Luhmann, Maike - Ruhr-Universität Bochum: Die Psychologie hat Gert Wagner unheimlich viel zu verdanken. Dank seiner Offenheit für unser Fach mit seinen Besonderheiten (z.B. Multi-Item-Skalen) wurde das SOEP als eine einflussreiche Datenquelle in der Psychologie etabliert. Dies werde ich immer mit seinem Namen verbinden.
Allmendinger, Jutta - Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB): Ich erinnere mich sehr gerne an meine Zeit mit Gert G. Wagner. Einige von Ihnen habe ich anlässlich seines Abschieds vom Wissenschaftsrat 2008 und beim Übergang von Gert Wagner zu Stefan Liebig im Vorstand des DIW 2018 geteilt. Hier einige Ausschnitte:
„Ich traf Gert G. Wagner erstmals mit 27 und hatte blanken Respekt auf den ersten Blick. Es war die Zeit des Sonderforschungsbereichs 3 in Mannheim und Frankfurt. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin konnte ich zu ihm, der nur wenig älter ist, nicht nur körperlich aufsehen. Er war bereits 1983 Geschäftsführer des SFB geworden. Einem so jungen Kerl so viel zuzutrauen, war gewagt, aber man wusste früh um seine Kraft, seinen Eifer, seine Macht und seinen Sieg. Zumindest Hans-Jürgen Krupp wusste es. 1989 wurde GGW Chef vom SOEP. Hans-Jürgen Krupp war als Finanzsenator nach HH gegangen und traute ihm das Amt sofort zu, jetzt noch sicherer als zuvor.
GGW leitete das Panel bis 2011. 22 Jahre lang, man stelle sich das vor. Und wie er das machte. Jede Menge methodischer Innovationen. Schnelle Reaktionen, so zog er sofort nach der Wiedervereinigung eine Stichprobe von über 2.000 Haushalte aus Ostdeutschland, Mitte 1990 ergänzte er das SOEP durch eine Stichprobe von Aus- und Übersiedlerinnen, 2002 kam die wichtige Hocheinkommensstichprobe hinzu. Er vernetzte das SOEP national und international bestens, auch weil er zunehmend offen für Ansätze aus anderen Disziplinen war: der Psychologie, der Medizin, der Kindheits- und Altersforschung. Das Innovationspanel öffnete zudem die Türen für interessierte Forscherinnen mit spannenden Fragen. Großartig ist natürlich auch der größte Sieg des SOEP: 2003 wird es zu einer Infrastruktureinrichtung, gefördert durch BMBF und den Ländern, aufgenommen in die Grundförderung der Leibniz Gemeinschaft.
Das SOEP bedeutete ihm viel, er hatte aber immer auch Kraft für vieles anderes. Für Publikationen, Kommissionen, Reisen in Ausland. Entsprechend kamen die Rufe – an die Ruhr-Universität Bochum, nach Bremen, Göttingen, an die Viadrina, an die TU Berlin. Das war für das DIW die erste gemeinsame Professur mit einer Berliner Universität, ein wichtiger Meilenstein. Inzwischen gibt es einige solcher Professuren. Gut für die Vernetzung der Außeruniversitären mit den Universitäten, gut für den Standort Berlin, gut auch für das WZB, welches dieses Modell seit langem praktizierte und nun ergänzende Unterstützung fand.
Auch Einladungen folgten: Gastprofessuren in Syracuse, Cornell und zur American University – ebenso Auszeichnungen als fellow am Max-Weber-Kolleg in Erfurt, als Max Planck Fellow am MPIB und als faculty member der Berliner International Max Planck Research School LIFE, also: Dynamics of the life course: evolutionary and ontogenetic.
Ich erlebte, wie er nach dem Rücktritt von Klaus Zimmermann das DIW in den Jahren 2011 und 2012 verantwortlich leitete und wie er es wahrlich glanzvoll und mit höchstem committment durch die Evaluation führte. Das war ein Meisterstück. Da ich bei der Evaluation zuvor selbst Mitglied der Evaluationskommission des DIW war, und viele Evaluationen auf dem Buckel habe, weiß ich, wovon ich rede. Bis heute hat er für diese Leistung meinen allergrößten Respekt. Er hat hohe Schulden getilgt, mit Georg Weizsäcker und Cornelius Richter das DIW inhaltlich neu aufgestellt, Satzungsänderungen veranlasst. Bezeichnungen geändert, sich selbst unternehmerisch Vorsitzender des Vorstands statt Präsident genannt.
Und noch eine Phase seines Lebens habe ich gut im Kopf: den Wissenschaftsrat, wo er sich gerne als Vorsitzender der Kommission Großer Grausamer Wahrheiten bezeichnete (er leitete unglaublich viele Gruppen) und sich in einem vielsagenden Bild auch so porträtieren ließ. Gewählt hat er einen Ort neben der Siegesgöttin Nike. Nike bildet man häufig zum Gedenken an große Siege ab, die Viktoria auf der Siegessäule ist eine solche Nachbildung. Es geht aber auch um Kraft, Eifer und Macht, den Eigenschaften von Nikes Geschwistern Bia, Zelos und Kratos. Doch Gert Wagner sitzt nicht einfach neben Nike, er selbst verkörpert Kraft, Eifer, Macht und Sieg. Und das durchaus auch in einer ganz anderen Konnotation von GGW: GGW, das heißt auch Gute Großartige Wissenschaft, und das passt auf Gert Georg Wagner viel besser.
Das zeigt auch die Bandbreite seiner Publikationen. Allein für das Jahr 2006 kam ich auf über 50 Einträge – sprich pro Woche einen. Lassen sie mich Themen nennen „ Strafkolonie Spargelfeld“, „Fatales Vertrauen auf das Wetter und den Staat“, „Fußball-WM: DFB versteht Globalisierung nicht“, „Gefährlicher Kaiserschmarrn“, „Warum Fußball nicht kapitalistisch ist“, „Kinder machen reicht nicht“, „Verwirrt am Donnerpass“, „Zähneputzen auf einem Bein“, „In der Bibel gibt es keine Oma“.
GGW sprühte Funken. Jeder Funken ist ein Stern unseres Dankes an ihn.
Seyfried, Renate: Sehr geehrte Familie Wagner,
Mit Bestürzung habe ich vom frühen Tod des Herrn Professor Dr. Gert G. Wagner erfahren. Als ehemalige Mitarbeiterin in der Pressestelle des DIW Berlin wusste ich besonders sein reges Interesse an unserer Arbeit und seine diesbezügliche Aufgeschlossenheit zu schätzen. Ich werde ihn immer in freundlicher Erinnerung behalten.
In herzlicher Anteilnahme
Renate Seyfried, Wien
Trappe, Heike - Universität Rostock: Wir haben nur ein Jahr wirklich zusammengearbeitet. Es war ein Jahr, in dem ich von Gert extrem viel gelernt habe. Dafür bin ich sehr dankbar! Meine Anteilnahme gilt seiner Familie.
Mohn, Carel: Wenn es jemanden gab, der andere für empirische Sozialforschung begeistern konnte, dessen Lust daran ansteckend war, dann war es Gert Wagner. Ich habe ihn in meiner Zeit am DIW Berlin von 2007 bis 2011 kennenlernen dürfen, eine schwierige Zeit für das Institut voller Umbrüche und Krisen. Die regelmäßige Begegnung mit Gert Wagner in dieser Zeit gehört dabei zu den wertvollen Erinnerungen - und ich entsinne mich an seine Debattierlust, seine manchmal ein wenig aufschäumende Art, unter der man aber auch im Moment des Aufbrausens eine tiefe Menschenfreundlichkeit spüren konnte. Gert Wagners Humor, sein nicht ermüdender Forschergeist und sein Sinn für politische Debatten, all das bleibt mir wach in Erinnerung. Ich bin sehr dankbar, Gert G. Wagner begegnet zu sein.