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Weder Standort-Konzept noch Sofortprogramm werden Deutschland zukunftsfähig machen

DIW Wochenbericht 8 / 2024, S. 120

Marcel Fratzscher

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Deutschland steht vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen und Transformationen, während sich die Bedingungen der Globalisierung verschieben. CDU/CSU fordern von der Bundesregierung ein „Sofortprogramm“ mit Hilfen für Unternehmen. Bundesfinanzminister Lindner von der FDP will ein „Standort-Konzept“ entwickeln, mit dem Deutschland mit Steuererleichterungen für Unternehmen attraktiver wird. Keine der beiden Ideen wird Deutschland zukunftsfähig machen, denn alle drei Parteien versuchen, die Probleme mit Geld zuzuschütten, anstatt strukturelle und dauerhafte Lösungen zu ermöglichen.

Die deutsche Wirtschaft hat kein konjunkturelles, sondern ein strukturelles Problem. Die Unternehmen müssen die ökologische und digitale Transformation sowie die veränderte Globalisierung zügig bewältigen, um im globalen Wettbewerb zu bestehen. Ein Konjunkturprogramm, das Unternehmen kurzfristig mit mehr Geld beglücken soll, wird lediglich ein konjunkturelles Strohfeuer entfachen.

Die Vorschläge der Parteien zementieren eher den Status quo, anstatt die Rahmenbedingungen für alle Unternehmen zu verbessern. Transformation erfordert Veränderungen. Innovationen und neue Ideen werden nur dann entstehen können, wenn alte Ideen und Strukturen sich wandeln. Es ist gut, wenn Unternehmen wie Miele einen Teil ihrer arbeitsintensiven Produktion in Länder wie Polen verlagern oder Unternehmen ihre energieintensive Produktion in die USA verschieben, wo die Kosten niedriger sind. Solche Verschiebungen sind notwendig, um Unternehmen als Ganzes zu stärken. Ziel einer klugen Wirtschaftspolitik kann nicht der Erhalt von Unternehmen und Produktionen per se sein, sondern die Stärkung von Innovationsfähigkeit und der Erhalt guter Arbeitsplätze. Der Versuch, existierende Strukturen zu zementieren, wird die De-Industrialisierung langfristig beschleunigen.

Die Vorschläge von Union und FDP setzen die falschen wirtschaftspolitischen Prioritäten: Sie versuchen, den vermeintlich leichten Weg zu gehen und Unternehmen mit Versprechen von Steuersenkungen zu befrieden. Für die meisten Unternehmen ist nicht die steuerliche Belastung das Problem – zumal die Steuerlast für die meisten geringer ist als noch vor 25 Jahren. Die zentralen Probleme für viele Unternehmen sind vielmehr eine überbordende Bürokratie und fehlende Planungssicherheit. Die Bundesregierung versucht das zu verbessern, allerdings müssen Bund, Länder und Kommunen diese Aufgabe gemeinsam bewältigen. Sie ist schwierig zu lösen, weil es an die Besitzstände mächtiger Gruppen in Wirtschaft und Gesellschaft geht.

Zudem behindert die mangelnde Infrastruktur bei Digitalisierung, Verkehr und Energie private Investitionen. Diese zentrale Hürde abzubauen erfordert massive staatliche Investitionen, die mit der gegenwärtigen Schuldenbremse nicht vereinbar sind. Vor allem FDP und CDU/CSU sind jedoch strikt gegen eine Reform und ein weiteres Aussetzen der Schuldenbremse.

Eine weitere Hürde für Unternehmen ist der Fachkräftemangel. Die fehlenden Arbeitskräfte gefährden die Existenz vieler mittelständischer und kleiner Unternehmen. Auch in diesem Zusammenhang muss die Politik Farbe bekennen: Ohne einen Abbau von Hürden für die Erwerbstätigkeit von Frauen und ohne eine stärkere Zuwanderung und bessere Integration derer, die bereits hier sind, wird das Arbeits- und Fachkräfteproblem nicht gelöst werden können. FDP und CDU/CSU bleiben konkrete Antworten schuldig.

Zudem befeuern die Vorschläge die Polarisierung der Gesellschaft. Sie suggerieren, dass Einsparungen bei den Sozialausgaben die Bedingung für eine finanzielle Entlastung der Unternehmen seien. Die wirtschaftliche Transformation wird jedoch nur gelingen, wenn es eine breite soziale Akzeptanz für die Veränderungen gibt. Eine starke Wirtschaft und leistungsfähige Sozialsysteme sind in einer sozialen Marktwirtschaft kein Widerspruch, sondern sie bedingen einander. Deutschland wird erst dann zukunftsfähig werden können, wenn die Verantwortlichen in der Politik dies verstanden haben und entsprechend handeln.

Der Beitrag ist am 18. Februar 2024 in der Welt am Sonntag erschienen.

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