DIW Wochenbericht 10 / 2024, S. 145-156
Timm Bönke, Guido Baldi, Hella Engerer, Pia Hüttl, Konstantin A. Kholodilin, Frederik Kurcz, Violetta Kuzmova-Anand, Theresa Neef, Laura Pagenhardt, Werner Roeger, Marie Rullière, Jan-Christopher Scherer, Teresa Schildmann, Ruben Staffa, Kristin Trautmann
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„Mit weiter nachlassender Inflation wird der private Konsum ab dem zweiten Quartal wieder zum Haupttreiber des konjunkturellen Aufschwungs. Die Reallöhne steigen nachhaltig und dürften die Kaufkraftverluste der vergangenen Jahre ausgleichen.“ Timm Bönke
Die noch erhöhte Inflation sowie die schwache Binnen- und Auslandsnachfrage, die die deutsche Wirtschaftsleistung schon im vergangenen Jahr belastet haben, werden wohl auch das laufende erste Quartal im Minus enden lassen. Die in Deutschland und im gesamten Euroraum deutlich sinkende Inflation, die sich wieder dem Zwei-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank annähert, lässt eine Zinswende im Frühsommer erwarten. Die abflauende Preisdynamik und die sich verbessernden Finanzierungsbedingungen dürften sowohl den privaten Konsum als auch die Unternehmensinvestitionen im Jahresverlauf etwas ankurbeln. Dennoch bleibt zunächst viel Unsicherheit, insbesondere über die weiteren wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, was die Haushalte und Unternehmen noch zurückhaltend agieren lässt. Zusätzlich fehlen sowohl fiskalpolitische Impulse als auch die stützende Nachfrage aus dem Ausland. Daher wird das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahr wohl stagnieren und – getragen durch privaten Konsum und öffentliche Ausrüstungsinvestitionen – im kommenden Jahr mit 1,2 Prozent deutlicher zulegen. Die Weltwirtschaft wird sich weiterhin robuster als Deutschland entwickeln. Sie wächst voraussichtlich in diesem und im kommenden Jahr um jeweils 3,5 Prozent, was nach und nach auch die deutschen Exporte stärken dürfte.
Die Weltwirtschaft hat im Jahr 2023 um 3,9 Prozent zugelegt (Abbildung 1). Dieses Wachstum ist im historischen Vergleich zwar verhalten, aber angesichts der Belastungen dennoch robust. Vielerorts wurde die konjunkturelle Entwicklung durch hohe Energiepreise, stark gestiegene Zinsen, Kaufkraftverluste infolge der erhöhten Inflation sowie geopolitische Krisen und Unsicherheiten belastet. In den meisten Ländern schwächelte dadurch in erster Linie die Industrie, während sich die Dienstleistungen vielerorts etwas besser behaupten konnten.
Einen Schub gab es aus den fortgeschrittenen Volkswirtschaften, vor allem den Vereinigten Staaten. Die US-Wirtschaft expandierte 2023 insgesamt überraschend stark, um 2,5 Prozent (Tabelle 1). Die umfangreichen fiskalpolitischen Impulse der Jahre 2020 bis 2022 stützten weiterhin den privaten Konsum und die Unternehmensinvestitionen. Unter den Schwellenländern trug China maßgeblich zum Wachstum bei. Die Wirtschaft legte dort 2023 um 5,2 Prozent zu – gegenüber den Vorpandemiejahren hat sich das Wachstum jedoch deutlich abgeschwächt: Die Erholung nach der Null-Covid-Politik wurde insbesondere von den anhaltenden Problemen im Immobiliensektor überschattet. Mexiko erzielte 2023 ein Wirtschaftswachstum von 3,2 Prozent, auch wenn die Exporte in die Vereinigten Staaten sich zuletzt nicht mehr so dynamisch entwickelten. Brasiliens Wirtschaft wuchs um 3,1 Prozent, auch dank starker Ernten und Ausfuhren im ersten Halbjahr. Die indische Wirtschaft expandierte aufgrund einer soliden Binnennachfrage 2023 um kräftige 6,9 Prozent.
In Prozent
Bruttoinlandsprodukt | Verbraucherpreise | Arbeitslosenquote in Prozent | ||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent | ||||||||||||
2022 | 2023 | 2024 | 2025 | 2022 | 2023 | 2024 | 2025 | 2022 | 2023 | 2024 | 2025 | |
Europa | ||||||||||||
Europäische Union | 3,5 | 0,5 | 0,9 | 1,9 | 9,2 | 6,4 | 3,0 | 2,4 | 6,1 | 6,0 | 6,2 | 6,0 |
Euroraum | 3,4 | 0,5 | 0,5 | 1,5 | 8,4 | 5,4 | 2,6 | 2,0 | 6,7 | 6,5 | 6,5 | 6,4 |
ohne Deutschland | 3,9 | 1,1 | 1,0 | 1,5 | 8,0 | 5,0 | 2,6 | 2,1 | 8,5 | 8,2 | 8,2 | 8,1 |
Frankreich | 2,5 | 0,9 | 0,8 | 1,4 | 5,9 | 5,7 | 2,5 | 1,9 | 7,3 | 7,3 | 7,4 | 7,3 |
Italien | 3,9 | 0,7 | 0,6 | 1,0 | 8,7 | 5,9 | 2,3 | 2,2 | 8,1 | 7,6 | 7,7 | 7,7 |
Spanien | 5,8 | 2,5 | 1,8 | 2,1 | 8,3 | 3,4 | 3,2 | 2,1 | 12,9 | 12,1 | 11,5 | 11,1 |
Niederlande | 4,4 | 0,1 | 0,9 | 1,9 | 11,6 | 4,1 | 2,7 | 2,1 | 3,5 | 3,6 | 3,9 | 3,8 |
Vereinigtes Königreich | 4,3 | 0,1 | 0,2 | 1,5 | 9,1 | 7,3 | 2,5 | 2,0 | 3,9 | 4,0 | 4,3 | 4,7 |
Schweiz | 2,7 | 0,8 | 1,0 | 1,9 | 2,8 | 2,1 | 1,6 | 1,5 | 4,3 | 4,1 | 4,4 | 4,3 |
Mittel- und Südosteuropa (MOE) | 4,7 | 0,3 | 2,4 | 3,3 | 13,4 | 11,6 | 4,3 | 3,6 | 3,5 | 3,6 | 3,4 | 3,1 |
Türkei | 5,3 | 4,0 | 2,7 | 3,2 | 72,3 | 54,0 | 50,9 | 36,0 | 10,5 | 9,5 | 9,5 | 10,0 |
Russland1 | −1,3 | 3,0 | 3,4 | 1,4 | 13,8 | 5,9 | 6,5 | 5,0 | 3,9 | 3,2 | 2,8 | 2,7 |
Amerika | ||||||||||||
USA | 1,9 | 2,5 | 2,2 | 1,5 | 8,0 | 4,1 | 2,6 | 1,9 | 3,6 | 3,6 | 3,9 | 4,0 |
Mexiko | 3,9 | 3,2 | 1,8 | 2,2 | 7,9 | 5,5 | 3,7 | 3,1 | 3,3 | 2,9 | 3,2 | 3,3 |
Brasilien | 3,1 | 3,1 | 1,6 | 2,1 | 9,3 | 4,6 | 3,4 | 2,9 | 9,5 | 8,3 | 10,6 | 14,8 |
Asien | ||||||||||||
Japan | 0,9 | 1,9 | 1,0 | 1,1 | 2,5 | 3,3 | 2,5 | 1,3 | 2,6 | 2,6 | 2,4 | 2,4 |
Südkorea | 2,6 | 1,3 | 2,2 | 2,3 | 5,1 | 3,6 | 2,4 | 1,9 | 2,9 | 2,7 | 3,1 | 3,1 |
China | 3,0 | 5,2 | 4,7 | 4,5 | 2,0 | 0,2 | 1,0 | 1,8 | 5,6 | 5,2 | 5,0 | 5,0 |
Indien | 6,6 | 6,9 | 6,3 | 6,3 | 6,7 | 5,8 | 5,1 | 3,9 | 7,6 | 7,6 | 7,2 | 7,4 |
Total | ||||||||||||
Fortgeschrittene Volkswirtschaften | 2,5 | 1,7 | 1,5 | 1,5 | 7,7 | 4,6 | 2,6 | 2,0 | 4,4 | 4,3 | 4,5 | 4,5 |
Schwellenländer | 3,8 | 5,3 | 4,7 | 4,6 | 8,4 | 6,8 | 7,9 | 7,5 | 6,3 | 6,0 | 5,9 | 6,3 |
Welt | 3,3 | 3,9 | 3,5 | 3,5 | 7,9 | 5,5 | 5,1 | 4,7 | 5,9 | 5,6 | 5,6 | 5,9 |
Nachrichtlich: | ||||||||||||
Exportgewichtet2 | 2,9 | 2,9 | 2,6 | 2,6 | ||||||||
BIP in US-Dollar gewichtet3 | 3,2 | 3,0 | 3,0 | 3,0 |
1 Die für Russland prognostizierten Daten sind mit großen Unsicherheiten behaftet. Russland hat nur geringes Gewicht in der Gesamtprognose. Die Daten für 2023 sind vorläufig.
2 Gewichtung der Welt mit den Anteilen an der deutschen Ausfuhr über das Jahr 2023.
3 Gewichtung der Welt mit dem Bruttoinlandsprodukt in US-Dollar über die Jahre 2022 bis 2025.
Anmerkungen: Die schwarzen Zahlen sind abgerechnete Zahlen. Die Werte der Ländergruppen sind ein gewichteter Durchschnitt, wobei für die Gewichtung des BIP und der Verbraucherpreise das jeweilige Bruttoinlandsprodukt in Kaufkraftparitäten aus dem World Economic Outlook des Internationalen Währungsfonds (IWF) für die Jahre 2022 bis 2025 verwendet wird. Für die Gewichtung der Arbeitslosenzahlen in den Ländergruppen wird die Erwerbsbevölkerung (15 bis 64 Jahre) des jeweiligen Landes für das Jahr 2022 verwendet. MOE besteht aus: Polen, Rumänien, Tschechische Republik und Ungarn.
Quellen: Nationale statistische Ämter; DIW Konjunkturprognose Frühjahr 2024.
Die europäische Wirtschaft hingegen trat auf der Stelle, gebremst von der Energiepreiskrise und der restriktiven Geldpolitik. Der Euroraum trug mit 0,5 Prozent nur wenig zum Wachstum der Weltwirtschaft 2023 bei. Das Vereinigte Königreich rutschte im zweiten Halbjahr in eine technische Rezession, erlebte also zwei aufeinanderfolgende Quartale, in denen die Wirtschaftsleistung sank (um 0,1 und 0,3 Prozent). Das britische Wachstum war unter anderem von den Nachwirkungen der Cost-of-Living CrisisVgl. Arnab Bhattacharjee und Adrian Pabst (2024): Improving UK Living Standards. National Institute of Economic and Social Research (online verfügbar; abgerufen am 28. Februar 2024. Dies gilt auch für alle anderen Onlinequellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). der Haushalte stark belastet. Japan expandierte 2023 um 1,9 Prozent, rutschte im zweiten Halbjahr aber ebenfalls in eine technische Rezession. Die hohe Inflation lastete dort besonders stark auf der Binnennachfrage. Einzig der Außenbeitrag war positiv, weil die Exporte dank des schwachen Yens stärker wuchsen als die Importe.
Im Auftaktquartal des Jahres 2024 wird die Weltwirtschaft wohl relativ robust zulegen. Die Einkaufsmanagerindizes für das Verarbeitende Gewerbe verzeichneten zuletzt in den meisten fortgeschrittenen Volkswirtschaften einen Aufwärtstrend, auch wenn die großen Mitgliedsländer des Euroraums und das Vereinigte Königreich noch unterhalb der Expansionsschwelle verbleiben. In den Schwellenländern liegt der Einkaufsmanagerindex für China (Caixin) seit November über der Expansionsschwelle, in Brasilien seit Dezember. Die globale Industrieschwäche dürfte nach und nach überwunden werden. Allerdings entwickelt sich insbesondere in Japan und Deutschland das Verarbeitende Gewerbe weiterhin schwach. Während dies in Japan auf die wechselkursbedingt hohen Kosten für Importe und die schwache Binnennachfrage zurückzuführen ist, belasten in Deutschland die hohen Energiepreise und eine sehr schwache Auslandsnachfrage die Entwicklung.
In den Vereinigten Staaten dürfte sich das Wachstum mit 0,5 Prozent (annualisiert 1,9 Prozent) im ersten Quartal 2024 etwas verlangsamen. Südkoreas Wirtschaft expandiert mit ähnlichen Raten, insbesondere getrieben von starken Halbleiterexporten. Der Euroraum sowie das Vereinigte Königreich dürften sich allmählich erholen und jeweils ein Quartalswachstum von 0,1 Prozent verzeichnen. Japans Wirtschaft wird aufgrund der weiterhin hohen Inflation voraussichtlich um 0,4 Prozent zulegen.
In den meisten Schwellenländern ist im ersten Quartal 2024 hingegen mit einer kräftigen Expansion zu rechnen. In China haben die Verbraucher*innen rund um die Neujahrsfeiertage zum Jahr des Drachen deutlich mehr Geld ausgegeben; auch der Reiseverkehr und die Tourismusbranche expandierten so stark wie zuletzt vor der Pandemie. Die chinesische Wirtschaft wird wohl ein Quartalswachstum von 1,0 Prozent verzeichnen. In den mittel- und osteuropäischen Ländern der Europäischen Union wird die Wirtschaftsleistung im ersten Quartal 2024 bei weiter sinkenden Inflationsraten und stärkerem Konsum wohl um 0,7 Prozent und damit wieder etwas stärker als zuletzt zunehmen.
Der Welthandel dürfte 2024 nur moderat zulegen. Die Lieferengpässe, die in den vergangenen Jahren auftraten, haben sich zwar zurückgebildet, jedoch sind weiter steigende Transportkosten aufgrund der Konflikte im Roten Meer und der Dürre im Panamakanal nicht auszuschließen. Bereits im vergangenen Jahr ist der Welthandel um 1,9 Prozent gefallen.
Die Geldpolitik blieb zum Jahresauftakt zwar in vielen fortgeschrittenen Volkswirtschaften – mit Ausnahme Japans – restriktiv. Vor dem Hintergrund der rückläufigen Teuerungsraten im Euroraum ist aber damit zu rechnen, dass die Europäische Zentralbank im Frühsommer die erste Leitzinssenkung vornimmt (Kasten 1). Zuletzt hat sich auch die Kreditvergabe an die Haushalte stabilisiert.Vgl. Deutsche Bundesbank (2024): Geldpolitik und Geldmarktentwicklung. Monatsbericht Februar (online verfügbar). In den Vereinigten Staaten ist die Inflation im Januar nicht weiter gesunken, vor allem aufgrund der Wohnkosten. Mit einer ersten Zinssenkung schon im März, wie sie von den Finanzmärkten lange Zeit erwartet wurde, ist somit nicht mehr zu rechnen. In vielen Schwellenländern wurde die Geldpolitik bereits gelockert: Die chinesische Zentralbank senkte Mitte Februar den fünfjährigen Leitzins für Hypotheken, eine weitere stützende Maßnahme für den angeschlagenen Immobiliensektor des Landes. Die schwache Binnennachfrage zeigt sich in China auch in den deflationären Tendenzen; die Preise sind dort im Januar um weitere 0,8 Prozent gesunken.
Dieser Prognose liegen die folgenden Annahmen über den weiteren Verlauf von Leitzinsen, Wechselkursen und Rohstoffpreisen zugrunde (Tabelle). Sie wurden auf Basis der bisherigen Entwicklung, der Preise an den Terminmärkten sowie der Schlussstände zum Stichtag dieser Prognose am 20. Februar 2024 getroffen.
2022 | 2023 | 2024 | 2025 | ||
---|---|---|---|---|---|
EZB-Leitzins (Jahresende) | Prozent | 2,5 | 4,5 | 3,75 | 2,75 |
Geldmarktzins | EURIBOR-Dreimonatsgeld in Prozent | 0,3 | 3,4 | 3,4 | 2,4 |
Kapitalmarktzins | Rendite für Staatsanleihen im Euroraum mit zehnjähriger Restlaufzeit | 2,0 | 3,3 | 2,9 | 2,9 |
Kapitalmarktzins | Rendite für Staatsanleihen in Deutschland mit zehnjähriger Restlaufzeit | 1,8 | 2,5 | 2,1 | 2,1 |
Wechselkurs | US-Dollar/Euro | 1,05 | 1,09 | 1,08 | 1,08 |
Erdölpreis | US-Dollar/Barrel | 98,6 | 82,1 | 80,3 | 76,1 |
Gaspreis | Euro/Megawattstunde | 133,9 | 42,2 | 26,9 | 28,7 |
Anmerkung: Jahresdurchschnittswerte, sofern nicht anders angegeben.
Quellen: Europäische Zentralbank; European Money Markets Institute (EMMI); Eurex Exchange; Deutsche Bundesbank; Federal Reserve; Energy Information Administration (EIA); Intercontinental Exchange (ICE); CME Group; DIW-Konjunkturprognose Frühjahr 2024.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hält seit Oktober 2023 den Hauptrefinanzierungssatz konstant bei 4,5 Prozent. Im Jahresverlauf 2023 hat die Inflation stark an Dynamik verloren. Es ist damit zu rechnen, dass die EZB als Reaktion darauf im Frühsommer 2024 die Zinswende einleiten wird.
Im Einklang mit den Leitzinsen wird mit keinem weiteren Anstieg der Geldmarktzinsen gerechnet. Ab kommenden Quartal und im weiteren Prognosezeitraum dürften sie leicht sinken. Die Finanzierungsbedingungen sind im Zuge der strafferen Geldpolitik restriktiver geworden. Die Renditen für Staatsanleihen sind infolge der Leitzinserhöhungen der EZB im vergangenen Jahr stark gestiegen. Es wird angenommen, dass die Kapitalmarktzinsen über den Prognosehorizont weitgehend unverändert bleiben. Der Euro hat gegenüber dem US-Dollar zuletzt aufgewertet. Für den Prognosezeitraum wird angenommen, dass der Wechselkurs des Euro gegenüber dem US-Dollar auf dem zum Datenschluss erreichten Niveau von 1,08 Dollar pro Euro verbleibt.
Der Preis für Brent-Rohöl wird laut Futures im zweiten Quartal 2024 leicht steigen, bevor er ab dem zweiten Halbjahr und bis zum Ende des Prognosezeitraums wieder sinken wird. In diesem Jahr wird der Preis annahmegemäß im Durchschnitt bei 80 US-Dollar pro Barrel liegen, bevor er auf einen Durchschnittspreis von 76 US-Dollar im Jahr 2025 sinkt. Die Großhandelspreise für Gas (TTF) haben ihre Höchststände vom Sommer 2022 ebenfalls überwunden und verbleiben auf einem niedrigeren Niveau. Der durchschnittliche Gaspreis wird 2024 annahmegemäß bei 27 Euro je Megawattstunde liegen. Für 2025 wird mit einem Preis von 29 Euro je Megawattstunde gerechnet. Somit werden für diese Prognose niedrigere Gaspreise als für die Winterprognose angenommen. Ein Aufwärtsrisiko geht allerdings von dem LNG-Moratorium der USA aus: Sollten die USA sich entscheiden, weniger Flüssiggas zu exportieren, könnte dies eine Auswirkung auf die weltweiten Gaspreise haben. Auch die Ölpreise unterliegen stärkeren Risiken. So könnte als absolutes Negativszenario der Krieg zwischen Israel und der Hamas zu einem größeren Kreis an Konfliktparteien führen, was einen erheblichen Anstieg der Ölpreise nach sich ziehen würde. Auch der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine birgt weiterhin erhöhte politische und wirtschaftliche Risiken, wobei dieser Prognose die Annahme zugrunde liegt, dass der Krieg im Prognosezeitraum andauern wird und die westlichen Sanktionen gegen Russland bestehen bleiben. Außerdem wird davon ausgegangen, dass im Prognosezeitraum bis Ende 2025 nicht mehr Menschen nach Deutschland fliehen werden als in den Vorjahren.
Von der Finanzpolitik kommen im Prognosezeitraum wohl nur wenige Impulse. Unter anderem angesichts der höheren Zinsen halten sich viele Regierungen mit zusätzlichen Ausgaben zurück, auch um fiskalpolitische Defizit- und Schuldenregeln einzuhalten. In den Vereinigten Staaten bleibt das Defizit des Bundeshaushalts aber hoch und wird 2024 und 2025 deutlich über fünf Prozent der Wirtschaftsleistung betragen. Im Vereinigten Königreich ist jedoch aufgrund der anstehenden britischen Unterhauswahlen mit weiteren Wahlgeschenken zu rechnen, wohl vor allem in Form weiterer Steuererleichterungen für Unternehmen. Mittelfristig ausgerichtete Investitionspakete dürften die Konjunktur in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften weiterhin stützen.
Im Jahr 2024 ist für die Weltwirtschaft insgesamt mit einer Wachstumsrate von 3,5 Prozent zu rechnen. Dabei legen die fortgeschrittenen Volkswirtschaften wohl um 1,5 Prozent zu. Die anstehenden Zinswenden dürften sich vor allem ab der zweiten Jahreshälfte positiv auf die Investitionstätigkeit auswirken. Im Euroraum werden weiter steigende Reallohnzuwächse dem privaten Konsum stärkeren Auftrieb verleihen. In den Vereinigten Staaten dürften die Ersparnisse der privaten Haushalte aus den Corona-Hilfsmaßnahmen weiter abschmelzen und bis Mitte des laufenden Jahres aufgebraucht sein. Steigende Reallöhne werden den Konsum voraussichtlich aber auch dort nach Auslaufen der fiskalischen Impulse im zweiten Halbjahr 2024 stützen. In den Schwellenländern wird die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr wohl um 4,7 Prozent steigen. Chinas andauernde Probleme im Immobiliensektor, die schwache Binnennachfrage und die deflationären Tendenzen sowie die anhaltenden handelspolitischen Spannungen mit den USA dürften das Wachstum auf unter fünf Prozent beschränken. Russland stellt seine Wirtschaft weiter auf Kriegswirtschaft um, rüstungsnahe Wirtschaftszweige expandieren stark – insgesamt dürfte die russische Wirtschaftsleistung dadurch zunehmen.Vgl. The Bank of Finland Institute for Emerging Economies (2024): Russia’s GDP growth last year higher than expected; lower growth ahead. BOFIT Weekly Review Nr. 7 (online verfügbar).
Im Jahr 2025 wird die Weltwirtschaft voraussichtlich um weitere 3,5 Prozent zulegen, wenn die Wirtschaftsentwicklung in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften angesichts normalisierter Inflationsraten und weiter sinkender Zinsen zu ihrem langfristigen Wachstumspfad zurückkehren wird. Die Schwellenländer dürften dann endlich von einer stärkeren Weltnachfrage profitieren.
Eine schwache Nachfrage aus dem In- und Ausland hat im vergangenen Jahr die deutsche Wirtschaft ausgebremst und lastet weiterhin auf ihr. Nachdem die Wirtschaftsleistung im Jahr 2023 drei Quartale stagnierte, ging sie im Schlussquartal um 0,3 Prozent zum Vorquartal zurück. Das gleiche Minus schlug auch im Gesamtjahr zu Buche. Während die Nachfrage aus dem Ausland wegen der schwächelnden globalen Industrieproduktion nachließ, dämpften die wiederholten Zinsanhebungen der Europäischen Zentralbank (EZB) sowie die hohen Inflationsraten auch die Binnennachfrage. Obwohl die Verbraucherpreise seit Anfang 2023 insbesondere wegen rückläufiger Energiepreise fast durchgehend weniger zulegten, lag die Inflationsrate im Jahresdurchschnitt noch bei 5,9 Prozent.
Immerhin ließen hohe Lohnabschlüsse im Jahresverlauf die Reallöhne leicht steigen. Diese konnten die vorangegangenen Kaufkraftverluste der Verbraucher*innen jedoch nicht ausgleichen. Die Einkommens- und die Preisentwicklung führten zu anhaltender Verunsicherung, was die Kauflaune trübte und den privaten Konsum im Gesamtjahr 2023 deutlich sinken ließ. Die steigenden Nominalzinsen setzten zudem Sparanreize, wodurch die sich ohnehin hohe Sparquote noch erhöhte.
Wegen der Zinsanhebungen stiegen auch die Finanzierungskosten für private Haushalte und Unternehmen und dämpften das Investitionsgeschehen. Vor allem die Bauinvestitionen gingen deutlich zurück, insbesondere durch einen schwachen privaten Wohnungsbau. Gleichzeitig konnten die Ausrüstungsinvestitionen wohl noch von dem hohen Auftragsbestand infolge der Erholung nach der Corona-Pandemie profitieren und legten insgesamt zu. Dagegen lastete die schwache Auslandsnachfrage auf den Exporten. Da die Importe jedoch aufgrund hoher Energiepreise und der geringen Nachfrage der heimischen Industrie nach Vorleistungsgütern aus dem Ausland noch stärker einbrachen, entwickelte sich der Außenbeitrag positiv.
Trotz der konjunkturellen Schwächephase erreichte die Beschäftigung mit jahresdurchschnittlich 45,9 Millionen Erwerbstätigen einen Höchststand. Der Beschäftigungsaufbau wurde vor allem durch Migration ermöglicht. Positiv wirkte sich auch aus, dass Bund, Länder und Kommunen in den Bereichen Gesundheit, Erziehung und öffentliche Verwaltung viele zusätzliche Stellen schufen. Zugleich nahm die Zahl der Arbeitslosen zu und die Arbeitslosenquote stieg von 5,3 Prozent im Jahr 2022 auf 5,7 Prozent im Jahr 2023.
Die Bruttowertschöpfung war in der zweiten Jahreshälfte vor allem im Verarbeitenden Gewerbe rückläufig. Insbesondere die energieintensiven Branchen litten unter den dauerhaft erhöhten Energiepreisen.
Im laufenden Quartal bleiben die Belastungsfaktoren für die deutsche Wirtschaft unverändert bestehen, so dass die Wirtschaftsleistung um 0,1 Prozent zurückgehen dürfte (Abbildung 2). Damit wird die deutsche Wirtschaft wohl das dritte Quartal in Folge einen Rückgang verzeichnen (Tabelle 2).Bereits im dritten Quartal des vergangenen Jahres ging die Wirtschaftsleistung zurück, wenn auch nur marginal um 0,01 Prozent. Somit befand sich die deutsche Wirtschaft bereits im vierten Quartal 2023 in einer technischen Rezession.
In Prozent (jeweils gegenüber dem Vorquartal, saison- und kalenderbereinigt)
2023 | 2024 | 2025 | ||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
I | II | III | IV | I | II | III | IV | I | II | III | IV | |
Privater Verbrauch | −0,6 | 0,2 | −0,0 | 0,2 | 0,1 | 0,3 | 0,3 | 0,3 | 0,3 | 0,3 | 0,2 | 0,2 |
Öffentliche Konsumausgaben | −1,4 | −0,2 | 1,1 | 0,3 | −0,2 | 0,0 | 0,4 | 0,5 | 0,4 | 0,4 | 0,4 | 0,3 |
Bruttoanlageinvestitionen | 1,0 | −0,0 | 0,1 | −1,9 | −0,5 | −0,2 | 0,2 | 0,5 | 0,7 | 0,8 | 0,9 | 0,9 |
Bauten | 1,5 | −0,5 | −0,8 | −1,7 | −0,8 | −0,4 | −0,0 | 0,2 | 0,4 | 0,6 | 0,6 | 0,7 |
Ausrüstungen | 1,9 | 0,8 | 1,4 | −3,5 | −0,4 | 0,2 | 0,6 | 1,0 | 1,1 | 1,3 | 1,4 | 1,4 |
Sonstige Investitionen | −1,6 | −0,0 | 0,3 | 0,7 | 0,1 | 0,1 | 0,2 | 0,2 | 0,5 | 0,5 | 0,7 | 0,7 |
Lagerveränderung1 | −0,5 | 0,5 | −0,6 | −0,1 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 |
Inländische Verwendung | −0,9 | 0,6 | −0,4 | −0,3 | −0,1 | 0,1 | 0,3 | 0,4 | 0,4 | 0,4 | 0,4 | 0,3 |
Außenbeitrag | 1,0 | −0,5 | 0,3 | 0,0 | 0,0 | −0,0 | −0,0 | −0,0 | −0,0 | −0,0 | −0,1 | −0,1 |
Export | −0,2 | −0,9 | −0,7 | −1,6 | −1,1 | −0,1 | 0,3 | 0,6 | 0,7 | 0,7 | 0,6 | 0,6 |
Import | −2,2 | 0,1 | −1,5 | −1,7 | −1,3 | −0,1 | 0,4 | 0,7 | 0,8 | 0,8 | 0,8 | 0,8 |
Bruttoinlandsprodukt | 0,1 | 0,0 | −0,0 | −0,3 | −0,1 | 0,1 | 0,3 | 0,4 | 0,4 | 0,4 | 0,3 | 0,3 |
Bruttowertschöpfung | 0,3 | −0,0 | −0,0 | −0,4 | −0,1 | 0,1 | 0,3 | 0,4 | 0,4 | 0,4 | 0,3 | 0,3 |
Verarbeitendes Gewerbe | 0,1 | 0,3 | −0,9 | −1,4 | −0,6 | −0,3 | 0,2 | 0,5 | 0,6 | 0,5 | 0,4 | 0,4 |
Baugewerbe | 5,0 | −0,4 | −0,1 | −2,6 | −0,6 | −0,2 | 0,1 | 0,2 | 0,3 | 0,5 | 0,4 | 0,4 |
Handel, Gastgewerbe, Verkehr | −0,7 | 0,1 | 0,9 | −0,9 | 0,3 | 0,4 | 0,4 | 0,5 | 0,5 | 0,5 | 0,4 | 0,4 |
Unternehmensdienstleister | −0,1 | 0,6 | −0,0 | 0,2 | −0,2 | −0,1 | 0,2 | 0,4 | 0,4 | 0,4 | 0,4 | 0,4 |
Öffentliche Dienstleistungen, Erziehung, Gesundheit | 1,0 | −0,6 | 0,0 | 0,1 | 0,2 | 0,2 | 0,2 | 0,3 | 0,2 | 0,2 | 0,2 | 0,2 |
1 Wachstumsbeitrag in Prozentpunkten.
Anmerkung: Prognose ab dem ersten Quartal 2024, preis-, saison- und kalenderbereinigt.
Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW-Konjunkturprognose Frühjahr 2024.
Zwar steigen die Nominallöhne und verfügbaren Einkommen wohl weiter kräftig, während die Inflationsraten mehr und mehr zurückgehen dürften (Abbildung 3), so dass die Kaufkraft zunimmt. Dennoch bleibt die Konsumstimmung der privaten Haushalte gedämpft und von Unsicherheit über die wirtschaftliche Entwicklung geprägt.Der „Economic Policy Uncertainty“-Index für Deutschland ist seit Mai vergangenen Jahres merklich gestiegen und liegt seitdem deutlich über den gesamteuropäischen Indexwerten. Dies zeigt sich unter anderem im GfK-Konsumklimaindex, der am aktuellen Rand im negativen Bereich stagniert. Auch die Einzelhandelsumsätze gingen im Januar erneut zurück. So dürfte der private Konsum nur gering wachsen und den Rückgang des Bruttoinlandsproduktes im ersten Quartal nicht verhindern.
Von den Investitionen sind im laufenden Quartal hingegen leicht negative Impulse zu erwarten. Zwar ist der Auftragsbestand bei den Herstellern von Investitionsgütern noch hoch, die Neuaufträge tendieren aber abwärts. Lediglich einige Großaufträge unterbrechen diesen Trend. Auch der ifo-Geschäftsklima-Index deutet nicht auf eine kurzfristige Verbesserung der Lage hin. So dürften die Ausrüstungsinvestitionen in diesem Quartal sinken. Bei den Bauinvestitionen dürfte bei gleichbleibend hohen Zinsen im laufenden Quartal insbesondere der Wohnungsbau weiterhin schwächeln. Angesichts der historisch niedrigen Auftragseingänge und Baugenehmigungen sowie der Stagnation des Neukreditvolumens ist hier ein erneuter merklicher Rückgang zu erwarten. Lediglich der Nichtwohnungsbau (insbesondere der Tiefbau) dürfte stützend wirken und den erneuten Rückgang der Bauinvestitionen etwas abfedern.
Auch vom Außenhandel gehen zum Jahresauftakt keine Wachstumsimpulse aus; sowohl Importe als auch Exporte dürften im ersten Quartal zurückgehen und in Summe nicht zur Wirtschaftsleistung beitragen. Zwar ist ein Großteil der Einkaufsmanagerindizes im europäischen Ausland wieder aufwärtsgerichtet, die Werte befinden sich aber vielerorts noch im negativen Bereich. Eine Erholung der Industrieproduktion im Ausland, von der die deutschen Exporte profitieren könnten, dürfte demnach im laufenden Quartal ausbleiben, so dass die Güterexporte wohl weiter rückläufig sein werden. Die Frühindikatorik für das deutsche Verarbeitende Gewerbe wie die Kapazitätsauslastung und der deutsche Einkaufsmanagerindex deuten außerdem darauf hin, dass auch die Importe von Vorleistungsgütern erneut zurückgehen dürften (Abbildung 4).
Ab dem zweiten Quartal dürften sich die binnenwirtschaftlichen und außenwirtschaftlichen Belastungsfaktoren allmählich abschwächen. Nachdem der Rückgang der Inflationsraten im vergangenen Jahr in erster Linie den sinkenden Energiepreisen geschuldet war, wird sich wohl in diesem Jahr auch der nachlassende Preisdruck bei Nahrungsmitteln und nichtenergetischen Gütern stärker auf die Inflation auswirken (Kasten 2). Insgesamt dürfte die Inflation in Deutschland und im Euroraum binnen Jahresfrist die von der EZB angestrebte Zwei-Prozent-Marke erreichen. Daher wird die Notenbank annahmegemäß zum Ende des zweiten Quartals die Zinswende einläuten (Kasten 1). Die sinkenden Zinsen dürften die Finanzierungskosten der Unternehmen und privaten Haushalte im Prognoseverlauf nach und nach senken und Sparen unattraktiver machen. Gleichzeitig wird sich die globale Industrieschwäche voraussichtlich langsam auflösen und die Auslandsnachfrage anstoßen.
Die Gesamtinflationsrate fasst die Entwicklung unterschiedlicher Preiskomponenten zusammen. Durch die Aggregierung zeichnet sie allerdings ein unvollständiges Bild der zugrundeliegenden Preisdynamik.Philip R. Lane (2022): Inflation Diagnostics. ECB Blog vom 25. November (online verfügbar). Um die Treiber einzelner Preiskomponenten und deren Beitrag zur Inflation besser identifizieren zu können, wird eine disaggregierte Schätzung der Inflationsentwicklung gemessen am harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) durchgeführt. Die Inflationsprognose nach Komponenten ermöglicht es, in der Prognose unterstellte Entwicklungen zum Beispiel am Arbeitsmarkt, bei den Einfuhrpreisen oder den langfristigen Inflationserwartungen effizient einzubinden. Dadurch verbessert sich die Konsistenz der unterstellten Preisentwicklung mit der Gesamtprognose, und die sich bei der Prognose ergebenden Preisrisiken werden transparent dargestellt.
Die Preisentwicklung der einzelnen Komponenten wird mit Hilfe vektorautoregressiver Modelle in Veränderungsraten zum Vorjahr auf Quartalsbasis geschätzt. Die Modelle zur Schätzung der Nahrungsmittel- und Energiepreise nutzen Energiepreisverläufe für Gas und Öl, die der gesamten Prognose zugrunde liegen (Kasten 1). Für die Nahrungsmittelpreise werden darüber hinaus Weizenpreise, entsprechende Future-Preise und Effektivlöhne verwendet. Die Schätzung der Komponenten nichtenergetischer Güter und Dienstleistungen basiert auf der in der Prognose angenommenen Entwicklung der wirtschaftlichen Auslastung, Effektivlöhne, langfristigen Inflationserwartungen und Einfuhrpreise.Vgl. Thomas McGregor und Frederik G. Toscani (2022): A Bottom-Up Reduced Form Phillips Curve for the Euro Area. IMF Working Paper Nr. 260 (online verfügbar). Auf Basis der prognostizierten Verläufe der Komponentenindizes werden anschließend die Gesamtinflationsrate und ihre Wachstumsbeiträge hergeleitet (Abbildung).
Die prognostizierte Gesamtinflationsrate des HVPI beträgt 2,1 Prozent für das Jahr 2024 und 2,0 Prozent für das Jahr 2025. Sie ist für das laufende Jahr insgesamt rückläufig, wobei weiterhin ein Preisdruck auf der Kernrate (Inflation ohne Energie und Nahrungsmittel) liegt. Nominale Lohnsteigerungen verzögern dabei das Abflachen der Preise. Im Prognosezeitraum trägt die Kernkomponente Dienstleistungen wohl als größter Treiber zur Inflation bei, deren Anteil über den Prognosezeitraum durchschnittlich die Hälfte der Gesamtrate ausmachen dürfte. Der Anteil der weiteren Kernkomponente nichtenergetischer Güter an der Gesamtrate dürfte sich im laufenden Jahr abflachen und im kommenden Jahr auf diesem niedrigeren Niveau zur gesamten Preisentwicklung beitragen. Aufgrund der wohl rückläufigen Öl- und stabilen Gaspreise dürfte die Energiekomponente im Jahr 2024 negativ zur Inflationsdynamik beitragen und damit die Disinflation beschleunigen. Nachdem die Nahrungsmittelkomponente 2023 fast so stark wie die Dienstleistungskomponente zur Preisdynamik beigetragen hat, dürften sich die Beiträge der Nahrungsmittelpreise über den Prognosehorizont zurückbilden.
Der private Konsum dürfte im weiteren Prognosezeitraum zunächst der Haupttreiber des konjunkturellen Aufschwungs sein (Tabelle 3). Hierzu wird wohl die anhaltend abflauende Preisdynamik zentral beitragen, die das Konsumentenvertrauen stärkt. Die Reallöhne werden voraussichtlich nachhaltig steigen und die Kaufkraftverluste der vergangenen Jahre über den Prognosehorizont nach und nach ausgleichen. Nachdem die Löhne im Jahr 2023 vielfach infolge einmaliger Inflationsausgleichsprämien stiegen, werden im laufenden Jahr wohl zunehmend tabellenwirksame Lohnsteigerungen wirksam. Dies dürfte die Einkommenssicherheit der Haushalte positiv beeinflussen und den Konsum ankurbeln. Sinkende Nominalzinsen dürften ebenfalls dazu führen, dass die Sparquote zurückgeht und sich die Konsumbereitschaft der privaten Haushalte auch im Jahr 2025 deutlich erhöht.
In Prozentpunkten (preisbereinigt)
Veränderungsbeiträge1 | |||
---|---|---|---|
2023 | 2024 | 2025 | |
Konsumausgaben | −0,7 | 0,6 | 0,8 |
Private Haushalte | −0,4 | 0,4 | 0,5 |
Staat | −0,3 | 0,2 | 0,3 |
Bruttoanlageinvestitionen | −0,1 | −0,4 | 0,5 |
Bauten | −0,3 | −0,3 | 0,2 |
Ausrüstungen | 0,2 | −0,1 | 0,3 |
Sonstige Anlagen | −0,0 | 0,0 | 0,1 |
Vorratsveränderungen | −0,0 | −0,2 | −0,0 |
Inländische Verwendung | −0,9 | −0,0 | 1,3 |
Außenbeitrag | 0,6 | −0,0 | −0,1 |
Exporte | −1,1 | −1,3 | 1,0 |
Importe | 1,6 | 1,3 | −1,1 |
Bruttoinlandsprodukt2 | −0,3 | −0,0 | 1,2 |
1 Verwendungsaggregate abzüglich ihres Importgehalts.
2 Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent; Abweichungen in den Summen durch Runden der Zahlen.
Anmerkung: Prognose ab dem Jahr 2024.
Quellen: Statistisches Bundesamt; Berechnungen der Institute; DIW-Konjunkturprognose Frühjahr 2024.
Die sinkenden Finanzierungskosten dürften sich nur mit einiger Verzögerung im Wohnungsbau bemerkbar machen, sodass die Bauinvestitionen zunächst wohl noch weiter zurückgehen werden. Erst zum Jahresende 2024 ist mit einer Stabilisierung zu rechnen. Dann dürften auch die von ihren Rekordwerten der vergangenen Jahre leicht sinkenden Baupreise die Nachfrage etwas anschieben. Der Nichtwohnungsbau wird weiterhin wohl vor allem von Investitionen in den Tiefbau, allen voran in den Schienen- und Straßenbau, profitieren und einen noch stärkeren Einbruch der Bauinvestitionen verhindern. Auch im kommenden Jahr dürfte der Nichtwohnungsbau die Dynamik der Bauinvestitionen stützen.
Die Ausrüstungsinvestitionen werden im Prognoseverlauf maßgeblich durch öffentliche Rüstungsausgaben bestimmt und dürften das BIP-Wachstum insbesondere im kommenden Jahr deutlich stützen. In der zweiten Jahreshälfte und vor allem im kommenden Jahr dürften diese im Rahmen des Sondervermögens Bundeswehr massiv zulegen. Geringere Zuwächse der Anschaffungsausgaben sind derweil von Seiten der privatwirtschaftlichen Investoren zu erwarten. So ist die Investitionsbereitschaft der Unternehmen laut DIHK-Umfragen zuletzt wiederholt gesunken. Grund dafür dürften unter anderem Unsicherheiten bezüglich der langfristigen Rahmenbedingungen sein, beispielsweise in Bezug auf die Klima- und Transformationspolitik.
Mit der zunehmenden konjunkturellen Belebung bei wichtigen deutschen Handelspartnern werden die deutschen Exporte wohl ab der zweiten Jahreshälfte 2024 wieder zulegen. Die Importe dürften ebenfalls anziehen, gestützt von einer Erholung im Verarbeitenden Gewerbe und einer damit verbundenen stärkeren Nachfrage nach Vorleistungsgütern aus dem Ausland. Letztere wird auch im Jahr 2025 durch die Ausweitung der staatlichen Ausrüstungsinvestitionen im Bereich Militär wohl deutlich stärker ausfallen und den Außenbeitrag dann leicht ins Negative drücken.
Von den finanzpolitischen Maßnahmen gehen im Jahr 2024 voraussichtlich keine deutlichen Impulse aus. Während die CO2-Abgabe zum Jahresbeginn angehoben wurde, laufen die verringerten Verbrauchsteuern auf Erdgas und in der Gastronomie aus und Energie- und Stromhilfen für die privaten Haushalte entfallen. Den größten expansiven Impuls werden im laufenden wie im kommenden Jahr wohl die merklich steigenden Militärausgaben setzen. Insgesamt dürften die Einnahmen in den Jahren 2024 und 2025 stärker steigen als die Ausgaben. Das Staatsdefizit wird wohl von 1,2 im laufenden auf 0,7 Prozent des BIP im kommenden Jahr zurückgehen. Die Staatschuldenquote nach Maastricht-Kriterium dürfte von 63,6 auf 62,6 Prozent des BIP sinken.
Die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe dürfte sich im Jahresverlauf – an die Investitionsdynamik angelehnt – wieder etwas erholen und im kommenden Jahr deutlicher zulegen. Mit der Belebung des privaten Konsums dürften auch die konsumnahen Dienstleistungen wie der Handel und das Gastgewerbe die Schwächephase des vergangenen Jahres hinter sich lassen. Die Bruttowertschöpfung insgesamt dürfte im Jahresverlauf ebenfalls anziehen, im Jahresdurchschnitt aber stagnieren. Im nächsten Jahr dürfte sie dann mit 1,2 Prozent kräftig expandieren.
Die Entwicklung auf der Entstehungsseite dürfte auch von einer Ausweitung des Arbeitsvolumens gestützt werden. Diese wird im laufenden Jahr von einem kontinuierlichen Beschäftigungsaufbau getragen. Die Arbeitsstunden je Erwerbstätige*n dürften ebenfalls im Jahresverlauf zunehmen, wozu wohl vor allem eine Normalisierung des noch immer deutlich erhöhten Krankenstandes beitragen wird. Im Rahmen eines weiteren Anstiegs der Arbeitszeit zum Vor-Corona Trend ist auch im kommenden Jahr ein letztmaliger Zuwachs des Arbeitsvolumens zu erwarten. Begrenzend dürfte dann allerdings der Arbeits- und Fachkräftemangel wirken, der sich im Zuge des demografischen Wandels noch verstärkt. Parallel zur konjunkturellen Entwicklung wird die Arbeitslosigkeit zunächst wohl moderat ansteigen und sich dann ab der zweiten Jahreshälfte 2024 wieder rückläufig entwickeln, so dass die Arbeitslosenquote im Jahr 2024 noch 5,9 Prozent und dann im Jahr 2025 nur noch 5,5 Prozent betragen dürfte (Tabelle 4).
2023 | 2024 | 2025 | |
---|---|---|---|
Bruttoinlandsprodukt1 | −0,3 | −0,0 | 1,2 |
Erwerbstätige2 (1000 Personen) | 45933 | 46067 | 46109 |
Arbeitslose (1000 Personen) | 2609 | 2721 | 2565 |
Arbeitslosenquote BA3 (in Prozent) | 5,7 | 5,9 | 5,5 |
Verbraucherpreise4 | 5,9 | 2,3 | 2,0 |
Lohnstückkosten5 | 6,7 | 5,2 | 2,0 |
Verdienst2 je Arbeitnehmer*in | 6,1 | 4,5 | 3,2 |
Tariflohn (Monat) | 3,6 | 4,3 | 2,1 |
Finanzierungssaldo des Staates6 | |||
in Milliarden Euro | −87,4 | −51,4 | −29,7 |
in Prozent des nominalen BIP | −2,1 | −1,2 | −0,7 |
Leistungsbilanzsaldo | |||
in Milliarden Euro | 248,4 | 302,9 | 306,4 |
in Prozent des nominalen BIP | 6,0 | 7,1 | 7,0 |
1 Preisbereinigt. Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent.
2 Inlandskonzept.
3 Arbeitslose in Prozent der zivilen Erwerbspersonen (Definition gemäß der Bundesagentur für Arbeit).
4 Veränderung gegenüber dem Vorjahr.
5 Im Inland entstandene Arbeitnehmerentgelte je Arbeitnehmerstunde bezogen auf das reale Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigenstunde.
6 In Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (ESVG).
Anmerkung: Prognose ab dem Jahr 2024.
Quellen: Statistisches Bundesamt, Bundesagentur für Arbeit; DIW-Konjunkturprognose Frühjahr 2024.
Es ist davon auszugehen, dass das Erwerbspersonenpotenzial trotz Zuwanderung und steigender Erwerbsquoten zum Ende der Kurzfristperiode sinken wird und somit limitierend auf das Produktionspotenzial einwirkt (Tabelle 5). In den Jahren 2024 und 2025 wird das Produktionspotenzial wohl noch mit einer Rate von 0,5 Prozent und 0,4 Prozent wachsen. Zum Ende des Jahrzehnts dürfte sich die Rate sukzessive auf 0,3 Prozent reduzieren. Die erwartete Output-Lücke weitet sich damit im laufenden Jahr zunächst weiter auf 1,5 Prozent aus, bevor sie sich im Jahr 2025 deutlich auf 0,7 Prozent verringert.
Erwerbstätige (Inland) | Arbeitnehmer*innen (Inland) | Jährliche Arbeitszeit je erwerbstätiger Person | Bruttoinlandsprodukt | |||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
preisbereinigt, verkettete Volumenwerte | ||||||||
insgesamt | je Erwerbstätigen | je Erwerbstätigenstunde | in jeweiligen Preisen | Deflator | ||||
in Tausend | in Tausend | in Stunden | in Milliarden Euro | in Euro | in Euro | in Milliarden Euro | 2015 = 100 | |
2015 | 43122 | 38717 | 1401 | 3026 | 70177 | 50 | 3026 | 100 |
2023 | 45933 | 42054 | 1342 | 3265 | 71079 | 53 | 4121 | 126 |
2028 | 45602 | 42119 | 1346 | 3363 | 73755 | 55 | 4686 | 139 |
Jahresdurchschnittliche Veränderung in Prozent | ||||||||
2023/2015 | 0,8 | 1,0 | −0,5 | 1,0 | 0,2 | 0,7 | 3,9 | 3,0 |
2028/2023 | −0,1 | 0,0 | 0,1 | 0,6 | 0,7 | 0,7 | 2,6 | 2,0 |
Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW-Konjunkturprognose Frühjahr 2024.
Insgesamt dürfte das reale Bruttoinlandsprodukt trotz der anziehenden Dynamik im Jahresverlauf in diesem Jahr insgesamt stagnieren und im Jahr 2025 kräftig um 1,2 Prozent zulegen.
Diese Prognose unterliegt mehreren Unsicherheitsfaktoren. So könnten die Inflationsraten im Euroraum wieder steigen – sei es durch deutlichere Zuwächse der Nominallöhne oder durch sich verstärkende geopolitische Spannungen, die die Rohstoff- und insbesondere Energiepreise wieder in die Höhe treiben. Beides könnte die erwartete Zinswende hinauszögern.
Ein erhöhtes Risiko besteht auch in der politischen Polarisierung. So könnten die Landtagswahlen in Deutschland in diesem Jahr rechtspopulistischen Kräften Aufwind geben und sowohl Fachkräfte aus dem Ausland als auch Investoren abschrecken. Bei den Präsidentschaftswahlen in den USA und der Wahl zum Europaparlament könnten zudem Kräfte gestärkt werden, die eine Abkehr von der regelbasierten internationalen Wirtschafts- und Sicherheitsordnung anstreben. Dies könnte den Welthandel deutlich ausbremsen. Auch die schwache Inlandsnachfrage in China könnte den Welthandel stärker als angenommen belasten, wenn die binnenwirtschaftlichen Probleme Chinas, wie die Spannungen im Immobiliensektor, zunehmen. Beide Faktoren könnten den deutschen Außenhandel beeinträchtigen.
Themen: Konjunktur, Geldpolitik
JEL-Classification: E32;E66;F01
Keywords: Business cycle forecast, economic outlook
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2024-10-2