DIW Wochenbericht 11 / 2024, S. 176
Tomaso Duso, Jürgen Kühling
get_appDownload (PDF 126 KB)
get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF 2.51 MB - barrierefrei / universal access)
Kurz vor Weihnachten brachte das Bundeskabinett mit der an sich begrüßenswerten Postnovelle ein überraschendes Steuergeschenk für die Deutsche Post AG auf den Weg. Die neuen Regeln im Entwurf einer großen Novelle des Postgesetzes könnten wichtige Impulse für mehr Wettbewerb im Briefmarkt setzen. Daher hatte zuletzt die Monopolkommission in ihrem Sektorgutachten Post die zahlreichen Verbesserungen des angestaubten Postgesetzes, das noch aus den 1990er Jahren stammt, im Wesentlichen positiv gewürdigt.
Auf der Zielgeraden wurde jedoch unerwartet die Umsatzsteuerbefreiung für den Platzhirsch im Briefbereich ausgeweitet. Dies könnte nicht weniger als das „Aus“ für die Wettbewerber der Deutschen Post bedeuten. Dabei ist die Konzentration im Briefmarkt bereits heute sehr hoch: Die Deutsche Post verfügt dort über einen Marktanteil von gut 85 Prozent. Ihre Wettbewerber konnten ihren Anteil in den vergangenen Jahren nur geringfügig ausweiten. Die nun angestrebte Steuerbefreiung könnte die Monopolstrukturen weiter verfestigen. Der Wirtschaftsausschuss des Bundesrates hat mit sicherem Gespür für den Wettbewerb auf dieses Problem hingewiesen und die Änderung abgelehnt. Am 2. Februar ist der Bundesrat in diesem Punkt aber leider nicht seinem Ausschuss gefolgt.
Worum geht es genau? Geplant ist laut Reformentwurf, sogenannte Teilleistungen von der Umsatzsteuer zu befreien. So dürfen Großversender ihre vorsortierten Sendungen direkt in die Briefzentren der Deutschen Post liefern. Da sie das Sortieren nach Zustellungsgebiet und den Transport zum Briefzentrum übernehmen, muss die Post ihnen Rabatte gewähren. Pro Brief fällt dann ein niedrigeres Porto an. Weil die Versender nur den empfängernahen Teil des Netzes der Deutschen Post nutzen, spricht man von Teilleistungssendungen. Auch alternative Briefdienstleister nutzen den Teilleistungszugang für Sendungen in Gegenden, in denen sie oder ihre Kooperationspartner über kein eigenes Briefzustellnetz verfügen. Regional stehen die alternativen Briefdienstleister mit ihrer eigenen Briefzustellnetzen jedoch in direkter Konkurrenz zum Teilleistungszugang der Deutschen Post. Der Teilleistungszugang ist damit die entscheidende Stellschraube für den Wettbewerb im Briefmarkt.
Laut dem Gesetzentwurf soll nur der Teilleistungszugang der Deutschen Post von der Umsatzsteuer befreit werden. Nicht davon profitieren würden jedoch regionale Zustellnetze ihrer Wettbewerber. Die Leistungen der Deutschen Post würden für solche Großversender günstiger, die keinen Vorsteuerabzug der Umsatzsteuer vornehmen können. Hierzu zählen unter anderem Finanzdienstleister, Versicherer und insbesondere Behörden. Die Angebote alternativer Briefzusteller würden für diese Großversender vergleichsweise unattraktiv, weil hier weiterhin die Umsatzsteuer anfällt. Ein massiver Wettbewerbsnachteil!
Der Bundesverband Briefdienste schätzt, dass alternative Briefdienstleister derzeit rund 60 Prozent ihrer Umsätze mit nicht vorsteuerabzugsberechtigten Kunden generieren. Verlieren sie diese Kunden, würden sich durch den erheblichen Mengenrückgang deren Durchschnittskosten pro Brief erhöhen. Sie müssten also entweder die Entgelte für ihre verbleibenden Kunden erhöhen oder sinkende Gewinne beziehungsweise Verluste in Kauf nehmen. Ein nahezu vollständiger Zusammenbruch, mindestens aber wesentlicher Teile des Wettbewerbs im Briefbereich, droht.
Ob die Ausweitung der Befreiung EU-beihilfenrechtlich haltbar ist, ist, auch wenn man sich die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes ansieht, nicht eindeutig. Damit droht ein langjähriger Rechtsstreit vor den Unionsgerichten. Bis dahin könnten die Wettbewerber die Segel gestrichen haben. Daher sollte im Gesetzgebungsprozess diese Rechtsunsicherheit zugunsten der schutzbedürftigen Wettbewerber gelöst werden. Es wäre eine böse Ironie, wenn diese Fehlregelung der Deutschen Post bei ihrem Framing recht gibt: Wettbewerb im schrumpfenden Briefmarkt sei eh nicht sinnvoll. Aber noch besteht die Möglichkeit zur Korrektur.
Der Beitrag ist am 15. Februar in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienen.
Themen: Wettbewerb und Regulierung, Märkte, Digitalisierung