DIW Wochenbericht 50 / 2023, S. 743
Timm Bönke, Erich Wittenberg
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Herr Bönke, es hat den Anschein, dass wir aus dem Krisenmodus nicht herauskommen. Zudem hat das Bundesfinanzministerium auch noch eine Haushaltssperre verhängt. Wie geht es in dieser Situation der deutschen Wirtschaft? Den Umständen entsprechend schlecht. Zwar haben wir die Corona-Pandemie hinter uns gelassen, aber die Energiepreiskrise lauert noch im Hintergrund. Hinzu kommen jetzt die Haushaltskürzungen infolge des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds. Wir sind also nach wie vor im Krisenmodus.
Mit welchen Wachstumszahlen rechnen Sie? Wir rechnen damit, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr leicht um 0,3 Prozent geschrumpft sein wird. Für das Jahr 2024 gehen wir nun von einem Wachstum von 0,6 Prozent aus – das ist deutlich weniger, als wir noch im Herbst erwartet haben. 2025 dürfte es dann um ein Prozent nach oben gehen, also wir erholen uns langsam.
Worauf stützt sich dieses leichte Wachstum? Zunächst einmal haben wir unsere Prognose aufgrund der haushaltspolitischen Sondersituation allein für 2024 um 0,3 Prozentpunkte nach unten korrigiert. Das heißt, hier haben wir auf jeden Fall einen dämpfenden Effekt. Zudem basiert unsere Prognose darauf, dass der private Konsum über den Prognosezeitraum endlich etwas anzieht, doch noch sehen wir davon nichts. Das Jahr 2023 war diesbezüglich relativ enttäuschend. Wir glauben aber, dass der private Konsum mit zunehmender wirtschaftlicher Erholung und steigenden Reallöhnen wieder eine große Rolle spielen wird. Wir denken auch, dass sich die politische Unsicherheit auflösen wird. Wir hatten die Diskussion um die Heizungswende, wir haben jetzt die von den Koalitionsspitzen vereinbarten Kürzungen im Etat für 2024. Wir sehen eine Krise bei den Investitionen, wir haben schwache Bauinvestitionen und nur schwache Ausrüstungsinvestitionen.
Wie schätzen Sie die Entwicklung der Inflation ein? Die Inflation ist zum Ende des Jahres 2023 deutlicher zurückgegangen als wir noch Anfang und Mitte dieses Jahres erwartet haben. Das ist erst einmal positiv. Wir werden 2024 ein noch etwas erhöhtes Inflationsniveau haben, aber wir werden uns dann relativ schnell zu dem Zwei-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank bewegen. Während sich die Energie- und Lebensmittelpreise deutlich weniger verteuern, bleibt die Kerninflation ohne diese beiden Komponenten vorerst erhöht.
Wie beurteilen Sie das weltwirtschaftliche Umfeld? In China haben wir eine schwelende Immobilienkrise. Zudem bleibt China unter den Wachstumszahlen, die es normalerweise zur Weltwirtschaft beigetragen hat. Das ist eine Schwäche, die sich direkt in den deutschen Exporten niederschlägt. Die USA hingegen haben im vergangenen Jahr ein überraschend positives Bild abgegeben und sich als ein Garant des Wachstums der Weltwirtschaft erwiesen. Hier gehen wir aber davon aus, dass es über den Prognosezeitraum zu einer sanften Landung kommen wird, weil es erste Anzeichen einer wirtschaftlichen Schwächephase gibt. Der wichtigste Exportmarkt für Deutschland ist aber die Europäische Union und der Euroraum. Hier sehen wir, dass Deutschland derzeit das schwächste Glied ist und andere Länder robuster wachsen. Das ist zumindest insofern gut, als dass es über den Prognosezeitraum höchstwahrscheinlich zu einer steigenden Nachfrage aus diesen Ländern nach Waren und Dienstleistungen aus Deutschland kommen wird.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
Themen: Verteilung, Ungleichheit, Konjunktur
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2023-50-3
Frei zugängliche Version: (econstor)
http://hdl.handle.net/10419/281005