Die EZB muss sich den Herausforderungen stellen, ohne sich politisch einzumischen: Interview

DIW Wochenbericht 11 / 2024, S. 175

Kerstin Bernoth, Erich Wittenberg

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Frau Bernoth, der Euro wird 25 Jahre alt und hat nicht nur einfache Zeiten hinter sich. Kann man dennoch von einer Erfolgsgeschichte sprechen? Ja, wir können von einer Erfolgsgeschichte sprechen, denn im Großen und Ganzen hat die Europäische Zentralbank (EZB) ihr Hauptmandat der Preisstabilität gut erfüllt und das, obwohl wir so viele Krisen zu bewältigen hatten. Auch im internationalen Währungsgefüge müssen wir uns nicht verstecken: Der Euro ist die zweitwichtigste Währung weltweit.

Wie hat es die EZB geschafft, die Preisstabilität über all die Jahre zu gewährleisten? In den ersten Jahren des Euro war die EZB sehr erfolgreich. Die Inflation war immer sehr nahe dem Inflationsziel von zwei Prozent. Mit Ausbruch der Finanzkrise 2008 änderte sich das ein wenig und die EZB war Deflationsgefahren ausgesetzt, das heißt, die Inflation war viele Jahre zu niedrig. Dem hat die EZB mit äußerst expansiven geldpolitischen Instrumenten entgegengewirkt. Trotzdem war die Inflation ab und zu sogar negativ. Dieses Pendel ist jetzt umgeschlagen, seit 2021 erleben wir eine sehr hohe Inflation. Das hat unter anderem mit dem Angriffskrieg Russlands in der Ukraine zu tun und mit den damit hochschießenden Energiepreisen. Aber es scheint, dass die EZB auch das in den Griff bekommen hat. Die Inflation ist seit über einem Jahr rückläufig. Die EZB muss zwar in den nächsten Monaten noch große Anstrengungen unternehmen, aber ich bin optimistisch, dass sie ihr Inflationsziel von zwei Prozent bald wieder erreicht hat.

Was muss die EZB tun, um den internationalen Stellenwert des Euro zu bewahren? Die EZB muss dafür sorgen, dass die Gemeinschaftswährung wertstabil ist und bleibt. Dafür sind auch in den kommenden Jahren eine solide Geldpolitik und eine unabhängige Zentralbank nötig. Aber auch die Wirtschaftspolitik, also die Regierungen, spielen hier eine wichtige Rolle. Währungen gewinnen an internationaler Attraktivität, wenn internationale Handelsverflechtungen groß sind. Es ist wichtig, dass europäische Unternehmen im Euroraum bleiben und hier wettbewerbsfähige Produkte produzieren. Und es ist auch wichtig, dass der Euroraum auf der internationalen politischen und diplomatischen Bühne selbstbewusst und selbstsicher auftritt. Dazu gehört auch, eine gewisse militärische Stärke zu demonstrieren. Studien zeigen, dass dies für einen hohen Internationalisierungsgrad sehr wichtig ist.

Vor welchen geldpolitischen Herausforderungen steht die EZB in den kommenden Jahren? Es gibt verschiedene Herausforderungen, die in den kommenden Jahren Einfluss auf die Finanz- und Preisstabilität nehmen. Die EZB muss diese dementsprechend zur Kenntnis nehmen und auch auf diese reagieren, um in Zukunft krisenfest zu bleiben. Hier kann man zum Beispiel den Klimawandel nennen, zunehmende Digitalisierung, wachsende Ungleichheit und auch die hohen öffentlichen Schuldenstände.

Zu den genannten Herausforderungen gehören viele gesellschaftliche und politische Themenbereiche. Wie will die EZB dieser Aufgabe gerecht werden? Die EZB verfügt nur über eine beschränkte demokratische Legitimation. Sie ist unabhängig und hat das primäre Mandat für die Wahrung von Preisstabilität. Das heißt, dass sie immer in einem gewissen Spagat steht. Sie muss die Konsequenzen ihrer geldpolitischen Entscheidungen auf die genannten Problemfelder auf der einen Seite mit bedenken, aber sie muss dabei auch gleichzeitig immer schauen, dass sie in den Grenzen ihres Mandats bleibt und sich nicht zu sehr politisch einmischt. Daher ist es so wichtig, dass die Herausforderungen wie Klimawandel oder wachsende Ungleichheit maßgeblich von den Regierungen und nicht von der EZB angegangen werden.

O-Ton von Kerstin Bernoth
Die EZB muss sich den Herausforderungen stellen, ohne sich politisch einzumischen - Interview mit Kerstin Bernoth

Themen: Geldpolitik, Europa

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