produzierenden Gewerbes (minus 0,3 Prozentpunkte), so dass die Wertschöpfung insgesamt leicht zulegte.
Die Stimmung der Unternehmen hellt sich seit August auf. Zwar liegt der Einkaufsmanagerindex noch unter der Expansionsschwelle von 50 Punkten, konnte aber zuletzt leicht zulegen. Insbesondere hat sich die Stimmung im Verarbeitenden Gewerbe deutlich von dem Tiefstand im Juli erholt, wenngleich sie sich weiter auf niedrigem Niveau bewegt. Auch im Dienstleistungsbereich klart sich die Stimmung zunehmend auf. Der ifo-Geschäftsklimaindex legt seit September in der Breite ebenfalls wieder zu. Nicht nur die Lage, sondern vor allem die Geschäftserwartungen im Verarbeitenden Gewerbe werden kontinuierlich besser beurteilt, ebenso in den industrie- und konsumnahen Dienstleistungsbereichen. Zwar sanken die Neuaufträge im Verarbeitenden Gewerbe zuletzt etwas, dies war aber vor allem auf einen Rückgang der Großaufträge zurückzuführen – der Auftragsbestand ist nach wie vor sehr hoch.
Die privaten Haushalte blicken weiterhin pessimistisch in die Zukunft. So ging das GfK-Konsumklima bis in den November hinein leicht zurück (Abbildung 13). Sowohl die kräftigen Zuwächse bei den verfügbaren Einkommen als auch die zuletzt merklich gestiegenen Umsätze im Dienstleistungsbereich zeichnen jedoch ein deutlich positiveres Bild für die Entwicklung des privaten Verbrauchs.
Damit stünden die Zeichen für eine wirtschaftliche Erholung in den kommenden Quartalen eigentlich auf grün. Nun aber dürfte die Haushaltskrise die deutsche Konjunktur vorerst ausbremsen. So wird die deutsche Wirtschaft zum Jahresende voraussichtlich nur moderat zulegen. Neben den unterstellten Kürzungen öffentlicher Ausgaben dämpft die gestiegene Verunsicherung rund um die politische Debatte zur künftigen Haushaltspolitik die Konjunktur. Belastet wird davon vor allem das Verarbeitende Gewerbe durch die Schwächung der Investitionen. Zudem bleiben positive Impulse von der Auslandsnachfrage vorerst aus. Die nur allmähliche Erholung der Wirtschaft wichtiger Handelspartner im Euroraum, etwa Frankreich, und die anhaltende Flaute der chinesischen Wirtschaft belasten die Exporte vor allem deutscher Ausrüstungsgüter vorerst weiterhin. Die Bauproduktion dürfte angesichts des hohen Bestands an geplanten und genehmigten Bauvorhaben noch etwas zulegen. Aufgrund der seit einiger Zeit stark sinkenden Zahl der Bauanträge ist ab dem kommenden Jahr jedoch mit Rückgängen zu rechnen.
Die Kürzungen der öffentlichen Subventionen und die Verunsicherung dürften die privaten Investitionen unmittelbar und in den kommenden Quartalen schmälern. Zwar ist davon auszugehen, dass bereits genehmigte Projekte mit anderen öffentlichen Mitteln gefördert oder alternativ finanziert werden. Geplante, aber noch nicht begonnene, oder auch neue Investitionsprojekte werden aufgrund ungünstigerer Finanzierungsbedingungen und der gestiegenen Verunsicherung aber wohl nur noch teilweise realisiert oder ad acta gelegt. Da abgesehen von Bauvorhaben ein Großteil der Investitionen in Deutschland durch Vorleistungen aus dem Ausland realisiert wird, fallen die Importe entsprechend schwächer aus. Da sich die Exporte etwas robuster entwickeln, dürfte ein positiver Außenbeitrag zum Bruttoinlandsprodukt die Auswirkungen der Investitionsmisere abfedern (Tabelle 2).
In Prozent (jeweils gegenüber dem Vorquartal, saison- und kalenderbereinigt)
2022 | 2023 | 2024 | 2025 | |||||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
I | II | III | IV | I | II | III | IV | I | II | III | IV | I | II | III | IV | |
Privater Verbrauch | 0,5 | −0,3 | 1,4 | −1,1 | −0,8 | 0,2 | −0,3 | 0,2 | 0,3 | 0,4 | 0,4 | 0,3 | 0,3 | 0,3 | 0,2 | 0,2 |
Öffentliche Konsumausgaben | 1,1 | 0,4 | −1,4 | −0,1 | −1,4 | −0,4 | 0,2 | 0,2 | 0,5 | 0,3 | 0,2 | 0,3 | 0,3 | 0,3 | 0,3 | 0,4 |
Bruttoanlageinvestitionen | 2,2 | −1,6 | 1,0 | −1,3 | 1,7 | −0,3 | 0,6 | −1,1 | −0,7 | −0,3 | 0,2 | 0,4 | 0,5 | 0,7 | 0,6 | 0,6 |
Bauten | 3,3 | −3,9 | −0,6 | −2,0 | 2,7 | −0,9 | 0,4 | −1,4 | −0,6 | −0,2 | 0,2 | 0,3 | 0,5 | 0,6 | 0,5 | 0,5 |
Ausrüstungen | 1,9 | 1,6 | 4,2 | −1,5 | 2,1 | 0,7 | 1,1 | −1,2 | −1,3 | −0,8 | 0,2 | 0,5 | 0,6 | 0,7 | 0,7 | 0,6 |
Sonstige Investitionen | −0,6 | 0,3 | 0,1 | 0,8 | −1,6 | 0,0 | 0,3 | 0,3 | 0,1 | 0,1 | 0,2 | 0,3 | 0,5 | 0,7 | 0,8 | 0,8 |
Lagerveränderung1 | 0,2 | 0,8 | 0,2 | 0,1 | −0,6 | 0,7 | −0,4 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 |
Inländische Verwendung | 1,2 | 0,5 | 0,8 | −0,7 | −1,0 | 0,7 | −0,4 | 0,0 | 0,1 | 0,2 | 0,2 | 0,4 | 0,3 | 0,3 | 0,3 | 0,3 |
Außenbeitrag | −0,1 | −0,6 | −0,4 | 0,3 | 1,0 | −0,5 | 0,2 | 0,1 | 0,1 | 0,1 | 0,1 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 |
Export | −0,1 | 0,9 | 1,0 | −1,1 | −0,2 | −0,9 | −0,8 | −0,1 | 0,4 | 0,7 | 0,9 | 0,9 | 0,9 | 0,9 | 0,8 | 0,8 |
Import | 0,0 | 2,3 | 2,1 | −1,8 | −2,2 | 0,1 | −1,3 | −0,3 | 0,2 | 0,5 | 0,9 | 1,1 | 1,1 | 1,1 | 1,0 | 1,0 |
Bruttoinlandsprodukt | 1,0 | −0,1 | 0,4 | −0,4 | 0,0 | 0,1 | −0,1 | 0,1 | 0,2 | 0,3 | 0,3 | 0,3 | 0,3 | 0,3 | 0,2 | 0,2 |
Bruttowertschöpfung | 0,6 | 0,3 | 0,7 | −0,6 | 0,3 | −0,2 | 0,1 | 0,1 | 0,2 | 0,3 | 0,3 | 0,3 | 0,3 | 0,3 | 0,2 | 0,2 |
Verarbeitendes Gewerbe | −1,3 | 0,5 | 0,7 | 0,4 | −0,1 | 0,2 | −0,9 | −0,2 | 0,2 | 0,3 | 0,2 | 0,2 | 0,3 | 0,3 | 0,3 | 0,3 |
Baugewerbe | 0,7 | −2,7 | −2,1 | −2,4 | 5,2 | −0,7 | 0,4 | −1,3 | −0,6 | −0,2 | 0,1 | 0,2 | 0,3 | 0,5 | 0,4 | 0,4 |
Handel, Gastgewerbe, Verkehr | −0,3 | 0,1 | 1,2 | −1,2 | −0,4 | 0,1 | 1,7 | 0,4 | 0,5 | 0,5 | 0,5 | 0,5 | 0,5 | 0,5 | 0,4 | 0,4 |
Unternehmensdienstleister | 1,8 | −0,7 | 0,2 | 0,2 | −0,2 | 0,4 | 0,1 | 0,2 | 0,3 | 0,3 | 0,3 | 0,3 | 0,3 | 0,3 | 0,2 | 0,2 |
Öffentliche Dienstleistungen, Erziehung, Gesundheit | 1,9 | 0,7 | 1,4 | −0,5 | 0,9 | −0,7 | −0,2 | 0,3 | 0,4 | 0,3 | 0,3 | 0,3 | 0,2 | 0,2 | 0,2 | 0,2 |
1 Wachstumsbeitrag in Prozentpunkten.
Anmerkung: Prognose ab dem vierten Quartal 2023.
Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW-Konjunkturprognose Winter 2023.
Der private Konsum dürfte sich trotz der mit dem Urteil und der jüngsten Haushaltseinigung verbundenen Folgen vorsichtig erholen. In diesem Jahr werden beschlossene Maßnahmen, auch die aus dem WSF, noch umgesetzt. Im nächsten Jahr fallen sie zwar weg, wären allerdings ohnehin nur geringfügig gewesen, denn auch ohne das Urteil aus Karlsruhe wären die Energieausgleichszahlungen an die privaten Haushalte aufgrund der weiterhin fallenden Energiepreise wohl deutlich geringer ausgefallen als ursprünglich veranschlagt. Die Erholung des privaten Verbrauchs wird getragen von weiteren kräftigen Nominallohnsteigerungen, die sich noch bis ins nächste Jahr fortsetzten dürften. Diese werden aber wohl etwas geringer ausfallen als zuletzt erwartet, denn die weiterhin schwächelnde Wirtschaftsentwicklung dürfte den Beschäftigungsaufbau belasten und so zu geringeren Lohnabschlüssen führen. Insgesamt werden die realen Einkommensverluste, die die privaten Haushalte in den vergangenen Jahren erlitten haben, im Prognosezeitraum wohl zunehmend kompensiert werden. Zusammen mit einer weiter nachlassenden Inflationsrate und einem weitgehend robusten Arbeitsmarkt dürfte die Lohnentwicklung die Kaufkraft stützen und der Konsumneigung der privaten Haushalte erhöhen.
Nach einem leichten Plus zum Jahresende bleibt eine schwunghafte Erholung im weiteren Verlauf aber wohl aus – vor allem aufgrund des restriktiven finanzpolitischen Kurses. Ein allmählich anziehender privater Verbrauch hievt die deutsche Wirtschaft im kommenden Jahr zwar aus der konjunkturellen Flaute (Tabelle 3). Gedämpft wird das Wachstum allerdings durch sinkende Investitionen bis zur Mitte des kommenden Jahres und auch danach durch deren schwache Entwicklung. Profitieren dürfte die Investitionstätigkeit aber von der Zinswende im kommenden Jahr. In dieser Prognose wird unterstellt, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen bis zum Frühsommer konstant hält und dann schrittweise senken wird (Kasten 1). Dies steht im Einklang mit den abnehmenden Inflationsraten der vergangenen Monate. Die Anstiege der Lebensmittelpreise haben zuletzt an Dynamik verloren und die Energiepreise sinken mittlerweile sogar. Die Inflationsrate hat zudem deutlich schneller abgenommen als erwartet und dürfte weiter sinken, wenngleich weniger rasant als zuvor, da die Basiseffekte durch die starken Preisanstiege aus dem vergangenen Jahr langsam wegfallen. Im Schlussquartal 2024 wird die Inflation dann wohl wieder bei zwei Prozent liegen. Allerdings dürfte die Kernrate, die die Energie- und Nahrungsmittelpreise ausklammert, deutlich langsamer zurückgehen als die Inflationsrate insgesamt, denn die gestiegenen Löhne und der breite Preisdruck abseits von Energie und Nahrungsmitteln dürften sich deutlich bemerkbar machen.
In Prozentpunkten (preisbereinigt)
Veränderungsbeiträge1 | ||||
---|---|---|---|---|
2022 | 2023 | 2024 | 2025 | |
Konsumausgaben | 2,3 | −1,0 | 0,7 | 0,8 |
Private Haushalte | 1,9 | −0,5 | 0,5 | 0,5 |
Staat | 0,3 | −0,5 | 0,2 | 0,3 |
Bruttoanlageinvestitionen | 0,0 | 0,0 | −0,3 | 0,4 |
Bauten | −0,2 | −0,2 | −0,2 | 0,2 |
Ausrüstungen | 0,3 | 0,2 | −0,1 | 0,1 |
Sonstige Anlagen | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,1 |
Vorratsveränderungen | 0,7 | 0,2 | 0,0 | 0,0 |
Inländische Verwendung | 3,0 | −0,8 | 0,4 | 1,1 |
Außenbeitrag | −1,2 | 0,5 | 0,2 | −0,1 |
Exporte | 1,6 | −0,9 | 0,4 | 1,6 |
Importe | −2,8 | 1,4 | −0,2 | −1,7 |
Bruttoinlandsprodukt2 | 1,8 | −0,3 | 0,6 | 1,0 |
1 Verwendungsaggregate abzüglich ihres Importgehalts.
2 Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent; Abweichungen in den Summen durch Runden der Zahlen.
Anmerkung: Prognose ab dem Jahr 2023.
Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW-Konjunkturprognose Winter 2023.
Die Finanzpolitik wird wohl deutlich restriktiver ausfallen als noch vor kurzem erwartet wurde (Kasten 4). Zwar dürften die weiterhin gewichtige Maßnahmen wie das Inflationsausgleichsgesetz, von dem die privaten Haushalte profitieren, die wirtschaftliche Entwicklung stützen. Allerdings erfordert das Urteil des Bundesverfassungsgerichts annahmegemäß Einsparungen von erheblichem Ausmaß und die verzögerte politische Reaktion erzeugt Verunsicherung über konkrete Fördermöglichkeiten in den kommenden Jahren. Auch die Ausgestaltung der Energiewende ist mit nochmals erhöhten politischen Unwägbarkeiten behaftet. Dies wird die Anschaffungsneigung von Unternehmen und Haushalten wohl bremsen. Lichtblick in den kommenden zwei Jahren ist eine voraussichtlich dynamischere Entwicklung im Euroraum, die dem Außenhandel Auftrieb verleihen und so die Investitionstätigkeit und die Produktion in Deutschland stützen dürfte.
Die krisenbedingte Beanspruchung der öffentlichen Haushalte ist in diesem Jahr zurückgegangen. In der zweiten Jahreshälfte behalten die finanzpolitischen Maßnahmen ihren expansiven Charakter noch bei, jedoch in geringerem Maße als zu Jahresbeginn (Tabelle). Die Auswirkungen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November 2023 zu notlagebedingten Sondervermögen werden im Jahr 2023 vermutlich durch einen notlagebegründeten Nachtragshaushalt abgefedert. Zu Mindereinnahmen und Mehrausgaben trugen die Anpassungen im Einkommensteuertarif, die Erhöhung monetärer Sozialleistungen wie des Kindergeldes und die Einführung des Bürgergeldes, diverse Hilfen im Zuge der Strom- und Gaspreisbremsen, steigende Ausgaben des Klima- und Transformationsfonds (KTF) sowie zunehmende Verteidigungsausgaben bei.
In Milliarden Euro (gegenüber dem Vorjahr)
2023 | 2024 | 2025 | |
---|---|---|---|
Einnahmen der Gebietskörperschaften | |||
Jahressteuergesetz 2022 (Erhöhung Sparer-Pauschbetrag, Ausbildungsfreibeitrag, Grundrentenzuschlag, vollständige Abzugsfähigkeit Altersvorsorgeaufwendungen) | −3,1 | 0,2 | 1,0 |
Ausgleich Kalte Progression 2025 | 0,0 | 0,0 | −4,2 |
Steigende Rentenbesteuerung und steigende Abzugsfähigkeit von Rentenversicherungsbeiträgen | −1,2 | −1,2 | −1,2 |
Inflationsausgleichsgesetz (Änderungen Einkommensteuertarif) | −12,3 | −14,6 | −2,8 |
Degressive Afa (2. Corona-Steuerhilfegesetz) | 0,5 | 3,8 | 1,8 |
4. Corona-Steuerhilfegesetz (Verlängerung degressive AfA, Home-Office-Pauschale etc.) | −3,4 | −1,2 | 2,1 |
Temporäre Senkung der Umsatzsteuer auf Erdgas | −4,5 | 6,5 | 0,0 |
Umsatzsteuersenkung in der Gastronomie (1. und 3. Corona-Steuerhilfegesetz, 8. Verbrauchsteueränderungsgesetz) | 0,0 | 2,9 | 0,5 |
Energiesteuersenkungsgesetz (Tankrabatt) | 3,2 | 0,0 | 0,0 |
Einnahmen Klima- und Transformationsfonds (BEHG & ETS)1 | 0,4 | 3,2 | 4,6 |
Erhöhung Lkw-Maut | 0,7 | 7,1 | 0,2 |
Änderungen bei der Tabaksteuer | 0,6 | 0,0 | 0,9 |
Wachstumschancengesetz | 0,0 | −1,1 | −1,8 |
Abgabenfreiheit Inflationsausgleichsprämie | −5,4 | 1,3 | 4,0 |
Zukunftsfinanzierungsgesetz | 0,0 | −0,6 | −0,3 |
Spitzenausgleich Stromsteuer, Absenkung Stromsteuer | 0,0 | −1,3 | −1,5 |
Sonstige steuerliche Maßnahmen | −0,2 | 0,3 | −0,0 |
Einnahmen der Sozialversicherungen | |||
Erhöhung des Zusatzbeitragssatzes in der gesetzlichen Krankenversicherung | 3,5 | 3,5 | 0,0 |
Erhöhung des Beitragssatzes in der Pflegeversicherung | 3,3 | 3,3 | 0,0 |
Erhöhung des Beitragssatzes in der Arbeitslosenversicherung | 2,6 | 0,0 | 0,0 |
Abgabenfreiheit Inflationsausgleichsprämie | −10,4 | 2,6 | 7,8 |
Insolvenzgeldumlage | −0,3 | 0,0 | 0,0 |
Erhöhung der Mini- und Midijobgrenzen | −1,3 | 0,0 | 0,0 |
Ausgaben der Gebietskörperschaften | |||
Inflationsausgleichsgesetz (Anhebung Kindergeld) | −6,3 | 1,5 | 0,4 |
Kindergrundsicherung | 0,0 | 0,0 | −5,0 |
Kürzung Elterngeld für Spitzenverdienende | 0,0 | 0,2 | 0,3 |
Auslaufende Corona-Maßnahmen (Impfkampagne, Schnelltests etc.) | 16,0 | 0,0 | 0,0 |
Auslaufende Corona-Maßnahmen (Unternehmenshilfen) | 12,5 | 1,0 | 0,0 |
Strom- und Gaspreisbremse | −32,0 | 32,0 | 0,0 |
Unterstützung Gasimporteure | 21,0 | 0,0 | 0,0 |
Energiekostendämpfungsprogramm für Unternehmen | 1,0 | 0,0 | 0,0 |
Energiepreispauschale (Rentner*innen, Arbeitnehmer*innen, Studierende und Fachschüler*innen) | 13,3 | 1,3 | 0,0 |
Kinderbonus 2022 | 1,7 | 0,0 | 0,0 |
Ausgaben Klima- und Transformationsfonds2 | −8,0 | 4,5 | 0,8 |
Zusätzliche Verteidigungsausgaben | −2,0 | −5,0 | −6,0 |
Heizkostenzuschüsse | 0,5 | 0,2 | 0,0 |
Dezember-Soforthilfe | 4,8 | 0,0 | 0,0 |
Sofortzuschlags- und Einmalzahlungsgesetz | 0,6 | 0,0 | 0,0 |
Wohngeld-Plus-Gesetz | −2,5 | −1,1 | 0,0 |
Bürgergeld-Gesetz | −4,8 | −0,4 | −0,3 |
Preissenkung im öffentlichen Personennahverkehr (9-Euro/49-Euro-Ticket) | 0,2 | −1,8 | 0,0 |
Pflegebonusgesetz | 1,0 | 0,0 | 0,0 |
Energiehilfen für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen | −6,0 | 6,0 | 0,0 |
27. BAföG-Änderungsgesetz | −0,5 | 0,0 | 0,0 |
Integration und Unterstützung Ukrainegeflüchtete | −0,4 | 0,3 | 0,3 |
Militärische Unterstützung Ukraine | −3,4 | −0,6 | 0,0 |
Aufstockung Gasreserve | 1,5 | 0,0 | 0,0 |
Ausgaben der Sozialversicherungen | |||
GKV-Finanzstabilisierungsgesetz | 1,7 | 0,0 | 0,0 |
Anpassung Rente Ost | −0,5 | −0,5 | 0,0 |
Grundrente | 0,8 | −0,1 | −0,1 |
Pflegepersonal-Stärkungsgesetz und Pflegereform | −0,8 | −0,3 | 0,0 |
Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz | 0,0 | 0,3 | −1,0 |
nachrichtlich: Progressionseffekte (Einkommensteuer) | 12,5 | 10,0 | 7,8 |
Insgesamt | −5,4 | 62,2 | 8,3 |
Insgesamt ohne Progressionseffekt | −17,9 | 52,2 | 0,4 |
In Relation zum Bruttoinlandsprodukt in Prozent | −0,4 | 1,2 | 0,0 |
1 Die Mehreinnahmen bilden noch nicht die geplante stärkere Erhöhung des CO2-Preises nach BEHG auf 45 Euro im Jahr 2024 ab.
2 Die Änderung von 2023 auf 2024 bezieht die gesamte rechnerische Finanzlücke von 26 Milliarden Euro ein. Davon sollen laut Presseerklärung der Koalitionsspitzen vom 13. Dezember 2023 12,7 Milliarden Euro an Ausgaben gekürzt und der Rest durch Bezuschussung aus dem Kernhaushalt finanziert werden.
Anmerkungen: Ohne makroökonomische Rückwirkungen. Sonstige steuerliche Maßnahmen beinhalten die Anhebung der Höchstbetragsgrenze beim Verlustrücktrag (3. Corona-Steuerhilfegesetz), Zweites Familienentlastungsgesetz, Erhöhung der Behinderten-Pauschbeträge, Forschungszulagengesetz, Fondsstandortgesetz, Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts und die Gewinnabschöpfung bei Stromproduzenten.
Quelle: Bundesregierung (Haushaltsplan, Gesetzesentwürfe, Monatsberichte des Bundesfinanzministeriums, Finanzberichte 2021 bis 2024, Datensammlung zur Steuerpolitik); DIW-Konjunkturprognose Winter 2023.
Minderausgaben ergeben sich auch durch den Wegfall pandemiebedingter Ausgaben und einmaliger Stützungsmaßnahmen im Zuge der Energiekrise. Darüber hinaus werden Mehreinnahmen aus der Erhöhung des Zusatzbeitrags der gesetzlichen Krankenversicherung und den Beitragssatzerhöhungen in der Arbeitslosen- und Pflegeversicherung, dem Wegfall des Tankrabatts sowie durch die Erhöhung der Lkw-Maut erzielt. Insgesamt übersteigen die Mehrausgaben die Mehreinnahmen im Jahr 2023 um 0,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Im Jahr 2024 dürften die finanzpolitischen Maßnahmen spürbar restriktiv ausfallen. Die Ausgabenausfälle aus dem KTF und die vorzeitige Schließung des WSF-E zum Ende des Jahres 2023, aus dem die Strom- und Gaspreisbremse und Härtefallhilfen für Krankenhäuser finanziert wurden, verändern das Bild im Vergleich zur Herbstprognose des DIW Berlin stark. Mittelausfälle in Höhe von 26 Milliarden Euro aus dem KTF und von 4,5 Milliarden Euro aus dem WSF-E setzen im Jahr 2024 einen restriktiven Impuls. Ein Teil der Ausfälle wird durch den Kernhaushalt gegenfinanziert.Vgl. die Mitschrift der Pressekonferenz vom 13. Dezember 2023: Pressestatements von Bundeskanzler Scholz, Bundesminister Habeck und Bundesminister Lindner (online verfügbar). Dies verändert die Höhe des restriktiven Impulses jedoch nicht. Nicht abzuschätzen ist derzeit, welche Auswirkungen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts für die Länderhaushalte haben wird; auch hier weisen einige Sondervermögen deutliche Ähnlichkeiten zu dem als verfassungswidrig eingestuften KTF auf.
Mehreinnahmen dürften sich wegen des Wegfalls der temporären Senkung der Umsatzsteuer in der Gastronomie und auf Erdgas zum 1. Januar 2024 sowie durch die Anhebung des CO2-Preises ergeben. Spürbare Mindereinnahmen wird es weiterhin durch die Änderungen im Einkommensteuertarif durch das Inflationsausgleichsgesetz geben.
Insgesamt dürften die Mehreinnahmen und Minderausgaben die Mindereinnahmen und Mehrausgaben im Jahr 2024 um 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts übersteigen. Somit wird ein signifikant restriktiver Impuls gesetzt, bei dem Minderausgaben dominieren. Im Jahr 2025 halten sich Minder- und Mehreinnahmen beziehungsweise -ausgaben voraussichtlich die Waage.
Alles in allem wird das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr aufgrund des schwachen Winterhalbjahres 2022/23 und der folgenden Stagnation wohl um 0,3 Prozent zurückgehen. Für 2024 ist eine Zunahme der Wirtschaftsleistung um 0,6 Prozent zu erwarten. Im Jahr 2025 wird das Plus voraussichtlich 1,0 Prozent betragen. Damit hebt das DIW Berlin seine Prognose für dieses Jahr gegenüber dem Herbst leicht um 0,1 Prozentpunkte an. Dies ist auf die Revision des Bruttoinlandsprodukts für vergangene Quartale durch das Statistische Bundesamt zurückzuführen. Für 2024 wurde die Prognose um 0,6 Prozentpunkte nach unten angepasst. Die niedrigere Wachstumsrate geht sowohl auf die veränderte Dynamik im laufenden Jahr als auch auf Anpassungen der Prognose infolge der Haushaltskürzungen zurück (Tabelle 4). Die Haushhaltskrise wird dabei in den kommenden beiden Jahren zu einem Rückgang des Wachstums um 0,3 beziehungsweise 0,2 Prozentpunkte führen. Vor allem wurden der private Verbrauch, aber auch die Investitionen nach unten revidiert. Die Produktionslücke in Deutschland dürfte im Durchschnitt dieses Jahres bei minus 1,3 Prozent liegen und sich 2024 kaum verändern. Im Durchschnitt des Jahres 2025 dürfte sie dann minus 0,8 Prozent betragen (Kasten 5).
In Prozentpunkten
Prognosekorrektur Gesamt | Revision der VGR | Prognosefehler | Prognoseanpassung | |
---|---|---|---|---|
Bruttoinlandsprodukt | 0,1 | 0,1 | 0,0 | 0,0 |
Inländische Verwendung | −0,3 | 0,1 | −0,3 | −0,1 |
Private Konsumausgaben | −0,5 | −0,3 | −0,1 | 0,0 |
Staatlicher Konsum | 0,2 | 0,7 | −0,5 | 0,0 |
Bauten | −0,9 | 0,0 | −0,6 | −0,4 |
Ausrüstungen | 0,2 | 0,0 | 0,5 | −0,3 |
Sonstige Anlageinvestitionen | −0,8 | 0,0 | −0,6 | −0,1 |
Ausfuhr | −0,8 | −0,6 | −0,1 | −0,1 |
Einfuhr | −1,5 | −0,7 | −0,6 | −0,2 |
Anmerkung: Approximative Zerlegung der Prognosekorrektur. Die Revision entspricht dem Beitrag der Revision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen durch das Statistische Bundesamt. Der Prognosefehler entspricht dem Beitrag der Differenz zwischen der Herbstprognose für das zweite und dritte Quartal des Jahres 2023 und den aktuellen Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. Die Prognoseanpassung entspricht dem Beitrag der Prognoseanpassung für das vierte Quartal des laufenden Jahres. Summen können rundungsbedingt abweichen.
Quelle: DIW-Konjunkturprognose Winter 2023.
Die Berechnung des Produktionspotenzials basiert auf dem Verfahren der Europäischen Kommission.Für eine ausführliche Beschreibung dieser Methode siehe Karel Havik et al. (2010): The Production Function Methodology for Calculating Potential Growth Rates and Output Gaps. Europäische Kommission in ihrer Reihe European Economy – Economic Papers Nr. 420. Demografische Effekte werden durch ein Alterskohortenmodell berücksichtigt.Siehe Ferdinand Fichtner et al. (2017): Deutsche Wirtschaft bleibt gut ausgelastet: Grundlinien der Wirtschaftsentwicklung im Herbst 2017. DIW Wochenbericht Nr. 36, 715–736 (online verfügbar). (Abbildung)
Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter wird im Wesentlichen anhand der 2021 aktualisierten Bevölkerungsprojektion (mittleres Szenario zwischen „moderater Wanderungssaldo” und „hoher Wanderungssaldo”) fortgeschrieben.Statistisches Bundesamt (2021): Ausblick auf die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland und den Bundesländern nach dem Corona-Jahr 2020 – Erste mittelfristige Bevölkerungsvorausberechnung 2021 bis 2035. Diese Projektion geht von einem Anstieg der Nettozuwanderung auf 335000 Personen im Jahr 2023 aus, bevor diese Zahl bis Ende 2026 wieder langsam zurückgeht. Diese Annahme musste angepasst werden, denn im Jahr 2022 kamen, vor allem aus der Ukraine, unerwartet viele Geflüchtete nach Deutschland. Die Nettozuwanderung erreichte eine Rekordhöhe seit 1950 und lag bei knapp 1,46 Millionen Personen.Statistisches Bundesamt (2023): Tabelle „Wanderungen zwischen Deutschland und dem Ausland, Zugezogene, Fortgezogene und Saldo. Wanderungen zwischen Deutschland und dem Ausland 1991 bis 2022“ (online verfügbar). Im laufenden Jahr sollte die Nettozuwanderung mit geschätzt 610000 Personen ebenfalls deutlich höher als im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre ausfallen. Unter diesen Annahmen wird die Erwerbsbevölkerung in Deutschland insgesamt noch bis zum Jahr 2024 zunehmen, danach aber im Zuge der demografischen Alterung allmählich sinken. Für den Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung unter den Erwerbszuwanderern und den Nicht-Erwerbszuwanderern wird jeweils der Wert aus dem Ausländerzentralregister angesetzt.Rund 90 Prozent der EU-Zugeanderten sind im erwerbsfähigen Alter. Bei der Nicht-EU-Zuwanderung beträgt der Anteil 71 Prozent. Siehe Statistisches Bundesamt (2020): Ausländische Bevölkerung – Ergebnisse des Ausländerzentralregisters 2019. Fachserie 1, Reihe 2. Die Partizipationsquoten werden für Geflüchtete und die übrige Bevölkerung getrennt geschätzt und anschließend zusammengefasst. Angefangen mit 74,6 Prozent im Jahr 2022 geht sie zurück. Auch die natürliche Erwerbslosenquote ergibt sich als gewichteter Durchschnitt der entsprechenden Werte für Geflüchtete und der übrigen Bevölkerung. Sie liegt im Jahr 2023 bei knapp drei Prozent und geht bis 2026 auf 2,8 Prozent zurück. Danach steigt sie bis 2028 auf 2,9 Prozent.
Die durchschnittliche Wachstumsrate des Arbeitsvolumens dürfte bis 2028 bei −0,2 Prozentpunkten liegen (Tabelle 1). Bis 2023 wird sie hauptsächlich durch die zunehmende Erwerbsbevölkerung getrieben werden. Danach dürften verschiedene Faktoren auf das Arbeitsvolumen drücken: Zum einen dürfte sich der Abwärtstrend bei der Arbeitszeit fortsetzen. Zudem dürfte die Partizipationsquote über den Zeitraum zurückgehen.Siehe dazu auch Kasten 7 in diesem Bericht. Außerdem wird auch die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter in den Jahren 2022 bis 2028 einen negativen Wachstumsbeitrag leisten (Tabelle 2). Alles in allem dürfte das potenzielle Arbeitsvolumen in Stunden bis 2028 damit durchschnittlich einen Wachstumsbeitrag von −0,1 Prozentpunkten leisten.
Jahresdurchschnittliche Veränderung in Prozent
2015–2022 | 2022–2028 | |
---|---|---|
Produktionspotential | 1,1 | 0,5 |
Wachstumsbeiträge | ||
Arbeitsvolumen | 0,2 | −0,1 |
Kapitalvolumen | 0,4 | 0,3 |
Totale Faktorproduktivität | 0,6 | 0,4 |
Anmerkung: Differenzen bei der Aggregation entstehen durch Rundungseffekte.
Quellen: Statistisches Bundesamt; Europäische Kommission; DIW-Konjunkturprognose Winter 2023.
Erwerbstätige (Inland) | beschäftigte Arbeitnehmer*innen (Inland) | jährliche Arbeitszeit je Erwerbstätigen | Bruttoinlandsprodukt | |||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
preisbereinigt, verkettete Volumenwerte | ||||||||
insgesamt | je Erwerbstätigen | je Erwerbstätigenstunde | in jeweiligen Preisen | Deflator | ||||
in Tausend | in Tausend | in Stunden | in Milliarden Euro | in Euro | in Euro | in Milliarden Euro | 2015 = 100 | |
2015 | 43122 | 38717 | 1401 | 3026 | 70177 | 50 | 3026 | 100 |
2023 | 45950 | 42049 | 1345 | 3265 | 71052 | 53 | 4104 | 126 |
2028 | 45497 | 41955 | 1355 | 3392 | 74562 | 55 | 4658 | 137 |
Jahresdurchschnittliche Veränderung in Prozent | ||||||||
2023/2015 | 0,8 | 1,0 | −0,5 | 1,0 | 0,2 | 0,7 | 3,9 | 2,9 |
2028/2023 | −0,2 | 0,0 | 0,1 | 0,8 | 1,0 | 0,8 | 2,6 | 1,8 |
Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW-Konjunkturprognose Winter 2023.
Zusammen mit dem Wachstumsbeitrag des Kapitalstocks in Höhe von 0,3 Prozentpunkten und dem der Totalen Faktorproduktivität in Höhe von 0,4 Prozentpunkten ergibt sich, dass das reale Produktionspotenzial bis 2028 um jahresdurchschnittlich 0,5 Prozent zunehmen wird, wobei die Raten demografisch bedingt von Jahr zu Jahr sinken.
Die Verbraucherpreisinflation wird im Jahresdurchschnitt 2023 bei voraussichtlich 5,9 Prozent liegen, bevor sie 2024 auf 2,4 Prozent und 2025 auf 2,0 Prozent zurückgeht (Tabelle 5). Die Kernrate, die Energie und Nahrungsmittel ausklammert, dürfte 2023 im Durchschnitt bei 5,1 Prozent liegen und 2024 auf 2,5 Prozent beziehungsweise 2025 auf 2,0 Prozent fallen.
2022 | 2023 | 2024 | 2025 | |
---|---|---|---|---|
Bruttoinlandsprodukt1 | 1,8 | −0,3 | 0,6 | 1,0 |
Erwerbstätige2 (1000 Personen) | 45596 | 45950 | 46071 | 46082 |
Arbeitslose (1000 Personen) | 2418 | 2608 | 2713 | 2559 |
Arbeitslosenquote BA3 (in Prozent) | 5,3 | 5,7 | 5,9 | 5,5 |
Verbraucherpreise4 | 6,9 | 5,9 | 2,4 | 2,0 |
Lohnstückkosten5 | 3,4 | 6,3 | 4,0 | 2,4 |
Finanzierungssaldo des Staates6 | ||||
in Milliarden Euro | −96,9 | −87,1 | −45,0 | −27,4 |
in Prozent des nominalen BIP | −2,5 | −2,1 | −1,1 | −0,6 |
Leistungsbilanzsaldo | ||||
in Milliarden Euro | 145,1 | 256,2 | 299,6 | 301,9 |
in Prozent des nominalen BIP | 3,7 | 6,2 | 7,1 | 7,0 |
1 Preisbereingt. Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent.
2 Inlandskonzept.
3 Arbeitslose in Prozent der zivilen Erwerbspersonen (Definition gemäß der Bundesagentur für Arbeit).
4 Veränderung gegenüber dem Vorjahr.
5 Im Inland entstandene Arbeitnehmerentgelte je Arbeitnehmerstunde bezogen auf das reale Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigenstunde.
6 In Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (ESVG).
Anmerkung: Prognose ab dem Jahr 2023.
Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW-Konjunkturprognose Winter 2023.
Neben den weltwirtschaftlichen Risiken ist das wohl größte Risiko für die Erholung der deutschen Konjunktur derzeit die unklare Situation mit Blick auf die kommenden öffentlichen Haushalte. Dies dürfte die Wachstumsaussichten merklich eintrüben, was den Arbeitsmarkt belasten und die Lohn- und Gehaltssteigerungen schmälern würde. Die Investitionstätigkeit würde zusätzlich belastet und Deutschland aufgrund der politischen Verunsicherung und daraus resultierenden mangelnden Planbarkeit seine konjunkturelle Schwächephase im kommenden Jahr fortsetzen.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 15. November 2023 hat die Finanzierung vieler von der Ampelkoalition geplanter Projekte finanziell auf unsicheren Boden gestellt. Dazu zählen Projekte zur ökologischen Transformation der Wirtschaft, aber auch zur Abfederung der hohen Strompreise. Die Klage bezog sich auf das zweite Nachtragshaushaltsgesetz 2021 und die Verschiebung von für Corona-Maßnahmen vorgesehenen Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Milliarden Euro in den Klima- und Transformationsfonds (KTF). Die Urteilsbegründung und damit die Tragweite der Entscheidung geht allerdings über diesen Sachverhalt hinaus und betrifft auch weitere notlagenbegründete Sondervermögen. Das Gericht stellte unter anderem fest, dass diese Sondervermögen „veranlassungsgebunden“ verwendet und innerhalb des Haushaltsjahres, in dem die Notlage deklariert wurde, genutzt werden müssen. Dies war beim Transfer der Mittel in den KTF nicht der Fall. Daneben ist in erster Linie der Wirtschaftsstabilisierungsfonds Energie (WSF-E) betroffen. Das Bundeskabinett hat für das laufende Jahr erneut eine Notlage beschlossen, sodass die Gelder für die Strom- und Gaspreisbremse voraussichtlich abgesichert sind. Für den Nachtragshaushalt 2023 sind insgesamt 44,8 Milliarden Euro veranschlagt.
Die Finanzierungslage für die kommenden Jahre wurde durch die Reigerungserklärung vom 13. Dezember 2023 konkretisiert. Direkt betroffen ist der KTF, dessen Ausgabenprogramm ursprünglich die Finanzierung von privaten und öffentlichen Investitionsprojekten sowie die Entlastungen von Haushalten und Unternehmen bei Energieausgaben in Höhe von jeweils 57 Milliarden Euro in den Jahren 2024 und 2025 sowie 49 und 47 Milliarden Euro in den Jahren 2026 und 2027 umfasste (Finanzplan August 2023, Tabelle 6). Aufgrund des Ausfalls der Kreditermächtigungen in Höhe von 60 Milliarden Euro muss der Fonds seine Programmausgaben ab 2024 zum Großteil aus den Einnahmen aus der CO2-Bepreisung und der globalen Mehreinnahme (Minderausgaben aus dem Vorjahr) bestreiten. Teilweise sollen ungedeckte Ausgabenposten durch Mittel aus dem Kernhaushalt und durch ressortübergreifenden Subventionsabbau gegenfinanziert werden. Der Wirtschaftsplan des WSF-E sah für das kommende Jahr außerdem noch Ausgaben in Höhe von 10,3 Milliarden Euro vor.
In Millionen Euro
Klima- und Transformationsfonds (KTF) | 2023 | 2024 | 2025 | 2026 | 2027 |
---|---|---|---|---|---|
Erlöse gemäß Treibhausgasemissionshandelsgesetz (ETS) | 7298 | 8187 | 10746 | 12855 | 12821 |
Erlöse gemäß Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) | 8631 | 10930 | 12905 | 16397 | 21852 |
Minderausgaben aus dem Vorjahr | 5952 | 9300 | 5200 | 5200 | 5200 |
Aus Rücklage / Beständen | 14078 | 3006 | 1804 | 0 | 0 |
Summe der Einnahmen | 35958 | 31423 | 30655 | 34452 | 39873 |
Geplante Ausgaben | 35958 | 57616 | 57010 | 49685 | 47502 |
Rechnerische Finanzlücke | 0 | −26193 | −26355 | −15233 | −7629 |
Angenommene alternative Finanzierung | 0 | 68351 | 63871 | 42701 | 41071 |
KTF tatsächliche Finanzlücke | 0 | −19357 | −19968 | −10963 | −3522 |
Wirtschaftsstabilisierungsfonds Energie (WSF-E) | |||||
Einnahmen | 0 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Geplante Ausgaben | 121116 | 10300 | 0 | 0 | 0 |
Nachtragshaushalt 2023 | 43200 | 0 | 0 | 0 | 0 |
Rechnerische Finanzlücke | −77916 | −10300 | 0 | 0 | 0 |
Angenommene tatsächliche Ausgaben | 432002 | 45003 | 0 | 0 | 0 |
WSF-E tatsächliche Finanzlücke | 0 | −4500 | 0 | 0 | 0 |
Insgesamt tatsächliche Finanzlücke | 0 | −23857 | −19968 | −10963 | −3522 |
1 Dies beruht auf der Annahme, dass sowohl die Ausgaben für Bahninfrastruktur (vier Milliarden Euro pro Jahr 2024 und 2025, 2,3 Milliarden Euro pro Jahr 2026 und 2027) als auch ein kleiner Teil der Ausgaben für Gebäudesanierung aus alternativen Mitteln finanziert werden können.
2 Veranschlagte Kosten aus dem Nachtragshaushalt 2023.
3 Für diese Prognose wird von wesentlich geringeren Kosten für die Dämpfung der Netzentgelte ausgegangen, da dieser Posten im Jahr 2023 rund vier Milliarden Euro beansprucht hat (siehe Nachtragshaushalt 2023).
Quelle: DIW-Konjunkturprognose Winter 2023.
Dieser Prognose liegt die Annahme zugrunde, dass den jeweils veranschlagten Ausgaben nur noch Einnahmen in Höhe von rund 30 Milliarden Euro in den Jahren 2024 und 2025, 34 Milliarden Euro im Jahr 2026 und 39 Milliarden Euro im Jahr 2027 gegenüberstehen. Dies hinterlässt im KTF große Finanzierungslücken – in den kommenden beiden Jahren rechnerisch jeweils etwa 26 Milliarden Euro, 15 Milliarden Euro im Jahr 2026 und knapp acht Milliarden Euro im Jahr 2027. Die Frage ist nun, bei welchen Programmen gespart werden wird. Das geplante Ausgabenprogramm beinhaltete unter anderem Zuschüsse zur klimafreundlichen Gebäudesanierung (von rund 19 Milliarden Euro 2024 bis zwölf Milliarden Euro im Jahr 2027), Strompreiskompensationen für Unternehmen (von rund fünf Milliarden Euro im Jahr 2024, die bis 2027 langsam zurückgehenFür 2024 sind zwei Milliarden Euro im Wirtschaftsplan des KTF von August 2023 eingeplant. Außerdem wurden weitere Mittel durch das Strompaket der Bundesregierung angekündigt.), Zuschüsse für die Umrüstung auf Wasserstoff als Energieträger in der Industrie (von rund vier Milliarden Euro im Jahr 2024 bis 5,5 Milliarden Euro im Jahr 2027), Zuschüsse für die Sanierung der Bahninfrastruktur (von vier Milliarden Euro im Jahr 2024 bis 2,3 Milliarden Euro im Jahr 2027), für die Ansiedlung und Förderung der Chip-Industrie in Deutschland (vier Milliarden Euro im Jahr 2024) und für die Entlastung beim Strompreis (EEG-Förderung, jeweils zehn Milliarden Euro).
Aufgrund von Aussagen der Bundesregierung und bereits diskutierter alternativer Finanzierungsmöglichkeiten für einige Ausgabenprogramme wird in dieser Prognose unterstellt, dass die rechnerische Finanzlücke, also die prognostizierten Einnahmen des KTF abzüglich der geplanten Ausgaben aus dem Finanzplan vom August 2023, größer ist als die tatsächliche Finanzlücke. Investitionen in die Bahninfrastruktur werden anderweitig aufgefangen. Zudem wird unterstellt, dass ein kleiner Teil der Förderung zur Gebäudesanierung alternativ finanziert wird. Dies schmälert die rechnerische Finanzierungslücke, sodass sich die tatsächliche Finanzierungslücken des KTF auf jeweils rund 19 bis 20 Milliarden Euro in den Jahren 2024 und 2025, elf Milliarden Euro im Jahr 2026 und 3,5 Milliarden Euro im Jahr 2027 belaufen (basierend auf dem Finanzplan von August 2023).
Um die Effekte des Ausgabenrückgangs der Programme aus dem KTF abschätzen zu können, müssen Annahmen darüber getroffen werden, wo gekürzt wird. Aufgrund der Aussagen der Bundesregierung kann damit gerechnet werden, dass einige Programme vollumfänglich weiter finanziert werden, wohingegen andere vollständig entfallen dürften. Sowohl Maßnahmen zur Gebäudesanierung (mit leichtem Abschlag) als auch zur Entlastung der Bürger*innen beim Strompreis (EEG-Förderung) haben Priorität und werden weiter gefördert. Ausgaben dieser zwei Programmpunkte werden also zunächst mit den Einnahmen verrechnet. Die verbleibenden Einnahmen werden proportional auf die anderen Programme aufgeteilt.
In den kommenden beiden Jahren ergeben sich so angenommene Mittelkürzungen im KTF für private und öffentliche Investitionen in Höhe von rund 9,6 Milliarden Euro (Tabelle 7) , vor allem im Bereich der Solarindustrie. Die Kürzung von Strompreiskompensationen in Höhe von 3,6 Milliarden Euro auf ein Budget von rund einer Milliarde Euro dämpft 2024 die Unternehmensgewinne. Im Jahr darauf ergeben sich ähnliche BIP-wirksame Ausfälle in Höhe von 9,8 Milliarden Euro bei Investitionen und von 2,6 Milliarden Euro bei unternehmensstabilisierenden Maßnahmen. Die Kürzungen im KTF haben kaum Auswirkungen auf die Einkommen privater Haushalte, da davon ausgegangen wird, dass die EEG-Förderung bestehen bleibt.
In Millionen Euro
2024 | 2025 | ||
---|---|---|---|
Klima- und Transformationsfonds (KTF) | Wirtschaftsstabilisierungsfonds Energie (WSF-E) | KTF | |
Private Investitionen | −8073 | −8382 | |
Öffentliche Investitionen | −1620 | −1457 | |
Einkommen der Haushalte | −389 | −4500 | 0 |
Strompreiskompensation für Unternehmen | −3576 | −2618 | |
Weitere Kürzungen | −5699 | −7510 | |
Tatsächliche Finanzlücke | −19357 | −4500 | −19968 |
Bahninfrastruktur alternativ finanziert | −4000 | −4000 | |
Weitere Projekte alternativ finanziert | −2835 | −2387 | |
Rechnerische Finanzlücke | −26193 | −4500 | −26355 |
Quelle: DIW-Konjunkturprognose Winter 2023.
Zusätzlich zu der Finanzierungslücke im KTF wird der WSF-E zum Ende dieses Jahres geschlossen. Im diesem Zuge fallen im kommenden Jahr Mittel für die Strom- und Gaspreisbremse und zur Dämpfung der Stromnetzentgelte weg. Es wird eine einkommenswirksame Kürzung für die Haushalte von rund 4,5 Milliarden Euro im Jahr 2024 angenommen, wobei zwei Milliarden Euro für die Strom- und Gaspreisbremse und 2,5 Milliarden Euro für die Dämpfung der Netzentgelte veranschlagt werden.Im Jahr 2023 wurden 3,8 Mrd. für die Dämpfung des Anstiegs der Übertragungsnetzkosten genutzt (s. 2. Nachtragshaushaltsgesetz 2023, S. 7f.)
Insgesamt sind die angenommenen Kürzungen der öffentlichen Mittel ab dem kommenden Jahr vor allem investiver Natur (Kasten 6). Zwar ist damit zu rechnen, dass laufende Projekte entweder durch andere öffentliche Mittel oder alternative Finanzierungen fortgeführt werden. Aber neue, privatwirtschaftliche Investitionsprojekte werden wohl teilweise nicht realisiert, da sich die Projektfinanzierung durch den Wegfall von Zuschüssen verteuert und die Unsicherheit um die öffentlichen Förderungen in den kommenden Jahren die Projektplanung erschwert. Neben den investiven Maßnahmen fällt auch ein merklicher Teil an Energiekostenkompensationen für Unternehmen weg. Bei dem in dieser Prognose unterstellten Umfang dürfte der Effekt der Gewinnminderung von Unternehmen auf die Beschäftigung und die Arbeitseinkommen allerdings gering ausfallen. Auch sind die hier angenommenen Rückgänge der konsumtiv wirkenden Maßnahmen, die direkt die Einkommen der privaten Haushalte schmälern, eher klein.
Um abzuschätzen, wie sich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 15. November 2023 in den kommenden Jahren auswirkt, wird ein makroökonomisches allgemeines Gleichgewichtsmodell verwendet.Vgl. Marius Clemens und Werner Röger (2021): Temporary VAT Reduction during the Lockdown-Evidence from Germany. DIW Discussion Papers Nr. 1944 (online verfügbar). Dieses wird auf die deutsche Wirtschaft kalibriert und es werden die angenommenen Rückgänge der öffentlichen Ausgaben für die Jahre 2024 und 2025 unterstellt. Die Ergebnisse der Simulationen legen nahe, dass die Effekte auf die Investitionen erheblich sein werden (Abbildung). So dürften die Investitionen in den beiden kommenden Jahren durch den Wegfall öffentlicher Gelder wohl um 1,5 beziehungsweise 1,7 Prozentpunkte geringer ausfallen. Da Vorleistungen für Investitionen in Deutschland zu einem großen Teil aus dem Ausland stammen, sinken im Einklang mit den Investitionen auch die Importe erheblich. Dies führt dazu, dass der Außenhandelsbeitrag steigt und der aggregierte Effekt auf das Bruttoinlandsprodukt geringer ausfällt. Im Gegensatz zu den Investitionen dürfte der private Verbrauch kaum betroffen sein. Das liegt zum einen an der Annahme, dass die Mittelkürzungen nicht bei konsumwirksamen Maßnahmen wie der EEG-Förderung vorgenommen werden: So ist der unterstellte Wegfall von direkten oder indirekten Transfers der Haushalte sehr gering. Zum anderen sind die Zweitrundeneffekte des Investitionsrückgangs oder der gedämpften Unternehmensgewinne auf den Arbeitsmarkt begrenzt. Insgesamt legen die Simulationen nahe, dass die Mittelkürzungen das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland in den kommenden beiden Jahren um jeweils rund 0,1 Prozentpunkte schmälern werden.
Da in dem Modell keinerlei Effekte aufgrund von gestiegener Unsicherheit abgebildet werden, stellen die Simulationsergebnisse eher eine optimistische Einschätzung der Wirkung des Karlsruher Urteils dar. Auch im Vergleich zu alternativen Studien, etwa des Verbandes Forschender ArzneimittelherstellerVerband Forschender Arzneimittelhersteller (2023): Urteil zur Schuldenbremse: Eine erste Abschätzung der konjunkturellen Folgen. MacroScope Pharma Economic Policy Brief, 11/2023 (online verfügbar)., fallen die hier präsentierten Ergebnisse geringer aus. Dies liegt zum einen am angenommenen Umfang der Mittelkürzungen, die deutlich geringer eingeschätzt werden. Zum anderen ist entscheidend, dass hier davon ausgegangen wird, dass Kürzungen der öffentlichen Mittel wohl hauptsächlich Investitionssubventionen betreffen würden. Da Maßnahmen zur Dämpfung der Energiekosten von Haushalten wie die EEG-Förderung größtenteils erhalten bleiben, sind die Effekte auf den privaten Verbrauch eher gering.
Die skizzierten Annahmen wurden vor der Einigung der Koalitionsspitzen zum Haushalt 2024 am 13. Dezember 2023 getroffen und können die genauen Kürzungsvorschläge der Koalitionsspitzen demnach nicht enthalten. Sie decken sich aber in weiten Teilen mit diesen. Insbesondere entsprechen die in dieser Prognose unterstellten Kürzungen den Konsolidierungsvorschlägen in Struktur und Größenordnung. So entfällt der Großteil der Kürzungen auf investive Maßnahmen und Unternehmensgewinne. Im Detail einigten sich die Koalitionsspitzen auf Kürzungen von 12,7 Milliarden Euro bei KTF-Programmen, ausgenommen davon sind die EEG-Förderung und Fördermaßnahmen zur effizienten Gebäudesanierung. Diese Kürzungsprioritäten sind in den Annahmen abgebildet. Die Mehreinnahmen durch die von den Koalitionsspitzen angekündigte Anhebung des CO2-Preises um 15 Euro anstelle der unterstellten zehn Euro zum 1. Januar 2024 bedeuten eine Mehrbelastung für Haushalte und Unternehmen von insgesamt rund 2,4 Milliarden Euro im Jahr 2024 und 2,8 Milliarden Euro im Jahr 2025. Wegen des geringen Umfangs dürften sich diese kaum auf den privaten Verbrauch und die Inflation auswirken. Die von den Koalitionsspitzen beschlossenen Kürzungen im Kernhaushalt in Höhe von 17 Milliarden Euro werden unter anderem für die Gegenfinanzierung der im KTF geplanten Ausgaben zur Sanierung der Bahninfrastruktur von jeweils vier Milliarden Euro in den kommenden beiden Jahren verwendet. Diese Alternativfinanzierung wird ebenfalls in den dieser Prognose zugrundeliegenden Annahmen berücksichtigt. Ebenso wurde der Wegfall der aus dem WSF-E finanzierten Förderungen in Höhe von 4,5 Milliarden Euro berücksichtigt. Somit unterscheiden sich die hier getroffenen Annahmen von den vorgelegten Haushaltsanpassungen um rund acht Milliarden Euro. Der Kürzungsbetrag von acht Milliarden Euro wurde in dieser Prognose direkt bei Unternehmenssubventionen und Kompensationen innerhalb von KTF-Programmen vorgenommen. Gemäß der Konsolidierungsvorschläge werden diese allerdings in den Bereichen klimaschädliche Subventionen, Bundeszuschüsse und geringfügige Konsolidierungen einzelner Ressorts erwirtschaftet werden. Es ist davon auszugehen, dass ein Gutteil dieser Kürzungen auf den Wegfall von klimaschädlichen Unternehmenssubventionen entfällt, was einen ähnlichen gesamtwirtschaftlichen Effekt wie die hier unterstellten Subventionskürzungen im KTF entfalten würde.
Mit einem Plus von nur 10000 Erwerbstätigen kam der saisonbereinigte Beschäftigungsaufbau im dritten Quartal fast zum Erliegen.Der saisonbereinigte Zuwachs der Erwerbstätigen in der ersten Jahreshälfte des laufenden Jahres wurde hingegen in der letzten Revision von 177000 auf 215000 heraufgesetzt, wobei der Aufschlag ausschließlich der abhängigen Beschäftigung zugerechnet wurde. Während die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung dabei noch leicht stieg, ging die geringfügige Beschäftigung leicht zurück. Tragende Säule des kleinen Beschäftigungsaufbaus war wie schon im Vorquartal der Wirtschaftsbereich der Öffentlichen Dienstleister, Erziehung und Gesundheit, sowie in quantitativ geringerem Ausmaß der Wirtschaftsbereich Information und Kommunikation. Demgegenüber verzeichneten das Verarbeitende Gewerbe und der Bereich Handel, Verkehr und Gastgewerbe erstmalig in diesem Jahr Beschäftigungsrückgänge.Die fünf energieintensivsten Branchen (Herstellung chemischer Erzeugnisse, Metallerzeugung und -verarbeitung, Kokerei und Mineralabbau, Herstellung von Glaswaren, Keramik, Steinen, Papier und Pappe) steuerten dabei etwa ein Viertel des Beschäftigungsrückgangs im Verarbeitenden Gewerbe bei. Neben einer deutlich reduzierten Dynamik im Beschäftigungsaufbau schlug sich der Einfluss der konjunkturellen Schwäche auch in einem weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit um saisonbereinigt 47600 Personen nieder. Der Großteil des Zuwachses speiste sich aus der konjunkturnahen Arbeitslosigkeit des Rechtskreises des dritten Sozialgesetzbuches (SGB III), so dass der Anteil der Arbeitslosigkeit im Rechtskreis des zweiten Sozialgesetzbuches (SGB II), also der Grundsicherung, nur circa ein Drittel des Anstiegs im dritten Quartal erklärt. Dieser Bereich repräsentiert neben den laufenden Integrationsprozessen der ukrainischen Geflüchteten zunehmend auch eine wachsende Zahl an Langzeitarbeitslosen.
Frühindikatoren zu Erwartungen über Arbeitslosigkeit, wie die betreffende Komponente des IAB-Arbeitsmarktbarometers, haben sich am aktuellen Rand (Stand November) auf niedrigem Niveau stabilisiert. Die Beschäftigungsaussichten von Unternehmen haben gemäß ifo-Konjunkturumfrage zuletzt kaum noch nachgegeben, deuten per saldo aber weiterhin nur auf Beschäftigungszuwächse im Dienstleistungssektor hin. Das laufende Quartal dürfte daher von einer nur schleichend expandierenden Beschäftigtenzahl und einem etwas deutlicheren Anstieg der Arbeitslosenzahl begleitet werden. Im kommenden Jahr wirken gegenläufige Effekte auf den Beschäftigungsaufbau: Einerseits dürften vom anziehenden privaten Konsum insbesondere die konsumnahen Dienstleistungen profitieren. Andererseits wird der zum Jahresbeginn auslaufende ermäßigte Mehrwertsteuersatz im Gaststättengewerbe wohl Umsatzeinbußen nach sich ziehen und eine Beschäftigungsausweitung hier zunächst verzögern.Im Zuge dessen dürfte es zu einer steigenden Zahl von Insolvenzen im Wirtschaftszweig Handel, Verkehr und Gastgewerbe kommen. Dies dürfte allerdings weitestgehend eine Normalisierung sein, da die Zahl der betroffenen Firmen in Insolvenzverfahren in diesem Wirtschaftsbereich am aktuellen Rand noch immer unter ihrem Vor-Corona Niveau liegt. Die Aussichten des Verarbeitenden Gewerbes dürften sich auf der einen Seite durch eine im Jahresverlauf anziehende Weltkonjunktur positiv entwickeln. Auf der anderen Seite dürften sie gedrückt werden durch die erwartete inländische Investitionszurückhaltung, in der die aktuellen Haushaltspläne sowohl direkt durch das Ausbleiben von Fördermitteln als auch indirekt durch eine gestiegene Unsicherheit und gedrückte Unternehmensgewinne zum Tragen kommen. Es wird daher davon ausgegangen, dass die negativen Effekte zum Jahresbeginn überwiegen, so dass der Beschäftigungsaufbau im Gastgewerbe, Verarbeitenden Gewerbe und damit eng verknüpft in den unternehmensnahen Dienstleistungen zunächst auf der Stelle tritt, im Jahresverlauf in den betreffenden Wirtschaftszweigen aber wieder an Fahrt aufnehmen dürfte. Insgesamt wird nach einer starken Zunahme der Beschäftigung im laufenden Jahr um 354000 Personen für das Jahr 2024 nur noch mit einem Anstieg um 121000 Personen gerechnet (Abbildung 14). Begleitet werden dürfte diese Entwicklung von einer weiteren Ausweitung der Arbeitslosigkeit im ersten Halbjahr 2024, da Arbeitssuchende aufgrund der niedrigen Arbeitsmarktdynamik auf weniger passende offene Stellen treffen. Der Anstieg der Arbeitslosenzahl dürfte damit nach 190000 Personen im laufenden Jahr mit 105000 Personen im kommenden Jahr nochmals deutlich ausfallen.
Im Jahr 2025 dürfte die Arbeitslosenzahl bei sich nach und nach belebender Konjunktur und anhaltendem Fachkräftemangel dann wieder merklich um 155000 Personen zurückgehen. Da die Wirtschaftsleistung länger als zuletzt erwartet unterhalb ihres Potenzials liegen wird, dürfte das inländische Erwerbspersonenpotenzial erst etwas später im Jahr 2025 an seine Grenze stoßen (Kasten 5 und Kasten 7). Gemessen am Nettoabgang der erwerbsfähigen Bevölkerung fällt dieser Effekt jedoch so gering aus, dass der Zuwachs der Erwerbstätigenzahl 2025 mit 11000 Personen dennoch nur stagnieren dürfte. Die Arbeitslosenquote dürfte damit von 5,7 Prozent im aktuellen Jahr zunächst auf 5,9 Prozent im Jahr 2024 steigen und dann im Jahr 2025 auf 5,5 Prozent sinken (Tabelle 8).
In tausend Personen (sofern nicht anders angegeben)
2022 | 2023 | 2024 | 2025 | |
---|---|---|---|---|
Arbeitsvolumen (Millionen Stunden) | 61410 | 61807 | 62476 | 62814 |
Erwerbstätige Inland | 45596 | 45950 | 46071 | 46082 |
Arbeitnehmer*innen | 41687 | 42049 | 42172 | 42207 |
darunter: | ||||
SV Beschäftigte | 34525 | 34792 | 34941 | 34998 |
Geringfügig Beschäftigte | 4127 | 4200 | 4180 | 4149 |
Selbstständige | 3910 | 3901 | 3899 | 3875 |
Pendler*innensaldo | −139 | −149 | −154 | −154 |
Erwerbstätige Inländer*innen | 45457 | 45802 | 45917 | 45928 |
Arbeitslose | 2418 | 2608 | 2713 | 2559 |
Arbeitslosenquote BA1 (in Prozent) | 5,3 | 5,7 | 5,9 | 5,5 |
Erwerbslose2 | 1343 | 1336 | 1406 | 1346 |
Erwerbslosenquote3 (in Prozent) | 3,1 | 3,0 | 3,2 | 3,0 |
1 Arbeitslose in Prozent der zivilen Erwerbspersonen (Definition gemäß der Bundesagentur für Arbeit).
2 Definition der ILO.
3 Erwerbslose in Prozent der inländischen Erwerbspersonen (Erwerbstätige Inländer*innen plus Erwerbslose).
Anmerkung: Prognose ab dem Jahr 2023.
Quellen: Statistisches Bundesamt, Bundesagentur für Arbeit; DIW-Konjunkturprognose Winter 2023.
Die Prognose der Partizipationsquote ist notwendig, um den künftigen Verlauf des Produktionsfaktors Arbeit zu schätzen. Die Partizipationsquote misst den Anteil der Personen im Erwerbsalter (im Alter von 15 bis 74 Jahren), die am Arbeitsmarkt teilnehmen: als Erwerbstätige oder als Erwerbslose. Darauf aufbauend wird das Arbeitsvolumen bestimmt, also die gesamte Arbeitszeit, die von Erwerbstätigen während des betrachteten Jahres geleistet wird. Dieses geht neben den Faktoren Kapital und technischer Fortschritt direkt in die Produktionsfunktion ein. Anhand der trendmäßigen Werte dieser Faktoren wird dann das Produktionspotenzial geschätzt.
Für die Prognose der kohortenspezifischen Partizipationsquoten werden die von 1999 bis zum aktuellen Rand verfügbaren Daten über Partizipationsquoten nach Geschlecht und jeweils fünf Jahre umfassenden Altersgruppen (Frauen 15 bis 19 Jahre, …, Frauen 70 bis 74 Jahre; Männer 15 bis 19 Jahre, …, Männer 70 bis 74 Jahre) zugrunde gelegt.Datenquelle: OECD. Partizipationsquoten bezogen auf die inländische Bevölkerung ohne Geflüchtete. Mit diesen Zeitreihen werden so genannte ARIMA-Modelle geschätzt, die eine Variable mit ihren vorherigen Werten sowie dem gleitenden Mittel eines Fehlerterms in Beziehung setzen. Die Parametrisierung der Modelle wird dabei für jede Kohorte automatisch so ausgewählt, dass statistische Informationskriterien minimiert werden. Dann wird die Partizipationsquote der jeweiligen Bevölkerungsgruppe über den Prognosehorizont mit der ausgewählten Modellspezifikation vorhergesagt. Die gesamte Partizipationsquote wird als ein gewichteter Durchschnitt dieser geschätzten 24 geschlechts- und altersspezifischen Partizipationsquoten gebildet. Die Gewichte leiten sich hierbei aus den Bevölkerungsanteilen laut amtlicher Vorausberechnung der Bevölkerungsentwicklung unter der Annahme einer moderaten Einwanderung bis 2035 ab.
Um die Entwicklung der Partizipationsquote über die vergangenen zwei Dekaden zu betrachten, lohnt ein differenzierter Blick auf Kohorten in verschiedenen Stadien des Berufslebens (Abbildung). Für die Kohorte am Beginn des Berufslebens (25 bis 29 Jahre) kann sowohl für Frauen als auch Männer ein trendmäßiger Anstieg der Partizipationsquoten über den betrachteten Horizont von 1999 bis 2022 beobachtet werden. Ein Großteil des Anstiegs dürfte in einem größeren Anteil von Personen mit einem höheren Berufsabschluss begründet sein, die im Schnitt laut Daten von Eurostat höhere Partizipationsquoten aufweisen. Für Frauen war die Verschiebung hin zu höheren Bildungsabschlüssen seit 1999 dabei deutlicher als für Männer. So stieg der Anteil der Frauen in der Altersgruppe von 25 bis 29 Jahren mit tertiärem Bildungsabschluss laut Eurostat zwischen 1999 und 2022 von 18,1 auf 38,3 Prozent an, während er unter Männern lediglich einen Wert von 31,1 Prozent erreichte (ausgehend von 17,1 Prozent im Jahr 1999). Dies mag einen Teil des sichtbaren Aufholeffekts der Arbeitsmarktpartizipation junger Frauen erklären: Über den betrachteten Zeitraum hat sich die Geschlechterlücke in der Partizipationsquote innerhalb der Gruppe der 25- bis 29-jährigen von circa 20 Prozentpunkten auf zuletzt etwa 13 Prozentpunkte verringert. Zu dieser Entwicklung beigetragen haben dürfte auch, dass Frauen ihr erstes Kind im Durchschnitt später bekommen als in der Vergangenheit. Allein im Zeitraum von 2009 bis 2022 stieg dem Statistischen Bundesamt zufolge das durchschnittliche Alter der Mutter bei Geburt ihres ersten Kindes von 28,8 auf 30,4 Jahre. Für den Prognosehorizont zeigt die Modellvorhersage einen weiteren Rückgang der Geschlechterlücke in dieser Altersgruppe an, da die Arbeitsmarktpartizipation unter Frauen weiter deutlich steigen dürfte, während die Rate bei Männern zwischen 25 und 29 Jahren wohl auf einem Niveau von etwa 87 Prozent stagniert.
Ein deutliches Aufschließen der Arbeitsmarktpartizipation von Frauen ist auch in der Kohorte der 45- bis 49-Jährigen zu beobachten. Innerhalb dieser Gruppe bewegt sich die Partizipationsquote von Männern auf einem hohen Niveau, verzeichnete aber über die letzten zwei Jahrzehnte einen leicht rückläufigen Trend. Dies könnte zum Teil in einer gesteigerten Inanspruchnahme von bezahlten Erziehungszeiten unter Vätern begründet sein: So hat sich die absolute Zahl der elterngeldbeziehenden Väter laut Statistischem Bundesamt von 2009 bis 2019 verdoppelt (von 153000 auf 320000), und der Anteil der Väter an allen Elterngeldbeziehenden von knapp 20 auf gut 30 Prozent erhöht.Über den direkten Effekt der Elternzeit hinaus zeigen Forschungsergebnisse allerdings keinen anhaltend negativen Effekt auf die Arbeitsmarktpartizipation von Vätern, vgl. Marcus Tamm (2019): Fathers’ parental leave-taking, childcare involvement and labor market participation. Labour Economics 59, 184–197. Negative Beschäftigungseffekte durch Automatisierung können ebenfalls als ein Grund für eine sinkende Arbeitsmarktpartizipation speziell unter gering ausgebildeten Männern angeführt werden.Siehe beispielsweise Francesco Grigoli, Zsoka Koczan und Petia Topalova (2020): Automation and labor force participation in advanced economies: Macro and micro evidence. European Economic Review 126, 103443. Derweil dürfte die zunehmende Bedeutung des Dienstleistungssektors in Deutschland den Anstieg der Partizipationsrate bei Frauen (über alle Altersgruppen hinweg) befeuert haben.Siehe Stefania Albanesi, Claudia Olivetti und Barbara Petrongolo (2023): Families, labor markets, and policy. Handbook of the Economics of the Family 1(1), North-Holland, 255–326. Auch die Zunahme von flexiblen Arbeitszeitmodellen wie Teilzeit dürfte insbesondere solchen Frauen, die in Pflege- und Kinderbetreuungsaufgaben eingebunden sind, den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert haben. So hat sich die Teilzeitquote unter erwerbstätigen Frauen laut Eurostat über die vergangenen zwei Jahrzehnte kontinuierlich von 37 auf 48 Prozent erhöht. In diesem Zusammenhang sind ebenso politische Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu nennen, zum Beispiel der gesetzliche Anspruch auf einen Kitaplatz, der zum 1. August 2013 auf Kinder ab dem ersten vollendeten Lebensjahr ausgeweitet wurde. Der Modellprognose zufolge dürfte die Partizipationsrate von Frauen in der Kohorte der 45- bis 49-jährigen über den Prognosehorizont weiter mit deutlichen Raten bis auf 89 Prozent steigen, was mit einer Fortführung und Verstärkung der oben beschriebenen Einflussfaktoren begründbar sein dürfte. Hinsichtlich der Arbeitsmarktpartizipation von Männern in dieser Altersgruppe prognostiziert das Modell keinen weiteren Rückgang, sondern eine Stabilisierung der Partizipationsrate bei rund 94 Prozent. Auch Männer greifen immer häufiger auf Jobmodelle mit geringeren und flexibleren Arbeitszeiten zurück: Ihre Teilzeitquote stieg zwischen 1999 und 2022 von fünf auf knapp 13 Prozent. Dies dürfte die Partizipationsquote stabilisieren.
In der Betrachtung der Alterskohorte am Ende des Berufslebens (65 bis 69 Jahre) ist sowohl für Männer als auch für Frauen ein deutlicher Anstieg der Partizipationsquote über den beobachteten Horizont ersichtlich. Zum einen ist die gesunde Lebenserwartung aus Sicht eines 50-jährigen Menschen seit 2005 um sieben Jahre gestiegen, was eine längere Partizipation am Arbeitsmarkt überhaupt erst ermöglicht. Zum anderen spielt vor allem der sukzessive Anstieg der Altersgrenze für die Regelaltersrente bis 2031 von 65 auf 67 Jahre eine bedeutende Rolle. Dieser schafft Anreize, länger auf dem Arbeitsmarkt zu bleiben, da bei einem früheren Verlassen Abschläge auf die Regelaltersrente vorgenommen werden.Siehe Barbara Engels, Johannes Geyer und Peter Haan (2017): Pension incentives and early retirement. Labour Economics 47, 216–231, für kausale Evidenz einer etwaigen Reform des deutschen Rentensystems im Jahr 1992. Während Frauen über den Prognosehorizont in ihrem Partizipationsverhalten linear aufschließen dürften, sagt das Modell für Männer zwischen 65 und 69 Jahren zum Ende des Prognosehorizonts eine Stagnation der Partizipationsrate bei etwa 25 Prozent vorher. Hier könnten ein hoher Stellenwert von Freizeit und ausreichendes Vermögen für einen wachsenden Anteil der betroffenen Männer die negativen Einkommensanreizeffekte eines verfrühten Renteneintritts überwiegen.
Obwohl die Partizipationsraten der meisten Kohorten somit laut der Modellvorhersage über den Prognosehorizont weiter ansteigen dürften, können diese Anstiege die Verschiebung der Bevölkerungsanteile aufgrund des demografischen Wandels hin zu älteren, insgesamt deutlich weniger partizipierenden Kohorten wohl nicht ausgleichen. Somit dürfte die gewichtete Gesamtquote der Arbeitsmarktpartizipation über den Prognosehorizont rückläufig sein.
Die Arbeitszeit je Erwerbstätigen hat im dritten Quartal des laufenden Jahres zugenommen. Für das laufende Quartal deuten ein merklich erhöhter Krankenstand und ein leichter Anstieg der Zahl der Kurzarbeitenden jedoch auf einen gegenläufigen Effekt hin. Am Anfang des nächsten Jahres dürfte die Schwäche im Verarbeitenden Gewerbe auf die Arbeitszeitkonten drücken und zu einem weiteren leichten Anstieg der Kurzarbeit führen, so dass die Arbeitszeit zunächst in ihrem temporären Tief verharrt. Über den Verlauf des Jahres 2024 dürfte sie wieder zu ihrem langfristigen Trend aufschließen.
Die Tarifverdienste legten im dritten Quartal mit 4,5 Prozent im Vorjahresvergleich deutlicher zu als in jedem Quartal der vergangenen zehn Jahre. Wie schon im Vorquartal entfiel dabei ein bedeutender Teil der Lohnsteigerung auf die Auszahlung von Inflationsausgleichsprämien, da diese in jüngsten Tarifabschlüssen für die Jahre 2023 und 2024 oftmals anstelle sofortiger, tabellenwirksamer Lohnsteigerungen vereinbart worden waren. Die durchschnittliche Wachstumsrate der Tariflöhne ohne Berücksichtigung von Sonderzahlungen erreichte zuletzt lediglich 2,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresquartal. Bereits beschlossene Tarifverträge aus dem laufenden Jahr deuten darauf hin, dass tabellenwirksame Lohnsteigerungen ab dem zweiten Quartal 2024 eine zunehmende Rolle spielen werden. In laufenden Tarifverhandlungen im Einzel-, Groß- und Außenhandel sowie anstehenden Tarifrunden dürfte im kommenden Jahr aber nochmals reger Gebrauch vom Instrument der Inflationsausgleichsprämie gemacht werden. Darauf deutet auch der jüngst erzielte Tarifabschluss im öffentlichen Dienst der Länder hin, der den Maximalbetrag von 3000 Euro steuerfreien Sonderzahlungen im Jahr 2024 voll ausschöpft. Nach dem Auslaufen der Steuer- und Abgabenfreiheit dieser Prämie wird die Rolle der Sonderzahlungen im Jahr 2025 aber wohl wieder deutlich geringer ausfallen, so dass ein negativer Basiseffekt die Dynamik der Tarifverdienste verringern dürfte. Zudem werden wohl auch tabellenwirksame Leistungen aufgrund des weiter nachlassenden Inflationsdrucks zum Ende des Prognosehorizonts geringer ausfallen. Insgesamt wird für das laufende Jahr mit einer Wachstumsrate der Tarifverdienste von 3,7 Prozent, für das Jahr 2024 von 4,5 Prozent und für das Jahr 2025 von 2,1 Prozent gerechnet.
Mit einer Zuwachsrate von 6,4 Prozent gegenüber dem Vorjahresquartal stiegen die Bruttolöhne und -gehälter im dritten Quartal des laufenden Jahres – wie schon in den vorherigen Quartalen – deutlich stärker als die Tariflöhne. Eine Erklärung für die ausgeprägt positive Lohndrift kann die Mindestlohnerhöhung im Oktober 2022 liefern: Ein Blick auf die Lohnentwicklung (der Vollzeitbeschäftigten) nach Einkommensquintilen macht deutlich, dass die Effektivlöhne im untersten Quintil über das Jahr 2023 bisher die deutlichsten Zugewinne verzeichnet haben. Dies dürfte dazu beigetragen haben, dass die Einkommensungleichheit 2023 keinen deutlichen Anstieg verzeichnet.Siehe dazu auch Kasten 3 in diesem Bericht. Die Tariflohnabdeckung ist in den unteren Lohngruppen unterdurchschnittlich,Vgl. Marc Amlinger und Reinhard Bispinck (2015): Tarifbindung in Deutschland: Ergebnisse der Verdienststrukturerhebung. WSI Report Nr. 25. so dass die Mindestlohnanhebung geringere direkte Effekte auf die Tariflohnentwicklung gehabt haben dürfte. Ein weiterer Grund für die positive Lohndrift dürfte sein, dass die Tariflöhne aufgrund fester Vertragslaufzeiten im Vergleich zu individuellen Lohnverhandlungen nicht so schnell angepasst werden und somit nur verzögert auf die starken Anstiege im Preisniveau reagieren. In nichttarifgebundenen Bereichen dürfte daher schneller auch auf Inflationsausgleichsprämien zurückgegriffen worden sein. Während es im laufenden Jahr bei einer unterstellten Wachstumsrate der Effektivverdienste von 5,8 Prozent zu einer erheblichen positiven Lohndrift kommt, dürfte diese sich im kommenden Jahr leicht ins Negative kehren. Dann kommt zum Tragen, dass die nachziehende Tariflohnentwicklung an Fahrt gewinnt, wohingegen den Bruttolöhnen und -gehältern mit einer nur gering ausfallenden Mindestlohnsteigerung zum 1. Januar 2024 in Höhe von 0,41 Euro, einer weiter abflauenden Inflationsdynamik sowie weiterhin gedämpfter Konjunktur deutliche Wachstumsimpulse fehlen. Mit einer Rate von 4,3 Prozent dürften sie 2024 dennoch nicht unerheblich zulegen. Mit der erwarteten Rückbildung der Inflationsrate zu ihrem Zielwert von rund zwei Prozent treten im Jahr 2025 zunehmend längerfristige Determinanten der Lohndrift in den Vordergrund. Aufgrund des strukturellen Arbeitsangebotsdefizits, das aus der demografischen Alterung folgt, dürfte sich im Jahr 2025 die anhaltend gute Verhandlungsposition der abhängig Beschäftigten mit einer Effektivlohnsteigerung von 3,1 Prozent wieder in einer positiven Lohndrift niederschlagen (Tabelle 9).
In Prozent (jeweils gegenüber dem Vorjahr)
2021 | 2022 | 2023 | 2024 | 2025 | |
---|---|---|---|---|---|
Durchschnittliche Arbeitszeit | 2,4 | −0,1 | −0,1 | 0,8 | 0,5 |
Verdienst je Arbeitnehmer*in | 3,3 | 4,2 | 5,8 | 4,3 | 3,1 |
Verdienst je Stunde | 0,6 | 4,4 | 5,8 | 3,8 | 2,5 |
Lohndrift (Arbeitnehmer*in) | 2,0 | 2,0 | 2,1 | −0,2 | 1,0 |
Tariflohn (Monat) | 1,3 | 2,2 | 3,7 | 4,5 | 2,1 |
1 Inlandskonzept.
Anmerkung: Prognose ab dem Jahr 2023.
Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW-Konjunkturprognose Winter 2023.
Ein deutlicher Rückgang des Preisauftriebs trug dazu bei, dass die Reallöhne im dritten Quartal des laufenden Jahres erstmals seit zwei Jahren wieder deutliche Zuwächse verzeichnen konnten. Mit den unterstellten Wachstumsraten für Nominallöhne und Preise sollte sich diese Entwicklung fortsetzen, so dass zum Ende des Prognosehorizonts die seit Beginn der Energiekrise kumulierten Reallohnverluste ausgeglichen sein dürften. Die realen Lohnstückkosten, die Kosten und Erträge des Faktors Arbeit ins Verhältnis setzen, haben analog zu den Reallohnsteigerungen zuletzt zwar leicht zugenommen, befinden sich aber immer noch deutlich unter ihrem Niveau der 2010er Jahre. Etwaige Lohnerhöhungen könnten daher zu einem Großteil durch aufgebaute Unternehmensgewinne abgefedert werden und nur in geringerem Maße weiteren Preisdruck erzeugen. Über den Prognoseverlauf dürften sich die realen Lohnstückkosten dann ihrem Niveau von 2018/19 annähern.
Die Verbraucherpreisinflation in Deutschland ist seit Mitte des Jahres deutlich zurückgegangen und liegt mit aktuell 3,2 Prozent (Stand November) auf dem niedrigsten Stand seit Juni 2021 und 5,5 Prozentpunkte niedriger als noch zu Beginn des Jahres 2023 (Abbildung 15). Dieser Entwicklung lagen vor allem zwei Einflussfaktoren zugrunde: Zum einen ergab sich ein starker Basiseffekt, da die höchsten Anstiege der Inflation im Oktober und November 2022 verzeichnet wurden und diese nun aus dem Vorjahresvergleich herausgefallen sind. Zum anderen nahm aber auch die zugrunde liegende Inflationsdynamik nach und nach ab. Insbesondere die Energiepreise, deren sprunghaftes Ansteigen vor allem ab Februar 2022 die hohen Steigerungsraten der Verbraucherpreise überhaupt erst befeuert hatte, sind seit Anfang des Jahres deutlich langsamer gestiegen und gehen seit Oktober 2023 sogar zurück. Zudem waren auch die Veränderungsraten der Nahrungsmittelpreise rückläufig und liegen mit aktuell noch 5,5 Prozent nur noch knapp über ihrem langfristigen Schwankungsbereich. Bei den übrigen Komponenten haben sich vor allem die deutlich gestiegenen Löhne und Gehälter auf die Preisentwicklung ausgewirkt, so dass sich insbesondere bei den Dienstleistungen eine höhere Dynamik zeigte.
Die Kernrate der Inflation, die Energie und Nahrungsmittel ausklammert, aber die höheren Lohnkosten berücksichtigt, ist daher mittlerweile höher als die Teuerung insgesamt. Aber auch die Kernrate ist zuletzt beständig gesunken und liegt mit aktuell 3,8 Prozent (Stand November) 2,0 Prozentpunkte unter ihrem Höchststand aus dem Frühjahr 2023.
Über die nächsten Monate dürfte die Inflation der Verbraucherpreise weiter spürbar zurückgehen. Dafür spricht neben den zwar abnehmenden, aber immer noch hohen Basiseffekten auch die Entwicklung wichtiger vorlaufender Preisindizes wie Import-, Erzeuger- und Großhandelspreise, die nun bereits seit mehreren Monaten deutlich mit zum Teil zweistelligen Raten sinken. Diese Indizes stehen eher am Anfang der Preisentwicklung, so dass sich ihre Veränderungen mit Verzögerung auf das allgemeine Preisniveau auswirken dürften. Die negativen Raten dürften sich daher in den nächsten Monaten in der Entwicklung der Verbraucherpreise niederschlagen und dämpfend wirken.
Außerdem wird die Europäische Zentralbank wohl bis zum Frühsommer 2024 an dem bestehenden Zinsniveau festhalten und damit die Rahmenbedingungen aufrechterhalten, die für eine Rückkehr der Inflationsraten zum Zwei-Prozent-Ziel der Zentralbank erforderlich sind. Alles in allem dürfte die Verbraucherpreisinflation in den nächsten Monaten weiter spürbar zurückgehen. Die Rücknahme des vergünstigten Mehrwertsteuersatzes im Gaststättengewerbe wird zwar preissteigernd wirken, dürfte aber insgesamt keinen großen Effekt auf die Verbraucherpreise entfalten. Die geplante Senkung der Stromsteuer für Unternehmen auf das europäische Mindestmaß dürfte deren Stromkosten und damit auch die Erzeugerpreise leicht senken, aber auch hier wird die Wirkung auf die Verbraucherpreise wohl gering sein.
Im Durchschnitt wird die Inflationsrate im Jahr 2023 bei voraussichtlich 5,9 Prozent liegen, im Jahr 2024 bei 2,4 Prozent und im Jahr 2025 dann bei 2,0 Prozent. Damit senkt das DIW Berlin die Inflationsprognose für 2023 gegenüber dem Herbst um 0,2 Prozentpunkte, während die Vorhersage für 2024 und 2025 unverändert bleibt. Die Kernrate dürfte vor allem aufgrund der starken Beiträge der Löhne und des Dienstleistungsbereichs weiterhin langsamer zurückgehen als die Inflationsrate insgesamt. Im Jahr 2023 dürfte sie im Durchschnitt 5,1 Prozent betragen und in den Jahren 2024 und 2025 bei 2,5 beziehungsweise 2,0 Prozent liegen. Diese Prognose fällt im Vergleich zum Herbst für 2023 um 0,4 Prozentpunkte geringer aus und für 2024 um 0,6 Prozentpunkte geringer.
Der private Konsum in Deutschland kommt nicht in Schwung. Die für den Jahresverlauf erwartete Erholung ist bislang ausgeblieben. Nach einem leichten Anstieg im zweiten Quartal fiel der private Verbrauch im dritten Quartal unerwartet wieder. Die privaten Konsumausgaben liegen damit aktuell auf einem niedrigeren Niveau als zu Beginn des Jahres 2023, obwohl sich die Einkommenssituation der privaten Haushalte verbessert hat. Mit dem Anstieg der realen Lohneinkommen legten auch die realen verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte zuletzt kräftig zu. Die Reallohnzuwächse konnten die Kaufkraftverluste der vergangenen Jahre jedoch bei Weitem noch nicht ausgleichen. Einige Haushalte dürften erst langsam wieder in der Lage sein, Ersparnisse aufzubauen. Gleichzeitig wurde die Ersparnisbildung durch deutlich gestiegene Zinsen auf Spareinlagen zuletzt attraktiver. Zuletzt dürfte auch die anhaltende Verunsicherung über die Entwicklung von Wirtschaft und Einkommen dazu beigetragen haben, dass die Sparquote im dritten Quartal des laufenden Jahres im Vergleich zum Vorjahr deutlich angestiegen ist.
Für das vierte Quartal 2023 deuten die Indikatoren auf eine vorsichtige Erholung des privaten Konsums hin. Die Inflationsraten dürften weiter sinken, so dass sich die real verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte und ihre Kaufkraft weiter erhöhen. Auch die im Oktober deutlich gestiegenen Einzelhandelsumsätze lassen auf eine positive Entwicklung des privaten Konsums schließen. Zudem erwartet die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) für Dezember eine leichte Verbesserung des Konsumklimas. Das Konsumbarometer des Handelsverbands Deutschland ist im Dezember sogar deutlich gestiegen.
Im Verlauf des Jahres 2024 dürfte der private Konsum weiter verhalten zulegen. So dürften sowohl die monetären Sozialleistungen als auch die Nettolöhne und Gehälter im Jahr 2024 sehr kräftig und 2025 immer noch deutlich steigen. Die übrigen Primäreinkommen der privaten Haushalte entwickeln sich zwar nur schwach, die verfügbaren Einkommen insgesamt werden 2024 aber kräftig zulegen – wenngleich mit geringerer Dynamik als 2023, als die Politik die Einkommen der privaten Haushalte mit Transfers und Steuererleichterungen gestützt hat. Bei leicht sinkender Sparquote, die aber immer noch deutlich über ihrem historischen Mittel von vor der Corona-Pandemie liegen dürfte, werden die privaten Haushalte ihren Konsum daher wohl moderat ausweiten.
Im Jahresdurchschnitt 2023 dürfte der private Konsum nach dem deutlichen Rückgang im ersten Quartal um 1,1 Prozent zurückgehen. Im kommenden Jahr wird der private Konsum dann um voraussichtlich 0,9 Prozent steigen und im Jahr 2025 um 1,0 Prozent.
Der Staatskonsum ist über das Jahr 2023 deutlich gesunken. Insbesondere der Wegfall der Corona-Maßnahmen sorgt dafür, dass der Staatskonsum sein historisch hohes Niveau verlässt und allmählich wieder auf seinen langfristigen, leicht expansiven Trend zurückkehren wird. Dieser dürfte von den steigenden Gesundheits- und Pflegeausgaben geprägt sein. Über den Prognosezeitraum wird der reale Staatskonsum somit wohl leicht expandieren.
Dabei ist die Preisentwicklung bei den Konsumausgaben der öffentlichen Hand weiter hoch.Maßgeblich hierfür waren 2023 die hohen Einmalzahlungen im öffentlichen Dienst und die Umsetzung des Öffentlichen Personennahverkehrs aus dem Unternehmenssektor in den Staatssektor. Der Tarifabschluss im öffentlichen Dienst der Länder und die zweite Stufe der Tariferhöhung für die Beschäftigten von Bund und Kommunen werden den Deflator in der ersten Jahreshälfte 2024 noch einmal erhöhen. Im weiteren Prognoseverlauf lässt der Deflator etwas nach.
Die Investitionen in Maschinen, Geräte und Anlagen expandierten nach einem soliden ersten Halbjahr 2023 auch im dritten Quartal noch einmal deutlich um 1,1 Prozent. Dies ist vor allem auf eine starke öffentliche Hand zurückzuführen, die ihre Investitionen in Maschinen, Geräte und Anlagen zwischen Juli und September kräftig um 9,9 Prozent ausweitete. Die Anschaffungen der privaten Investor*innen stiegen im gleichen Zeitraum moderat um 0,4 Prozent. Nach wie vor profitieren die Investitionsgüterhersteller von dem Rekordhoch im Auftragsbestand, das die Investitionstätigkeit wohl noch stabilisiert. Sinkende Produktionszahlen und die bereits seit dem vergangenen Jahr anhaltende Talfahrt der Auftragseingänge ließen jedoch schon vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auf schwache Ausrüstungsinvestitionen in den kommenden Monaten schließen.
Diese Abwärtstendenz dürfte die Ausrüstungsinvestitionen bereits im laufenden Quartal einholen und für einen Rückgang sorgen. Laut Umfragen des ifo-Instituts haben sich Auftragslage und Produktionsaktivität im Herbst nicht gebessert, das Geschäftsklima verharrt auf niedrigem Niveau. Dazu kommt, dass die öffentlichen Investitionen die starken Zuwächse der vergangenen Quartale wohl nicht werden aufrechterhalten können und so die Dynamik zusätzlich dämpfen.
Im weiteren Prognoseverlauf dürfte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts trotz der zwischenzeitlichen Einigung der Koalitionsspitzen zu deutlichen Einschnitten bei den Ausrüstungsinvestitionen führen und sich bereits zu Beginn des kommenden Jahres bemerkbar machen. Zwar werden die Unternehmen wohl einen Teil der vorgesehenen Anschaffungen, die durch den KTF unterstützt werden sollten, auf alternativen Wegen finanzieren; andere Investitionsprojekte, unter anderem in den Bereichen Dekarbonisierung, Mikroelektronik und Elektromobilität, werden aufgrund fehlender Subventionen aber wohl nicht angestoßen oder umgesetzt. Die politische und wirtschaftliche Unsicherheit, die aus dem Urteil folgt, dürfte außerdem einen schnellen Aufholeffekt in der zweiten Jahreshälfte verhindern. Insgesamt ist daher mit einem deutlichen Rückgang der privaten Ausrüstungsinvestitionen im kommenden Jahr zu rechnen. Etwas abgefedert wird diese Entwicklung von positiven Impulsen aus dem öffentlichen Bereich – insbesondere die Mehrausgaben aus dem Sondervermögen der Bundeswehr stützen die Investitionen und mildern den Einbruch. Im Jahr 2025 dürften die Ausrüstungsinvestitionen im Rahmen der gesamtwirtschaftlichen Erholung wieder steigen; auch dann werden die kräftigen öffentlichen Investitionen die Gesamteinwicklung aller Voraussicht nach begünstigen.
Insgesamt ist nach einem Plus in diesem Jahr von 3,5 Prozent für das kommende Jahr mit einem Rückgang der Ausrüstungsinvestitionen um 2,2 Prozent zu rechnen. Im Jahr 2025 dürften sie dann wieder um 1,8 Prozent zulegen.
Die Bauinvestitionen legten im dritten Quartal leicht um 0,4 Prozent zu. Den Zuwachs getragen hat ausschließlich der Wirtschaftsbau, der mit drei Prozent kräftig expandierte. Dabei dürfte der Tiefbau ausschlaggebend gewesen sein, wo sich die Produktion im Jahresverlauf stärker entwickelt hat als im Hochbau. Im Wohnungs- sowie im öffentlichen Bau gingen die Investitionen derweil zurück, um 0,3 beziehungsweise 1,4 Prozent. Hier dürfte vor allem der Neubau betroffen gewesen sein: Im Bauhauptgewerbe und vor allem im Hochbau gab die Produktion im Vergleich zum Vorquartal deutlich nach. Im Ausbaugewerbe ging sie hingegen nur leicht zurück. Auch im weiteren Verlauf dürften die Bauinvestitionen vor allem vom Nichtwohnungsbau gestützt werden.
Im Wohnungsbau bleibt die Lage derweil kritisch. Seit Beginn des vergangenen Jahres sind die Auftragseingänge regelrecht eingebrochen. Zwar deutete sich über die Sommermonate eine leichte Erholung an – diese Tendenz hat sich zuletzt jedoch nicht bestätigt: Im September lagen die Neuaufträge 45 Prozent unter den Höchstwerten aus dem Jahr 2020. Schon jetzt liegt die Kapazitätsauslastung im Hochbau unter der 70-Prozent-Marke. Entsprechend düster ist die Stimmung der Wohnungsbauunternehmen: Über 70 Prozent klagen mittlerweile über Produktionsbehinderungen, das Geschäftsklima ging über die vergangenen Monate kontinuierlich zurück. Die zentrale Ursache für die schlechte Lage dürften weiterhin die strikten Finanzierungsbedingungen in Folge der Zinsanhebungen der EZB sein, die insbesondere Bauprojekte der Haushalte einschränken oder vollständig verhindern. Auch die Wohnungsbaupreise bewegen sich trotz einer Beruhigung des Preisauftriebs weiter auf sehr hohem Niveau und erschweren die Finanzierung zusätzlich. Aufgrund dessen ist in diesem und über die kommenden Quartale hinweg mit weiteren deutlichen Rückgängen bei den Wohnungsbauinvestitionen zu rechnen. Dabei dürften Investitionen in den Bestand die verheerende Lage im Neubau etwas ausgleichen: So wird wohl zumindest ein Teil der für Neubauprojekte geplanten Mittel stattdessen in Renovierungen und Sanierungen gesteckt werden, deren kleinere Umfänge die Finanzierung erleichtern dürften. Darüber hinaus hat die Politik bereits angekündigt, dass die geplante Förderung von Gebäudesanierungen aus dem KTF trotz des Urteils des Bundesverfassungsgerichts in vollem Umfang geleistet werden soll.Trotz dieser Ankündigung hat die KfW zunächst einen Antragsstopp für die Förderung verkündet. Dieser Prognose liegt die Annahme zugrunde, dass dieser zeitnah wieder aufgehoben wird. Der Rückgang der Baupreise im kommenden Jahr dürfte erst zum Jahresende für eine leichte Erholung sorgen. Die Wohnungsbauinvestitionen werden dabei aber wohl weit hinter dem Rekordniveau der vergangenen Jahre zurückbleiben.
Der Nichtwohnungsbau dürfte die Bauinvestitionen nach einem schwächeren laufenden Quartal über den Prognosezeitraum hingegen weiterhin stützen. So ging die Kapazitätsauslastung während der vergangenen Monate im Tiefbau deutlich weniger zurück als im Hochbau und auch die Auftragseingänge legten zuletzt, vor allem im Tiefbau (außerhalb des Straßenbaus) kräftig zu. Dabei sind unterschiedliche Entwicklungsverläufe zu erwarten: Im öffentlichen Bau dürften geplante und beauftragte Projekte, etwa der Ausbau von Schulen und Infrastruktur, zeitnah umgesetzt werden und die Dynamik in der ersten Hälfte des kommenden Jahres anschieben. So stieg beispielsweise der Auftragsbestand im öffentlichen Hochbau über das laufende Jahr deutlich an. Die realen Zuwächse dürften sich aber im kommenden Jahr bis ins Jahr 2025 hinein etwas abschwächen, wenn aus dem KTF zu finanzierende Projekte, beispielsweise zum Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektromobilität, zumindest teilweise stecken bleiben. Der Wirtschaftsbau wird derweil angesichts der aktuell unklaren Bereitstellung geplanter Subventionen aus dem KTF zum Jahresstart wohl etwas stottern, da Großprojekte, deren Bau oder Baubeginn für 2024 geplant war, nach hinten geschoben werden dürften. In der zweiten Jahreshälfte werden die Wirtschaftsbauinvestitionen dann wohl an Fahrt aufnehmen, unter anderem gestützt durch Investitionsmaßnahmen der Bahn, deren Finanzierung annahmegemäß gesichert ist. Vor allem für das Jahr 2025 ist mit einem kräftigen Zuwachs im Wirtschaftsbau zu rechnen.
Die realen Bauinvestitionen dürften in den kommenden Jahren auch durch dann wieder nachlassende Baupreise angeschoben werden: Nach drei Jahren enormer Preisanstiege mindern die schwindende Nachfrage, die sinkende Kapazitätsauslastung sowie die nachlassenden Materialpreise nun den Preisdruck. Die Preiserwartungen der Bauunternehmen deuten ebenfalls an, dass mit Rückgängen der Baupreise zu rechnen ist. Dies dürfte im kommenden Jahr die Finanzierung von Bauprojekten erleichtern. Dabei ist allerdings nicht damit zu rechnen, dass die Preisrückgänge dem hohen Zinsniveau in vollem Umfang entgegenwirken können.
Insgesamt werden die Bauinvestitionen in diesem Jahr wohl um 1,4 Prozent zurückgehen und auch im Jahr 2024 noch einmal um 1,5 Prozent schrumpfen. Die negative Entwicklung im kommenden Jahr ist dabei ausschließlich auf den schwachen Wohnungsbau zurückzuführen; der Nichtwohnungsbau dürfte im gleichen Zeitraum moderat expandieren. Im Jahr 2025 dürften die Bauinvestitionen, wiederum getrieben durch den kräftigen Wirtschafts- und öffentlichen Bau, dann um 1,6 Prozent zulegen (Tabelle 10).
In Prozent (konstante Preise)
2022 | 2022 | 2023 | 2024 | 2025 | |
---|---|---|---|---|---|
Anteile in Prozent | Veränderung gegenüber dem Vorjahr | ||||
Wohnungsbau | 61,3 | −2,2 | −2,3 | −3,4 | 0,4 |
Nichtwohnungsbau | 38,7 | −1,1 | −0,3 | 1,0 | 2,9 |
Gewerblicher Bau | 26,4 | −1,6 | −1,3 | 0,3 | 3,0 |
Öffentlicher Bau | 12,3 | −0,1 | 1,9 | 2,5 | 2,5 |
Bauinvestitionen | 100 | −1,8 | −1,4 | −1,5 | 1,6 |
Ausrüstungen | 4,0 | 3,5 | −2,2 | 1,8 |
Anmerkung: Prognose ab dem Jahr 2023.
Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW-Konjunkturprognose Winter 2023.
Der Außenhandel stand auch im dritten Quartal des laufenden Jahres im Zeichen eines schwachen Welthandels und einer global schleppenden industriellen Produktion. So gaben die deutschen Ausfuhren erneut deutlich um 0,8 Prozent nach, wobei sowohl die Waren- als auch die Dienstleistungsexporte zurückgingen. Die Warenexporte setzten ihren Abwärtstrend fort und sanken das vierte Quartal in Folge. Dabei trugen insbesondere Vorleistungs- und Investitionsgüter zu dem Rückgang der Warenausfuhren bei. Die Schwäche im Verarbeitenden Gewerbe der Nachbarländer lastete dabei besonders auf den deutschen Vorleistungsgüterexporten. Doch auch die schwache Konjunktur in China dämpfte die deutschen Warenexporte, dort wurden deutlich weniger Investitionsgüter „Made in Germany“ nachgefragt. Die schwache Entwicklung bei den Waren hat auch das Transport- und Logistikgeschäft und somit die Dienstleistungsexporte belastet.
Da sich die Schwäche im Welthandel am aktuellen Rand wohl fortsetzt, dürften die deutschen Ausfuhren auch im laufenden Quartal erneut zurückgehen. Dabei dürften vor allem die Schwäche im Verarbeitenden Gewerbe im Euroraum und die schwache Auslandsnachfrage aus China die Ausfuhren belasten. Zwar verbesserten sich die ifo-Exporterwartungen im November leicht, aber sie verharren jedoch im negativen Bereich. Demnach sieht weiterhin die Mehrheit der befragten Unternehmen eher eine Verschlechterung der Geschäftslage in den kommenden Monaten. Vorläufigen Zahlen aus dem Spezialhandel zufolge gaben die Warenexporte im Oktober preisbereinigt um 0,6 Prozent nach und bestätigen damit die weiterhin gedämpften Aussichten.
Im Laufe des kommenden Jahres wird sich die Auslandsnachfrage, vor allem im Zuge der Erholung im Euroraum, wohl allmählich erholen, was die Nachfrage für deutsche Vorleistungs- und Investitionsgüter ebenfalls beleben dürfte. Insgesamt wird erwartet, dass die Ausfuhren im laufenden Jahr um 1,8 Prozent sinken. Nach einem Zuwachs von 0,8 Prozent im Jahr 2024 dürften die Ausfuhren auch mit dem Rückenwind niedrigerer Zinsen im Jahr 2025 wieder robust um 3,3 Prozent zulegen.
Die Importe gaben im dritten Quartal kräftig um 1,3 Prozent nach. Auch bei den Einfuhren fiel der Rückgang bei den Vorleistungs- und Investitionsgütern besonders deutlich aus. Damit schlägt sich die Schwäche der Exporte und die damit einhergehende geringere Nachfrage exportierender deutscher Firmen nach Vorleistungs- und Investitionsgütern auch bei den Einfuhren nieder. Besonders stark waren die Rückgänge der Vorleistungsgütereinfuhren aus China, aber auch die Einfuhren von Zwischenerzeugnissen aus Polen und Italien gingen deutlich zurück. Die Energieimporte, die in den vergangenen drei Quartalen noch stark auf den Einfuhren lasteten, spielten im dritten Quartal eine untergeordnete Rolle, was auf die Preisrückgänge der fossilen Energieträger zurückzuführen sein dürfte.
Im vierten Quartal dürften die Importe erneut sinken. Während dabei die Dienstleistungseinfuhren stützend wirken dürften, werden die Gütereinfuhren wohl rückläufig sein. Darauf deuten bereits Werte aus dem Spezialhandel im Oktober hin, wo die preisbereinigten Wareneinfuhren um 2,7 Prozent nachließen. Dämpfend wird sich dabei weiterhin die schwache Entwicklung bei den Ausfuhren äußern. Zum anderen lastet die schwache binnenkonjunkturelle Entwicklung auf den Einfuhren. So erholt sich der private Konsum nur zögerlich und die Ausrüstungsinvestitionen dürften zum Jahresende sogar zurückgehen.
Mit der allmählichen Erholung des privaten Konsums im Jahr 2024 und einer steigenden Nachfrage nach Vorleistungsgütern durch deutsche Exportfirmen dürften die Importe dann wieder kräftiger zulegen. Derweil werden die Rückgänge der Ausrüstungsinvestitionen in der ersten Jahreshälfte 2024, die sich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ergeben beziehungsweise aus daraus resultierenden Kürzungen von Unternehmenssubventionen, die Dynamik der Einfuhren über den Prognosehorizont wohl dämpfen. Insgesamt wird erwartet, dass die Einfuhren im laufenden Jahr um 2,9 Prozent zurückgehen. In den Jahren 2024 und 2025 dürften die Einfuhren um 0,4 beziehungsweise 4,0 Prozent ausgeweitet werden (Tabelle 11).
Die Entwicklung der Importpreise wird vorerst weiterhin durch den Rückgang der Energiepreise geprägt sein; erst im ersten Quartal des Jahres 2024 dürfte die Talsohle erreicht sein. Bei sinkenden Zinsen und einer anziehenden Weltwirtschaft werden die Einfuhrpreise dann wohl allmählich wieder anziehen. Die weniger volatilen Exportpreise dürften ebenfalls zu Beginn des nächsten Jahres steigen, allerdings weniger dynamisch. In der Folge erreichen die Terms of Trade im ersten Quartal ihren Höhepunkt und nähern sich dann über den Prognosehorizont langsam ihrem langjährigen Mittel.
Die schwache Entwicklung im Außenhandel und die Rückbildung der Preise nach der Energiepreisinflation im Jahr 2022 haben dafür gesorgt, dass Ex- und Importe im Jahr 2023 auch in nominaler Rechnung deutlich gefallen sind. Die relativ stärkeren Rückgänge bei den Importpreisen zusammen mit der schleppenden Entwicklung der Binnennachfrage sorgen dafür, dass die nominalen Importe sich in diesem und im kommenden Jahr schwächer entwickeln dürften. Erst im Jahr 2025 werden die nominalen Importe dynamischer zulegen. Das Leistungsbilanzsaldo relativ zum BIP dürfte somit im laufenden Jahr auf 6,2 Prozent steigen und in den Jahren 2024 und 2025 7,1 beziehungsweise 7,0 Prozent betragen.
Der Außenhandel wird im laufenden Jahr wohl mit 0,5 Prozentpunkten zur Dynamik der deutschen Wirtschaft beitragen und so einen noch stärkeren Rückgang der Wirtschaftsleistung verhindern. Auch im Jahr 2024 dürfte der Außenbeitrag mit 0,2 Prozentpunkten noch einmal positiv sein. Im Jahr 2025 wird er mit minus 0,1 Prozentpunkten voraussichtlich negativ ausfallen.
Die Steuereinahmen legen im laufenden Jahr nur geringfügig zu und werden auch im kommenden Jahr nur leicht an Fahrt gewinnen. Zwar steigen die Bruttolöhne und -gehälter dieses und nächstes Jahr kräftig. Allerdings ist ein großer Teil des diesjährigen Anstiegs der Inflationsausgleichsprämie geschuldet, die steuer- und abgabenfrei ist. Deshalb schlagen sich die kräftigen Zuwächse der Bruttolohn- und Gehaltssumme nur bedingt in der steuerlichen Bemessungsgrundlage und den Steuereinnahmen der Jahre 2023 und 2024 nieder. Erst mit dem Auslaufen der abgabenfreien Prämien im Jahr 2025 wird sich der Zuwachs in einem erhöhten Einkommensteueraufkommen niederschlagen. Zudem dämpfen die Änderungen im Einkommensteuertarif die Steuereinnahmen über den Prognosezeitraum zusätzlich. Die Gewerbe- und Körperschaftsteuer dürfte aufgrund der zurückhaltenden Entwicklung der Unternehmens- und Vermögenseinkommen im Jahr 2023 nicht zulegen und in den Jahren 2024 und 2025 moderat wachsen. Insgesamt werden Einnahmen aus direkten Steuern im laufenden Jahr stagnieren und erst in den Jahren 2024 (um 6,1 Prozent) und 2025 (um 5,0 Prozent) im Zuge der anziehenden wirtschaftlichen Dynamik moderat zulegen (Tabelle 12).
In Prozent (in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt)
Staatseinnahmen | Staatsausgaben | Finanzierungssaldo | Nachrichtlich: Zinssteuer-quote2 | Staatsschuldenquote nach Maastricht | |||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
insgesamt | darunter: | insgesamt | darunter: | ||||||
Steuern | Sozialbeiträge | Zinsausgaben | Bruttoinvestitionen | ||||||
2014 | 44,9 | 22,8 | 16,5 | 44,3 | 1,6 | 2,1 | 0,6 | 7,1 | 75,3 |
2015 | 45,1 | 23,1 | 16,6 | 44,1 | 1,4 | 2,1 | 1,0 | 6,0 | 71,9 |
2016 | 45,5 | 23,4 | 16,7 | 44,4 | 1,2 | 2,2 | 1,2 | 5,1 | 69,0 |
2017 | 45,5 | 23,5 | 16,8 | 44,2 | 1,0 | 2,2 | 1,3 | 4,4 | 65,2 |
2018 | 46,3 | 23,8 | 17,0 | 44,3 | 0,9 | 2,3 | 1,9 | 3,9 | 61,9 |
2019 | 46,5 | 23,8 | 17,2 | 45,0 | 0,8 | 2,4 | 1,5 | 3,3 | 59,6 |
2020 | 46,1 | 22,7 | 17,9 | 50,5 | 0,6 | 2,7 | −4,3 | 2,8 | 68,8 |
2021 | 47,3 | 24,3 | 17,5 | 50,9 | 0,6 | 2,6 | −3,6 | 2,4 | 69,0 |
2022 | 47,0 | 24,4 | 17,2 | 49,5 | 0,7 | 2,6 | −2,5 | 2,8 | 66,1 |
2023 | 46,0 | 23,2 | 17,2 | 48,2 | 0,9 | 2,6 | −2,1 | 3,8 | 64,6 |
2024 | 47,3 | 23,7 | 17,6 | 48,4 | 0,9 | 2,6 | −1,1 | 3,9 | 63,9 |
2025 | 48,4 | 24,1 | 18,2 | 49,0 | 1,0 | 2,6 | −0,6 | 4,0 | 63,1 |
2025/2022 | 47,2 | 23,9 | 17,5 | 48,7 | 0,9 | 2,6 | −1,6 | 3,6 | 64,4 |
1 In Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.
2 Zinsausgaben des Staates in Relation zum Steueraufkommen.
Anmerkung: Prognose ab dem Jahr 2023.
Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW-Konjunkturprognose Winter 2023.
Die Einnahmen aus den Steuern vom Umsatz (Mehrwertsteuer) sind in diesem Jahr gestiegen, trotz der deutlichen Abkühlung des privaten Verbrauchs. Dies war zu großen Teilen auch eine Folge des Sondereffekts im Zuge der Rückerstattung bei der Binnenumsatzsteuer. Hinzu kommt, dass im One-Shop-Verfahren in Vorjahren zentral vereinnahmte Steuereinnahmen erst im Jahr 2023 an die Länder überwiesen wurden und das Aufkommen erhöht haben. Im kommenden Jahr – wenn dieser Sondereffekt entfällt und der private Konsum langsam anzieht – werden die Einnahmen aus der Umsatzsteuer moderat zunehmen. Im Jahr 2025 wird die Dynamik mit steigender Nachfrage der privaten Haushalte höher sein. Durch die von der Bundesregierung geplante Absenkung der Stromsteuer, die ab 2024 den Spitzenausgleich ablösen soll, sind hier substanzielle Mindereinnahmen zu erwarten. Demgegenüber führt das Auslaufen von Mehrwertsteuerermäßigungen zu Mehreinahmen ab 2024. Insgesamt werden die indirekten Steuern im Jahr 2024 um 3,7 Prozent und im Jahr 2025 um 3,0 Prozent im Vergleich zum jeweiligen Vorjahr zulegen.
Die Steuereinnahmen werden in diesem Jahr unter dem Strich um 0,5 Prozent steigen, im nächsten Jahr um 5,0 Prozent und 2025 um 4,2 Prozent. Die Steuerquote sinkt 2023 zunächst auf 23,2 Prozent und steigt in den folgenden beiden Jahren moderat erst auf 23,7 und dann 24,1 Prozent.
Bei den Einnahmen aus Sozialbeiträgen ist für den Prognosezeitraum mit kräftigen Zuwächsen zu rechnen. In diesem Jahr führen beschlossene Beitragssatzerhöhungen, wie die Anhebung der Beitragssätze zur gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und gesetzlichen Pflegeversicherung sowie die Anhebung des Zusatzbeitrags zur Krankenversicherung, zu deutlich höheren Sozialbeiträgen. Darüber hinaus werden durch steigende Bruttolöhne, die in den Jahren 2023 und 2024 um jeweils rund fünf ProzentBruttolöhne und -gehälter pro Kopf ohne Inflationsausgleichsprämie. zulegen und im Jahr 2025 um weitere 4,6 Prozent, die Sozialbeiträge ebenfalls steigen.
Alles in allem werden die Staatseinnahmen moderat wachsen, im laufenden Jahr von 46 Prozent des BIP auf 47,3 Prozent im Jahr 2024 und – im Zuge einer sich belebenden Konjunktur und des Wegfalls von Steuerbefreiungen – im Jahr 2025 auf 48,4 Prozent.
Die Staatsausgaben werden im Prognosezeitraum moderater als im Jahr 2022 steigen. Dies liegt zum einen im planmäßigen Auslaufen der pandemiebedingten Programme zur Stabilisierung der Wirtschaft begründet. Zum anderen fallen 2023 auch einige einmalige Stützungsmaßnahmen im Zuge der Energiekrise, wie die Energiepreispauschale, die Gas-Wärme-Soforthilfe oder die Stützung von Gashandelsunternehmen, weg. Im ersten Quartal haben trotzdem insbesondere die Ausgaben für die Energiepreisbremse und weitere Energiehilfen des Wirtschaftsstabilisierungsfonds Energie die öffentlichen Haushalte weiterhin stark belastet. Mit dem starken Rückgang der Energiepreise werden die stabilisierenden Maßnahmen den öffentlichen Haushalt wesentlich weniger belasten. Jedoch bleiben die Strom- und Netzentgelte für Unternehmen und private Haushalte weiterhin hoch. Die Bundesregierung plant hier weitere Maßnahmen zur Dämpfung der Strompreise für Haushalte (EEG-Förderung, Dämpfung Netzentgelte) und Unternehmen (Strompreiskompensation, Super-Cap).Für das Strompaket sind im Jahr 2024 Ausgaben in Höhe von rund zwölf Milliarden Euro geplant. Jedoch ist unklar, inwieweit die aus dem KTF und WSF-E finanzierten Maßnahmen Bestand haben werden. Vgl. Bundesregierung (2023): Strompreispaket für produzierende Unternehmen – Bundesregierung entlastet stromintensive Unternehmen. Pressemitteilung Nr. 239 vom 9. November 2023 (online verfügbar).
Die Arbeitnehmerentgelte im öffentlichen Dienst steigen nominal sowohl in diesem als auch im kommenden Jahr stark an. Der Anstieg war 2023 vor allem durch den Abschluss für die Beschäftigten von Bund und Kommunen geprägt. 2024 wird der Zuwachs für die Bundesbediensteten etwas niedriger ausfallen als im Vorjahr, dem gegenüber steht der Abschluss für die Landesbeschäftigten vom Dezember 2023. Im aktuellen Jahr sind zudem die monetären Sozialleistungen deutlich gestiegen. So wurde das Kindergeld erhöht, das Bürgergeld eingeführt und das Wohngeld ausgeweitet. Auch die moderate Erhöhung der gesetzlichen Rente zur Mitte des Jahres 2023 und die finanzielle Unterstützung der Ukraine-Geflüchteten mit erleichtertem Zugang zum Sozialsystem tragen zu diesem Anstieg bei. Im Jahr 2024 wird das Wachstum der monetären Sozialleistungen moderater ausfallen, vor allem wegen einer relativ geringen Rentenanpassung. Auch die Regelbedarfsanpassung des Bürgergeldes bringt nur in geringem Maße Ausgabenzuwächse. Die nominalen Vorleistungsverkäufe steigen im Jahr 2023 aufgrund der hohen Inflation, während der Anstieg im kommenden Jahr und im weiteren Prognoseverlauf – wiederum inflationsgetrieben – moderater sein wird.
Die Bruttoinvestitionen steigen im Prognosezeitraum, insbesondere aufgrund der Ausweitung der Ausgaben für Waffensysteme durch das Sondervermögen Bundeswehr. Hinzu kommen die durch den KTF vor dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts angeschobenen öffentlichen Investitionen bis 2023. Annahmegemäß werden ab Mitte 2024 die KTF-finanzierten Mittel für öffentliche Bau- und Ausrüstungsinvestitionen wegfallen und die Dynamik dämpfen. Darüber hinaus verlangsamen die erwarteten Preisrückgänge im Bausektor die nominale Ausgabenentwicklung.
Die Subventionen steigen im laufenden Jahr deutlich. Insbesondere die Gütersubventionen haben im ersten Quartal 2023 aufgrund der Gas- und Strompreisbremsen, die sich voraussichtlich bis Ende des Jahres auf rund 32 Milliarden Euro summieren, spürbar zugenommen, während die sonstigen Subventionen mit dem Wegfall der Corona-Hilfen zurückgegangen sind. Im kommenden Jahr werden die Subventionen nach dem Auslaufen der Strom- und Gaspreisbremse zum Jahresende 2023 voraussichtlich sinken. Zudem fallen die über den KTF als Subventionen gezahlten Programmausgaben weg oder werden nur in geringerem Maße fortgeführt. Die sonstigen laufenden Transfers nehmen im Jahr 2023 erheblich ab, da Einmalzahlungen an Haushalte wie die Energiepreispauschale im Vergleich zum Vorjahr wegfallen. Ab dem Jahr 2024 ist über den Prognosezeitraum mit einer Rückkehr zum langfristigen Trend und einem Anstieg parallel zum Preisniveau zu rechnen.
Die Zinsausgaben des Staates werden im Prognosezeitraum voraussichtlich weiterhin deutlich steigen. So ist mit einer erneuten Zunahme der Zinsausgaben zu rechnen, 2024 um 8,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und 2025 um fünf Prozent.
Insgesamt werden die Ausgaben des Staates im Jahr 2023 nominal voraussichtlich um drei Prozent, im Jahr 2024 um 3,2 Prozent und im Jahr 2025 um 3,6 Prozent steigen. Das gesamtstaatliche Haushaltsdefizit in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt wird im laufenden Jahr zunächst leicht auf 2,1 Prozent, im Jahr 2024 voraussichtlich auf 1,1 Prozent und im Jahr 2025 auf 0,6 Prozent schrumpfen (Abbildung 16). Der strukturelle Finanzierungssaldo nach modifizierter EU-Methode verbessert sich im Prognosezeitraum von −1,4 Prozent im Jahr 2022 auf 1,0 Prozent in Relation zum Produktionspotenzial im Jahr 2025. Der Maastricht-Bruttoschuldenstand wird im Prognosezeitraum voraussichtlich auf 63,1 Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt zurückgehen.
In Prozent bzw. Milliarden Euro
2022 | 2023 | 2024 | 2025 | |
---|---|---|---|---|
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent | ||||
Exporte, preisbereinigt | 3,3 | −1,8 | 0,8 | 3,3 |
Waren | 2,0 | −2,5 | 1,0 | 3,3 |
Dienstleistungen | 8,6 | 0,9 | −0,3 | 3,7 |
Importe, preisbereinigt | 6,6 | −2,9 | 0,4 | 4,0 |
Waren | 3,6 | −5,6 | −0,4 | 4,2 |
Dienstleistungen | 17,0 | 6,2 | 3,0 | 3,3 |
Terms of Trade | −4,9 | 4,5 | 1,0 | −0,5 |
In Milliarden Euro | ||||
Außenbeitrag, nominal | 76,3 | 174,7 | 199,6 | 189,0 |
1 In Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.
Anmerkung: Prognose ab dem Jahr 2023.
Quellen: Statistisches Bundesamt, Deutsche Bundesbank; DIW-Konjunkturprognose Winter 2023.
Themen: Verteilung, Ungleichheit, Konjunktur
JEL-Classification: E17;D31;E66
Keywords: Nowcast, income distribution, inequality
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2023-50-2
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/281004