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Kurzarbeit in Corona-Pandemie: Frauen und Männer ein Jahr später nicht häufiger arbeitslos, aber mit geringerer Lohnentwicklung

DIW Wochenbericht 9 / 2024, S. 133-139

Clara Schäper, Katharina Wrohlich

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  • Frauen waren während Corona-Pandemie deutlich stärker von Kurzarbeit betroffen als in Finanzkrise 2009
  • Von Einschränkungen im Zuge der Lockdowns waren Branchen mit hohem Frauenanteil, insbesondere im Dienstleistungsbereich, besonders betroffen
  • Studie zeigt auf Basis von SOEP-Daten: Geschlechtsspezifische Ungleichheiten auf Arbeitsmarkt haben sich durch Kurzarbeit in Pandemie nicht verstärkt
  • Sowohl im Jahr 2020 von Kurzarbeit betroffene Frauen als auch Männer waren ein Jahr später nicht häufiger arbeitslos als andere Beschäftigte
  • Stundenlöhne von Frauen und Männern in Kurzarbeit sind im Folgejahr aber weniger stark gestiegen

„Kurzarbeit hat sich auch in der Corona-Zeit als wirksames Instrument erwiesen, um Betriebe zu stabilisieren und Beschäftigung zu sichern. Frauen, die im Vergleich zur Finanzkrise deutlich häufiger von Kurzarbeit betroffen waren, erlebten dabei vorerst keine stärkeren Einschnitte in ihre Erwerbsbiografie als Männer."“ Clara Schäper

Die Corona-Pandemie löste nach ihrem Beginn im Jahr 2020 eine weltweite Wirtschaftskrise aus. In Deutschland war – wie schon in der Finanzkrise des Jahres 2009 – Kurzarbeit ein entscheidendes Instrument, um die Folgen auf dem Arbeitsmarkt abzumildern und Arbeitsplätze zu sichern. Frauen waren in der Corona-Zeit im Vergleich zu 2009 deutlich stärker von Kurzarbeit betroffen – und damit in fast gleichem Ausmaß wie Männer. Dies liegt daran, dass von den Einschränkungen im Zuge der Lockdowns und Kontaktbeschränkungen Branchen mit einem hohen Frauenanteil – vor allem im Dienstleistungsbereich – besonders betroffen waren. Wie dieser Wochenbericht zeigt, wirkte sich die Kurzarbeit während der Corona-Pandemie kaum negativ auf die Erwerbsverläufe aus – weder bei Frauen noch bei Männern. Im Jahr 2021 waren Beschäftigte, die im Jahr zuvor von Kurzarbeit betroffen waren, nicht häufiger arbeitslos als andere Beschäftigte. Allerdings sind die Stundenlöhne von Frauen und Männern mit Kurzarbeitserfahrung im Folgejahr weniger stark gestiegen. Insgesamt erwies sich Kurzarbeit als wirksames Mittel zur Beschäftigungssicherung. Zudem wurden bestehende Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt durch Kurzarbeit während der Corona-Pandemie nicht verstärkt.

Die Corona-Pandemie, die Deutschland im Frühjahr 2020 erreichte, hat eine globale Wirtschaftskrise ausgelöst und auch auf den Arbeitsmärkten deutliche Spuren hinterlassen.infoSachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2020): Jahresgutachten 2020/21: Corona-Krise gemeinsam bewältigen, Resilienz und Wachstum stärken (online verfügbar; abgerufen am 16. Februar 2024. Dies gilt auch für alle anderen Onlinequellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). Weltweit haben Regierungen eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, um Beschäftigte und Unternehmen in dieser Krise zu unterstützen. In Deutschland war Kurzarbeit eines der wichtigsten Instrumente zur Sicherung von Arbeitsplätzen.infoBritta Gehrke und Enzo Weber (2020): Short-time work, layoffs, and new hires in Germany: how the corona crisis differs from the financial crisis of 2009. Series „COVID-19 Crisis: Consequences for the Labour Market“ (online verfügbar). Der intensive Einsatz von Kurzarbeit insbesondere in der Anfangsphase der Corona-Pandemie wird als ein wichtiger Beitrag erachtet, der einen starken Rückgang der Beschäftigung verhindert und die Wirtschaft stabilisiert hat.infoBernd Fitzenberger und Ulrich Walwei (2023): Kurzarbeitergeld in der Covid-19-Pandemie: Lessons learned. IAB-Forschungsbericht Nr. 5 (online verfügbar).

Im Gegensatz zur Arbeitslosenversicherung ist Kurzarbeit eine Subvention für temporäre Arbeitszeitreduzierungen in Unternehmen, die von vorübergehenden Schocks betroffen sind. Unternehmen werden finanziell entlastet, indem Kurzarbeitergeld für ausgefallene Arbeitsstunden an die Beschäftigten gezahlt wird. Die für diesen Betrag anfallenden Sozialversicherungsbeiträge werden dem Unternehmen erstattet, sofern bestimmte Mindestanforderungen erfüllt sind. Für Arbeitnehmende kann die Kurzarbeit einen Teil ihrer Arbeitszeit ausmachen, sie können aber auch komplett freigestellt werden – dann spricht man von „Kurzarbeit Null“. Wenn eine Person in Kurzarbeit geht, erhält sie für die jeweils verlorenen Arbeitsstunden 60 Prozent des entgangenen Nettolohns beziehungsweise 67 Prozent, wenn sie mindestens ein Kind hat (Kasten 1). In der Corona-Pandemie wurde die maximal mögliche Bezugsdauer von Kurzarbeitergeld verlängert.

Das Kurzarbeitergeld ist eine Lohnersatzleistung, die die Lohnverluste infolge einer Arbeitszeitverkürzung abfedert. Das Ziel des Kurzarbeitergeldes ist es, Entlassungen zu verhindern, indem den Arbeitgebenden die Möglichkeit eingeräumt wird, die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten bei vorübergehendem Auftragsrückgang oder wirtschaftlichem Abschwung zu reduzieren. Grundsätzlich können nur Betriebe mit Kurzarbeitergeld gefördert werden, in denen mindestens eine Person sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist. Der Arbeitsausfall muss mindestens zehn Prozent der Beschäftigten mit einem Entgeltausfall von jeweils mehr als zehn Prozent betreffen. Da Kurzarbeitergeld eine Leistung der Arbeitslosenversicherung ist, können es auch nur sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (und unter restriktiveren Bedingungen Auszubildende) erhalten. Seit dem 1. März 2020 sind auch Leiharbeitnehmende anspruchsberechtigt. Geringfügig Beschäftigte (Minijobber*innen), die keiner Sozialversicherungspflicht unterliegen, sind hingegen vom Bezug ausgeschlossen, auch wenn sie bei der Berechnung der Mindestanforderung des Arbeitsausfalls auf Betriebsebene berücksichtigt werden. Ebenfalls ausgeschlossen sind Solo-Selbstständige und Beamt*innen.

Dort, wo Kurzarbeit prinzipiell in Frage kommt, ist sie in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder Einzelverträgen festgelegt.infoFür Details zum Kurzarbeitergeld vgl. Bundesagentur für Arbeit: Anzeige, Antrag und Berechnung des Kurzarbeitergeldes (online verfügbar). Der Antrag auf Kurzarbeitergeld wird von den Unternehmen bei der Bundesagentur für Arbeit vor Beginn der Kurzarbeit gestellt. Für Personen ohne Kinder werden 60 Prozent, für Personen mit mindestens einem Kind 67 Prozent des ausgefallenen Nettoeinkommens ersetzt. Zur Zeit der Corona-Pandemie gab es eine Sonderregelung: In der Frühphase und verlängert bis zum 30. Juni 2022 wurde ein erhöhtes Kurzarbeitergeld ausgezahlt. Ab dem vierten Bezugsmonat stieg es auf 70 Prozent des Nettoentgelts (77 Prozent für Personen mit Kindern). Nach dem siebten Bezugsmonat betrug es 80 Prozent (87 Prozent für Personen mit Kindern) – vorausgesetzt, der Arbeitsausfall betrug mindestens 50 Prozent im Kalendermonat. Zur Berechnung des Kurzarbeitergeldes wurde das Gehalt nur bis zur aktuellen Beitragsbemessungsgrenze herangezogen.

Die gesetzliche Bezugsdauer für Kurzarbeitergeld beträgt maximal zwölf Monate. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) kann diese durch eine Rechtsverordnung auf bis zu 24 Monate verlängern. Eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes durch den Betrieb, insbesondere gemäß tariflicher Vereinbarungen, ist möglich. Bei der Zahlung des Kurzarbeitergeldes treten die Arbeitgebenden in Vorleistung und rechnen das Kurzarbeitergeld danach mit der Arbeitsagentur ab. Diese erstattet dem Betrieb das Kurzarbeitergeld und die anteiligen Sozialversicherungsbeiträge.

Während Corona-Pandemie: Frauen stärker von Kurzarbeit betroffen als in früheren Wirtschaftskrisen

Daten der Bundesagentur für Arbeit (Kasten 2) zeigen, dass sich in Deutschland von März 2020 bis März 2021 durchschnittlich 3,6 Millionen Arbeitnehmende pro Monat in Kurzarbeit befanden. Das entsprach einem Beschäftigungsäquivalent von 1,6 Millionen Personen.infoStatistik der Bundesagentur für Arbeit: Realisierte Kurzarbeit, November 2023 (online verfügbar; abgerufen am 8. Januar 2024). Das Beschäftigungsäquivalent ist der durchschnittliche auf Betriebsebene aggregierte Arbeitsausfall, multipliziert mit der Anzahl der Kurzarbeitenden im selben Betrieb. Im Vergleich zu früheren Wirtschaftskrisen wie der Finanzkrise von 2009 führte die Corona-Pandemie insgesamt zu einer kurzfristig sehr hohen Zahl an Kurzarbeiter*innen. Zudem waren andere Wirtschaftszweige von Kurzarbeit betroffen als in früheren Wirtschaftskrisen. Zwar waren die Auswirkungen der Pandemie über viele Wirtschaftszweige hinweg zu spüren. So litt beispielsweise ein großer Teil des verarbeitenden Gewerbes unter einem starken Einbruch der Nachfrage im In- und Ausland sowie unter Störungen der weltweiten Lieferketten. Aufgrund der von der Regierung verhängten Eindämmungsmaßnahmen wie Kontakt- und Reisebeschränkungen konnten jedoch auch viele Dienstleistungen weniger oder zeitweise gar nicht in Anspruch genommen werden. Insbesondere die Bereiche Gastgewerbe, Einzelhandel (mit Ausnahme von Waren des täglichen Bedarfs), Kunst, Unterhaltung und Erholung und sonstige Dienstleistungen wie Reisebüros, Reise-, Messe-, Ausstellungs- und Kongressveranstalter sowie persönliche Dienstleistungen wie Friseur- und Kosmetiksalons waren von den Eindämmungsmaßnahmen stark betroffen. Im Gegensatz zu vergangenen Krisen kam es damit zu Ausfällen in Wirtschaftszweigen, in denen überdurchschnittlich viele Frauen beschäftigt sind.info Vgl. auch Anna Hammerschmid, Julia Schmieder und Katharina Wrohlich (2020): Frauen in Corona-Krise stärker am Arbeitsmarkt betroffen als Männer. DIW aktuell Nr. 42 (online verfügbar); John Bluedorn et al. (2023): Gender and employment in the COVID-19 recession: Cross-country evidence on “she-cessions”. Labour Economics 81, 102308 (online verfügbar); Titan Alon et al. (2020): This time it's different: the role of women's employment in a pandemic recession. National Bureau of Economic Research, Working Paper 27660 (online verfügbar); Hannah Illing et al. (2022): Geschlechtsspezifische Arbeitsmarktwirkung der Covid-19-Pandemie: Ähnlicher Arbeitszeitausfall, aber bei Müttern höhere zusätzliche Belastung durch Kinderbetreuung. IAB-Kurzbericht Nr. 3 (online verfügbar); OECD (2020): Women at the core of the fight against COVID-19 crisis (online verfügbar); Robert Joyce und Xiaowei Xu (2020): Sector shutdowns during the coronavirus crisis: which workers are most exposed? IFS Briefing Note BN278 (online verfügbar); Abi Adams-Prassl et al. (2020): Inequality in the impact of the coronavirus shock: Evidence from real time surveys. Journal of Public Economics, 189, 104245 (online verfügbar); Veronika Knize et al. (2022): Workin'moms ain't doing so bad: Evidence on the gender gap in working hours at the outset of the COVID-19 pandemic. Journal of Family Research, 34(1), 161–192 (online verfügbar).

Die Berechnungen in diesem Bericht basieren auf Daten der Statistik zum Kurzarbeitergeld der Bundesagentur für ArbeitinfoStatistik der Bundesagentur für Arbeit: Realisierte Kurzarbeit, November 2023; Statistik der Bundesagentur für Arbeit: Kurzarbeit nach Wirtschaftsabteilungen, November 2023. und auf dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP).infoFür eine Einführung in das SOEP siehe Jan Goebel et al. (2018): The German Socio-Economic Panel (SOEP). Journal of Economics and Statistics, 239(2), 345–360 (online verfügbar).

Statistik zum Kurzarbeitergeld der Bundesagentur für Arbeit: In den Abbildungen 1 und 2 dieses Berichts werden Daten der Statistik zum Kurzarbeitergeld der Bundesagentur für Arbeit ab dem Jahr 2008 bis einschließlich Juni 2023 zugrunde gelegt. Betrachtet wird hier ausschließlich die Kurzarbeit aus konjunkturellen Gründen, da die Konjunktur und die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt in starkem Maße von Krisenzeiten beeinflusst wird und der sprunghafte Anstieg in der Nutzung von Kurzarbeit während der Finanzkrise und auch der Corona-Pandemie durch diese Art der Kurzarbeit geprägt war. Betrachtet wird die realisierte Kurzarbeit (nicht die Anzeige von Kurzarbeit). Die Wirtschaftszweige werden auf Basis der 19 Abschnitte der Wirtschaftszweigklassifikation von 2008 unterteilt.infoStatistisches Bundesamt: Klassifikation der Wirtschaftszweige, Ausgabe 2008 (online verfügbar).

Sozio-oekonomisches Panel (SOEP): Das SOEP ist die längste repräsentative Längsschnitterhebung in Deutschland. Die aktuellsten Daten liegen für das Jahr 2021 vor. Für diesen Bericht werden Daten des Erhebungszeitraums von 2019 bis 2021 verwendet. Beschäftigte werden dabei zu den Personen mit erlebter Kurzarbeit gezählt, wenn sie in der Befragung im Jahr 2021 angegeben haben, „im letzten Jahr in Kurzarbeit gewesen zu sein“. Im Durchschnitt gaben sowohl Frauen als auch Männer an, dass sie circa drei Monate in Kurzarbeit waren. Nur sechs Prozent der befragten Männer und sieben Prozent der befragten Frauen waren auch zum Befragungszeitraum 2021 noch in Kurzarbeit.

In der Analyse werden nur Personen (im Alter von 20 bis 60 Jahren) berücksichtigt, die zum Befragungszeitraum im Jahr 2019 und 2020 in Vollzeit oder Teilzeit beschäftigt waren und damit überhaupt von Kurzarbeit betroffen sein konnten. Nicht berücksichtigt werden Personen, die in den Jahren 2019 oder 2020 selbstständig, in Ausbildung, geringfügig oder gar nicht beschäftigt waren.

Zur Berechnung der Bruttostundenlöhne wird der monatliche Bruttoverdienst zunächst durch die Anzahl der vertraglich vereinbarten Arbeitsstunden geteilt. Darüber hinaus werden vor der Berechnung der durchschnittlichen Löhne jeweils das obere und das untere Prozent der Daten eines jeden Erhebungsjahres ausgeschlossen (Trimming), um den Einfluss von Ausreißern bei der Datenerhebung zu reduzieren. Bei der Berechnung von Mittelwerten werden grundsätzlich gewichtete Zahlen ausgegeben, die Besonderheiten des Stichprobendesigns und Veränderungen in der Stichprobenzusammensetzung im Zeitverlauf berücksichtigen.

Bei der Analyse der Daten aus dem SOEP des Jahres 2021 ist zu beachten, dass es zu einem Wechsel des Befragungsinstituts gekommen ist und sich zudem durch die Eindämmungsmaßnahmen im Rahmen der Corona-Pandemie die Befragungssituation von der in den Vorjahren unterschieden hat. So wurden 2021 rund 44 Prozent der Interviews mit Erwachsenen per Telefon geführt. Beide Aspekte können Einfluss sowohl auf die Antwortbereitschaft als auch auf die Qualität der Antworten haben, was zu Unsicherheiten bei der Einkommensmessung führt.infoSiehe hierzu Markus M. Grabka (2024): Niedriglohnsektor in Deutschland schrumpft seit 2017. DIW Wochenbericht Nr. 5, 67–76 (online verfügbar).

Der Frauenanteil an den Beschäftigten in Kurzarbeit war daher im Jahr 2020 deutlich höher als in der Finanzkrise 2009 (Abbildung 1). Im März 2020, zu Beginn der Corona-Pandemie, waren von 5,7 Millionen Beschäftigten in Kurzarbeit 46 Prozent Frauen – im Vergleich zu einem Anteil von 20 Prozent im März 2009. In fünf der neun Wirtschaftszweige, in denen es zwischen März 2020 und März 2021 pro Monat besonders viele Personen in Kurzarbeit gab, waren im Jahr 2020 überdurchschnittlich viele Frauen beschäftigt (Abbildung 2). In den besonders betroffenen Bereichen Gastgewerbe sowie Kunst, Unterhaltung und Erholung lag der Frauenanteil unter den Beschäftigten mit 53 beziehungsweise 51 Prozent über dem Frauenanteil bei allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Höhe von 46 Prozent.

Kurzarbeit hat in Finanzkrise negative Folgen für Betriebe und Beschäftigte abgefedert

Während sich die „Kurzarbeit Null“ auf die Arbeitszeit einer Person zumindest vorübergehend gleichermaßen auswirkt wie Arbeitslosigkeit infolge einer betriebsbedingten Kündigung, gibt es einen wesentlichen Unterschied in der ökonomischen Sicherheit: Beschäftigte in Kurzarbeit wissen, dass sie nach einer begrenzten Zeit zu ihrem vorherigen Arbeitsplatz zurückkehren können und daher keine Verpflichtungen haben, nach einem neuen Job zu suchen. Sie stehen daher nicht vor denselben wirtschaftlichen und beruflichen Unsicherheiten wie arbeitslos gewordene Personen (Kasten 1). Aus diesen Gründen könnten sich die mittel- und langfristigen Auswirkungen einer Unterbrechung der Erwerbstätigkeit aufgrund von Kurzarbeit von denen aufgrund von Arbeitslosigkeit unterscheiden.

Tatsächlich zeigen empirische Studien für die Zeit der Finanzkrise für Deutschland, Italien, Schweiz und Frankreich, dass Kurzarbeit positive Auswirkungen auf die Beschäftigung und das Überleben von Betrieben in Krisenzeiten haben kann. Die positive Wirkung von Kurzarbeit besteht dabei vor allem darin, (Massen-)Entlassungen bei Unternehmen zu begrenzen.infoBritta Gehrke und Brigitte Hochmuth (2021): Counteracting unemployment in crises. Non-linear effects of short-time work policy. The Scandinavian Journal of Economics, 123(1), 144–183 (online verfügbar); Daniel Kopp und Michael Siegenthaler (2021): Short-time work and unemployment in and after the great recession. Journal of the European Economic Association, 19(4), 2283–2321 (online verfügbar); Pierre Cahuc, Francis Kramarz und Sandra Nevoux (2021): The heterogeneous impact of short-time work: From saved jobs to windfall effects. CEPR Discussion Paper 16168 (online verfügbar); Giulia Giupponi und Camille Landais (2023): Subsidizing labour hoarding in recessions: the employment and welfare effects of short-time work. The Review of Economic Studies, 90(4), 1963–2005 (online verfügbar). Für Italien wurde des Weiteren gezeigt, dass auch auf individueller Ebene Angestellte, die in Firmen mit Zugang zu Kurzarbeit arbeiten, weniger stark von einer Senkung der Arbeitszeit und der Löhne betroffen und weniger stark dem Risiko der Arbeitslosigkeit ausgesetzt sind als Angestellte in ähnlich betroffenen Betrieben ohne Zugang zu Kurzarbeit.infoGiupponi und Landais (2023), a.a.O.

Die weitverbreitete Betroffenheit von Kurzarbeit während des ersten Jahres der Corona-Pandemie wirft die Frage auf, welche Auswirkungen diese unfreiwillige Erwerbsunterbrechung für die Betroffenen hatte. Zudem stellt sich die Frage nach etwaigen Unterschieden in den mittelfristigen Auswirkungen von Kurzarbeit zwischen Frauen und Männern. Diese sind zumindest für die Auswirkungen unfreiwilliger Arbeitslosigkeit belegt. So wurde beispielsweise gezeigt, dass Frauen nach einer betriebsbedingten Kündigung im Durchschnitt länger arbeitslos sind als Männer und mittelfristig negativere Auswirkungen auf ihre Löhne erfahren als Männer.infoRia Ivandić und Anne Sophie Lassen (2023): Gender Gaps From Labor Market Shocks. Labour Economics, 102394 (online verfügbar); Hannah Illing, Johannes F. Schmieder und Simon Trenkle (2023): The gender gap in earnings losses after job displacement. Journal of the European Economic Association, Accepted (online verfügbar), auch verfügbar als NBER Working Paper 29251, National Bureau of Economic Research. Zu den mittelfristigen Auswirkungen der Betroffenheit von Kurzarbeit während der Corona-Pandemie ist bisher noch wenig bekannt. Für Österreich zeigt eine neue Studie, dass Frauen und Männer, die in den Jahren 2020 oder 2021 in Kurzarbeit waren, im Vergleich zu anderen Frauen und Männern im Jahr 2022 Einkommensverluste hinnehmen mussten. In der Studie wird dieser Befund unter anderem auf reduzierte Arbeitsstunden und eine geringere Anzahl an Beförderungen und Lohnerhöhungen zurückgeführt.infoStefan Vogtenhuber, Nadia Steiber und Monika Mühlböck (2024): The lasting earnings losses of COVID-19 short-time work. Research in Social Stratification and Mobility, 100889 (online verfügbar). In Deutschland ist Kurzarbeit auf individueller Ebene in administrativen Arbeitsmarktdaten noch nicht abgebildet, sondern wird bisher auf betrieblicher Ebene erfasst.infoBernd Fitzenberger et al. (2021): Zeitnahe Daten in der Corona-Krise: Von der schwierigen Vermessung der Kurzarbeit. IAB-Kurzbericht Nr. 24 (online verfügbar). Die neueste Erhebung des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) lässt jedoch erste Analysen auf individueller Ebene auch für Deutschland zu (Kasten 2).

Von Kurzarbeit Betroffene sind im Folgejahr nicht häufiger arbeitslos und haben keine geringere Arbeitszeit

Die Auswertungen der SOEP-Daten zeigen, dass die Kurzarbeit bei im Jahr 2020 Betroffenen im Durchschnitt drei Monate dauerte. Von diesen gaben sechs Prozent der Männer und sieben Prozent der Frauen auch im Jahr darauf an, in Kurzarbeit zu sein. Den vorliegenden Analysen zufolge waren von Kurzarbeit im Jahr 2020 betroffene Beschäftigte ein Jahr nach Beginn der Corona-Pandemie nicht häufiger arbeitslos gemeldet als nicht von Kurzarbeit betroffene Beschäftigte (Abbildung 3). Dieser Befund trifft sowohl für Frauen als auch Männer zu. Befragungsdaten, mit denen längerfristige Effekte von Kurzarbeit untersucht werden könnten, liegen bisher nicht vor. Des Weiteren war ein Jahr nach der Kurzarbeit auch kein Unterschied im Arbeitsvolumen zwischen Betroffenen und nicht von Kurzarbeit Betroffenen zu beobachten: Die vereinbarte Wochenarbeitszeit war in beiden Gruppen konstant (Abbildung 4). Außerdem arbeiteten von Kurzarbeit betroffene Beschäftigte vor der Phase der Kurzarbeit in ähnlichem zeitlichen Umfang wie nicht von Kurzarbeit Betroffene. Es ist also kein Zusammenhang zwischen der wöchentlichen Arbeitszeit (vor der Kurzarbeit) und der Betroffenheit von Kurzarbeit zu beobachten.

Von Kurzarbeit Betroffene haben im Jahr darauf niedrigere Stundenlöhne als nicht Betroffene

Eine – zumindest vorerst – negative Entwicklung für von Kurzarbeit Betroffene lässt sich allerdings in Bezug auf die Bruttostundenlöhne der Beschäftigten beobachten: Frauen und Männer, die im Jahr 2020 phasenweise von Kurzarbeit betroffen waren, mussten ein Jahr später – im Unterschied zu nicht von Kurzarbeit betroffenen Beschäftigten – eine deutlich schwächere Lohnentwicklung hinnehmen (Abbildung 5). Im Jahr 2019 unterschied sich der durchschnittliche Bruttostundenlohn von Männern nicht zwischen jenen, die ein Jahr später von Kurzarbeit betroffen waren, und anderen männlichen Beschäftigten. Er betrug in beiden Gruppen etwa 22 Euro. Für Frauen, die im Jahr 2020 von Kurzarbeit betroffen waren, lag der durchschnittliche Bruttostundenlohn im Jahr 2019 mit etwa 16,50 Euro etwas unter dem der Frauen, die später nicht in Kurzarbeit mussten (18,20 Euro).infoHierbei ist zu beachten, dass Personen in geringfügiger Beschäftigung in dieser Analyse nicht berücksichtigt werden, da Kurzarbeit für diese Gruppe der Beschäftigten nicht zugänglich ist. Im Unterschied zu Männern waren es bei den Frauen also – im Durchschnitt – Beschäftigte mit niedrigeren Bruttostundenlöhnen, die zu Beginn der Corona-Pandemie eher von Kurzarbeit betroffen waren.

Sowohl für Männer als auch für Frauen zeigt sich aber, dass bei denjenigen, die im Jahr 2020 vorübergehend in Kurzarbeit geschickt wurden, im Vergleich zu den nicht von Kurzarbeit betroffenen Beschäftigten im Jahr darauf die Löhne langsamer stiegen. Während der durchschnittliche Bruttostundenlohn der nicht von Kurzarbeit betroffenen Männer von 21,70 Euro im Jahr 2019 auf 24,50 Euro im Jahr 2021 stieg, war das Lohnwachstum für von Kurzarbeit betroffene Männer deutlich geringer (21,60 Euro im Jahr 2019 und 22,50 Euro im Jahr 2021). Bei Frauen war der Unterschied im Lohnwachstum zwischen den von Kurzarbeit Betroffenen und nicht von Kurzarbeit Betroffenen sogar noch größer: Bei letztgenannten stieg der Bruttostundenlohn von 18,20 Euro im Jahr 2019 auf 21,30 im Jahr 2021, während er bei den von Kurzarbeit betroffenen Frauen nur von 16,50 im Jahr 2019 auf 17,10 im Jahr 2021 stieg.infoDiese Lohnentwicklung bezieht sich nur auf die hier untersuchte Gruppe der Personen, die in allen drei Jahren 2019, 2020 und 2021 beschäftigt beziehungsweise in Kurzarbeit waren. Zudem sind geringfügig Beschäftigte und Auszubildende nicht in den Analysen enthalten.

Fazit: Kurzarbeit war auch in Corona-Pandemie wirksames Instrument gegen Arbeitslosigkeit

Diese empirische Analyse auf Basis von SOEP-Daten bestätigt einen wichtigen empirischen Befund aus der Finanzkrise 2009: Kurzarbeit ist nicht nur für Firmen ein wirksames Stabilisierungsinstrument in Krisenzeiten, sondern auch für Beschäftigte. Frauen und Männer, die zwischen den beiden Befragungen der Jahre 2020 und 2021 vorübergehend in Kurzarbeit mussten, waren im Jahr 2021 nicht häufiger arbeitslos als nicht von Kurzarbeit betroffene Beschäftigte. Auch die Befürchtung, dass berufstätige Frauen aufgrund ihrer im Vergleich zur Finanzkrise höheren Betroffenheit von Kurzarbeit während der Frühphase der Corona-Pandemie einen stärkeren Einschnitt in ihre Erwerbsbiografie erlebten als Männer, hat sich nicht bestätigt.

Diese Befunde gelten für sozialversicherungspflichtig Beschäftigte – für Selbstständige und geringfügig Beschäftigte stand und steht das Instrument der Kurzarbeit hingegen nicht zur Verfügung. Studien zeigen, dass diese Gruppen besonders stark von den wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie betroffen waren. So mussten selbstständige Frauen in den ersten Monaten der Pandemie deutlich öfter als Männer Einkommensverluste hinnehmen.infoJohannes Seebauer, Alexander Kritikos und Daniel Graeber (2021): Warum vor allem weibliche Selbstständige Verliererinnen der Covid-19-Krise sind. DIW Wochenbericht Nr. 15, 262–269 (online verfügbar). Außerdem waren die zehn Prozent der Frauen mit den niedrigsten Einkommen – sehr häufig Mini-Jobberinnen – besonders stark von den Auswirkungen der Krise betroffen, was zu einem signifikanten Anstieg des Gender Pay Gaps in dieser Gruppe führte.infoBernd Fitzenberger, Anna Houštecká und Alexander Patt (2024): Unterschiede in den Jahresverdiensten zwischen Männern und Frauen: Der Gender Pay Gap wurde in der Coronakrise kleiner – außer bei niedrigen Verdiensten. IAB-Kurzbericht Nr. 1 (online verfügbar). Diese Befunde zeigen im Vergleich zu den Ergebnissen in diesem Wochenbericht, dass Frauen, die keinen Zugang zu Kurzarbeit hatten, stärkere negative Auswirkungen der Corona-Pandemie erfahren haben. Dies unterstreicht die Bedeutung der Kurzarbeit nicht nur für die gesamtwirtschaftliche Beschäftigung, sondern auch für die individuelle Sicherung der wirtschaftlichen Existenz.

Clara Schäper

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe Gender Economics

Katharina Wrohlich

Leiterin in der Forschungsgruppe Gender Economics



JEL-Classification: J31;J16;J22
Keywords: COVID-19 Pandemic, Economic Crises, Labour Demand Shocks, Gender Inequality, Social Security, Job protection schemes
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2024-9-3

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