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EU Green Deal muss fortgeführt und intensiviert werden: Kommentar

DIW Wochenbericht 22 / 2024, S. 332

Claudia Kemfert

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Es kommt einem vor, als wäre es ewig her, dass im Dezember 2019 die neue Europäische Kommission die Amtsgeschäfte übernahm. Die neue Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verbreitete Aufbruchstimmung und stellte gleich zu Beginn einen Vorschlag für einen European Green Deal vor, den sie als „Europas Mann-auf-dem-Mond-Moment“ bezeichnete. Doch seitdem ist die Welt eine andere geworden. Nur wenige Wochen nach der Vorstellung des Green Deal brach die Corona-Pandemie aus, im Februar 2022 startete Russland den Angriffskrieg in der Ukraine. Es stiegen die Preise für fossile Energien, mit ihnen die Inflation und die volkswirtschaftlichen Kosten. Es rächte sich, zu lange an fossilen Energien festzuhalten, zu wenig in die Abkehr investiert und das Energiesparen sträflich vernachlässigt zu haben. Europa wurde in den letzten Jahren somit vor erhebliche Herausforderungen gestellt. Und nun wird ein neues EU-Parlament gewählt.

In ihrem Klimazielplan (Climate Target Plan) hat die Europäische Kommission ein Klimaziel für 2030 von 55 Prozent gegenüber 1990 verabschiedet. In diesem sogenannten „Fit for 55“-Programm der EU wurden zahlreiche Gesetzesvorhaben geschärft, die notwendig sind, um die Emissionsminderungsziele zu erreichen. Rund drei Viertel aller europäischen CO2-Emissionen sollen künftig in den Emissionshandel einbezogen werden und ab 2027 auch die aus Wärme und Verkehr. Schifffahrt und Luftverkehr sollen klimafreundlicher werden, die Energieeffizienz und der Anteil Erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch europaweit möglichst auf 45 Prozent steigen. Ziel dieses Klimapakts ist es vor allem, die europäische Wirtschaft so umzubauen, dass im Jahr 2050 keine Netto-Treibhausgasemissionen mehr freigesetzt werden und das Wirtschaftswachstum von der Ressourcennutzung abgekoppelt ist. Damit ist der Green Deal ein umfassendes Programm für eine nachhaltige Transformation des Wirtschaftens und kann uns in der jetzigen Krise helfen, fossile Abhängigkeiten – vor allem von Russland – schnell zu lösen.

Allerdings ist erkennbar, dass es gravierende Kräfte gibt, die die Klimaschutzziele behindern, wenn nicht sogar stoppen wollen. So entstehen erhebliche Unsicherheiten, die sich negativ wirtschaftlich auswirken werden. Intensive Desinformationskampagnen haben zum Ziel, notwendige Maßnahmen in weiteren Klima-, Natur- und Umweltschutz zu torpedieren. So ist es bei fast allen wichtigen Gesetzen zum Green New Deal zu beobachten, wie zuletzt exemplarisch beim Nature Restoration Law. Das Erstarken der Rechten ist auch ein Resultat der politischen Verunsicherung durch Desinformation und der sozialen Spaltung. Dies ist ebenso eine Ambition des fossilen Energiekriegs. Demokratien sollen geschwächt werden durch gezielte Desinformationen, die Energiewende und Klimaschutz sollen aufgehalten werden. Die Klimaziele drohen somit im Zuge der jetzt anstehenden Europawahlen leider wohl eher in Frage gestellt als unterstützt zu werden.

Doch auch wenn die Welt eine andere und der Kampf härter geworden ist, der europäische Green Deal ist und muss der Ausweg sein. Es ist elementar, dass dieser weiterhin unterstützt und umgesetzt wird. Wir brauchen Kontinuität. Die vergangene Amtszeit war eine wichtige, die im Zuge des Green Deals entscheidende Wege für Klimaschutz geebnet hat. Von jetzt an droht es schwieriger und rückwärtsgewandter zu werden. Daher ist es umso wichtiger, trotz Verunsicherung und Rückschlägen die Maßnahmen und Schritte für mehr Klimaschutz weiterhin fortzuführen. Fatal wäre es, Anstrengungen für eine schnelle Abkehr von fossilen Energien aufzugeben oder wieder einmal zu verschieben, wie es oft in vergangenen Krisen der Fall war.

Wir brauchen eine Fortführung und Intensivierung des EU Green Deals, insbesondere auch um wirtschaftliche Risiken zu vermeiden und Planungssicherheit für die Wirtschaft und Gesellschaft zu schaffen und beizubehalten. Es darf nicht wieder heißen „jetzt erst einmal nicht“, sondern es muss heißen: „jetzt erst recht“. Kein Klimaschutz ist der Weg in die Krise. Klimaschutz ist der Weg aus der Krise.

Der Beitrag ist im Mai im Audit Committee Quarterly zur Europawahl erschienen.

Claudia Kemfert

Abteilungsleiterin in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt

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