DIW Wochenbericht 24 / 2024, S. 349-381
Geraldine Dany-Knedlik, Guido Baldi, Nina Maria Brehl, Hella Engerer, Angelina Hackmann, Pia Hüttl, Konstantin A. Kholodilin, Frederik Kurcz, Laura Pagenhardt, Werner Roeger, Marie Rullière, Jan-Christopher Scherer, Teresa Schildmann, Ruben Staffa, Kristin Trautmann
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„Die Kauflaune in Deutschland hellt sich deutlich auf: In vielen Branchen haben die Arbeitnehmer*innen dank der Tariferhöhungen nun dauerhaft mehr Geld auf dem Lohnzettel. Verbunden mit der mittlerweile niedrigeren Inflation steigen die Reallöhne. Hinzu kommt die eingeleitete Zinswende, die Sparen unattraktiver macht und Kredite günstiger.“ Geraldine Dany-Knedlik
Die deutsche Wirtschaft hat sich zu Jahresbeginn berappelt und besser entwickelt als zunächst erwartet. Kräftig gestiegene Bauinvestitionen – wenngleich aufgrund des milden Winterwetters eher ein Strohfeuer – und starke Warenexporte halfen ihr auf die Beine und konnten die enttäuschende Entwicklung des privaten Konsums überdecken. Dieser war überraschend gesunken. Seitdem hellt sich die Kauflaune aber deutlich auf: In vielen Branchen haben die Arbeitnehmer*innen nach den Sonderzahlungen der jüngeren Vergangenheit dank der Tariferhöhungen nun dauerhaft mehr Geld auf dem Lohnzettel, was die Einkommenssicherheit erhöht. Verbunden mit der mittlerweile stabil unter der Drei-Prozent-Marke liegenden Inflation steigen die Reallöhne deutlich. Hinzu kommt die von der Europäischen Zentralbank eingeleitete Zinswende, die Sparen unattraktiver macht und Kredite günstiger. Impulse auf den Konsum, wenn auch geringe, dürften zudem von der Fußball-Europameisterschaft der Männer in Deutschland ausgehen.
Neben dem privaten Konsum wird sich im Prognosezeitraum der Außenhandel als zweite Stütze der deutschen Wirtschaft erweisen. Nicht nur nehmen im Zuge der erstarkenden Binnenwirtschaft die Einfuhren zu. Da sich die Industrieproduktion weltweit beleben dürfte, erfährt auch die deutsche Exportwirtschaft einen Schub. Aufgrund des hohen Anteils von Vorleistungs- und Investitionsgütern sind Exporte „Made in Germany” besonders abhängig von der globalen Industriekonjunktur. Auch hierzulande werden die Industrieunternehmen spätestens ab dem kommenden Jahr vermehrt in ihre Kapazitäten investieren. Die Bauinvestitionen werden dann ebenfalls wieder zunehmen.
Unter dem Strich ergibt sich ein etwas freundlicheres Bild als noch im Frühjahr: Für die deutsche Wirtschaft erwartet das DIW Berlin für dieses Jahr statt einer Stagnation nun ein Wachstum von 0,3 Prozent und für das kommende Jahr von 1,3 Prozent. Ein Risikofaktor für die Prognose ist die noch nicht vollends klare Schadenslage nach dem Hochwasser im Süden Deutschlands. So könnten Produktionskapazitäten mancherorts länger als gedacht beeinträchtigt bleiben – gleichzeitig ist aber auch denkbar, dass Reparatur- und Wiederaufbauarbeiten die Wirtschaftsleistung erhöhen. Insgesamt dürften die Effekte in die eine wie die andere Richtung aber überschaubar bleiben. Erneut zum Unsicherheitsfaktor entwickeln könnte sich das Tauziehen um den nächsten Bundeshaushalt – nach den Ergebnissen der EU-Wahl in Deutschland womöglich noch mehr als ohnehin schon zu erwarten gewesen wäre.
Die Weltwirtschaft wird im Prognosezeitraum ebenfalls an Schwung gewinnen. Der Euroraum überwindet seine Schwächephase endgültig, der Welthandel belebt sich. Die Zinswenden in den großen fortgeschrittenen Volkswirtschaften werden wohl ab dem zweiten Halbjahr einen positiven Effekt auf den Wohnungsbau und die Unternehmensinvestitionen haben. Alles in allem ist für die Weltwirtschaft 2024 mit einer Wachstumsrate von 3,7 Prozent zu rechnen. Im Jahr 2025 dürfte die Weltwirtschaft um 3,6 Prozent zulegen.
DIW-KONJUNKTURPROGNOSE
Die Weltwirtschaft hat sich im ersten Quartal 2024 besser entwickelt als erwartet, da sich insbesondere die Binnennachfrage in den meisten fortgeschrittenen Volkswirtschaften erholt hat. In den Schwellenländern überraschte vor allem China mit vielen Exporten und starker Industrieproduktion.
In Europa sind die Reallohnzuwächse wohl endlich im Portemonnaie der Konsument*innen angekommen und kurbeln den privaten Konsum an. Im Euroraum und im Vereinigten Königreich legte die Wirtschaft im ersten Vierteljahr um 0,3 beziehungsweise 0,6 Prozent im Vergleich zum Vorquartal zu. Auch das Wirtschaftswachstum in den Vereinigten Staaten wird nach wie vor von den Konsumausgaben getragen und betrug 0,3 Prozent. In Japan hingegen belastet die Inflation weiterhin stark die Binnennachfrage, dort schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal um 0,5 Prozent. Die Wirtschaft in den Schwellenländern wuchs in Indien und China am stärksten. In China expandierte die Wirtschaft im ersten Quartal um 1,6 Prozent und damit kräftiger als im Vorquartal. Vor allem die Industrieproduktion und die Exporte setzten positive Impulse, während sich die Binnennachfrage weiterhin schwach entwickelte. Insgesamt erhöhte sich die Weltwirtschaftsleistung im ersten Quartal 2024 um 1,0 Prozent und damit ähnlich stark wie im vierten Quartal 2023 (Abbildung 1).
Die Erholung der Weltwirtschaft dürfte sich im laufenden zweiten Quartal fortsetzen. Dabei gewinnt der Aufschwung in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften nun etwas an Fahrt, vor allem durch die Wirtschaft im Euroraum. Dort sorgen weiterhin die fallenden Inflationsraten zusammen mit wachsenden Nominallöhnen für steigende Reallöhne, was die Kaufkraft der Verbraucher*innen und die Binnennachfrage ankurbeln dürfte (Abbildung 2). Auch im Vereinigten Königreich wird sich der Aufschwung wohl fortsetzen; auf einen weiter anziehenden Konsum deuten auch die günstigen Aussichten für die Dienstleistungen hin. Hingegen dürfte die Wirtschaft in den Vereinigten Staaten nur noch moderat wachsen, da die Überschussersparnisse der privaten Haushalte zur Neige gehen und dadurch der private Konsum abkühlt. In Japan belastet weiterhin die hohe Inflation die Wirtschaftsleistung.
Die Einkaufsmanagerindizes für das Verarbeitende Gewerbe in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften erholen sich seit Anfang des Jahres. Die Mai-Werte für Japan, das Vereinigte Königreich und die Vereinigten Staaten liegen durchweg über der Expansionsschwelle von 50. Im Euroraum verbleibt die Marke zwar unter 50, zeigte jedoch im Mai einen markanten Anstieg auf 47,3, von noch 45,7 im April. Somit dürfte die Industrieproduktion allmählich an Fahrt gewinnen.
In den Schwellenländern ist nach einem starken ersten Quartal eine leichte Abkühlung im zweiten Quartal zu erwarten. Zwar dürfte die wirtschaftliche Entwicklung in China und Indien weiterhin das Wachstum stützen, andere Länder wie Brasilien und Mexiko schwächeln hingegen aufgrund einer gedämpften Binnennachfrage. Dagegen zeichnet sich in China eine leichte Erholung der konjunkturellen Dynamik ab, wozu vor allem die expansivere Geld- und Fiskalpolitik beiträgt. Zudem dürfte die Erholung der Weltwirtschaft den chinesischen Ausfuhren Schub verleihen. Mit einem anhaltend dynamischen Wachstum ist im zweiten Quartal für die indische Wirtschaft dank einer soliden inländischen Nachfrage zu rechnen.
Der Welthandel erholte sich im ersten Quartal 2024 um 0,3 Prozent, nachdem er im Jahr 2023 noch um 1,9 Prozent gesunken war. Belastend wirkten im vergangenen Jahr die schwache Nachfrage aus den fortgeschrittenen Volkswirtschaften und die anhaltenden geopolitischen Verwerfungen. Dennoch haben sich seit Jahresbeginn einige Handelshemmnisse etwas abgebaut. So sind beispielsweise die Blockaden der Handelsrouten von Asien nach Europa durch planmäßige Umschiffungen von Afrika in Lieferketten und Produktionen nun eingeplant. Dies und die allmählich etwas dynamischer zulegende Weltwirtschaft dürften nun dazu führen, dass der globale Handel 2024 wieder etwas wachsen wird, allerdings weniger stark als noch vor der Corona-Pandemie. Ein wichtiger Grund ist, dass die handelspolitischen Konflikte, insbesondere zwischen den westlichen Ländern und China, wohl weiterhin einen dämpfenden Effekt auf den globalen Handel haben werden. Die im Mai von der US-Regierung beschlossenen Strafzölle auf chinesische Elektroautos und Halbleiter unterstreichen, dass von dieser Seite keine Entspannung zu erwarten ist.
In den ersten Monaten des Jahres 2024 blieb die Geldpolitik in vielen fortgeschrittenen Volkswirtschaften noch restriktiv; die Leitzinsen verharrten auf einem erhöhten Niveau. Erst vereinzelt – etwa in der Schweiz – kam es im Frühjahr angesichts niedrigerer Inflationsraten zu ersten Leitzinssenkungen. Weitere Zentralbanken werden voraussichtlich im Sommer damit beginnen, ihre Leitzinsen zu senken (Kasten 1). Im Euroraum wurde die Zinswende am 6. Juni eingeläutet, deutlich früher als in den Vereinigten Staaten und im Vereinigten Königsreich, wo mit Zinssenkungen erst im Herbst gerechnet wird. Auch von den Rohstoffpreisen dürften keine preistreibenden Impulse mehr ausgehen (Abbildung 3). Einen Spezialfall stellt Japan dar, da die Inflation im April mit für das Land ungewöhnlich hohen 2,5 Prozent immer noch deutlich über dem Zwei-Prozent-Ziel der japanischen Zentralbank lag.
Dieser Prognose liegen die folgenden Annahmen über den weiteren Verlauf von Leitzinsen, Wechselkursen und Rohstoffpreisen zugrunde (Tabelle). Sie wurden auf Basis der bisherigen Entwicklung, der Preise an den Terminmärkten sowie der Schlussstände zum Stichtag dieser Prognose am 14. Mai 2024 getroffen.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat, wie in der Frühjahrsprognose angenommen, im Juni erstmals die Zinsen gesenkt. Damit leitete sie nun nach einem Jahr mit konstantem Zinsniveau die Zinswende im Euroraum ein. Fünf weitere Zinsschritte werden über den Prognosehorizont angenommen, die jeweils zu jedem zweiten Treffen der EZB erfolgen dürften. Im Detail wird angenommen, dass die Zentralbank im September zum zweiten Mal die Zinsen senken wird, diesmal um 35 Basispunkte.Des Weiteren wird die EZB gemäß den Ankündigungen zur Änderung des geldpolitischen Handlungsrahmens ab dem 18. September 2024 den Korridor zwischen Einlagesatz und Hauptrefinanzierungssatz auf 15 Basispunkte verringern. Die darauffolgenden Zinssenkungen werden zu je 25 Basispunkten angenommen. Dies ergibt eine Zinssenkung von insgesamt 85 Basispunkten im Jahr 2024 und 75 Basispunkten im Jahr 2025.
In Erwartung der Zinswende sanken die Geldmarktzinsen schon Anfang des Jahres. Es wird angenommen, dass diese – im Einklang mit den Leitzinsen – über den Prognosehorizont weiter fallen. Auch die Refinanzierungskosten für Haushalte und Unternehmen dürften mit fallenden Leitzinsen in den kommenden Jahren geringer werden. Die Renditen für Staatsanleihen sind nach einem kurzen Absinken im Winterhalbjahr 2023 wieder leicht gestiegen. Es wird angenommen, dass die Kapitalmarktzinsen über den Prognosehorizont weitestgehend unverändert bei 2,6 Prozent für Deutschland und 3,1 Prozent für den Euroraum liegen werden. Der Euro hat gegenüber dem US-Dollar aufgrund des Zinsdifferentials zuletzt abgewertet. Für den Prognosezeitraum wird angenommen, dass der Wechselkurs des Euro gegenüber dem US-Dollar auf dem zum separaten Datenschluss vom 6. Juni 2024 erreichten Niveau von 1,08 Dollar pro Euro verbleibt.
Unsicherheiten über das Gasangebot im kommenden Jahr ließen die Großhandelspreise für Gas (TTF) zuletzt wieder leicht ansteigen. Jedoch dürften gut gefüllte Speicher eine starke Verknappung des Angebots verhindern. Der durchschnittliche Gaspreis dürfte laut Futures in den Jahren 2024 und 2025 bei 30,9 Euro beziehungsweise 35,5 Euro je Megawattstunde liegen. Der Preis für Brent-Rohöl wird gemäß der gehandelten Futures in den kommenden Monaten einen leichten Anstieg verzeichnen, bevor er ab dem kommenden Jahr und bis zum Ende des Prognosezeitraums wieder sinken wird. In diesem Jahr dürfte der Preis im Durchschnitt bei 83 US-Dollar pro Barrel liegen, bevor er auf einen Durchschnittspreis von 78 US-Dollar im Jahr 2025 sinkt.
Neben den Annahmen über Rohstoffpreise und Zinsen liegen dieser Prognose auch politische Annahmen zugrunde: So wird angenommen, dass es zu keinen weiteren Eskalationen, aber auch zu keiner Auflösung der derzeitigen geopolitischen Krisen, wie dem Nahost-Konflikt, dem Krieg in der Ukraine sowie der Auseinandersetzung zwischen China und Taiwan, kommt.
2022 | 2023 | 2024 | 2025 | ||
---|---|---|---|---|---|
EZB-Leitzins (Jahresende) | Prozent | 2,5 | 4,5 | 3,7 | 2,9 |
Geldmarktzins | EURIBOR-Dreimonatsgeld in Prozent | 0,3 | 3,4 | 3,6 | 2,9 |
Kapitalmarktzins | Rendite für Staatsanleihen im Euroraum mit zehnjähriger Restlaufzeit | 2,3 | 3,2 | 3,0 | 3,1 |
Kapitalmarktzins | Rendite für Staatsanleihen in Deutschland mit zehnjähriger Restlaufzeit | 1,8 | 2,5 | 2,6 | 2,6 |
Wechselkurs | US-Dollar/Euro | 1,05 | 1,09 | 1,08 | 1,08 |
Erdölpreis | US-Dollar/Barrel | 98,6 | 82,1 | 83,0 | 78,0 |
Gaspreis | Euro/Megawattstunde | 133,9 | 42,2 | 30,9 | 35,5 |
Anmerkung: Jahresdurchschnittswerte, sofern nicht anders angegeben.
Quellen: Europäische Zentralbank; European Money Markets Institute (EMMI); Eurex Exchange; Deutsche Bundesbank; Federal Reserve; Energy Information Administration (EIA); Intercontinental Exchange (ICE); CME Group; DIW-Konjunkturprognose Sommer 2024.
In vielen Schwellenländern ist die Geldpolitik wieder etwas weniger restriktiv ausgerichtet. In Brasilien ist es angesichts rückläufiger Inflationsraten und eines geringeren Wirtschaftswachstums bereits seit Ende 2023 zu regelmäßigen Leitzinssenkungen gekommen, Mexiko senkte im März die Leitzinsen. Auch die chinesische Zentralbank hat im Februar mit der Absenkung der Mindestreserven einen expansiveren Kurs eingeschlagen, um die schwächelnde Wirtschaft zu stützen und sich gegen die deflationären Tendenzen zu stemmen. In Indien dürfte der Leitzins erst im dritten Quartal gesenkt werden, weil die in Indien wichtigen Lebensmittelpreise aktuell noch anziehen, obwohl die Kerninflation insgesamt bereits rückläufig ist.
In den meisten Volkswirtschaften wird die Finanzpolitik im Prognosezeitraum wohl leicht restriktiv ausgerichtet sein. Das ist einerseits auslaufenden Maßnahmen geschuldet, die gegen die Energiekrise ergriffen wurden. Andererseits setzen die immer noch erhöhten Zinsen die Staatshaushalte unter Druck, weniger Ausgaben zu tätigen – was auch zum Nachteil mittelfristiger Investitionsprogramme sein dürfte. In der EU regt jedoch zum einen das NextGenerationEU-Programm Investitionen in den Mitgliedstaaten an. Zum anderen dürften die neuen europäischen Fiskalregeln Spielräume für wachstumsfördernde Investitionen schaffen.Pressemitteilung des Europäischen Parlaments vom 23. April 2024: New EU fiscal rules approved by MEPs (online verfügbar, abgerufen am 30. Mai 2024. Dies gilt für alle Onlinequellen in diesem Bericht, sofern nicht anders angegeben). Eine weitere Ausnahme stellt China dar. Die chinesische Regierung kündigte einige milliardenschwere Maßnahmen zur Wiederbelebung des schuldengeplagten Immobiliensektors an. In Indien und Mexiko sind nach den Wahlen Anfang Juni keine grundlegenden finanzpolitischen Änderungen zu erwarten.
Im weiteren Prognosezeitraum dürfte die Weltwirtschaft weiter an Schwung gewinnen. Die Zinswenden in den großen fortgeschrittenen Volkswirtschaften werden wohl ab dem zweiten Halbjahr und vor allem auch im kommenden Jahr einen positiven Effekt auf den Wohnungsbau und die Unternehmensinvestitionen haben. Auch der private Verbrauch dürfte den Aufschwung in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften weiterhin stützen, was wohl auch auf eine weiterhin gute Arbeitsmarktlage und entsprechend solide Zuwächse der Arbeitseinkommen zurückzuführen ist. Die Wirtschaft in den USA wird bei einer geschlossenen Produktionslücke ungefähr mit Potenzialwachstumsraten zulegen. Im Euroraum wird sich die derzeit negative Produktionslücke schließen. In China wird das Bruttoinlandsprodukt zwar wohl weiterhin kräftig wachsen, die Raten dürften aber deutlich niedriger ausfallen als vor der Pandemie. Das Potenzialwachstum hat sich vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und der hohen Schulden der Provinzen merklich gegenüber den vergangenen Jahrzehnten verringert.
Im Jahresdurchschnitt 2024 wird die Wirtschaft in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften voraussichtlich um 1,7 Prozent zulegen. In den Schwellenländern dürfte sich die Wirtschaftsleistung um 4,9 Prozent erhöhen. Alles in allem ist für die Weltwirtschaft 2024 mit einer Wachstumsrate von 3,7 Prozent zu rechnen (Tabelle 1). Da die Entwicklung im Euroraum, aber auch in China im ersten Halbjahr besser ausfiel als erwartet, hebt das DIW Berlin die Prognose für das Gesamtjahr um 0,2 Prozentpunkte an. Im Jahr 2025 dürfte die Weltwirtschaft unverändert zur Frühjahrsprognose um 3,6 Prozent zulegen.
In Prozent
Bruttoinlandsprodukt | Verbraucherpreise | Arbeitslosenquote in Prozent | ||||||||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent | ||||||||||||
2022 | 2023 | 2024 | 2025 | 2022 | 2023 | 2024 | 2025 | 2022 | 2023 | 2024 | 2025 | |
Europa | ||||||||||||
Europäische Union | 3,5 | 0,6 | 1,1 | 1,9 | 9,2 | 6,4 | 2,8 | 2,5 | 6,2 | 6,0 | 6,1 | 5,9 |
Euroraum | 3,5 | 0,6 | 0,8 | 1,5 | 8,4 | 5,4 | 2,4 | 2,0 | 6,8 | 6,6 | 6,5 | 6,3 |
ohne Deutschland | 4,0 | 1,2 | 1,2 | 1,5 | 8,0 | 5,0 | 2,3 | 2,1 | 8,6 | 8,3 | 8,1 | 7,8 |
Frankreich | 2,5 | 0,9 | 0,9 | 1,4 | 5,9 | 5,7 | 2,4 | 1,9 | 7,3 | 7,3 | 7,4 | 7,3 |
Italien | 4,1 | 1,0 | 0,9 | 1,0 | 8,7 | 5,9 | 1,6 | 2,1 | 8,1 | 7,7 | 7,3 | 7,2 |
Spanien | 5,8 | 2,5 | 2,3 | 1,9 | 8,3 | 3,4 | 3,1 | 2,2 | 13,0 | 12,2 | 11,7 | 11,1 |
Niederlande | 4,4 | 0,2 | 0,6 | 1,9 | 11,6 | 4,1 | 2,6 | 2,1 | 3,5 | 3,6 | 3,7 | 3,7 |
Vereinigtes Königreich | 4,3 | 0,1 | 0,8 | 1,1 | 9,1 | 7,3 | 2,3 | 2,2 | 3,9 | 4,0 | 4,3 | 4,6 |
Schweiz | 2,7 | 0,7 | 1,1 | 1,5 | 2,8 | 2,1 | 1,6 | 1,5 | 4,4 | 4,1 | 4,3 | 4,3 |
Mittel- und Südosteuropa (MOE) | 4,8 | 0,4 | 2,4 | 3,4 | 13,4 | 11,6 | 4,3 | 3,9 | 3,5 | 3,6 | 3,6 | 3,4 |
Türkei | 5,3 | 4,4 | 3,8 | 3,2 | 72,3 | 54,0 | 52,5 | 39,1 | 10,5 | 9,4 | 9,5 | 10,0 |
Russland1 | −0,6 | 3,0 | 3,4 | 1,8 | 13,8 | 5,9 | 6,5 | 5,0 | 4,0 | 3,2 | 2,8 | 2,7 |
Amerika | ||||||||||||
USA | 1,9 | 2,5 | 2,4 | 1,6 | 8,0 | 4,1 | 3,2 | 2,3 | 3,6 | 3,6 | 3,9 | 4,1 |
Mexiko | 3,9 | 3,2 | 1,8 | 2,0 | 7,9 | 5,5 | 4,8 | 3,1 | 3,3 | 2,8 | 2,7 | 2,6 |
Brasilien | 3,1 | 2,9 | 1,8 | 2,2 | 9,3 | 4,6 | 3,3 | 3,0 | 9,5 | 8,0 | 7,8 | 7,6 |
Asien | ||||||||||||
Japan | 1,0 | 1,9 | 0,8 | 1,1 | 2,5 | 3,3 | 2,2 | 1,5 | 2,6 | 2,6 | 2,5 | 2,4 |
Südkorea | 2,6 | 1,3 | 2,2 | 2,3 | 5,1 | 3,6 | 2,4 | 1,9 | 2,9 | 2,7 | 3,1 | 3,1 |
China | 3,0 | 5,2 | 4,8 | 4,6 | 1,0 | −1,7 | 0,9 | 1,8 | 5,6 | 5,2 | 5,1 | 5,0 |
Indien | 6,6 | 7,7 | 6,6 | 6,2 | 6,7 | 5,8 | 4,7 | 4,0 | 7,6 | 7,6 | 7,2 | 7,0 |
Total | ||||||||||||
Fortgeschrittene Volkswirtschaften | 2,5 | 1,7 | 1,7 | 1,5 | 7,7 | 4,6 | 3,0 | 2,3 | 4,4 | 4,3 | 4,5 | 4,5 |
Schwellenländer | 3,9 | 5,5 | 4,9 | 4,7 | 9,4 | 7,3 | 9,4 | 9,2 | 6,3 | 5,9 | 5,8 | 5,6 |
Welt | 3,3 | 4,0 | 3,7 | 3,6 | 8,2 | 5,5 | 5,6 | 5,3 | 5,9 | 5,6 | 5,5 | 5,4 |
Nachrichtlich: | ||||||||||||
Exportgewichtet2 | 2,9 | 2,9 | 2,8 | 2,6 | ||||||||
BIP in US−Dollar gewichtet3 | 3,2 | 3,0 | 3,1 | 3,1 |
1 Die für Russland prognostizierten Daten sind mit großen Unsicherheiten behaftet. Russland hat nur ein geringes Gewicht in der Gesamtprognose.
2 Gewichtung der Welt mit den Anteilen an der deutschen Ausfuhr über das Jahr 2023.
3 Gewichtung der Welt mit dem Bruttoinlandsprodukt in US-Dollar über 2022 bis 2025.
Anmerkungen: Die schwarzen Zahlen sind abgerechnete Zahlen. Die Werte der Ländergruppen sind ein gewichteter Durchschnitt, wobei für die Gewichtung des BIP und der Verbraucherpreise das jeweilige Bruttoinlandsprodukt in Kaufkraftparitäten aus dem World Economic Outlook des Internationalen Währungsfonds (IWF) für die Jahre 2022 bis 2025 verwendet wird. Für die Gewichtung de Arbeitslosenzahlen in den Ländergruppen wird die Erwerbsbevölkerung (15 bis 64 Jahre) des jeweiligen Landes für das Jahr 2022 verwendet. MOE besteht aus: Polen, Rumänien, Tschechien und Ungarn.
Quellen: Nationale statistische Ämter; DIW-Konjunkturprognose Sommer 2024.
Dieser Prognose liegen mehrere Unsicherheitsfaktoren zugrunde. Zum einen bleiben die geopolitischen Risiken deutlich erhöht. Die mit dem Krieg in Israel verbundene Krise könnte sich regional ausweiten. Auch ein Ende des Krieges in der Ukraine zeichnet sich nicht ab. Daneben bestehen auch in Asien schwelende geopolitische Konflikte, etwa rund um die koreanische Halbinsel oder Taiwan. Verschärfungen dieser geopolitischen Krisenherde bergen viele Risiken für die Weltwirtschaft: von temporär erhöhten Energie- und Ressourcenpreisen bis hin zu starken Handelsverwerfungen und realwirtschaftlichen Verlusten.
Einen weiteren Risikofaktor stellt die Tragfähigkeit der öffentlichen Schulden angesichts der höheren Zinsen dar. Die Renditen langfristiger Staatsanleihen sind zum Beispiel in den USA weiterhin hoch und reagieren empfindlich auf Inflationsentwicklung und geldpolitische Entscheidungen. Auch in China sind lokale Regierungen durch die schwelende Immobilienkrise stark überschuldet. Zu einer weiteren Erhöhung der Schuldenquoten könnte auch die Tatsache führen, dass das Jahr 2024 ein Rekordwahljahr ist. 49 Prozent der Weltbevölkerung werden in diesem Jahr zu den Urnen gebeten. Wahlen sind oftmals mit fiskalischen Stimuli und damit einer höheren Verschuldung verbunden.Vgl. International Monetary Fund (2024): Fiscal Policy in the Great Election Year. Fiscal Monitor April (online verfügbar). Zusammen mit höheren Zinsen könnte dies für eine etwas restriktivere Finanzpolitik in der Zukunft sprechen.
Daneben entsteht mit den Wahlen vielerorts auch ein erhöhtes Risiko in der politischen Polarisierung. So könnte etwa eine erneute Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten im November weltweit die Unsicherheiten hinsichtlich der wirtschafts- und sicherheitspolitischen Ausrichtung der USA verstärken. Unter Trump ist auch zu erwarten, dass sich der Handelskonflikt mit China weiter verschärft. Zudem ist noch nicht absehbar, wie sehr die nationalistischen Kräfte im EU-Parlament, die bei den jüngsten Wahlen stark zugelegt haben, die EU als aktive Gestalterin der gemeinsamen Wirtschafts- und Außenpolitik lähmen.
Im Euroraum hat sich die Wirtschaft etwas früher erholt als erwartet. Nachdem die Wirtschaftsleistung fünf Quartale lang stagniert hatte, wuchs das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal 2024 gegenüber dem Vorquartal um 0,3 Prozent. Gestützt wurde diese Entwicklung durch eine robuste Binnennachfrage und steigende Exporte.
Abgesehen von den Niederlanden stützten alle großen Mitgliedsländer die wirtschaftliche Belebung im Euroraum. Spanien trug mit einem Wachstum von 0,7 Prozent zu Jahresbeginn besonders stark zu dieser Expansion bei und hob sich dadurch weiterhin von den anderen Mitgliedstaaten des Euroraums ab. Sowohl der starke positive Außenhandelsbeitrag dank steigender Exporte als auch der private Konsum und die Investitionen stützten die spanische Konjunktur. Die Wirtschaft in Frankreich profitierte von einem Anstieg des privaten und öffentlichen Konsums sowie der Exporte. Die Niederlande verzeichneten zwar ebenfalls eine positive Entwicklung der Binnennachfrage, trugen jedoch aufgrund eines starken Abbaus der Vorratsveränderungen leicht negativ zum Wachstum des Euroraums bei. Auch die Wirtschaft in Italien konnte dank privatem Konsum und Investitionen um 0,3 Prozent zulegen.
Der Schwung aus dem ersten Quartal dürfte sich im zweiten Quartal fortsetzen, insbesondere getrieben durch die steigende Nachfrage nach Dienstleistungen. Darauf deutet der zuletzt starke Anstieg des Einkaufsmanagerindex im Dienstleistungssektor hin, der im Mai deutlich über der Expansionsschwelle lag. Auch wenn die Industrie sich weiterhin schwach entwickelt, hellt sich zumindest die Stimmung etwas auf: Der Einkaufsmanagerindex im Verarbeitenden Gewerbe legte im Mai zu und erreichte mit 47,3 das höchste Niveau seit einem Jahr. Das Konsumentenvertrauen verbesserte sich im Mai weiter, liegt aber immer noch unter dem langfristigen Durchschnitt. Der Einzelhandel verzeichnete im März zum ersten Mal seit September 2022 einen Anstieg im Jahresvergleich und blieb im April stabil (Abbildung 4).
Im Laufe des Jahres dürfte sich die Erholung noch etwas beschleunigen. Die Reallöhne nehmen deutlich zu und dürften zusammen mit dem robusten Arbeitsmarkt den privaten Konsum ankurbeln und die Erholung weitgehend tragen. Die Wirtschaft im Euroraum nimmt damit Fahrt auf und sollte ab der zweiten Jahreshälfte zudem von der Zinswende und einem anziehenden Welthandel profitieren. Im Jahr 2025 dürfte die Wachstumsrate höher ausfallen als das Potenzialwachstum, sodass sich die derzeitige negative Produktionslücke über den Prognosehorizont allmählich schließen dürfte.
Auch die weiterhin sehr gute Lage auf dem Arbeitsmarkt wird wohl den privaten Verbrauch stützen. Die Arbeitslosenquote im Euroraum fiel im April mit 6,4 Prozent auf ein neues Rekordtief, während die Beschäftigung im ersten Quartal um 0,3 Prozent wuchs. In den vergangenen Quartalen haben die Unternehmen den Bestand an Arbeitskräften sogar trotz konjunktureller Schwäche ausgebaut. Dies ist vor allem auf den anhaltenden Fachkräftemangel und die hohe Zahl krankheitsbedingter Arbeitsausfälle zurückzuführen. Dadurch dürfte aber der Beschäftigungsaufbau geringer ausfallen, wenn die Wirtschaft wieder Fahrt aufnimmt. Somit wird die Arbeitslosenquote in diesem Jahr voraussichtlich bei 6,5 Prozent liegen, bevor sie im Jahr 2025 auf 6,3 Prozent sinkt, vor allem aufgrund des starken Rückgangs der Arbeitslosenquote in Spanien.
Die Inflation im Euroraum geht etwas schneller zurück als noch im Frühjahr erwartet. So fiel der Harmonisierte Verbraucherpreisindex laut Schnellschätzung auf 2,6 Prozent im Mai. Während im Jahr 2023 die Inflation noch von mehr als neun auf 2,9 Prozent zurückging, ist sie seit Jahresbeginn nur noch um 0,3 Prozentpunkte gefallen und dürfte sich weiterhin nur langsam dem Zwei-Prozent-Ziel der EZB annähern. Die zurückgehende Energie- und Lebensmittelteuerung, die zuletzt hauptsächlich zu den starken Rückgängen der Gesamtinflation beitrug, sollte kaum noch dämpfend wirken. Die Kernrate (Verbraucherpreisinflation ohne Lebensmittel und Energie) ist jedoch mit 2,9 Prozent im Mai laut Schnellschätzung noch erhöht, insbesondere die Dienstleistungspreise erweisen sich weiterhin als treibende Kraft. Für die Inflationsdynamik ist es jedoch entscheidend, dass sich die umfragebasierten Inflationserwartungen klar auf eine Rückkehr zum Zwei-Prozent-Ziel im Jahr 2025 eingependelt haben. Die Gesamtinflation dürfte im Jahresdurchschnitt 2024 bei 2,4 Prozent liegen und im kommenden Jahr auf 2,0 Prozent sinken.
Bei einem weiterhin hohen – wenn auch weniger kräftigen – Nominallohnwachstum im Euroraum können die Reallöhne ihre Verluste aus der Energiekrise wieder gutmachen und damit den privaten Konsum stimulieren (Abbildung 2). Diese Dynamik wird sich wohl über das Jahr 2024 im Euroraum fortsetzen und der Haupttreiber der Erholung sein. Jedoch zeigt sich eine deutliche Heterogenität unter den Mitgliedsländern. In Italien sind die Nominallöhne trotz historisch niedriger Arbeitslosigkeit nur leicht gestiegen. Nur die sehr niedrige Inflation (bei etwa einem Prozent im ersten Quartal) gibt den Reallöhnen eine Aufwärtsdynamik. Hingegen verzeichneten Spanien und die Niederlande besonders starke Nominallohnzuwächse, die sich bereits seit Ende 2022 in steigenden realen Arbeitseinkommen niederschlagen. Im Euroraum dürften die Reallöhne im Jahr 2025 das Niveau von vor der Energiekrise erreichen.
Die Investitionstätigkeit im Euroraum wuchs trotz der ungünstigen Finanzierungsbedingungen im ersten Quartal. Schon vergangenes Jahr legten die Investitionen ungeachtet der schwachen Konjunktur und der restriktiven Geldpolitik um 1,4 Prozent zu, auch dank der Umsetzung der nationalen Aufbau- und Resilienzprogamme. Seit den Zinsanstiegen im Jahr 2022 sind die Investitionen in den Wohnungsbau EU-weit zwar rückläufig, liegen aber dennoch deutlich über dem Vorpandemieniveau, während die Ausrüstungsinvestitionen leicht wuchsen. Die positive Entwicklung im Wohnungsbau ist vor allem einer Stützungsmaßnahme der italienischen Regierung zu verdanken, die mit einem „Superbonus“ den Neubau ankurbelte. Die weiterhin schwächelnde Industrie dürfte in diesem Jahr die Investitionstätigkeit bremsen, für Auftrieb dürfte die im Juni eingeleitete Zinswende sorgen. Zusammen mit den NextGenerationEU-Mitteln dürften dadurch die Investitionen 2024 zunächst noch verhalten wachsen und erst 2025 kräftiger ansteigen.
Der Welthandel dürfte dem Außenhandel im Euroraum dank der sich allmählich erholenden globalen Industrieproduktion im Jahr 2024 etwas Auftrieb verleihen. Wichtige Handelspartner des Euroraums expandierten im ersten Quartal kräftiger als erwartet. So ist bereits dieses Jahr aus China und den mittel- und südosteuropäischen EU-Ländern mit Impulsen für den europäischen Markt zu rechnen. Dem steht eine leichte Abschwächung der US-Nachfrage gegenüber. Es ist damit zu rechnen, dass der Welthandel erst im Jahr 2025 merklich zu der konjunkturellen Dynamik im Euroraum beiträgt.
Die EZB leitete Anfang Juni mit der ersten Zinssenkung eine Wende ihrer Geldpolitik ein. Dieser Prognose liegt die Annahme zugrunde, dass die EZB die Leitzinsen weiterhin schrittweise senkt (Kasten 1). So ist für 2024 und 2025 mit Zinssenkungen von insgesamt 160 Basispunkten zu rechnen, wodurch die geldpolitische Ausrichtung von einem restriktiven auf ein neutrales Niveau herabgesetzt wird. Dank der negativen Produktionslücke und des etwas entschleunigten Arbeitsmarkts im Euroraum sollte die konjunkturelle Erholung 2024 die Inflation nicht wieder in die Höhe treiben. Es wird erwartet, dass sich die Inflation beim Zwei-Prozent-Ziel der EZB einpendelt. Die sinkenden Zinsen dürften insbesondere die Bauinvestitionen beleben und die noch hohe Sparneigung der Haushalte im Euroraum senken. Damit dürften sie den privaten Konsum weiter stimulieren.
Über den Prognosehorizont wird die Finanzpolitik im Euroraum restriktiv ausgerichtet sein. Die noch laufenden diskretionären Energieunterstützungsmaßnahmen, wie die temporäre Senkung der Mehrwertsteuer auf Strom und Gas in Spanien, die Energiepreisbremse in Frankreich oder die Inflationsausgleichsprämie in Deutschland, dürften über den Prognosehorizont vollständig auslaufen und somit die öffentlichen Haushalte entlasten. In einigen Ländern (vor allem in Frankreich und Deutschland) sind Konsolidierungsmaßnahmen geplant, was bei der Einhaltung der wieder in Kraft tretenden EU-Schulden- und Defizitregel helfen wird.Vgl. Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose (2024): Deutsche Wirtschaft kränkelt – Reform der Schuldenbremse kein Allheilmittel. Gemeinschaftsdiagnose Frühjahr 2024 (online verfügbar). Besonders hoch liegen die Haushaltsdefizite in den großen Mitgliedsländern Frankreich, Italien und Spanien. Frankreich verzeichnete 2023 sogar ein Defizit von 5,5 Prozent, was vor allem auf ein schwächeres Wachstum und damit auf geringer als erwartet ausfallende Steuereinnahmen zurückzuführen ist. Allerdings profitieren die Mitgliedsländer des Euroraums weiterhin von dem mittelfristigen NextGenerationEU-Programm zur Förderung von Investitionen in den digitalen und ökologischen Wandel. Bisher wurden nämlich erst knapp 44 Prozent der gewährten Zuschüsse ausgezahlt.
Alles in allem wird die Wirtschaft im Euroraum im laufenden Jahr voraussichtlich um 0,8 Prozent zulegen und damit um 0,3 Prozentpunkte über der Frühjahrprognose liegen (Abbildung 4). Im Jahr 2025 dürfte das Wachstum – unverändert zur Frühjahrsprognose – mit 1,5 Prozent anziehen.
Ein aufwärtsgerichtetes Risiko im Euroraum ist mit einem schnelleren Rückgang der Inflation verbunden, der die Geldpolitik zu drastischeren Zinsabsenkungen bewegen und so die Binnenwirtschaft noch mehr ankurbeln könnte.
Im ersten Quartal 2024 hat das Bruttoinlandsprodukt in den mittel- und südosteuropäischen Volkswirtschaften der EU mit Wachstumsraten von 0,4 bis 0,8 Prozent deutlich zugelegt; allerdings war das Schlussquartal 2023 weitaus schwächer ausgefallen als erwartet, mit negativen Raten in Polen und Rumänien. Der in den meisten Ländern anziehende Einzelhandelsumsatz weist auf einen gestiegenen privaten Konsum hin, der durch höhere Einkommen und eine gute Arbeitsmarktlage unterstützt wird. Die Investitionstätigkeit trug im Auftaktquartal in den meisten Ländern negativ bis gar nicht zum Wachstum bei. Die Industrieproduktion hat sich in der Region nicht durchgängig erhöht.
Näherte sich im ersten Quartal der Einkaufsmanagerindex im Verarbeitenden Gewerbe noch der Expansionsschwelle, kam es im April in Polen und Tschechien zu Rücksetzern. Die Auftragseingänge waren rückläufig, auch aus dem Ausland. Hierin spiegelt sich wohl die noch schwache Entwicklung des weltweiten Güterhandels.
Die Konsumentenzuversicht hellt sich am aktuellen Rand auf. Dies deutet auf eine Erholung der Konsumdynamik hin, nachdem die Verbraucher*innen über lange Zeit ihre Realeinkommen schwer einschätzen konnten. Zwar ist die Kerninflation in der Region tendenziell weiter gesunken und die Inflationserwartungen haben sich entspannt. In einigen Ländern sind aber jüngst Lebensmittel- oder auch Energiepreise wieder etwas gestiegen. Mit der voraussichtlichen Anhebung des Strompreisdeckels in Polen werden private Haushalte mehr für Elektrizität ausgeben müssen; noch sind ihre Mehrbelastungen schwer einschätzbar.
Die polnische Zentralbank hat ihren Leitzins bei 5,75 Prozent belassen, obwohl die Steigerung der Konsumentenpreise im Mai mit 2,5 Prozent inzwischen innerhalb des Zielkorridors von 1,5 bis 2,5 Prozent liegt. In Rumänien, wo die Preise im April mit 5,9 Prozent noch deutlich über dem Zielkorridor lagen, bleiben die Leitzinsen ebenfalls unverändert. Demgegenüber haben die ungarische und die tschechische Zentralbank im Mai die Leitzinsen auf 7,25 beziehungsweise 5,25 Prozent gesenkt.
Nach dem Regierungswechsel in Polen und der Beilegung von Streitigkeiten mit der EU-Kommission über die Justizreform der Vorgängerregierung werden die Zuflüsse aus EU-Fonds dort wieder steigen. Die Fondsmittel sollen in der Region auch in Projekte fließen, durch die die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen weiter gesenkt wird. Die Umsetzung wird wohl einige Zeit in Anspruch nehmen und daher erst verzögert die Investitionstätigkeit anregen.
Die meisten Länder der Region haben eine Konsolidierung ihrer Haushalte angekündigt. Nach dem Ende April beschlossenen Finanzplan der polnischen Regierung soll das Defizit von über fünf Prozent mittelfristig zurückgefahren werden.Beata Suhr (2024): Poland’s long-term financial plan and its impact on GDP growth and deficit reduction. European Interest vom 1. Mai (online verfügbar). Tschechien hatte bereits Ende 2023 einen Konsolidierungskurs eingeleitet. Die angekündigte Konsolidierung wird allerdings nicht überall in der Region konsequent umgesetzt. So wurde das Defizitziel auf 4,5 Prozent in Ungarn angehoben; in Rumänien wird der Negativsaldo im laufenden Jahr wohl mehr als fünf Prozent betragen. Damit überschreiten die Budgetdefizite in der Region weiterhin die EU-Vorgaben und müssen in einigen Ländern mittelfristig stark zurückgefahren werden.
Nach niedrigen Wachstumsraten im Vorjahr werden wohl in diesem Jahr deutlich positive Raten von 2,4 Prozent erreicht werden. Im Jahr 2025 dürfte sich die Dynamik auf 3,4 Prozent erhöhen (Abbildung 5).
Die Wirtschaft des Vereinigten Königreichs hat mit 0,6 Prozent im ersten Quartal überraschend kräftig zugelegt. Das Wachstum folgte auf eine milde technische Rezession – also zwei aufeinanderfolgende Quartale mit schrumpfender Wirtschaft. Getragen wurde das Wachstum vor allem durch den privaten Konsum und private Investitionen. Auch der Außenbeitrag war positiv, was allerdings nur dadurch zustande kam, dass die Importe stärker fielen als die Exporte.
Im zweiten Quartal dürfte sich der Aufschwung mit 0,2 Prozent moderat fortsetzen. Eine sich abschwächende Inflation und ein damit verbundenes Reallohnwachstum dürften die Konsumfreudigkeit der Haushalte weiter stützen. Die Frühindikatorik zeigt ein optimistisches Bild: Das Konsumentenvertrauen steigt, auch die Einkaufsmanagerindizes liegen über der Expansionsschwelle von 50. Der Index für das Verarbeitende Gewerbe stieg von 49,1 im April auf 51,2 im Mai, was auf eine leichte Erholung und mögliche Überwindung der Industrieschwäche hindeutet (Abbildung 6).
Die Wirtschaft des Vereinigten Königreichs dürfte im zweiten Halbjahr 2024 verhalten wachsen. Die Zinswende, die im dritten Quartal erwartet wird, wird die Wirtschaft wohl weiter stützen. So werden die Zinssenkungen über den Prognosehorizont den Investitionsappetit der Unternehmen weiter anregen. Sie dürften sich auch positiv auf das verfügbare Einkommen der Haushalte auswirken, das insbesondere durch gestiegene Hypothekenzinsen belastet wurde.
Die Inflation wird in den kommenden Quartalen wohl weiterhin zurückgehen, was die Reallöhne und damit die Kaufkraft der Haushalte weiter stützt. Zwar zeigen sich die Kerninflation und die Inflation der Dienstleistungen weiterhin hartnäckig. Dass der Anstieg der Preise im April dennoch auf 2,3 Prozent fiel, ist unter anderem der weiteren Absenkung des Energiepreisdeckels der britischen Regulierungsbehörde OfgemOfgem (Office of Gas and Electricity Markets) ist die staatliche Regulierungsbehörde für den Gas- und Elektrizitätsmarkt. zu verdanken. Auch deswegen wird die Inflationsrate wohl in den kommenden zwei Quartalen das Inflationsziel der Zentralbank von zwei Prozent leicht unterschreiten. Im weiteren Prognoseverlauf dürfte die Inflationsrate wieder bei knapp über zwei Prozent liegen.
Die Nachfrage am Arbeitsmarkt geht zurück; im vergangenen Quartal sank die Anzahl der offenen Stellen weiter. Die Arbeitslosenquote verzeichnete einen Anstieg, der sich in den kommenden Quartalen allerdings stabilisieren dürfte. Allerdings stiegen in den vergangenen Quartalen die Nichterwerbsquoten wieder an.
Die Fiskalpolitik ist weiterhin restriktiv. Das Frühjahrsbudget beträgt für die Jahre 2024 bis 2028 insgesamt 55,1 Milliarden Euro, 1,75 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die Maßnahmen ähneln denen des Herbstbudgets: verringerte Sozialbeiträge, Steuererleichterungen und eine Verlängerung der Regelung für Sanierungsdarlehen. Den weiteren Verlauf der Fiskalpolitik wird der Ausgang der Wahlen am 4. Juli beeinflussen. Beide große Parteien haben starke Steuererhöhungen ausgeschlossen, sodass die angespannte Haushaltslage wenig Spielraum für fiskalische Stimuli zulässt.
Da der globale Aufschwung zunächst sehr auf den Dienstleistungsbereich konzentriert ist und sich die globale Industrieproduktion nur schwach entwickelt, wird die ausländische Nachfrage zunächst wohl nur moderat zulegen. Sie dürfte über den Prognosehorizont wieder leicht Fahrt aufnehmen und den Außenhandel stützen.
Alles in allem ist mit einem Wachstum von 0,8 Prozent 2024 und einem Wachstum von 1,1 Prozent 2025 zu rechnen. Aufgrund einer überraschend robusten Binnennachfrage wird im Vergleich zur Frühjahrsprognose das Wachstum für 2024 um 0,6 Prozentpunkte nach oben revidiert.
In den Vereinigten Staaten ist das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal 2024 um 0,3 Prozent gegenüber dem Vorquartal (annualisiert 1,3 Prozent) gewachsen. Gegenüber dem zweiten Halbjahr 2023, in dem die US-Wirtschaft überaus kräftig zugelegt hatte, kühlte sich die Konjunktur ab. Gestützt wurde der Zuwachs zum Jahresbeginn vom privaten Konsum, der um 0,5 Prozent zulegte. Auch die Unternehmensinvestitionen erhöhten sich merklich. Die Investitionstätigkeit wird weiterhin von massiven staatlichen Subventionen für Halbleiterfabriken und erneuerbare Energieproduktion angeregt. Die im Jahr 2021 begonnene Talfahrt bei den Wohnungsbauinvestitionen ist an ihr Ende gekommen. Bereits im zweiten Halbjahr 2023 wurde wieder ein moderates Wachstum verzeichnet, das sich im Auftaktquartal 2024 mit einem Plus von 3,7 Prozent beschleunigt hat. Vom Außenhandel kamen angesichts einer noch schwächelnden Weltwirtschaft keine Impulse für die US-Wirtschaft: Die Exporte legten deutlich schwächer zu als die Importe.
Auch im laufenden zweiten Quartal wird die US-Wirtschaft voraussichtlich immer noch mit soliden Raten wachsen. Der private Konsum dürfte die Konjunktur allerdings etwas weniger stützen; viele Haushalte haben die während der Pandemie angesammelten Ersparnisse aufgebraucht und die Inflation ist weiterhin erhöht. Bei den Konsument*innen hat sich die Stimmungslage nach einer längeren Phase der kontinuierlichen Aufhellung zuletzt wieder getrübt. Im Verarbeitenden Gewerbe hat sich aber die Stimmungslage im Mai nach einem Rückgang im April wieder etwas aufgehellt und steht bei 51,3. Weiterhin ist die Lage im Dienstleistungssektor etwas besser als in der Industrie.
Im weiteren Prognoseverlauf wird die US-Wirtschaft voraussichtlich moderat zulegen. Der private Konsum wird gestützt durch die gute Lage am Arbeitsmarkt. So lag die Arbeitslosenquote im Mai bei niedrigen 4,0 Prozent und es wurden 272000 neue Stellen geschaffen. Im Herbst 2024 dürfte dann die Zinswende die Finanzierungsbedingungen verbessern und die Investitionsbereitschaft der Unternehmen noch mehr anregen. Auch die Wohnungsbauinvestitionen werden wieder zulegen.
Von der Finanzpolitik sind vorerst keine neuen Impulse für die US-Konjunktur zu erwarten. Unsicherheiten über die künftige Wirtschaftspolitik der Vereinigten Staaten gehen von den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen im November dieses Jahres aus. Bei einer erneuten Wahl Donald Trumps zum Präsidenten wäre etwa ein unberechenbarer und konfrontativer Politikstil zu erwarten und würde unter anderem in mehr Unsicherheit münden. So könnte zum Beispiel eine Regierung unter Trump die jüngst von der aktuellen US-Regierung beschlossenen Strafzölle auf chinesische Güter weiter verschärfen.
Die Geldpolitik ist seit dem Frühjahr 2022 rasch restriktiver geworden, was im vergangenen Jahr wohl merklich zu einem schrittweisen Absinken der hohen Inflationsraten beigetragen hat. Seit Jahresbeginn verharren die Inflationsraten aber deutlich über dem Zwei-Prozent-Ziel der Notenbank. Im Mai lag die Inflation immer noch bei 3,3 Prozent, während die Kerninflation, bei der die Energie- und Lebensmittelpreise ausgeklammert werden, mit 3,4 Prozent sogar etwas höher war. Vor diesem Hintergrund wird die Zentralbank die Zinswende wohl erst im Herbst einleiten.
Alles in allem dürfte die US-Wirtschaft im laufenden Jahr um 2,4 Prozent zulegen (Abbildung 7). Gegenüber der Frühjahrsprognose wurde die Wachstumsrate vor allem aufgrund eines robusteren privaten Verbrauchs um 0,2 Prozentpunkte angehoben. Auch im Jahr 2025 ist mit einer weiteren Expansion der US-Wirtschaft zu rechnen. Die Wachstumsrate dürfte 1,6 Prozent betragen; verglichen mit der Frühjahrsprognose (1,5 Prozent) bleibt sie nahezu unverändert.
Nach einem überraschend positiven Wirtschaftswachstum von 1,9 Prozent im vergangenen Jahr ist Japans Wirtschaft im ersten Quartal 2024 um 0,5 Prozent gegenüber dem Vorquartal geschrumpft, und damit stärker als erwartet. Dies ist vor allem der schwachen Binnennachfrage geschuldet. Die Konsumentenzuversicht ist nach monatelanger Seitwärtsbewegung von 39,5 im März auf 36,2 im Mai gefallen. Die für japanische Verhältnisse ungewöhnlich hohe Inflation drückt die Stimmung ungemein. Der Einkaufsmanagerindex des Verarbeitenden Gewerbes ist hingegen im stetigen Aufwärtstrend und hat im Mai die Expansionsschwelle von 50 geknackt. Die Exporte sind weiterhin positiv, getragen durch den schwachen Yen und die anziehende globale Nachfrage nach Elektronik.
Ab der zweiten Jahreshälfte dürfte Japan zu seinem Potenzialwachstum zurückkehren; das Wachstum dürfte nach wie vor von der weiterhin schwachen Binnennachfrage und einer alternden Bevölkerung gebremst werden. Anfang des Jahres wurden zwar wieder große Lohnerhöhungen für Beschäftigte verhandelt, kräftige Reallohnzuwächse sind aber bisher wegen der anhaltend hohen Inflation noch ausgeblieben.
Die japanische Regierung beschloss einen substanziellen Finanzplan von 17 Billionen Yen (100 Milliarden Euro),was rund 2,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht. Ein Großteil davon fließt – in Anbetracht der Spannungen mit China und Nordkorea – in Verteidigungsausgaben. Auch Maßnahmen, die dem demografischen Wandel entgegenwirken sollen, sowie Aufbaumaßnahmen nach einem Erdbeben Anfang des Jahres sind im Budget inbegriffen. Die amtliche Arbeitslosenquote dürfte sich kaum verändern: Sie wird wohl von 2,5 Prozent im Jahr 2024 auf 2,4 Prozent im Prognosezeitraum leicht fallen.
Die japanische Teuerungsrate ohne frische Lebensmittel ist im April auf 2,2 Prozent von 2,6 Prozent im März gefallen. Damit verbleibt zwar die Teuerungsrate ungewöhnlich hoch für Japan und weiterhin über dem Zielwert der Bank of Japan (BoJ) von zwei Prozent. Mit sinkender Rate dürfte aber der Druck auf die japanische Zentralbank nachlassen, die Zinsen zu erhöhen, auch angesichts eines weiterhin schwachen privaten Konsums. Dabei wurde erst im März eine historische Kehrtwende vollbracht, als die Zentralbank ihre acht Jahre währende Negativzinspolitik aufgab. Die Kluft zwischen den Niedrigzinsen in Japan und den sehr hohen Zinsen der Zentralbanken anderer fortgeschrittener Volkswirtschaften ließ den Yen seit 2020 gegenüber anderen wichtigen Währungen etwa 25 Prozent an Wert verlieren. Da gleichzeitig die Tarifabschlüsse im März wieder sehr stark ausfielen, ist im zweiten Halbjahr 2024 mit weiteren vorsichtigen restriktiven geldpolitischen Maßnahmen zu rechnen.
In diesem Jahr dürfte die Gesamtinflation weiterhin auf erhöhtem Niveau verharren (2,2 Prozent), bevor sie bis Ende 2025 allmählich auf 1,5 Prozent sinkt. Japan-spezifische Faktoren könnten jedoch einer Abschwächung der Inflation entgegenwirken: Anhaltende Zweitrundeneffekte der importierten Inflation, große Lohnerhöhungen und die jüngste Entscheidung der Regierung, einige Maßnahmen gegen die Teuerung ab Mai schrittweise abzuschaffen, könnten den Preisdruck im Sommer wieder erhöhen.
Das Bruttoinlandsprodukt Japans dürfte im laufenden Jahr um 0,8 Prozent zulegen und damit aufgrund der schwächer als erwartet ausfallenden Binnennachfrage um 0,2 Prozentpunkte unter der Frühjahrsprognose liegen (Abbildung 8). In der zweiten Jahreshälfte wird sich die Wirtschaft dank des Aufwinds aus den anderen fortgeschrittenen Volkswirtschaften und der steigenden Reallöhne, die die Kaufkraft der privaten Haushalte stützen werden, erholen. Im Jahr 2025 dürfte die japanische Wirtschaft mit 1,1 Prozent zu ihren längerfristigen Wachstumsraten zurückkehren.
Chinas Wirtschaft ist dank starker Außennachfrage im ersten Quartal 2024 im Vergleich zum Vorquartal um überraschend kräftige 1,6 Prozent gewachsen. Auch die Industrieproduktion erholte sich und wuchs im April im Jahresvergleich um 6,7 Prozent. Der Caixin-Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe stieg im Mai auf 51,7 Punkte, nach 51,4 Punkten im April. Gleichzeitig sinken die Preise im Immobilienmarkt weiter, und die Konsumentenzuversicht bleibt verhalten. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte deshalb im laufenden Quartal mit 0,7 Prozent etwas weniger stark wachsen.
Chinas Verbraucherpreise stiegen im Jahresvergleich um 0,3 Prozent im April, nachdem sie im März noch um schwache 0,1 Prozent zulegten. Die steigenden Preise dürften ein erstes Zeichen für eine sich erholende Binnennachfrage sein. Unterstützend dazu hat die chinesische Zentralbank im Februar mit der Absenkung der Mindestreserven einen expansiveren Kurs eingeschlagen. In diesem Jahr dürfte die Inflationsrate nur 0,9 Prozent betragen, bevor sie sich im kommenden Jahr mit 1,8 Prozent wieder normalisiert.
Zusammen mit einer expansiveren Geldpolitik ist auch die Fiskalpolitik expansiv ausgerichtet: Die chinesische Regierung kündigte einige der bisher stärksten Maßnahmen zur Wiederbelebung des schuldengeplagten Immobiliensektors an, der einen stetigen Preisverfall zeigt. Lokale Regierungen werden zum Kauf von Wohnprojekten ermutigt, um sie vom Markt zu nehmen und sie unter anderem in Sozialwohnungen umzuwandeln. Die chinesische Zentralbank unterstützt solche Ankäufe mittels einem Kreditfonds in der Höhe von 300 Milliarden Yuan (38,4 Milliarden Euro), was rund 0,9 Prozent des BIP entspricht. Auch die Mindesthypothekenzinsen wurden abgeschafft, und die Anzahlung für Erstkäufer*innen von Wohneigentum wurde abgesenkt.
In diesem Jahr dürfte Chinas Wirtschaft, trotz des schwächeren zweiten Halbjahrs, um 4,8 Prozent wachsen (Abbildung 9). Die Prognose fällt 0,2 Prozentpunkte positiver aus als im Frühjahr. Das ist einerseits auf die jüngsten fiskal- und geldpolitischen Maßnahmen gegen die Schwäche im Immobiliensektor zurückzuführen. Andererseits dürfte Chinas Außenhandel von der sich abzeichnenden Erholung in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften profitieren. Die Wachstumsprognose für 2025 liegt bei 4,6 Prozent und ist somit unverändert zur Frühjahrsprognose.
Ein wichtiger Risikofaktor im weiteren Verlauf ist der Handelsstreit mit den USA. Die USA kündigten im Mai hohe Zölle auf importierte chinesische Waren im Wert von 18 Milliarden US-Dollar an. Dies betrifft vor allem Halbleiter, Batterien sowie Elektrofahrzeuge und dürfte einen dämpfenden Effekt auf den Warenhandel im Prognoseverlauf haben. Gleichzeitig steigen die Spannungen rund um Taiwan. Ende Mai, kurz nach der Amtseinführung von Lai Ching-te als neuem Präsidenten von Taiwan, läutete China weitere militärische Übungen ein.
Weitere Risikofaktoren sind der Immobilienmarkt und das langfristige Wachstumsmodell Chinas. Es gibt Anzeichen, dass die ergriffenen fiskal- und geldpolitischen Maßnahmen wohl eine Erholung einleiten, gleichzeitig hat die Immobilienkrise auch strukturelle Probleme aufgezeigt: Die private Binnennachfrage, insbesondere die Verbrauchernachfrage, sollte einen größeren Anteil an der chinesischen Wirtschaft haben, um weiterhin hohe Wachstumsraten zu garantieren.
Die deutsche Wirtschaft arbeitet sich aus dem Konjunkturtief. Nach einem schwachen vergangenen Jahr ist sie positiv in das Jahr 2024 gestartet.Der Rückgang der Wirtschaftsleistung war laut revidierten Daten des Statistischen Bundesamtes im vierten Quartal 2023 etwas deutlicher ausgefallen als im Frühjahr berichtet worden war. Im ersten Quartal dieses Jahres stieg die Wirtschaftsleistung um 0,2 Prozent und damit deutlicher, als es sich zuvor abgezeichnet hatte (Abbildung 10).In dieser Prognose werden preisbereinigte Kennzahlen berichtet, außer bei der Beschreibung von Preis- und Lohnentwicklungen, den öffentlichen Finanzen und dem öffentlichen Defizit. Das Wachstum im ersten Quartal war nicht zuletzt auf eine überraschend kräftige Ausweitung der Bauinvestitionen aufgrund des milden Winterwetters zurückzuführen. Zudem sind die Warenexporte unerwartet stark gestiegen, was einen positiven Außenbeitrag zur Wirtschaftsleistung nach sich zog. Der private Verbrauch ging derweil weiter zurück, obwohl die Inflationsraten gesunken und die verfügbaren Einkommen gestiegen sind (Abbildung 11).
Die politische Unentschlossenheit der Bundesregierung und ein hohes Zinsniveau dürften die Kauflaune im ersten Quartal getrübt haben. Auch die kräftigen Zuwächse der Reallöhne konnten die Zuversicht der Konsument*innen offenbar nicht hinreichend stärken, um den Rückgang des privaten Konsums zu verhindern. Dabei standen die Zeichen für eine Konsumerholung zu Jahresbeginn eigentlich auf Grün: Die Beschäftigung nahm zu und die Nominallöhne stiegen deutlich, beispielsweise in der Energiewirtschaft und im öffentlichen Dienst der Länder. Da die Verbraucherpreisinflation weiter sank und seit Beginn des Jahres beständig unterhalb der Drei-Prozent-Marke liegt, stiegen die Reallöhne ebenfalls spürbar. Der Rückgang der Teuerung ist vor allem auf eine niedrigere Nahrungsmittelinflation und Preisrückgänge bei Energiegütern zurückzuführen. Die Kerninflation, die Lebensmittel und Energie ausschließt, legte derweil im ersten Quartal kräftiger zu, was maßgeblich an weiter anziehenden Preisen für Dienstleistungen gelegen hat.
Die Warenexporte stiegen deutlich, insbesondere die Ausfuhren chemischer sowie pharmazeutischer Produkte. Chemische Erzeugnisse dienen häufig in weiterführenden Produktionsprozessen als Vorleistungsgüter. Nachdem sie aufgrund der hohen Energiepreise besonders stark zurückgegangen waren, könnte deren Anziehen ebenfalls auf eine allmähliche Belebung der globalen Industrie hindeuten. Auch die deutschen Wareneinfuhren legten deutlich zu. Da die Importe insgesamt jedoch weniger ausgeweitet wurden als die Exporte, ergab sich im ersten Quartal ein positiver Außenbeitrag. Die privaten und öffentlichen Investitionen stützten die Wirtschaftsleistung ebenfalls. Ausschlaggebend hierfür war das milde Wetter, das die Produktion im Baugewerbe begünstigte und einen deutlichen Anstieg der Bauinvestitionen – insbesondere im Wohnungsbau – nach sich zog. Die Ausrüstungsinvestitionen gingen dagegen leicht zurück.
Die Bruttowertschöpfung legte im ersten Quartal mit 0,3 Prozent etwas stärker zu als das Bruttoinlandsprodukt (BIP). So stieg die Produktion im Verarbeitenden Gewerbe leicht. Hier deutet sich eine langsame Erholung der energieintensiven Sektoren an, die ihre Produktion nach der anhaltenden Schwächephase in Folge der stark gestiegenen Energiepreise erstmals wieder ausweiten konnten. Gleichwohl dürften auch langfristig nicht alle Verluste wieder aufgeholt werden. So hat zumindest ein Teil der energieintensiven Unternehmen die Produktion angesichts der in Deutschland vergleichsweise hohen Energiekosten mittlerweile ins Ausland verlagert und entsprechende Stellen hierzulande abgebaut. Zusammen mit der kräftigen Ausweitung im Baugewerbe konnte auch das Produzierende Gewerbe insgesamt zulegen und mit knapp 0,1 Prozentpunkten positiv zur Ausweitung der Bruttowertschöpfung beitragen. Diese wurde aber in erster Linie von den Dienstleistern getragen – sowohl die konsumnahen (etwa 0,1 Prozentpunkte) als auch die öffentlichen (etwa 0,2 Prozentpunkte) Dienstleistungssektoren expandierten kräftig.
Im laufenden zweiten Quartal dürfte die deutsche Wirtschaft erneut um 0,2 Prozent zulegen (Tabelle 2). Vor allem der private Verbrauch wird sich wohl nachhaltig verbessern. Die Haushalte gewinnen dank der kontinuierlich steigenden Reallöhne langsam an Kaufkraft. Nach den Einmalzahlungen, die in vielen Branchen im vergangenen Jahr gezahlt wurden, werden nun vielerorts die vereinbarten Tarifsteigerungen wirksam, die den Arbeitnehmer*innen dauerhaft mehr Geld auf dem Lohnzettel bescheren. Dies dürfte die Einkommenssicherheit stärken. Vor allem für Haushalte mit niedrigen Einkommen sind die kräftigen Reallohnzuwächse eine Erleichterung und werden den Konsum fortan wohl stützen. Auch Haushaltsbefragungen deuten auf eine geringere Sparneigung und größere Konsumbereitschaft hin. Zusätzliche Impulse für den privaten Verbrauch liefert im laufenden und im dritten Quartal die Fußball-Europameisterschaft der Männer, die im Frühsommer in Deutschland stattfindet.
In Prozent (jeweils gegenüber dem Vorquartal, saison- und kalenderbereinigt)
2023 | 2024 | 2025 | ||||||||||
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I | II | III | IV | I | II | III | IV | I | II | III | IV | |
Privater Verbrauch | −0,7 | 0,3 | 0,0 | 0,4 | −0,4 | 0,3 | 0,4 | 0,4 | 0,4 | 0,3 | 0,3 | 0,2 |
Öffentliche Konsumausgaben | −1,3 | 0,1 | 1,4 | 0,6 | −0,4 | 0,3 | 0,1 | 0,2 | 0,2 | 0,4 | 0,4 | 0,3 |
Bruttoanlageinvestitionen | 1,0 | −0,1 | 0,1 | −2,1 | 1,2 | −0,5 | −0,1 | 0,2 | 0,6 | 0,7 | 0,8 | 0,8 |
Bauten | 1,5 | −0,5 | −0,7 | −1,9 | 2,7 | −0,9 | −0,4 | −0,1 | 0,4 | 0,6 | 0,6 | 0,7 |
Ausrüstungen | 1,9 | 0,7 | 1,4 | −4,0 | −0,2 | −0,2 | 0,4 | 0,7 | 0,9 | 1,0 | 1,1 | 1,1 |
Sonstige Investitionen | −1,6 | 0,0 | 0,3 | 0,7 | −1,1 | 0,1 | 0,1 | 0,1 | 0,6 | 0,8 | 0,8 | 0,8 |
Lagerveränderung1 | −0,1 | 0,2 | −0,6 | −0,7 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 |
Inländische Verwendung | −0,5 | 0,4 | −0,3 | −0,8 | 0,0 | 0,1 | 0,2 | 0,3 | 0,4 | 0,4 | 0,4 | 0,4 |
Außenbeitrag | 0,8 | −0,4 | 0,4 | 0,3 | 0,3 | 0,1 | 0,1 | 0,1 | 0,0 | 0,0 | 0,0 | 0,0 |
Export | 0,5 | −0,7 | −0,9 | −0,9 | 1,1 | 0,6 | 1,0 | 1,0 | 0,9 | 0,7 | 0,7 | 0,7 |
Import | −1,1 | 0,2 | −1,8 | −1,6 | 0,6 | 0,5 | 0,8 | 0,9 | 0,9 | 0,9 | 0,9 | 0,9 |
Bruttoinlandsprodukt | 0,3 | −0,1 | 0,1 | −0,5 | 0,2 | 0,2 | 0,3 | 0,4 | 0,4 | 0,4 | 0,3 | 0,3 |
Bruttowertschöpfung | 0,4 | −0,1 | 0,1 | −0,5 | 0,3 | 0,2 | 0,3 | 0,4 | 0,4 | 0,4 | 0,3 | 0,3 |
Verarbeitendes Gewerbe | 0,7 | 0,0 | −1,1 | −1,7 | 0,2 | 0,1 | 0,4 | 0,5 | 0,5 | 0,5 | 0,4 | 0,4 |
Baugewerbe | 3,2 | 0,1 | 0,0 | −2,0 | 2,5 | −0,8 | −0,3 | 0,1 | 0,4 | 0,5 | 0,6 | 0,6 |
Handel, Gastgewerbe, Verkehr | −0,8 | 0,0 | 1,3 | −1,3 | 0,4 | 0,4 | 0,6 | 0,6 | 0,6 | 0,5 | 0,4 | 0,4 |
Unternehmensdienstleister | −0,1 | 0,4 | 0,3 | 0,5 | −0,4 | 0,3 | 0,4 | 0,4 | 0,4 | 0,4 | 0,4 | 0,3 |
Öffentliche Dienstleistungen, Erziehung, Gesundheit | 1,2 | −0,5 | 0,1 | 0,2 | 1,1 | 0,3 | 0,3 | 0,2 | 0,2 | 0,2 | 0,2 | 0,2 |
1 Wachstumsbeitrag in Prozentpunkten.
Anmerkung: Prognose ab dem zweiten Quartal 2024.
Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW-Konjunkturprognose Sommer 2024.
Die globale Konjunktur belebt die Auslandsnachfrage. Besonders profitieren dürfte der deutsche Außenhandel vom Aufschwung wichtiger Handelspartner im Euroraum. Die Einfuhren dürften dabei in ähnlichem Maße zulegen wie die Ausfuhren, sodass der Beitrag des Außenhandels zum BIP im zweiten Quartal insgesamt wohl geringer ausfallen wird als im ersten Quartal.
Von den Investitionen dürften nach dem starken Jahresbeginn im laufenden Quartal dagegen keine Wachstumsimpulse ausgehen. Bei den Bauinvestitionen ist eine negative Gegenbewegung zum kräftigen Anstieg im ersten Quartal zu erwarten. Das liegt vor allem an einem Rückgang im Wohnungsbau, wo die Lage weiterhin enorm angespannt ist. Auch die Ausrüstungsinvestitionen werden angesichts der zunächst noch zaghaften konjunkturellen Entwicklung wohl erneut etwas zurückgehen.
Auch die Industrie dürfte sich eher behäbig erholen. Die Unternehmen schätzen ihre Lage weiterhin verhalten ein. Das Verarbeitende Gewerbe verzeichnet bereits seit dem Jahr 2022 immer weniger neue Aufträge (Abbildung 12). Die Geschäftserwartungen verbessern sich nur langsam. Zwar ist der Einkaufsmanagerindex für die Gesamtwirtschaft in diesem Quartal erstmals seit dem Sommer des vergangenen Jahres wieder über die Expansionsschwelle von 50 geklettert. Dies liegt allerdings vor allem am Dienstleistungsbereich, wo sich die Stimmung zuletzt deutlich aufgehellt hat – die Erholung des privaten Konsums sollte dort für einen raschen Aufschwung sorgen, unterstützt durch positive Impulse von der Heim-EM. Neben dem Hotel- und Gaststättengewerbe dürften auch weitere konsumnahe Dienstleister und die Konsumgüterhersteller profitieren und ihre Produktion ausweiten. Die Hochwasser in Süddeutschland werden die Produktion hingegen wohl nicht bedeutsam beeinträchtigen.
Im weiteren Prognoseverlauf wird die Erholung der deutschen Wirtschaft voraussichtlich deutlich an Fahrt gewinnen. Treibende Kraft bleibt der private Konsum, der durch die weiterhin gute Lohnentwicklung, Zuwächse bei der Beschäftigung und eine abnehmende Arbeitslosigkeit gestützt wird (Tabelle 3). Da sich wohl auch die Binnenwirtschaft wichtiger Handelspartner erholen wird, dürfte der Außenhandel ab der zweiten Jahreshälfte ebenfalls nachhaltig ausgeweitet werden. Dazu kommt die zu erwartende Belebung der weltweiten Industrieproduktion, die durch die angenommene Zinswende der großen Zentralbanken begünstigt wird und die deutsche Exportwirtschaft anschieben dürfte. Dies wird wohl auch die Dynamik bei den privaten Ausrüstungsinvestitionen etwas beleben, wenn Unternehmen im Hinblick auf die steigende Nachfrage ihre Kapazitäten vor allem im Jahr 2025 wieder vermehrt ausweiten. Hinzu kommen kräftige Investitionsimpulse der öffentlichen Hand. So dürften aus dem Sondervermögen für die Bundeswehr wohl vermehrt Mittel für Militärausgaben abgerufen werden. Lediglich die Bauinvestitionen werden angesichts der anhaltenden Schwäche im Wohnungsbau auch in der zweiten Jahreshälfte 2024 noch leicht zurückgehen und erst im kommenden Jahr, getragen vor allem von Investitionen in Schienen- und Energienetze, zum Wirtschaftswachstum beitragen. Der Wiederaufbau und die Reparaturarbeiten nach dem Hochwasser in Süddeutschland dürften dieses Bild nicht substanziell verändern.
In Prozentpunkten (preisbereinigt)
Veränderungsbeiträge1 | |||
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2023 | 2024 | 2025 | |
Konsumausgaben | −0,6 | 0,5 | 0,9 |
Private Haushalte | −0,4 | 0,3 | 0,6 |
Staat | −0,2 | 0,2 | 0,2 |
Bruttoanlageinvestitionen | −0,2 | −0,2 | 0,3 |
Bauten | −0,3 | 0,0 | 0,1 |
Ausrüstungen | 0,2 | −0,2 | 0,2 |
Sonstige Anlagen | 0,0 | 0,0 | 0,1 |
Vorratsveränderungen | −0,3 | −0,7 | 0,0 |
Inländische Verwendung | −1,0 | −0,4 | 1,2 |
Außenbeitrag | 0,8 | 0,7 | 0,2 |
Exporte | −0,3 | 0,4 | 1,6 |
Importe | −1,2 | −0,3 | 1,4 |
Bruttoinlandsprodukt2 | −0,2 | 0,3 | 1,3 |
1 Verwendungsaggregate abzüglich ihres Importgehalts.
2 Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent; Abweichungen in den Summen durch Runden der Zahlen.
Anmerkung: Prognose ab dem Jahr 2024.
Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW-Konjunkturprognose Sommer 2024.
Neben der nur allmählich weniger restriktiv werdenden Geldpolitik ist auch die Finanzpolitik restriktiv ausgerichtet: Viele finanzpolitische Maßnahmen, die in Reaktion auf die Energiepreiskrise aufgesetzt worden waren (allen voran die Strom- und Gaspreisbremsen, die Stabilisierung der Übertragungsnetzentgelte sowie Hilfen für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen), entfallen im laufenden Jahr (Kasten 2). Auch im kommenden Jahr dürften restriktive Impulse wie der Wegfall der abgabenfreien Inflationsausgleichsprämie expansive Impulse aus dem Wachstumschancengesetz und dem Sondervermögen für die Bundeswehr übersteigen. Im Einklang damit werden sich die Fehlbeträge im gesamtstaatlichen Haushalt voraussichtlich leicht rückläufig entwickeln und von 2,4 Prozent in Relation zur Wirtschaftsleistung im Jahr 2023 auf 1,9 Prozent im Jahr 2024 und weiter auf 1,3 Prozent im Jahr 2025 zurückgehen.
Nach vier Jahren expansiver fiskalischer Impulse schlägt die Finanzpolitik nun wieder einen restriktiven Kurs ein. Umfangreiche temporäre Maßnahmen zur Bekämpfung der Folgen der Corona-Pandemie und der Energiekrise sind größtenteils bereits ausgelaufen (Tabelle).
Im Vergleich zum Vorjahr verzeichnen die öffentlichen Haushalte noch immer weniger Einnahmen wegen Anpassungen des Einkommensteuertarifs, beispielsweise der Anhebung der Grund- und Freibeträge, dem Ausgleich der Kalten Progression im Rahmen des Inflationsausgleichsgesetzes, der Absenkung der Stromsteuer für das Produzierende Gewerbe, der Verlängerung degressiver Abschreibungsregeln und weiterer investitionsfördernder Maßnahmen für Unternehmen im Rahmen des Wachstumschancengesetzes. Diese Maßnahmen schmälern zwar die Einnahmen der öffentlichen Haushalte, stehen aber dafür den privaten Haushalten und Unternehmen zur Verfügung und wirken so expansiv. Hingegen kommen auf Unternehmen durch das Auslaufen mehrerer temporärer Steuersenkungen im Zuge der Energiekrise, wie die Aufhebung der temporären Umsatzsteuersenkung auf Erdgas und in der Gastronomie, nun höhere Abgaben zu, die zu einem Gutteil an die Konsument*innen weitergegeben werden dürften. Dies wirkt restriktiv, zugleich verbessert sich dadurch aber die Einnahmesituation der öffentlichen Haushalte. Ähnlich wirken dürften steigende Erlöse des Brennstoffemissionshandels durch die Anhebung des CO2-Preises auf 45 Euro zum vergangenen Jahreswechsel, die Anhebung und sukzessive Ausweitung der Lkw-Maut ab Dezember 2023 und die Erhöhung der Luftverkehrssteuer zum 1. Mai des laufenden Jahres.
Auch von der Einnahmenseite der Sozialversicherungen gehen restriktive Impulse aus. So wirkt die Erhöhung des Beitragssatzes zur gesetzlichen Pflegeversicherung zum 1. Juli 2023 im laufenden Jahr noch nach. Zudem wird angenommen, dass die gesetzlichen Krankenkassen ihren Zusatzbeitrag im Vergleich zum Vorjahr im Durchschnitt nochmals leicht anheben werden. Bei den Sozialversicherungsbeiträgen (wie auch bei der Lohnsteuer auf der Einnahmenseite der Gebietskörperschaften) werden sich im laufenden Jahr Mehreinkünfte allein schon dadurch ergeben, dass die Löhne fortan hauptsächlich in Form üblicher Tarifanpassungen steigen werden und deutlich weniger in Form der abgabenfreien Inflationsausgleichsprämie.
Die Ausgaben der öffentlichen Haushalte werden im kommenden Jahr deutlich entlastet: Stützungsmaßnahmen im Zuge der Energiekrise – wie Gas- und Strompreisbremsen sowie Hilfen für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen – fallen weg. Dies dürfte sich restriktiv auf die Konjunktur auswirken, denn diese Hilfen stehen den privaten Haushalten und Unternehmen nun nicht mehr zur Verfügung. Zudem entfiel der Umweltbonus für den Kauf von Elektrofahrzeugen im Zuge von Sparmaßnahmen im Klima- und Transformationsfonds (KTF) früher als geplant, wodurch im laufenden Jahr ebenfalls Minderausgaben zu Buche schlagen. Expansiv wirken auf der Ausgabenseite hingegen weiter bestehende Ausgaben des KTF, wie die Förderung der Energieeffizienz im Gebäudebereich, Zuschüsse zur Errichtung von Tank- und Ladeinfrastruktur sowie die Abschaffung der EEG-Umlage für die Verbraucher*innen. Des Weiteren ergeben sich geringfügige stimulierende Impulse durch Maßnahmen der sozialen Sicherung wie die Bürgergeld- und Wohngeldreform, die Förderung des sozialen Wohnungsbaus und die Fortführung des 49-Euro-Tickets. Ein großer Mehrausgabenposten ist zudem das Sondervermögen für die Bundeswehr. Insgesamt dürfte sich die Budgetwirkung der finanzpolitischen Maßnahmen im laufenden Jahr gemessen an der Wirtschaftsleistung auf 0,7 Prozent belaufen und somit gegenüber dem Vorjahr restriktiv sein.
Im kommenden Jahr dürfte die Finanzpolitik mit einem Impuls von 0,3 Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt die Konjunktur ebenfalls bremsen. Zwar werden weitere Anpassungen des Einkommensteuertarifs und erneute Impulse aus dem Wachstumschancengesetz expansiv wirken. Zudem werden bei den Ausgaben die Einführung der Kindergrundsicherung und die Maßnahmen des Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetzes wohl für geringe und die weitere Ausweitung der Militärausgaben im Rahmen des Sondervermögens für die Bundeswehr für deutlich stimulierende Impulse sorgen. Diesen Mindereinnahmen und Mehrausgaben steht allerdings eine Vielzahl restriktiver Maßnahmen gegenüber. Dies betrifft vor allem das Auslaufen der Abgabenfreiheit bei der Inflationsausgleichsprämie, das für deutliche Mehreinnahmen in den Gebietskörperschaften und den Sozialversicherungen führen dürfte. Außerdem entfallen vorgezogene Abschreibungen bei der Unternehmensbesteuerung und die Begünstigung von Agrardiesel, während die Tabaksteuer und der CO2-Preis weiter angehoben werden. All dies schlägt sich in steigenden Einnahmen der öffentlichen Hand nieder. Auf der Ausgabenseite dürfte im nächsten Jahr der Wegfall letzter nachlaufender Kosten nach dem Ende der Strom- und Gaspreisbremsen für leicht restriktive Impulse sorgen. Gewichtiger werden die Kürzungen sein, die sich durch die Finanzierungslücke des KTF ergeben.
Tabelle
In Milliarden Euro (gegenüber dem Vorjahr)
2024 | 2025 | |
---|---|---|
Einnahmen der Gebietskörperschaften | ||
Jahressteuergesetz 2022 | 0,2 | 1,0 |
Inflationsausgleichsgesetz (Anpassung Einkommensteuertarif) | −14,6 | −2,8 |
Ausgleich kalte Progression 2025 | 0,0 | −4,1 |
Abgabenfreiheit Inflationsausgleichsprämie | 2,5 | 5,1 |
Wegfall Begünstigung von Agrardiesel | 0,0 | 0,2 |
Erhöhung Luftverkehrssteuer | 0,4 | 0,2 |
Absenkung Stromsteuer | −3,3 | 0,0 |
temporäre Umsatzsteuersenkung auf Erdgas | 4,5 | 1,0 |
temporäre Umsatzsteuersenkung in der Gastronomie | 2,9 | 0,5 |
Erlöse Brennstoffemissionshandel (BEHG) | 4,3 | 2,9 |
Wegfall Spitzenausgleich Stromsteuer | 1,7 | 0,0 |
Degressive AfA (Zweites Corona-Steuerhilfegesetz) | 3,8 | 1,8 |
Viertes Corona-Steuerhilfegesetz (Verlängerung degressive AfA, Home-Office-Pauschale etc.) | −1,2 | 2,1 |
Erhöhung Lkw-Maut | 7,5 | 0,0 |
Anhebung Tabaksteuer | 0,0 | 0,9 |
Wachstumschancengesetz | −0,7 | −0,8 |
Zukunftsfinanzierungsgesetz | −0,3 | −0,2 |
Sonstige steuerliche Maßnahmen1 | 0,4 | 0,0 |
Einnahmen der Sozialversicherungen | ||
Erhöhung des Zusatzbeitragssatzes in der gesetzlichen Krankenversicherung | 2,6 | 0,0 |
Erhöhung des Beitragssatzes in der Pflegeversicherung | 3,5 | 0,0 |
Abgabenfreiheit Inflationsausgleichsprämie | 3,5 | 7,1 |
Ausgaben der Gebietskörperschaften | ||
Strom- und Gaspreisbremse, Stabilisierung der Übertragungsnetzentgelte | 29,3 | 1,3 |
Auslaufen der Kaufprämie für E-Autos („Umweltbonus”) | 2,6 | 0,0 |
Hilfen für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen in Energiekrise | 6,0 | 0,0 |
Einmalzahlungen an Rentner*innen und Studierende | 0,8 | 0,0 |
Zuschuss für energieintensive Unternehmen | 2,0 | 0,0 |
Eigenkapitalzuschüsse für die Deutsche Bahn | -4,4 | 0,0 |
zusätzliche Ausgaben Klima- und Transformationsfonds | −15,2 | 3,0 |
Einführung Bürgergeld | −0,4 | 0,0 |
Kürzungen beim Bürgergeld | 0,3 | 0,0 |
Wohngeldreform | −0,9 | 0,0 |
Erhöhung Kindergeld | 1,5 | 0,0 |
Einführung Kindergrundsicherung | 0,0 | −2,0 |
Förderung sozialer Wohnungsbau | −0,7 | −0,4 |
Deutschlandticket | −0,4 | −0,1 |
Kürzungen Elterngeld für Spitzenverdienende | 0,2 | 0,3 |
Startchancenprogramm für Schulen | −0,3 | −0,4 |
Mehrausgaben für Verteidigung | −8,0 | −6,0 |
Unterstützungsleistungen Ukraine | −3,1 | 0,0 |
Konsolidierungsmaßnahmen des Bundes | 1,9 | 2,3 |
Ausgaben der Sozialversicherungen | ||
Anpassung Rente Ost | −0,5 | 0,0 |
Grundrente | −0,1 | −0,1 |
Pflegepersonal-Stärkungsgesetz und Pflegereform | −0,3 | 0,0 |
Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz | 0,3 | −1,0 |
Insgesamt | 28,3 | 11,8 |
In Relation zum Bruttoinlandsprodukt in Prozent | 0,7 | 0,3 |
Anmerkung: Ohne makroökonomische Rückwirkungen.
1 Sonstige steuerliche Maßnahmen beinhalten das Zweite Familienentlastungsgesetz, das Jahressteuergesetz 2020 und das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts.
Quellen: Bundesregierung (Haushaltsplan, Gesetzesentwürfe, Monatsberichte des Bundesfinanzministeriums, Finanzberichte 2021 bis 2024, Datensammlung zur Steuerpolitik); DIW-Konjunkturprognose Sommer 2024.
© DIW Berlin
Alles in allem dürfte das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr wohl leicht um 0,3 Prozent steigen (Tabelle 4). Im kommenden Jahr wird der Zuwachs dann voraussichtlich 1,3 Prozent betragen. Damit hebt das DIW Berlin seine Prognose für das laufende Jahr um 0,3 Prozentpunkte und für das kommende Jahr um 0,1 Prozentpunkte an. Ausschlaggebend für die Verbesserung der Prognose sind sowohl das unerwartet starke erste Quartal 2024 als auch eine leicht stärkere Dynamik im Jahresverlauf, die davon profitieren dürfte, dass sich die Weltkonjunktur und insbesondere wichtige Handelspartner zügiger erholen werden.
2023 | 2024 | 2025 | |
---|---|---|---|
Bruttoinlandsprodukt1 | −0,2 | 0,3 | 1,3 |
Erwerbstätige2 (1000 Personen) | 45932 | 46072 | 46153 |
Arbeitslose (1000 Personen) | 2609 | 2731 | 2608 |
Arbeitslosenquote BA3 (in Prozent) | 5,7 | 5,9 | 5,6 |
Verbraucherpreise4 | 5,9 | 2,3 | 2,0 |
Lohnstückkosten5 | 6,6 | 4,6 | 2,4 |
Finanzierungssaldo des Staates6 | |||
in Milliarden Euro | −99,1 | −82,8 | −56,5 |
in Prozent des nominalen BIP | −2,4 | −1,9 | −1,3 |
Leistungsbilanzsaldo | |||
in Milliarden Euro | 243,1 | 321,9 | 351,9 |
in Prozent des nominalen BIP | 5,9 | 7,6 | 8,0 |
1 Preisbereinigt. Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent.
2 Inlandskonzept.
3 Arbeitslose in Prozent der zivilen Erwerbspersonen (Definition gemäß der Bundesagentur für Arbeit).
4 Veränderung gegenüber dem Vorjahr.
5 Im Inland entstandene Arbeitnehmerentgelte je Arbeitnehmerstunde bezogen auf das reale Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigenstunde.
6 In Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (ESVG).
Anmerkung: Prognose ab dem Jahr 2024.
Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW-Konjunkturprognose Sommer 2024.
Das potenzielle Bruttoinlandsprodukt entwickelt sich bis Ende 2028 wohl nur schwach (Tabelle 5), vor allem durch die negative Entwicklung des Arbeitsvolumens (Tabelle 6).Für eine ausführliche Beschreibung der Methode zur Berechnung des Produktionspotenzials siehe Karel Havik et al. (2014): The Production Function Methodology for Calculating Potential Growth Rates and Output Gaps. Europäische Kommission, European Economy – Economic Papers 535. Demografische Effekte werden durch ein Alterskohortenmodell berücksichtigt; vgl. Timm Bönke et al. (2023): DIW-Konjunkturprognose: Aussichten reichen von wolkig bis heiter. DIW Wochenbericht Nr. 50, 740 (online verfügbar). Vor dem Hintergrund der moderaten Entwicklung im Jahr 2024 dürfte die Produktionslücke im aktuellen Jahr nochmal leicht größer werden und im Jahresdurchschnitt –1,6 Prozent des potenziellen Bruttoinlandsprodukts betragen (Abbildung 13). Im Jahr 2025 wird die Produktionslücke auf voraussichtlich –0,6 zurückgehen, bis 2028 dürfte sie sich schließlich vollständig geschlossen haben.
Erwerbstätige (Inland) | beschäftigte Arbeitnehmer*innen (Inland) | jährliche Arbeitszeit je Erwerbstätigen | Bruttoinlandsprodukt | |||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|
preisbereinigt, verkettete Volumenwerte | ||||||||
insgesamt | je Erwerbstätigen | je Erwerbstätigenstunde | in jeweiligen Preisen | Deflator | ||||
in Tausend | in Tausend | in Stunden | in Milliarden Euro | in Euro | in Euro | in Milliarden Euro | 2015 = 100 | |
2015 | 43122 | 38717 | 1401 | 3026 | 70178 | 50 | 3026 | 100 |
2023 | 45932 | 42053 | 1343 | 3269 | 71161 | 53 | 4122 | 126 |
2028 | 45737 | 42140 | 1351 | 3396 | 74254 | 55 | 4733 | 139 |
Jahresdurchschnittliche Veränderung in Prozent | ||||||||
2023/2015 | 0,8 | 1,0 | −0,5 | 1,0 | 0,2 | 0,7 | 3,9 | 2,9 |
2028/2023 | −0,1 | 0,0 | 0,1 | 0,8 | 0,9 | 0,7 | 2,8 | 2,0 |
Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW-Konjunkturprognose Sommer 2024.
Jahresdurchschnittliche Veränderung in Prozent
2015–2023 | 2023–2028 | |
---|---|---|
Produktionspotenzial | 1,2 | 0,5 |
Wachstumsbeiträge | ||
Arbeitsvolumen | 0,2 | −0,2 |
Kapitalvolumen | 0,5 | 0,3 |
Totale Faktorproduktivität | 0,5 | 0,3 |
Anmerkung: Differenzen bei der Aggregation entstehen durch Rundungseffekte. Angenommen wird, dass die Nettozuwanderung im Jahr 2024 bei 619000 Personen liegt und der Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung unter den Erwerbszugewanderten 87 Prozent und unter den Nicht-Erwerbszugewanderten 71 Prozent beträgt.
Quellen: Statistisches Bundesamt; Europäische Kommission; DIW-Konjunkturprognose Sommer 2024.
Nach dem deutlichen Anstieg der Verbraucherpreise um 5,9 Prozent im vergangenen Jahr wird die Inflation im Jahresdurchschnitt 2024 wohl bei 2,3 Prozent liegen und im Jahr 2025 bei 2,0 Prozent. Damit bleibt die Inflationsprognose des DIW Berlin im Vergleich zum Frühjahr unverändert. Die Kernrate dürfte in diesem Jahr angesichts der höheren Preissteigerungen bei den Dienstleistungen im Durchschnitt noch 2,7 Prozent betragen und mit der nachlassenden Lohndynamik im nächsten Jahr auf 2,0 Prozent sinken.
Neben den globalen Risiken, die Unsicherheiten für den Ausblick der deutschen Wirtschaft mit sich bringen, gibt es auch im Inland Unwägbarkeiten: Dies gilt nicht zuletzt mit Blick auf die Schäden des Hochwassers im Süden Deutschlands. Die Folgen der Überschwemmungen könnten in Bayern und Baden-Württemberg deutlich größer ausfallen als in dieser Prognose angenommen. Denkbar ist beispielsweise, dass Produktionskapazitäten stärker beschädigt worden sind als zunächst gedacht – mit entsprechenden Folgen für die Industrieproduktion. Dabei handelt es sich um ein Abwärtsrisiko für die vorliegende Konjunkturprognose. Es ist jedoch auch ein „Aufwärtsrisiko“ denkbar: Wenn an Wohnbauten und öffentlicher Infrastruktur die Schäden größer sein sollten als erwartet, könnten die folgenden Aufbauarbeiten die Wirtschaftsleistung anheben, vor allem ab dem kommenden Jahr.
Ein weiteres inländisches Risiko für die deutsche Konjunktur ist die unklare Ausgestaltung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen, vor allem die bevorstehende Aufstellung des Haushalts für das Jahr 2025. Sollte sich eine Einigung stark verzögern, könnte dies die privaten Haushalte und Unternehmen verunsichern und so zu Konsum- und Investitionszurückhaltung führen.
Mit einem Plus von saisonbereinigt 38000 Erwerbstätigen im ersten Quartal ist der Arbeitsmarkt robust in dieses Jahr gestartet. Der Großteil des Anstiegs entfiel dabei auf die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, während die Zahl der Selbstständigen weiter zurückging. Die geringfügige Beschäftigung hat ihre Talfahrt aus der zweiten Jahreshälfte 2023 hingegen beendet. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass die Wirtschaftszweige Handel, Verkehr und Gastgewerbe sowie sonstige Dienstleistungen, die in höherem Maße auf geringfügig Beschäftigte zugreifen, mittlerweile besser laufen. Im Gegenzug schlug die Schwäche im Verarbeitenden Gewerbe auf die Beschäftigung durch: In diesem Bereich haben die Unternehmen, wie auch bei den unternehmensnahen Dienstleistungen und im Baugewerbe, die Beschäftigung saisonbereinigt zurückgefahren.Die fünf energieintensivsten Branchen (Herstellung chemischer Erzeugnisse, Metallerzeugung und -verarbeitung, Kokerei und Mineralabbau, Herstellung von Glaswaren, Keramik, Steinen, Papier und Pappe) verzeichneten im Vergleich zum Vorjahr eine um etwa 10000 Personen geringere Beschäftigtenzahl, wobei sich der Rückgang in der chemischen Industrie zuletzt nicht fortsetzte.
Die Arbeitslosigkeit nahm im ersten Quartal um saisonbereinigt 24000 Personen zu.Ein simultaner Anstieg der Arbeitslosenzahl und der Erwerbstätigenzahl ist möglich, wenn die Zahl der Erwerbspersonen insgesamt zunimmt, zum Beispiel durch höhere Partizipationsraten oder Zuwanderung. Vor allem letzterer Effekt treibt die aktuellen Entwicklungen, auch hinsichtlich des Erwerbstätigenzuwachses. Dieser Anstieg verteilte sich annähernd hälftig auf die konjunkturnahe Arbeitslosigkeit, die in den Bereich der Arbeitslosenversicherung (Sozialgesetzbuch (SGB) III) fällt und auf die Grundsicherung im Rechtskreis des SGB II.
Die Frühindikatoren (Stand Mai 2024) für den Arbeitsmarkt haben sich zuletzt leicht verbessert. Zwar legte die konjunkturelle Kurzarbeit im ersten Quartal um rund 26000 Personen zu. Seitdem wird aber wieder etwas weniger Kurzarbeit angekündigt, sodass im laufenden Quartal nicht mit weiteren Anstiegen zu rechnen ist. Die Zahl der Arbeitslosen dürfte im laufenden zweiten Quartal allerdings noch steigen, danach werden sich deren Beschäftigungschancen wohl aber wieder verbessern.Abgerechnet stieg die Arbeitslosigkeit im April und Mai saisonbereinigt zusammengenommen bereits um 35000 Personen. Darauf weisen die vom ifo-Beschäftigungsbarometer gemessenen Beschäftigungsaussichten der Unternehmen hin. Gedämpft werden dürften die Beschäftigungszugänge allerdings von einer zunehmenden Diskrepanz zwischen den Anforderungen ausgeschriebener Stellen und der Qualifikation der Bewerber*innen. Darauf deutet hin, dass der Arbeitskräfteknappheits-Index des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) und die Vakanzzeit, also die Zeitspanne zwischen der Ausschreibung und Besetzung einer Stelle, zuletzt wieder etwas gestiegen sind.
Insgesamt ist für das laufende Jahr mit einem Anstieg der Beschäftigung um knapp 140000 auf insgesamt 46,1 Millionen Personen zu rechnen (Abbildung 14, oberer Teil). Obwohl die Arbeitslosigkeit bereits ab der Jahresmitte wieder sinken dürfte, ergibt sich durch den deutlichen positiven Überhang aus dem Vorjahr auf das Gesamtjahr gerechnet ein Anstieg der Arbeitslosenzahl um 122000 (Abbildung 14, unterer Teil).
Im Jahr 2025 dürfte sich die Dynamik des Beschäftigungsaufbaus trotz der unterstellten konjunkturellen Belebung abschwächen, da das Erwerbspersonenpotenzial, das alterungsbedingt kaum noch steigt, zunehmend ausgeschöpft wird. Daher wird im kommenden Jahr mit einem geringeren Anstieg der Erwerbstätigenzahl um 81000 gerechnet. Im Prozess der Annäherung an das Produktionspotenzial dürfte die registrierte Arbeitslosigkeit im kommenden Jahr dennoch deutlich um 123000 Personen zurückgehen. Dies spiegelt sich auch in der Arbeitslosenquote wider, die nach einem Anstieg um 0,2 Prozentpunkte auf 5,9 Prozent in diesem Jahr im Jahr 2025 auf voraussichtlich 5,6 Prozent zurückgehen wird (Tabelle 7).
In tausend Personen (sofern nicht anders angegeben)
2023 | 2024 | 2025 | |
---|---|---|---|
Arbeitsvolumen (in Millionen Stunden) | 61671 | 61899 | 62530 |
Erwerbstätige Inland | 45932 | 46072 | 46153 |
Arbeitnehmer*innen | 42053 | 42210 | 42310 |
darunter: | |||
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte | 34798 | 34950 | 35062 |
Geringfügig Beschäftigte | 4199 | 4198 | 4174 |
Selbstständige | 3879 | 3858 | 3843 |
Pendler*innensaldo | −147 | −151 | −148 |
Erwerbstätige Inländer*innen | 45786 | 45921 | 46004 |
Arbeitslose | 2609 | 2731 | 2608 |
Arbeitslosenquote BA1 (in Prozent) | 5,7 | 5,9 | 5,6 |
Erwerbslose2 | 1335 | 1433 | 1373 |
Erwerbslosenquote3 (in Prozent) | 3,0 | 3,2 | 3,1 |
1 Arbeitslose in Prozent der zivilen Erwerbspersonen (Definition gemäß der Bundesagentur für Arbeit).
2 Definition der ILO.
3 Erwerbslose in Prozent der inländischen Erwerbspersonen (Erwerbstätige Inländer*innen plus Erwerbslose).
Anmerkung: Prognose ab dem Jahr 2024.
Quellen: Statistisches Bundesamt, Bundesagentur für Arbeit; DIW-Konjunkturprognose Sommer 2024.
Die durchschnittliche Arbeitszeit der Erwerbstätigen liegt derweil immer noch deutlich unter dem Vor-Corona-Niveau und rutschte im vierten Quartal 2023 noch einmal ins Minus, was wohl auf einen überdurchschnittlichen Krankenstand zurückzuführen war.Seit Beginn des Jahres 2022 wurde ein deutlicher Anstieg des Krankenstandes verzeichnet, der jeweils im vierten Quartal besonders ausgeprägt war. Es bleibt allerdings noch zu prüfen, ob sich diese Entwicklung zu einem Großteil auf die Einführung der elektronischen Krankschreibung im Jahr 2022 zurückführen lässt und damit statistisch überzeichnet sein könnte. Im ersten Quartal des laufenden Jahres ist die Arbeitszeit je Erwerbstätigen leicht gestiegen. Ob dies nun eine Trendwende einläutet, ist fraglich: Es wird zwar davon ausgegangen, dass die durchschnittlichen Arbeitsstunden im weiteren Jahresverlauf leicht zunehmen werden, unter anderem, weil die Zahl der Kurzarbeitenden mit dem Anziehen der Wirtschaftsleistung ab der Jahresmitte wieder sinkt und Arbeitszeitkonten aufgebaut werden. Der strukturelle Effekt infolge der demografischen Alterung dürfte jedoch überwiegen, sodass die Arbeitsstunden auch zum Ende des Prognosehorizonts trotz hoher wirtschaftlicher Auslastung wohl weiter hinter dem Vor-Corona-Niveau zurückbleiben.So steigt die Dauer der Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse DAK zufolge mit dem Alter sukzessive an und die Teilzeitquote der 65- bis 74-Jährigen ist mit 76 Prozent (Stand 2023) laut dem Statistischen Bundesamt deutlich überdurchschnittlich. Für sich genommen dämpfen beide Effekte die durchschnittlichen Arbeitsstunden je Erwerbstätigen.
Die Tarifverdienste haben mit einem Anstieg um 5,6 Prozent im ersten Quartal 2024 (im Vergleich zum Vorjahresquartal) erstmals seit dem ersten Quartal 2021 zur Wachstumsrate der Effektivverdienste aufgeschlossen (5,9 Prozent). Feste Vertragslaufzeiten und teilweise langwierige Verhandlungsrunden haben dazu geführt, dass die Tarifverdienste erst deutlich verzögert auf das Hochinflationsumfeld reagieren konnten. Allerdings liegt der Grund für die starken Zuwächse der Tarif- und Effektivverdienste vor allem in der Abgabenfreiheit der Inflationsausgleichsprämie und entsprechender Einmalzahlungen.Dies betrifft vor allem den Tarifabschluss im öffentlichen Dienst der Länder (ohne Hessen), der die Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie von 1800 Euro im Dezember 2023 vorsah, die sich wohl im ersten Quartal 2024 materialisiert hat. Klammert man die Sonderzahlungen aus, legten die Tariflöhne im ersten Quartal mit einer Vorjahreswachstumsrate von 2,7 Prozent deutlich weniger, aber ebenfalls noch robust zu.
Bereits beschlossene Tarifverträge aus dem vergangenen und dem laufenden Jahr legen nahe, dass Einmalzahlungen im Jahresverlauf zunehmend von deutlichen tabellenwirksamen Lohnsteigerungen abgelöst werden. Viele der aktuell verhandelnden Tarifparteien, zum Beispiel die chemische Industrie, haben die maximale Höhe der Inflationsausgleichsprämie bereits ausgeschöpft. Nach Auslaufen ihrer Abgabenfreiheit dürften etwaige Sonderzahlungen im Jahr 2025 vermutlich noch geringer ausfallen, was die Zuwächse der Tarifverdienste wohl schmälern wird. Zudem dürften auch tabellenwirksame Leistungen aufgrund des weiter nachlassenden Inflationsdrucks zum Ende des Prognosehorizonts geringer ausfallen. Zusammengenommen wird für das laufende Jahr mit einer Wachstumsrate der Tarifverdienste von 4,5 Prozent und für das Jahr 2025 von 2,3 Prozent gerechnet.
Die hohen Zuwächse bei den Bruttolöhnen und -gehältern im vergangenen Jahr waren zum einen geprägt durch eine starke Lohnentwicklung im untersten Einkommensquintil im Zuge der Mindestlohnerhöhung vom Oktober 2022. Zum anderen waren nichttarifgebundene Bereiche wohl schneller in der Lage, die Reallohnverluste der Beschäftigten infolge der hohen Verbraucherpreisinflation mit Einmalzahlungen und Lohnerhöhungen abzufedern. Diese Effekte dürften im laufenden Jahr bei einer weiteren Normalisierung des Inflationsgeschehens und des nur moderaten Mindestlohnanstiegs von 12,00 auf 12,41 Euro wegfallen. Die LohndriftUnter dem Begriff Lohndrift versteht man die Differenz zwischen der Wachstumsrate der Bruttolöhne und -gehälter und der Wachstumsrate der Tarifverdienste., die im vergangenen Jahr 2,6 Prozentpunkte betrug, dürfte sich daher im laufenden Jahr deutlich abschwächen.
Wachstumsimpulse durch die wiederanziehende Konjunktur und längerfristige Determinanten der Lohndrift wie das strukturelle Arbeitsangebotsdefizit, das sich aus der demografischen Alterung ergibt, dürften die Verhandlungsposition der abhängig Beschäftigten stützen. Mit einer Wachstumsrate der Bruttolöhne und -gehälter von 4,7 Prozent im laufenden und 3,3 Prozent im kommenden Jahr ist damit für das Jahr 2024 nur eine geringfügige Lohndrift angelegt. Im Jahr 2025 dürfte sie dann wieder etwas deutlicher ausfallen (Tabelle 8). Die Einkommensungleichheit dürfte insgesamt weiter steigen, wenngleich sehr leicht, wie der DIW-Nowcast zur Arbeitseinkommensungleichheit zeigt (Kasten 3).
In Prozent (jeweils gegenüber dem Vorjahr)
2022 | 2023 | 2024 | 2025 | |
---|---|---|---|---|
Durchschnittliche Arbeitszeit | −0,1 | −0,3 | 0,1 | 0,8 |
Verdienst je Arbeitnehmer*in | 4,2 | 6,2 | 4,7 | 3,3 |
Verdienst je Stunde | 4,4 | 6,3 | 4,3 | 2,5 |
Lohndrift (Arbeitnehmer*in) | 2,0 | 2,6 | 0,2 | 1,0 |
Tariflohn (Monat) | 2,2 | 3,6 | 4,5 | 2,3 |
1 Inlandskonzept.
Anmerkung: Prognose ab dem Jahr 2024.
Quelle: Statistisches Bundesamt; DIW-Konjunkturprognose Sommer 2024.
Das DIW Berlin hat ein Modell entwickelt, mit dem die Arbeitseinkommensungleichheit bis an den aktuellen Rand prognostiziert werden kann (sogenannter Nowcast).Vgl. Timm Bönke, Geraldine Dany-Knedlik und Laura Pagenhardt (2023): Neues DIW-Modell kann Einkommensverteilung am aktuellen Rand vorhersagen – Ungleichheit dürfte in diesem Jahr leicht zunehmen. DIW Wochenbericht Nr. 24, 326–332 (online verfügbar). Das Modell wird laufend weiterentwickelt und verbessert, um die optimale Prognosegüte zu erzielen. Dabei werden jährlich vorliegende mikroökonomische Daten aus dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) mit einer Vielzahl höherfrequenter gesamtwirtschaftlicher Indikatoren und solchen für den Arbeitsmarkt sowie den aktuellen Ergebnissen der DIW-Konjunkturprognose in einem makroökonometrischen Modell kombiniert, um die durchschnittlichen Arbeitseinkommen verschiedener Einkommensgruppen fortzuschreiben. Auf Basis der Modellergebnisse kann unter bestimmten Verteilungsannahmen eine Arbeitseinkommensverteilung für die Gesamtbevölkerung erstellt werden.
Die SOEP-Daten liegen aktuell bis zum Jahr 2021 (Welle v38) vor. Somit wird das Modell genutzt, um die Entwicklung der Ungleichheit für die Jahre 2022, 2023 und 2024 zu schätzen. Dabei beruht die Schätzung für 2022 und 2023 ausschließlich auf abgerechneten makroökonomischen Daten, während der Nowcast für das aktuelle Jahr die Konjunkturprognose des DIW Berlin beinhaltet.
Die Modellergebnisse suggerieren einen Anstieg der Ungleichheit in den Jahren 2021 bis 2023, der sich im laufenden Jahr etwas abschwächen dürfte (Abbildung). Der Gini-Koeffizient ist von 2020 bis 2023 von 0,371 auf 0,386 gestiegen und wird im laufenden Jahr voraussichtlich 0,387 betragen. Dass die Ungleichheit in den Jahren 2021 bis 2023 deutlicher zunahm, dürfte daran gelegen haben, dass die Haushalte mit höheren Arbeitseinkommen mehr vom Aufschwung nach der Corona-Krise profitiert haben, während die Reallohnverluste verstärkt Haushalte mit geringen Arbeitseinkommen trafen. Durch die starken Nominallohnzuwächse insbesondere bei den mittel- bis geringverdienenden Haushalten haben sich die Arbeitseinkommen ab 2023 offenbar wieder angeglichen. Das zeigt sich auch daran, dass die Einkommensverhältnisse zwischen Spitzen- und Niedrigverdienenden (P90/10) sowie zwischen der Mitte und dem unteren Ende der Verteilung (P50/10) im laufenden Jahr ebenfalls weniger deutlich steigen als in den vergangenen Jahren.
Die unterstellte Entwicklung der durchschnittlichen Nominallöhne und Konsumentenpreise impliziert, dass die seit Beginn der Energiekrise kumulierten Reallohnverluste der abhängig Beschäftigten zum Jahresbeginn 2025 ausgeglichen sein dürften. Die realen Lohnstückkosten, die die Kosten des Faktors Arbeit im Vergleich zu seinem Ertrag ausdrücken, sind analog zu den Reallöhnen von einem niedrigen Niveau zuletzt deutlich gestiegen. Über den Prognosehorizont dürften sich die Lohnstückkosten trotz weiterer Zuwächse aber lediglich auf dem Niveau der 2010er Jahre einpendeln.
Die Verbraucherpreisinflation in Deutschland ist nach den hohen Werten im Jahr 2023 zum Jahresbeginn spürbar zurückgegangen. Seit Anfang dieses Jahres liegt sie beständig unterhalb der Drei-Prozent-Marke und nähert sich im Trend – trotz eines zwischenzeitlichen Anstiegs im Mai (auf 2,4 Prozent) – dem Stabilitätsziel der Europäischen Zentralbank (EZB) von zwei Prozent (Abbildung 15). Dazu tragen zum einen die deutlich geringeren Preisanstiege für Nahrungsmittel und Energie bei, die seit einigen Monaten dämpfend wirken. Zum anderen hat sich auch der Preisauftrieb der übrigen Komponenten erneut abgeschwächt. So ist auch die Kerninflation, die Energie und Nahrungsmittel ausklammert, weiter gesunken. Mit aktuell drei Prozent liegt sie zwar noch deutlich über der Gesamtinflationsrate, da die merklich gestiegenen Reallöhne insbesondere Dienstleistungen verteuert haben. Gleichwohl wird aber wohl auch die Kernrate im Prognoseverlauf weiter zurückgehen. Diese dürfte der Entwicklung der Gesamtrate nachlaufen, da sich rückläufige Inflationsraten bei Energie und Nahrungsmitteln nur verzögert in den übrigen Komponenten niederschlagen.
Auf einen weiteren Rückgang der Inflationsraten im Jahresverlauf deutet auch die Entwicklung wichtiger vorlaufender Preisindizes wie Import- und Großhandelspreise hin, die seit ungefähr einem Jahr zurückgehen. Die negativen Inflationsraten auf dieser vorgelagerten Ebene dürften sich in den nächsten Monaten weiter auf die Verbraucherpreise insgesamt übertragen und deren Anstieg dämpfen.
Einige finanzpolitische Änderungen haben sich in diesem Jahr bereits auf die Inflationsrate, insbesondere die der Energiekomponente, ausgewirkt. So wurde der Pfad der CO2-Bepreisung im Zuge des Brennstoffemissionshandelsgesetzes auf das im Jahr 2019 beschlossene Level angepasst, zudem ist die Umsatzsteuersenkung auf Gas und Fernwärme zum April ausgelaufen. Zu Beginn des Jahres entfiel darüber hinaus die Reduzierung der Umsatzsteuer im Gastronomiebereich und zum Mai wurde die Luftverkehrssteuer um gut 19 Prozent angehoben. Die Effekte dieser Maßnahmen auf die Inflationsrate dürften allerdings gering sein.
Alles in allem wird die Verbraucherpreisinflation im Jahresverlauf wohl weiter leicht zurückgehen und ab dem vierten Quartal bis zum Ende des Prognosezeitraums wieder bei zwei Prozent liegen. Im Jahresdurchschnitt dürften die Verbraucherpreise 2024 um 2,3 Prozent und im Jahr 2025 um 2,0 Prozent steigen. Die Kernrate bleibt durch die nur langsam zurückgehenden Beiträge der Löhne länger erhöht und sinkt nur allmählich, von 2,7 Prozent in diesem auf 2,0 Prozent im kommenden Jahr.
Der private Konsum in Deutschland hat zu Beginn des Jahres einen Dämpfer erfahren. Nachdem er zum Ende des letzten Jahres noch robust expandierte, sank er im ersten Quartal 2024 unerwartet deutlich um 0,4 Prozent. Zwar geht ein Teil der Volatilität auf Revisionen der amtlichen Statistik zurück, insgesamt tritt der private Konsum jedoch seit mehr als zwei Jahren auf der Stelle und liegt immer noch deutlich unter dem Vor-Corona-Niveau von Ende 2019.
Im ersten Quartal griffen die Konsument*innen insbesondere bei Nahrungsmitteln, Getränken, Tabakwaren und Bekleidung verhaltener zu und nahmen weniger Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen in Anspruch. Offenbar sind die Verbraucher*innen mit Blick auf ihre persönliche Einkommenssituation und auch die allgemeine wirtschaftliche Situation noch verunsichert. Das zeigt sich auch darin, dass die Reallöhne stärker als zuvor zunahmen und die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte im ersten Quartal robust expandierten, die Sparquote aber dennoch erneut deutlich stieg und mit 12,4 Prozent (saisonbereinigt) auf dem höchsten Wert seit Beginn des Pandemiejahres 2021 lag. Neben der Unsicherheit dürfte auch das hohe Zinsniveau eine Rolle spielen, das kreditfinanzierte Konsumausgaben unattraktiver macht und zugleich Sparanreize setzt.
Die Verstetigung der realen Einkommenserhöhungen dürfte den privaten Haushalten Sicherheit geben und den privaten Konsum ab dem laufenden zweiten Quartal beleben. Bei sinkender Inflation und weiterhin robust steigenden Löhnen und Gehältern werden die Reallöhne und die real verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte wohl weiter zunehmen. Gleichzeitig hat sich das Konsumklima in den letzten Monaten deutlich verbessert. Die Umfrageergebnisse des Marktforschungsinstituts GfK deuten vor allem auf eine geringere Sparneigung sowie verbesserte Konjunkturerwartungen der Verbraucher*innen hin. Dies spiegelt sich auch in den Umsätzen des Einzelhandels wider, die sich zuletzt merklich gesteigert haben.
Zusätzliche Impulse für den privaten Verbrauch werden im laufenden und im dritten Quartal wohl auch durch die Austragung der Fußball-EM der Männer in Deutschland entstehen. Insbesondere in den zehn Austragungsstädten dürfte sie den Konsum im Gastgewerbe und im ganzen Land den Kauf langlebiger Konsumgüter wie Fernseher und Projektoren ankurbeln.
Im Verlauf des Jahres 2024 wird die Dynamik beim privaten Konsum dann wohl weiter leicht zulegen. Steigende Reallöhne zusammen mit der weiterhin guten Lage auf dem Arbeitsmarkt dürften den privaten Haushalten Sicherheit geben, was ihre künftigen Einkommen und damit ihre Kaufkraft betrifft. Neben den zunehmenden Reallöhnen steigen auch die monetären Sozialleistungen deutlich, sodass sowohl die Masseneinkommen (plus 5,2 Prozent) als auch die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte insgesamt (plus 3,3 Prozent) kräftig zulegen dürften. Im Verlauf des Jahres 2025 sinkt das Expansionstempo dann leicht, bleibt aber robust.
Alles in allem dürfte der private Konsum im Jahresdurchschnitt 2024 nach dem deutlichen Rückgang im ersten Quartal um moderate 0,5 Prozent steigen, bevor er 2025 dann mit 1,2 Prozent wieder kräftiger ausgeweitet werden wird.
Der reale Staatskonsum ist zum Jahresauftakt überraschend stark zurückgegangen. Dafür waren aber vornehmlich statistische Effekte im Zuge der Umsetzung des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in den staatlichen Verbrauch im vergangenen Jahr verantwortlich.Mit der Einführung des Deutschland-Tickets zum 1. Mai 2023 erreichte das Verhältnis von Verkaufserlösen zu Produktionskosten bei den Nahverkehrsunternehmen nicht mehr 50 Prozent. Durch die Unterschreitung dieser Schwelle wurde der Nahverkehrssektor damit nicht mehr als Marktproduzent klassifiziert, sondern zählte ab dann zum Staatssektor. Jedwede staatliche Unterstützung zur Deckung der Produktionskosten wird damit nicht mehr als Gütersubvention, sondern als Staatskonsum verbucht. Bereinigt um diesen statistischen Sondereffekt dürfte die Expansionsdynamik im Staatskonsum positiv gewesen sein. Die Quote des nominalen Staatskonsums in Relation zum BIP lag zum Jahresbeginn weiterhin über ihrem langjährigen Mittel, obwohl Hilfsmaßnahmen im Rahmen der Corona-Pandemie und der Energiekrise mittlerweile entfallen sind. Stützend wirkten hier die Arbeitnehmerentgelte, die sowohl durch einen moderaten Beschäftigungsaufbau im öffentlichen Sektor als auch durch die Auszahlung von Inflationsausgleichsprämien an die Landesbeschäftigten zulegten. Die Vorleistungen stiegen ebenfalls, was vor allem an der Unterkomponente Öffentliche Verwaltung und Verteidigung gelegen haben dürfte. Diese wächst seit Beginn des Jahres 2022 stetig und hat sich mittlerweile um fast einen halben Prozentpunkt in Relation zum BIP erhöht. Ab dem zweiten Quartal dürfte der reale Staatskonsum ohne Sondereffekte über den Prognosehorizont moderat expandieren. Insbesondere aufgrund der Alterung der Gesellschaft dürfte es dabei zu steigenden Ausgaben bei den sozialen Sachleistungen kommen.
Die Dynamik des Deflators des Staatskonsums hat sich zum Jahresbeginn mit 0,6 Prozent deutlich beschleunigt. Dazu hat die Lohnentwicklung der öffentlich Beschäftigten der Länder maßgeblich beigetragen. Der Preisauftrieb bei den sozialen Sachleistungen ist weiterhin hoch, hat sich jedoch wohl auch im Zuge allgemein rückläufiger Inflationsraten etwas reduziert. Die Preisanstiege bei den Verkäufen, die auf die Erhöhung der Lkw-Maut im Dezember zurückzuführen sind, haben hingegen dämpfend auf die Entwicklung des Deflators gewirkt, da sie negativ in die Berechnung eingehen.Die Konsumausgaben des Staates ergeben sich aus der Summe von Produktionswert, sozialen Sachleistungen und dem Abzug von Verkäufen und Eigenverwendung. Maut-Verkäufe mindern den öffentlichen Konsum. Bei einer Anhebung der Maut verkleinert sich dadurch der nominale Staatskonsum mehr als der reale Staatskonsum – entsprechend sinkt der Deflator des öffentlichen Verbrauchs. Über den Prognosehorizont dürfte die Dynamik des Staatsdeflators mit einer sich abschwächenden Lohndynamik im öffentlichen Sektor, weiter rückläufigem Preisauftrieb bei den sozialen Sachleistungen und einer allgemein geringeren Inflationsdynamik allmählich zurückgehen.
Nach dem Einbruch um vier Prozent im Schlussquartal 2023 sind die Anschaffungen von Maschinen, Geräten und Anlagen im ersten Quartal dieses Jahres erneut zurückgegangen, um 0,2 Prozent. Wie bereits im Vorquartal lag dies in erster Linie an den privaten Ausrüstungsinvestitionen, die um 1,8 Prozent abnahmen. Nach wie vor machen sich die noch schwache Konjunktur, das hohe Zinsniveau und die wirtschaftspolitische Unsicherheit bemerkbar – all dies dämpft die Investitionsbereitschaft der Unternehmen. So ist die Investitionsgüterproduktion im Quartalsvergleich erneut leicht gesunken, wobei ein stärkerer Rückgang wohl durch den noch hohen Bestand an Aufträgen verhindert wurde, der jedoch kontinuierlich abschmilzt. Abgefedert wurde die Schwäche der Ausrüstungsinvestitionen derweil von den Anschaffungen der öffentlichen Hand, die zwischen Januar und März kräftig expandierten (um 15,9 Prozent). Hier dürfte zunehmend das Sondervermögen für die Bundeswehr zum Tragen kommen.
Diese zweigeteilte Dynamik wird im laufenden zweiten Quartal wohl bestehen bleiben. So ist bei den privaten Ausrüstungsinvestitionen noch keine Trendwende zu erwarten: Die Auftragseingänge haben am aktuellen Rand zwar leicht zugelegt, befinden sich aber noch auf dem seit Anfang 2022 anhaltenden Abwärtstrend, etwa ein Drittel der Investitionsgüterhersteller meldet laut ifo-Umfragen einen Mangel an Aufträgen. Ihre Produktionsaktivität hat Umfrageergebnissen zufolge im April und Mai weiter abgenommen, entsprechend ging die Kapazitätsauslastung zuletzt ebenfalls erneut zurück. Die öffentlichen Ausrüstungsinvestitionen und insbesondere das Sondervermögen für die Bundeswehr dürften hingegen weiter expandieren und den Rückgang insgesamt etwas abmildern.
Mit der konjunkturellen Erholung und der jüngst eingeläuteten Zinswende werden die Ausrüstungsinvestitionen in der zweiten Jahreshälfte voraussichtlich erst langsam wieder Fahrt aufnehmen. So haben sich die Geschäftserwartungen gemäß ifo-Umfragen in den vergangenen Monaten zwar deutlich gebessert, die Verunsicherung bleibt laut der Deutschen Industrie- und Handelskammer aber hoch. Besonders die schwache Inlandsnachfrage und die nach wie vor hohen Kosten für Energie und Rohstoffe bereiten den Unternehmen Sorgen, dazu kommt die beständig hohe wirtschafts- und geopolitische Unsicherheit, die die Investitionsbereitschaft in diesem Jahr wohl noch dämpfen wird. Im kommenden Jahr dürften die Ausrüstungsinvestitionen, auch gestützt durch einen weiteren kräftigen Anstieg im öffentlichen Bereich, dann an Dynamik gewinnen.
Alles in allem ist für das laufende Jahr ein Rückgang der Ausrüstungsinvestitionen um 2,4 Prozent zu erwarten. Im kommenden Jahr dürften sie mit öffentlicher Unterstützung um gut drei Prozent expandieren (Tabelle 9).
In Prozent
2023 | 2023 | 2024 | 2025 | |
---|---|---|---|---|
Anteile in Prozent | Veränderung gegenüber dem Vorjahr | |||
Wohnungsbau | 61,0 | −3,4 | −0,7 | 0,0 |
Nichtwohnungsbau | 39,0 | −1,5 | 0,5 | 1,4 |
Gewerblicher Bau | 26,5 | −2,6 | 0,2 | 2,4 |
Öffentlicher Bau | 12,5 | 0,8 | 1,1 | −0,6 |
Bauinvestitionen | 100,0 | −2,7 | −0,2 | 0,6 |
Ausrüstungen | 2,8 | −2,4 | 3,1 |
Anmerkung: Prognose ab dem Jahr 2024.
Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW-Konjunkturprognose Sommer 2024.
Das milde Wetter in den ersten drei Monaten des Jahres hat für einen starken Zuwachs der Bauinvestitionen gesorgt (um 2,7 Prozent).So lag die Durchschnittstemperatur in Deutschland im Februar mehr als vier und im März etwa zweieinhalb Grad Celsius über dem jeweiligen Durchschnitt seit dem Jahr 1990. Insbesondere der Wohnungsbau wurde mit einem Plus von 3,5 Prozent kräftig ausgeweitet. Dabei zehrten die Bauunternehmen wohl vor allem vom Auftragsbestand. Die Nichtwohnungsbauinvestitionen nahmen um 1,5 Prozent zu. Vor allem im öffentlichen Bereich wurde viel gebaut (plus sieben Prozent), was insbesondere am Straßenbau gelegen haben dürfte: Die Tiefbauproduktion stieg im Quartalsdurchschnitt kräftig. Der Wirtschaftsbau verzeichnete hingegen ein Minus von einem Prozent. Angesichts des Wettereffekts im ersten Quartal ist im weiteren Verlauf nicht mit einer Fortsetzung der positiven Dynamik zu rechnen.
Die Schwächephase im Wohnungsbau dürfte sich nach dem witterungsbedingten Zwischenhoch im ersten Quartal über das Jahr hinweg fortsetzen: Trotz leichter Anstiege am aktuellen Rand bewegen sich die Auftragseingänge nach wie vor auf einem sehr niedrigen Niveau, während die Baugenehmigungen für Wohnungsneubauten weiterhin im Sinkflug sind. Durch die hohen Zinsen und das stark gestiegene Preisniveau sind Bauprojekte für viele Investor*innen aktuell schlicht nicht rentabel. Dazu kommen die Reallohnverluste der vergangenen Jahre, die trotz der Zugewinne nicht vollständig aufgeholt sind und Haushalte wohl noch von neuen Bauvorhaben abhalten. Im weiteren Prognoseverlauf dürfte die Nachfrage nach Wohnbauten, auch angesichts des ungebrochen hohen Bedarfs, wieder etwas zulegen. Bereits zu Jahresbeginn haben die Zinsen für Wohnungsbaukredite etwas nachgegeben und die Nachfrage nach solchen Krediten stieg. Steigende Reallöhne und eine Abschwächung der Preisdynamik dürften die Wohnungsbauinvestitionen vor allem im kommenden Jahr stützen. Deutliche Aufholeffekte sind dabei jedoch zunächst nicht zu erwarten.
Im Nichtwohnungsbau ist für den Prognoseverlauf eine robustere Entwicklung angelegt. Dafür ist vor allem der Wirtschaftsbau und besonders der Tiefbau – jenseits des Straßenbaus – verantwortlich, der in den vergangenen Monaten kräftige Auftragseingänge verzeichnete und auf einen historisch hohen Auftragsbestand verweisen kann. Die Kapazitätsauslastung im Tiefbau liegt aktuell jenseits der 75-Prozent-Marke und somit weit oberhalb der des Hochbaus. Ausschlaggebend sind dabei insbesondere Investitionen in das Schienennetz der Deutschen Bahn und der Ausbau der Energienetze im Rahmen der Energiewende. Derweil dürfte der öffentliche Bau angesichts der zunehmend angespannten Kassenlage der Kommunen, die einen Großteil der Aufträge in dieser Sparte vergeben, im Prognoseverlauf kaum zur Ausweitung der Nichtwohnbauinvestitionen beitragen. Auch die Reparaturmaßnahmen in Folge des Hochwassers in Süddeutschland Anfang Juni werden hier wohl kaum zusätzliche Impulse liefern, da Maßnahmen zum Wiederaufbau oder zur Aufbesserung der Infrastruktur dort eher andere Baumaßnahmen ersetzen statt ergänzen dürften.So ist der Tiefbau besonders in der betroffenen Region bereits deutlich ausgelastet, sodass sich dort eher Verschiebungen zwischen Projekten ergeben dürften. Dazu kommt, dass ein Großteil der Aufbaumaßnahmen nach Unwettern in der Regel den öffentlichen Bereich betrifft, in dem oft nur ein gewisser Umfang an Baumaßnahmen gestemmt werden kann. Reparaturmaßnahmen im privaten Bereich machen meist einen geringeren Umfang aus. Analysen vergangener Flutkatastrophen lassen darüber hinaus erwarten, dass Mittel für den Wiederaufbau nur sehr langsam abgerufen und Maßnahmen schleppend durchgeführt werden, sodass in der kurzen Frist nur sehr kleine Effekte zu erwarten sind.
Trotz eines verstärkten Preisdrucks aufgrund der schwachen Nachfrage und der sinkenden Kapazitätsauslastung, vor allem im Hochbau, sowie nachlassender Materialpreise sind die Baupreise bis zuletzt nicht gesunken. Die Dynamik der Baupreisentwicklung hat sich am aktuellen Rand jedoch deutlich abgeschwächt. Dieser Trend dürfte sich in diesem Jahr fortsetzen. Im Rahmen der leicht steigenden Nachfrage im kommenden Jahr ist dann auch wieder mit einem etwas stärkeren Anstieg der Preise zu rechnen.
Dank des starken ersten Quartals dürften die Bauinvestitionen im Jahr 2024 insgesamt nur leicht um 0,2 Prozent sinken. Der Rückgang ist dabei von den Wohnungsbauinvestitionen geprägt, während der Nichtwohnungsbau moderat expandieren dürfte. Im kommenden Jahr ist dann mit einer leichten Ausweitung der Bauinvestitionen um 0,6 Prozent zu rechnen, wobei wohl erneut der Nichtwohnungsbau die treibende Kraft sein wird.
Der Außenhandel hat sich im ersten Quartal des laufenden Jahres überraschend kräftig entwickelt. Dabei war der Warenhandel ausschlaggebend, der sowohl bei den Aus- als auch bei den Einfuhren deutlich zulegte. Deutsche Exportunternehmen dürften unerwartet stark von der einsetzenden Erholung der Industrieproduktion, insbesondere im europäischen Ausland, profitiert haben. Die Güterexporte wurden im Vergleich zum Vorquartal um 2,1 Prozent ausgeweitet, besonders getragen von den Ausfuhren von Vorleistungsgütern wie chemischen Erzeugnissen und Industriemetallen in das europäische Ausland und die Vereinigten Staaten. Die Dienstleistungsausfuhren, die einen deutlich geringeren Teil der Gesamtexporte ausmachen, wirkten hingegen dämpfend (minus 2,9 Prozent), wobei insbesondere rückläufige Finanz- und Fertigungsdienstleistungen zu der schwachen Entwicklung beitrugen.
Auch im zweiten Quartal dürften die Exporte zulegen. Starke Vorleistungsgüterexporte und positive Indikatoren aus dem Ausland lassen auf einen zunehmenden Anstieg der globalen Industrieproduktion schließen, der die Güterausfuhren „Made in Germany“ wohl weiter anschieben wird. So legten die Ausfuhren laut vorläufigen Zahlen des SpezialhandelsDer Spezialhandel erfasst Güter, die zum Verbrauch oder zur Weiterverarbeitung im- oder exportiert werden, schließt dabei aber die Ein- und Ausfuhren auf Lager aus. Die monatlichen Daten der Spezialhandelsstatistik gelten als guter Indikator der Entwicklungen der Ex- und Importe in den Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen. im April preisbereinigt um kräftige 1,5 Prozent im Vergleich zum Vormonat zu. Auch die ifo-Exporterwartungen haben sich am aktuellen Rand weiter aufgehellt. Die starken Wachstumsraten aus dem vergangenen Quartal, die auch Nachholeffekte vermuten lassen, werden dabei jedoch zunächst wohl nicht wiederholt werden. Derweil dürften die Dienstleistungsexporte im laufenden Quartal vom verstärkten Reiseverkehr nach Deutschland aufgrund der Fußball-EM profitieren. Insgesamt dürften die Ausfuhren im zweiten Quartal um 0,6 Prozent zulegen.
In der zweiten Jahreshälfte werden die Exporte im Rahmen der Erholung der globalen Konjunktur wohl weiter Fahrt aufnehmen und mit kräftigen Raten expandieren. Die Erholung des Konsums, vor allem im europäischen Ausland, dürfte dabei die Nachfrage nach Verbrauchsgütern stützen, während die zunehmende Belebung der globalen Industrieproduktion in einem annahmegemäß günstigeren Zinsumfeld wohl die Exporte von Vorleistungs- und Investitionsgütern anschieben wird. Trotz der merklichen Erholung dürfte die deutsche Exportwirtschaft jedoch nicht in gleichem Ausmaß wie in der Vergangenheit vom Aufschwung des Welthandels profitieren, auch da die Industriepolitik in wichtigen Absatzländern wie China oder den USA zunehmend darauf abzielt, Kapitalgüter des Verarbeitenden Gewerbes im Inland zu produzieren.
Alles in allem werden die deutschen Ausfuhren im laufenden Jahr um voraussichtlich 0,9 Prozent ausgeweitet werden und im kommenden Jahr noch einmal um 3,3 Prozent (Tabelle 10).
In Prozent bzw. Milliarden Euro
2023 | 2024 | 2025 | |
---|---|---|---|
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent | |||
Exporte (preisbereinigt) | −0,7 | 0,9 | 3,3 |
Waren | −1,1 | 1,8 | 3,1 |
Dienstleistungen | 0,9 | −3,0 | 4,0 |
Importe (preisbereinigt) | −2,4 | −0,6 | 3,4 |
Waren | −5,0 | −0,3 | 3,3 |
Dienstleistungen | 6,4 | −1,5 | 3,7 |
Terms of Trade | 4,3 | 1,8 | 0,2 |
In Milliarden Euro | |||
Außenbeitrag (nominal) | 186,9 | 248,5 | 260,7 |
1 In Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.
Anmerkung: Prognose ab dem Jahr 2024.
Quellen: Statistisches Bundesamt, Deutsche Bundesbank; DIW-Konjunkturprognose Sommer 2024.
Die Importe sind im ersten Quartal um 0,6 Prozent gestiegen. Ebenso wie bei den Ausfuhren war diese Entwicklung von den Warenimporten geprägt, die um 2,1 Prozent im Vergleich zum Vorquartal zulegten. Auch hier standen Vorleistungsgüter wie pharmazeutische, chemische und Metallerzeugnisse im Vordergrund. Derweil wurden die Einfuhren von Dienstleistungen im gleichen Zeitraum deutlich zurückgefahren (um 3,7 Prozent). Bei den Dienstleistungsimporten wirkten insbesondere rückläufige Finanz- und Transportdienstleistungen dämpfend.
Der anziehende private Konsum und die leichte Erholung der inländischen Industrie dürften auch die Importe beleben, sodass für das laufende Quartal ein weiterer Anstieg der Einfuhren zu erwarten ist. Von der konjunkturellen Aufhellung werden wohl auch unternehmensnahe Dienstleistungen und Transportdienstleistungen profitieren, sodass für die Dienstleistungseinfuhren insgesamt von einer leichten Erholung im laufenden Quartal ausgegangen wird. Insgesamt ist für das zweite Quartal mit einem Anstieg der Importe um 0,5 Prozent zu rechnen.
Mit der anziehenden konjunkturellen Erholung der deutschen Wirtschaft dürften die Importe im weiteren Prognoseverlauf ebenfalls robust expandieren. So erhöhen steigende Exporte die Nachfrage nach Vorleistungsgütern, während die zunehmende Erholung des inländischen privaten Konsums die Importe von Verbrauchsgütern anheben dürfte. Insgesamt ist für das Jahr 2024 dennoch ein Rückgang der Einfuhren um 0,6 Prozent zu erwarten. Im Jahr 2025 dürften sie dann um 3,4 Prozent zulegen. Rechnerisch dürfte der Außenbeitrag damit in diesem Jahr 0,7 Prozentpunkte und im nächsten Jahr 0,2 Prozentpunkte zum Wachstum der deutschen Wirtschaftsleistung beitragen.
Die Importpreise sanken im vergangenen Quartal insbesondere aufgrund rückläufiger Energiepreise. Monatliche Preisindizes deuten an, dass sich die Importpreise im kommenden Quartal stabilisieren werden. Mit einer Erholung der Industrieproduktion in Deutschland und der Welt dürften die Einfuhrpreise über den Prognosehorizont dann allmählich wieder steigen. Die weniger volatilen Exportpreise dürften bereits etwas früher, über den Prognosehorizont insgesamt aber weniger dynamisch zulegen.
Damit werden die deutschen Exportunternehmen im laufenden Jahr wohl von steigenden Terms-of-Trade profitieren. Diese dürften insgesamt um 1,8 Prozent steigen und sich mit einer Wachstumsrate von 0,2 Prozent im Jahr 2025 stabilisieren.
Die Staatseinnahmenquote dürfte in diesem Jahr wieder leicht steigen. Im vergangenen Jahr hatten vor allem Mindereinnahmen durch temporäre Steuersenkungen bei der Umsatz- und Einkommensteuer und vorgezogene Abschreibungsmöglichkeiten für Investitionen die Staatseinnahmen in Relation zum BIP gemindert. Einige dieser Maßnahmen bleiben vorerst noch bestehen. So dürften beispielsweise die Anpassungen des Einkommensteuertarifs im Rahmen des Inflationsausgleichsgesetzes weiter einnahmenmindernd wirken. Hingegen wird die Möglichkeit einer abgabenfreien Inflationsausgleichsprämie im Vergleich zum Vorjahr wohl weniger genutzt und durch deutliche tabellenwirksame Lohnsteigerungen ersetzt werden. Dieser Effekt dürfte auch die Einnahmen aus Sozialversicherungsbeiträgen im laufenden Jahr stützen, ebenso wie die Nachwirkung des im vorigen Juli angehobenen Pflegeversicherungsbeitrags und die Erhöhung der Zusatzbeiträge der gesetzlichen Krankenversicherungen. Auch die im Zuge der konjunkturellen Erholung rückläufige Entwicklung der zuletzt leicht erhöhten Zahl Kurzarbeitender wird wohl dazu beitragen, dass das Wachstum der Sozialbeiträge im Vergleich zu dem der Bruttolöhne und -gehälter weniger gedämpft ist als im Vorjahr.
Die Einnahmen aus der Umsatzsteuer dürften im laufenden Jahr von der Erholung des privaten Konsums profitieren. Zudem werden sie gestützt durch den Wegfall temporärer Umsatzsteuersenkungen in der Gastronomie und auf Erdgas. Bei den Staatseinnahmen durch gewinnabhängige Steuern dürfte positiv zu Buche schlagen, dass Abschreibungen aufgrund der degressiven Absetzung für Abnutzung (AfA) vorgezogen wurden und dementsprechend nun wohl weniger geltend gemacht werden. Dieser Effekt dürfte allerdings durch die weitere Ausweitung der degressiven AfA im Wachstumschancengesetz abgeschwächt werden. Die sonstigen Produktionsabgaben profitieren von der Anhebung des CO2-Preises zum Jahreswechsel.
Aufgrund des hohen Zinsniveaus haben sich die vom Staat empfangenen Vermögenseinkommen im vergangenen Jahr deutlich erhöht. Auch für das laufende Jahr ist hier noch eine Steigerung der Zinseinnahmen zu erwarten, sie dürften aber mit den ersten Senkungen des Leitzinses an Fahrt verlieren. Die Verkäufe des Staates sind im vergangenen Jahr aufgrund der Umsetzung des ÖPNV in den öffentlichen Sektor deutlich angestiegen. Im laufenden Jahr wirkt dieser Effekt noch nach und dürfte, zusammen mit der Anhebung der Lkw-Maut, zu einer weiteren dynamischen Entwicklung der Verkäufe führen.
Im kommenden Jahr dürfte der Wegfall der Inflationsausgleichsprämie zu deutlichen Mehreinnahmen bei der Einkommensteuer führen. Zwar zieht eine weitere Anpassung des Einkommensteuertarifs zum Ausgleich der Kalten Progression wohl auch im Jahr 2025 Mindereinnahmen nach sich und die Entwicklung der Bruttolöhne und -gehälter verliert an Dynamik, dennoch dürfte der erstgenannte Effekt überwiegen. Die solide, nun vollumfänglich abgabepflichtige Lohnausweitung dürfte auch zu einem weiteren deutlichen Anstieg der empfangenen Sozialbeiträge führen.
Die Umsatzsteuereinnahmen dürften sich im Jahr 2025 durch solide Wachstumsraten beim privaten Konsum ebenfalls positiv entwickeln. Auch die sonstigen Produktionsabgaben werden mit der weiteren Anhebung des CO2-Preises auf 55 Euro im kommenden Jahr wohl weiter zulegen. Der Zulauf der empfangenen Vermögenseinkommen schwächt sich mit weiteren Zinssenkungen der EZB im Prognosehorizont voraussichtlich aber deutlich ab. Ebenso dürften die Verkäufe nur noch moderat expandieren.
Alles in allem werden die Staatseinnahmen, wie auch die Staatseinnahmenquote gemessen am BIP, im kommenden Jahr vor allem aufgrund steigender Steuereinnahmen und empfangener Sozialbeiträge wohl weiter zunehmen.
Ausgabeseitig dürfte das laufende Jahr von den Nachwirkungen der Energiepreiskrise geprägt sein. Auf der einen Seite werden vor allem die Subventionen, die zuvor durch die Strom- und Gaspreisbremsen ausgeweitet wurden, wohl deutlich sinken. Auf der anderen Seite führt das aktuell hohe Zinsniveau zu einem Anstieg der Refinanzierungskosten von Staatsanleihen. Noch deutlicher als im Vorjahr dürfte dies die geleisteten Vermögenseinkommen anschieben, da ein wachsender Anteil von Anleihen mit längeren Laufzeiten sukzessive zu diesem deutlich höheren Zinssatz refinanziert werden muss.
Die geleisteten Arbeitnehmerentgelte des Staates werden vornehmlich durch die zu Jahresbeginn getätigten Einmalzahlungen an Beschäftigte der Länder noch einmal deutlich zulegen. Die monetären Sozialleistungen dürften weniger dynamisch steigen als noch im Vorjahr, in dem die Einführung des Bürgergelds und Anpassungen an das gestiegene Preisniveau beim Wohngeld sowie die Erhöhung des Kindergelds zu deutlichen Mehrausgaben führten. Die Anhebung der Grundsicherungssätze wird im laufenden Jahr noch zu einem leichten Anstieg beitragen.
Bei den Vorleistungskäufen wirkt die Integration des ÖPNV in den Sektor Staat aus dem Vorjahr nach, dürfte aber nur noch zu geringeren Anstiegen führen, da der Effekt nur in den ersten vier Monaten durchschlägt. Auch die deutlich gesunkene Inflation wird im Jahr 2024 wohl dazu beitragen, dass sich die Dynamik bei den Vorleistungen abschwächt. Deutlich gestützt werden dürften die Staatsausgaben hingegen von den Bruttoinvestitionen, allen voran von einer weiteren Ausweitung der Ausrüstungsinvestitionen im Rahmen des Sondervermögens für die Bundeswehr. Die geleisteten Vermögenstransfers werden durch Mittelabflüsse aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF) sowie Unterstützungsleistungen an die Ukraine im laufenden Jahr voraussichtlich weiter steigen.
Im kommenden Jahr dürfte die Normalisierung der Inflation zur Stabilisierung vieler Ausgabenkategorien beitragen. Eine deutlich dynamische Ausweitung ist dann nur noch von weiterer Investitionstätigkeit im Rahmen des Sondervermögens für die Bundeswehr zu erwarten, die sich in den Bruttoinvestitionen niederschlägt. Mit dem Rückgang des Preisdrucks werden die Tarifverhandlungen des Bundes und der Gemeinden zum Jahreswechsel 2024/25 hingegen wohl deutlich moderatere Tariflohnzuwächse ergeben. Dies dürfte im kommenden Jahr geringere Anstiege der geleisteten Arbeitnehmerentgelte des Staates nach sich ziehen als in den Vorjahren.
Bei den monetären Sozialleistungen wird die Dynamik wohl ebenfalls nachlassen, da bis auf die Einführung der Kindergrundsicherung und einer etwaigen Erhöhung des Kindergelds keine Impulse zu erwarten sind und von der gemäßigten Inflations- und Lohndynamik nur geringe Altersrentenerhöhungen herrühren dürften. Die sozialen Sachleistungen hingegen werden im Jahr 2025 durch trendmäßige Anstiege bei den Pflegeleistungen im Zuge der alternden Gesellschaft wohl etwas stärker zulegen. Geringeren Abflüssen aus dem KTF stehen im nächsten Jahr voraussichtlich fortlaufende Unterstützungsmaßnahmen für die Ukraine entgegen, sodass die geleisteten Vermögenstransfers weiter moderat ausgeweitet werden dürften.
Insgesamt werden die Staatsausgaben absolut betrachtet voraussichtlich in beiden Prognosejahren weiter steigen – in Relation zum nominalen BIP dürften sie aber in etwa stagnieren.
Mit etwas stärker wachsenden Einnahmen als Ausgaben wird sich das gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit wohl von 99,1 Milliarden Euro im vergangenen Jahr auf 82,8 Milliarden Euro im laufenden und auf 59,7 Milliarden Euro im nächsten Jahr verbessern. Aufgrund steigender Zinsausgaben und einer erhöhten Konjunkturkomponente, insbesondere im laufenden Jahr, ergibt sich für den strukturellen Primärsaldo eine Verbesserung im Vergleich zum Vorjahr um 0,7 Prozentpunkte und im nächsten Jahr um weitere 0,2 Prozentpunkte (Abbildung 16). Damit ist die gesamtstaatliche Finanzpolitik in beiden Jahren des Prognosezeitraums restriktiv ausgerichtet (Kasten 4). Der Bruttoschuldenstand in Relation zum BIP dürfte unter Einbeziehung der Aufwendungen für das Generationenkapital im Prognosehorizont insgesamt konstant sein und mit 63,6 Prozent im Jahr 2025 auf dem Niveau von 2023 liegen (Tabelle 11).
In Prozent (in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt)
Staatseinnahmen | Staatsausgaben | Finanzierungssaldo | Nachrichtlich: Zinssteuer-quote2 | Staatsschuldenquote nach Maastricht | |||||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
insgesamt | darunter: | insgesamt | darunter: | ||||||
Steuern | Sozialbeiträge | Zinsausgaben | Bruttoinvestitionen | ||||||
2014 | 44,9 | 22,8 | 16,5 | 44,3 | 1,6 | 2,1 | 0,6 | 7,1 | 75,3 |
2015 | 45,1 | 23,1 | 16,6 | 44,1 | 1,4 | 2,1 | 1,0 | 6,0 | 71,9 |
2016 | 45,5 | 23,4 | 16,7 | 44,4 | 1,2 | 2,2 | 1,2 | 5,1 | 69,0 |
2017 | 45,5 | 23,5 | 16,8 | 44,2 | 1,0 | 2,2 | 1,3 | 4,4 | 65,2 |
2018 | 46,3 | 23,8 | 17,0 | 44,3 | 0,9 | 2,3 | 1,9 | 3,9 | 61,9 |
2019 | 46,5 | 23,8 | 17,2 | 45,0 | 0,8 | 2,4 | 1,5 | 3,3 | 59,6 |
2020 | 46,1 | 22,7 | 17,9 | 50,5 | 0,6 | 2,7 | −4,3 | 2,8 | 68,8 |
2021 | 47,3 | 24,3 | 17,5 | 50,9 | 0,6 | 2,6 | −3,6 | 2,4 | 69,0 |
2022 | 47,0 | 24,4 | 17,2 | 49,5 | 0,7 | 2,6 | −2,5 | 2,8 | 66,1 |
2023 | 46,3 | 23,3 | 17,2 | 48,7 | 0,9 | 2,6 | −2,4 | 3,8 | 63,7 |
2024 | 46,6 | 23,1 | 17,6 | 48,5 | 1,0 | 2,8 | −1,9 | 4,4 | 63,9 |
2025 | 47,4 | 23,4 | 18,2 | 48,7 | 1,1 | 2,8 | −1,3 | 4,7 | 63,6 |
2025/2022 | 46,8 | 23,5 | 17,5 | 48,9 | 0,9 | 2,7 | −2,0 | 3,9 | 64,3 |
1 In Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.
2 Zinsausgaben des Staates in Relation zum Steueraufkommen.
Anmerkung: Prognose ab dem Jahr 2024.
Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW-Konjunkturprognose Sommer 2024.
Die finanzpolitischen Maßnahmen werden im Jahr 2024 in Summe restriktiv sein und gegenüber dem Vorjahr um voraussichtlich 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) schrumpfen. Im Jahr 2025 wird die Fiskalpolitik ebenfalls restriktiv sein und voraussichtlich um 0,3 Prozent im Verhältnis zum BIP zurückgehen.
Viele fiskalische Maßnahmen beider Jahre betreffen private Haushalte. Um die Impulse für den privaten Konsum und das BIP unter Berücksichtigung ihrer Verteilungswirkungen abzuschätzen, kommt ein DSGE-Modell mit zwei verschiedenen Haushaltstypen zum Einsatz (TANK-Modell). Dazu wird zunächst unterschieden, in welchem Umfang die Maßnahmen die einkommensschwächsten 40 Prozent der Haushalte betreffen und wie die übrigen Haushalte profitieren oder belastet werden.
Die einkommensschwächsten 40 Prozent beziehen ungefähr 20 Prozent des verfügbaren Einkommens und haben eine Sparquote von null, weshalb sie als liquiditätsbeschränkte (LC) Haushalte bezeichnet werden. Zusätzlich zu den privaten Haushalten gibt es noch die Maßnahmen, die auf Unternehmen oder den Staat wirken. Gemäß ihrer Wirkung auf die beiden Haushaltstypen und den weiteren Agierenden werden die finanzpolitischen Maßnahmen in sechs Kategorien eingeteilt:
Aufgrund des unterschiedlichen Konsumverhaltens der beiden Haushaltstypen wird der Konsumeffekt insbesondere für einkommensschwache Haushalte am höchsten sein und über die weiteren drei Maßnahmenkategorien abnehmen. Im laufenden und kommenden Jahr fallen vor allem das Auslaufen von proportionalen Maßnahmen und Pro-Kopf-Maßnahmen belastend für die privaten Haushalte ins Gewicht. Dazu zählen die Strom- und Gaspreisbremsen. Zusätzliche Belastungen, proportional zu den Einkommen der privaten Haushalte, ergeben sich aus Erhöhungen der Beiträge für die Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung oder auch aus Steueränderungen wie der Anhebung der Flugverkehrssteuer.
Eine Reihe an Maßnahmen hat den privaten Haushalten aber auch zu mehr verfügbarem Einkommen verholfen. Vor allem das noch laufende Inflationsausgleichsgesetz dürfte die Einkommen stützen. Die einkommensschwachen Haushalte profitieren besonders von der Einführung des Bürgergelds oder von der Wohngeldreform.
Für Unternehmen fallen im laufenden und im kommenden Jahr vor allem Umsatzsteuersenkungen verschiedener Art und die Gas- und Strompreisbremsen weg. Stützend wirken hingegen die noch geförderten Maßnahmen aus dem Klima- und Transformationsfonds (KTF).
Insgesamt werden die fiskalpolitischen Maßnahmen das BIP um 0,11 Prozent im Jahr 2024 und um 0,2 Prozent im Jahr 2025 gegenüber dem Basisjahr 2022 mindern (Tabelle). Im laufenden Jahr belastet die restiktive Ausrichtung der finanzpolitischen Maßnahmen, die vor allem Unternehmen und einkommensschwache Haushalte betreffen, die Konjunktur. Im Jahr 2025 dürfte ein Großteil des restriktiven Impulses dann die Unternehmen und einkommensstarken Haushalte betreffen. Die Maßnahmen dämpfen den privaten Konsum im laufenden Jahr um etwas mehr als 0,2 und im kommenden Jahr um 0,3 Prozent.
In Prozent des Bruttoinlandsprodukts
2024 | 2025 | |
---|---|---|
Unternehmen | –0,15 | –0,32 |
Staat | 0,03 | 0,12 |
Einkommensschwache Haushalte | –0,19 | –0,28 |
Einkommensstarke Haushalte | –0,40 | –0,52 |
Haushalte insgesamt | –0,59 | –0,81 |
Insgesamt | –0,71 | –1,01 |
Quelle: DIW-Konjunkturprognose Sommer 2024.
Themen: Konjunktur, Geldpolitik
JEL-Classification: E32;E66;F01
Keywords: Business cycle forecast, economic outlook
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2024-24-2