Gasnetzbetreiber brauchen Anreize und Hilfen zur Stilllegung der Netze: Interview

DIW Wochenbericht 13/14 / 2024, S. 223

Franziska Holz, Erich Wittenberg

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Frau Holz, die Wärmeversorgung in Deutschland soll dekarbonisiert und damit die Verwendung von Erdgas in Zukunft immer mehr verringert werden. Was passiert dann mit den Erdgasverteilnetzen, also den Gasrohren? Die Erdgaspipelines werden nicht mehr in dem Umfang gebraucht werden, wie es heutzutage der Fall ist. Wir rechnen damit, dass die Nutzung so stark zurückgeht, dass einzelne Pipelines stillgelegt werden müssen.

Warum kann man nicht einfach alles so lassen, wie es ist? Die Erdgasnachfrage wird zurückgehen. Die Kund*innen werden durch immer weiter steigende CO2-Preise weniger Erdgas verbrauchen. Damit werden wir weniger Nutzer*innen haben, die an das Erdgasnetz angeschlossen sind. Unsere Regulierung sieht aber vor, dass die Kosten für den Netzbetrieb über alle Kund*innen verteilt werden. Und je weniger Kund*innen es gibt, desto teurer wird für diese auch der Netzanschluss. Damit besteht eigentlich auch für die Kund*innen ein Anreiz, nicht mehr an das Erdgasnetz angeschlossen zu sein.

Inwieweit ist die Teilstilllegung der bestehenden Erdgasinfrastruktur in der kommunalen Wärmeplanung bereits berücksichtigt? Das Thema Erdgasverteilnetze wird in den bisher bestehenden Wärmeplänen umschifft. Dabei wird größtenteils auf die Unsicherheit in Bezug auf die Nachfrageentwicklung im Erdgassektor verwiesen, aber auch auf die Unsicherheit, ob die Erdgasnetze nicht alternativ für Wasserstoff genutzt werden könnten. Das ist aber ein Thema, das wir sehr kritisch sehen. Wasserstoff wäre extrem ineffizient und wird in Deutschland voraussichtlich nur in begrenztem Umfang zur Verfügung stehen. Insofern sollten die Wärmepläne das Thema Stilllegung von Gasverteilnetzen deutlicher ansprechen. Leider schreibt das Wärmeplanungsgesetz den Kommunen die Entwicklung eines konkreten Fahrplans zur Stilllegung noch nicht vor.

Gasnetze gehören nicht nur den Kommunen, sondern auch privaten Gasnetzbetreibern. Inwiefern ist das ein Problem? Es steht die Frage im Raum, ob eine Rekommunalisierung es einfacher machen würde, das Thema Stilllegung für Erdgasnetze zu adressieren. Dahinter steht zum Teil die Hoffnung, dass kommunale, gemeinwirtschaftliche Unternehmen Klimaaspekte einfacher berücksichtigen können als privatwirtschaftliche Unternehmen. Allerdings haben natürlich auch Stadtwerke ein Interesse, Einnahmen aus den Gasnetzen zu erwirtschaften und tun dies ja auch. Insofern wird Rekommunalisierung es wahrscheinlich nicht einfacher machen, Gasnetze stillzulegen.

Welche Hürden stehen einer Verkleinerung der Netze insgesamt im Weg? Wir sehen zum einen technoökonomische Hürden. Das heißt, dass Unternehmen heutzutage an den Gasnetzen und dem Gasverkauf gut verdienen und keinen ökonomischen Anreiz haben, aus diesem Sektor auszusteigen. Zum anderen haben wir regulatorische Hürden. Es besteht eine gesetzliche Anschlusspflicht. Es ist im Moment also gar nicht möglich, Anschlüsse stillzulegen.

Was kann die Bundesregierung tun, um die Kommunen bei der Stilllegung der Erdgasnetze zu unterstützen? Es muss ein klarer regulatorischer Rahmen für die Erdgasverteilnetzbetreiber geschaffen werden. Die Frage, inwiefern bereits getätigte oder noch ausstehende Investitionen über den kürzeren Lebenszeitraum, den diese Netze dann haben, abgeschrieben werden können, muss deutlich adressiert werden. Zudem muss die allgemeine Anschlusspflicht, die das bundesdeutsche Energiewirtschaftsgesetz vorsieht, aufgehoben werden. Damit sich sowohl kommunale als auch privatwirtschaftliche Unternehmen die Stilllegung von Erdgasnetzen finanziell leisten können, müssen auch auf der ökonomischen Seite Anreize geschaffen und vielleicht auch Unterstützung gegeben werden.

O-Ton von Franziska Holz
Gasnetzbetreiber brauchen Anreize und Hilfen zur Stilllegung der Netze - Interview mit Franziska Holz

Franziska Holz

Stellvertretende Abteilungsleiterin in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt

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