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Viele Unternehmen belassen es offenbar erstmal bei einer Frau im Vorstand: Interview

DIW Wochenbericht 3 / 2024, S. 44

Virginia Sondergeld, Erich Wittenberg

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Frau Sondergeld, wie hat sich der Frauenanteil in Vorständen großer deutscher Unternehmen im Jahr 2023 entwickelt? Wir konnten erneut einen Anstieg der Frauenanteile in Vorständen feststellen. In den letzten Jahren haben wir vor allem in den DAX-40-Unternehmen Zuwächse gesehen – 2023 traf dies eher auf andere Unternehmensgruppen zu. So ist beispielsweise im MDAX oder auch im TecDAX der Frauenanteil stärker gestiegen als unter den DAX-40-Unternehmen, wo er gleichwohl nach wie vor auf einem höheren Niveau liegt, bei nun 23 Prozent. Auch im Finanzsektor, nämlich bei den 100 größten Banken und 60 größten Versicherungen, war die Entwicklung im vergangenen Jahr dynamischer als im DAX-40.

Was sind die Gründe für die Entwicklung? Hier spielen insbesondere die gesetzlichen Regelungen eine Rolle. Im Jahr 2021 wurde mit dem zweiten Führungspositionen-Gesetz (FüPoG II) eine Mindestbeteiligung für Vorstände in börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen eingeführt. Die Unternehmen mit einem Vorstand von vier oder mehr Personen müssen nun mindestens eine Frau in ihren Vorstand berufen. Bei eigentlich allen Unternehmen, die von diesem Gesetz betroffen sind, haben wir gesehen, dass die Zuwächse beim Frauenanteil insbesondere auf Unternehmen zurückzuführen sind, die erstmals eine Frau in den Vorstand berufen haben.

Wie viele Unternehmen haben mehr als eine Frau im Vorstand? Es gibt noch immer einen hohen Anteil von Unternehmen, die gar keine Frau im Vorstand haben. Das sind in der Gruppe der 200 umsatzstärksten Unternehmen (Top-200) derzeit noch 44 Prozent der Unternehmen. 40 Prozent haben genau eine Frau im Vorstand. Das heißt, dass in nur 16 Prozent der Unternehmen zwei oder mehr Frauen im Vorstand vertreten sind.

Wie sieht es an der Spitze aus, also bei den Vorstandsvorsitzen? Der Vorstandsvorsitz ist leider noch immer eine Männerbastion. Insgesamt ist der Anteil der Frauen unter den Vorstandsvorsitzenden immer noch viel geringer als in den Vorständen insgesamt. Und gerade 2023 haben wir hier sogar Rückgänge gesehen. Beispielsweise gab es im DAX-40 im Jahr 2022 noch zwei Frauen als Vorstandsvorsitzende, im Spätherbst 2023 dann aber nur noch eine. Im TecDAX stand sogar gar keine Frau mehr einem Vorstand vor. Andererseits haben wir bei den Banken einen Zuwachs beim Frauenanteil unter den Vorstandsvorsitzenden gesehen.

Inwieweit wirkt sich der höhere Frauenanteil in Führungspositionen auf den Gender Pay Gap aus? Mit Hilfe von Sozialversicherungsdaten haben wir herausgefunden, dass ein höherer Frauenanteil auf der ersten und zweiten Führungsebene den Gender Pay Gap unter allen Beschäftigten eines Betriebs verringert. Auf der obersten Führungsebene sind signifikante Effekte aber erst ab einem Frauenanteil von mehr als 33 Prozent zu erwarten, der vielerorts noch gar nicht erreicht ist.

Was kann noch getan werden, um eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Vorstandspositionen zu erreichen? Die gesetzlichen Regelungen, die in den letzten Jahren eingeführt wurden, waren durchaus effektiv, gelten aber nur für eine kleine Gruppe von gut 60 Unternehmen. Das ließe sich ausweiten, sodass mehr Unternehmen die Mindestbeteiligung umsetzen müssen. Zudem sollte die Politik nicht nur den Frauenanteil quasi von oben befehlen, sondern auch dafür sorgen, dass Frauen auf dem Arbeitsmarkt gefördert werden, damit es ihnen möglich ist, die Karriereleiter hinaufzuklettern.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton von Virginia Sondergeld
Viele Unternehmen belassen es offenbar erstmal bei einer Frau im Vorstand - Interview mit Virginia Sondergeld

Virginia Sondergeld

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe Gender Economics

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