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Förderprogramme stabilisieren und warmmietenneutrale Sanierungen im Mietrecht verankern: Interview

DIW Wochenbericht 19 / 2024, S. 287

Karsten Neuhoff, Erich Wittenberg

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Herr Neuhoff, hohe Energiekosten können durch eine energetische Sanierung reduziert werden. Was versteht man in diesem Zusammenhang unter einer „Worst-First-Strategie“? Der Zustand unserer Gebäude unterscheidet sich sehr stark. Manche Wohnungen brauchen nur 30 bis 50 kWh Energie pro Quadratmeter, andere mehr als 300 kWh. „Worst First“ heißt, zuerst die 43 Prozent schlecht gedämmten Gebäude zu sanieren und erst danach die anderen Gebäude.

Welche Vorteile hat eine „Worst-First-Strategie“? Mit der Wärmedämmung eines schlecht gedämmten Gebäudes spart man viel mehr Energie ein, weil man so den Energieverbrauch von 200 bis 300 kWh auf 50 bis 100 kWh pro Quadratmeter im Jahr senkt und nicht nur von 150 auf 50 bis 100 kWh. Das spart Kosten, weil man mit der gleichen Maßnahme viel größere Energieeinsparungen erreicht. Das hat auch für die Haushalte große Vorteile und spart zudem CO2-Emissionen.

Welche Haushalte würden von einer energetischen Sanierung besonders profitieren? Wir haben festgestellt, dass Haushalte mit geringeren Einkommen tendenziell in schlechter gedämmten Wohnungen leben und Haushalte, die in Mietwohnungen wohnen, tendenziell schlechter gedämmte Wohnungen haben als Haushalte, die ihre Gebäude besitzen. Drittens wissen wir, dass Haushalte mit geringerem Einkommen auch einen größeren Teil ihres Einkommens für Miete, aber auch für Heizkosten ausgeben müssen. Alles drei zusammen führt dazu, dass insbesondere Haushalte mit geringerem Einkommen besonders hohe Heizkosten haben und besonders hart getroffen sind, wenn Heizkostenpreise steigen.

Wie ist es um das Kosten-Nutzen-Verhältnis von energetischen Sanierungen bestellt? Im Allgemeinen lohnt sich eine energetische Sanierung durch die eingesparten Energiekosten und die Förderung. Ich glaube aber, viele Eigentümer*innen haben einfach Angst vor den Unsicherheiten. Wie können sich die Kosten entwickeln? Wie hoch sind die Energiepreise in der Zukunft? Wie groß sind die Einsparungen denn dann wirklich? Und genau diese Unsicherheiten müssen wir vielleicht noch besser adressieren, gerade für Haushalte mit geringem Einkommen, die aber dennoch eine Wohnung besitzen.

Inwieweit können die hohen Energiekosten durch das in der Gaspreiskrise erweiterte Wohngeld-Plus oder das Klimageld abgefedert werden? Beide Instrumente bieten eine pauschale Zahlung für die Haushalte an, um dadurch Kostenanstiege abzufedern. Allerdings bieten die pauschalen Zahlungen beider Instrumente den Haushalten in besonders schlecht gedämmten Wohnungen keine ausreichende Kompensation für die angestiegenen Energiekosten. Wenn man jedoch diese Zahlungen von den Energieverwendungen in den Haushalten abhängig machen würde, würden zugleich auch die Anreize, energetische Sanierungsmaßnahmen umzusetzen, eingeschränkt werden. Deswegen besteht hier ein gewisses Dilemma bei der Ausgestaltung der Politik.

Wie könnte die Politik dazu beitragen, dass mehr ineffiziente Gebäude energetisch saniert werden? Wir haben gesehen, dass der CO2-Preis alleine als Anreiz für energetische Sanierungen nicht ausreicht. Daher sind Förderprogramme wichtig. Vielleicht ist auch eine stärkere Ausrichtung der Förderprogramme auf einkommensschwache Haushalte, wie sie zum Beispiel in Großbritannien, ein wichtiger Ansatz. Drittes haben wir jetzt auf europäischer Ebene eine Regelung, dass alle Nicht-Wohngebäude einen Mindeststandard erreichen müssen. Diese Regelung sollte national auch für Wohngebäude umgesetzt werden, damit alle Eigentümer*innen wissen, dass sie innerhalb der nächsten zehn Jahre Gebäude sanieren müssen und damit auch die Chancen nutzen können, die Förderprogramme und Energiekosteneinsparungen bieten.

O-Ton von Karsten Neuhoff
Förderprogramme stabilisieren und warmmietenneutrale Sanierungen im Mietrecht verankern - Interview mit Karsten Neuhoff

Karsten Neuhoff

Abteilungsleiter in der Abteilung Klimapolitik

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