DIW Wochenbericht 27 / 2024, S. 421-429
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„Insbesondere das Fliegen vergrößert den CO2-Fußabdruck und ist einer der Hauptgründe, warum Menschen aus Haushalten mit höheren Einkommen einen doppelt so großen Fußabdruck haben wie diejenigen mit niedrigem Einkommen: Eine einzige Langstreckenflugreise führt zu mehr Emissionen pro Kopf als Wohnen und Ernährung in einem ganzen Jahr zusammen.“ Sandra Bohmann
Um die deutschen Klimaziele zu erreichen, müssen die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 reduziert werden. Fast ein Drittel dieser Emissionen wird in Deutschland durch den Konsum privater Haushalte verursacht. Auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) werden die CO2-Emissionsäquivalente von Haushalten in Deutschland aus drei wichtigen Bereichen errechnet: Wohnen, Mobilität und Ernährung. Allein der Konsum in diesen drei Bereichen hat Emissionen zur Folge, die das für Privatpersonen angestrebte Emissionsbudget im Durchschnitt um mehr als das Doppelte übersteigen. Die Emissionen aus den Bereichen Mobilität und Wohnen machen den größten Teil der Emissionen aus. Die Emissionen steigen mit dem Einkommen, insbesondere im Bereich Mobilität. Hier schlagen vor allem Flugreisen zu Buche. Im Bereich Ernährung trägt vor allem der Fleischkonsum zu den Emissionen bei, im Bereich Wohnen unter anderem die Größe des Haushalts und die Gebäudeart. Indem die größten Treiber der Emissionen in den drei Bereichen identifiziert werden, lassen sich zielgerichtete politische Hebel benennen, wie eine Vereinfachung des Wohnungstauschs und die energieeffiziente Sanierung von Wohngebäuden sowie ein Verbot von Kurzstreckenflügen und eine Tierwohlabgabe.
Der durch Menschen verursachte Ausstoß von klimaaktiven Gasen, wie Kohlenstoffdioxid (CO2), Lachgas oder Methan, ist ein wichtiger Treiber des Klimawandels.Um die Klimawirkung der verschiedenen klimaaktiven Gase miteinander vergleichen zu können, werden sie in CO2-Äquivalente umgerechnet. Dazu werden Emissionen anderer Treibhausgase als CO2 entsprechend ihrem globalen Erwärmungspotenzial in CO2-Äquivalente umgerechnet. Nach Angaben des Umweltbundesamts (UBA) wurden in Deutschland im Jahr 2023 rund 673 Millionen Tonnen Treibhausgase ausgestoßen – immerhin zehn Prozent weniger als im Jahr 2022.Umweltbundesamt (2024): Treibhausgasemissionen sinken deutlich (online verfügbar, abgerufen am 11. Juni 2024. Dies gilt für alle Onlinequellen in diesem Bericht). Das deutsche Klimaschutzgesetz schreibt bis zum Ende dieses Jahrzehnts allerdings eine Verringerung der Emissionen um mindestens 65 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 vor; davon wurden bis 2022 erst 40 Prozent erreicht.Bundesregierung (2024): Ein Plan fürs Klima (online verfügbar); Umweltbundesamt (2023): Treibhausgasminderungsziele Deutschlands (online verfügbar).
Um den Ausstoß von Treibhausgasen wirkungsvoller reduzieren zu können, ist es wichtig, die Haupttreiber zu verstehen. Die Politik sollte dabei nicht nur Reduktionspotenziale in der Industrie, sondern auch im Bereich der privaten Haushalte beachten. Immerhin kann in Deutschland etwa ein Drittel der Emissionen auf das Konsumverhalten privater Haushalte zurückgeführt werden.Statistisches Bundesamt (2022): CO2-Emissionsintensität der deutschen Wirtschaft 2020 weiterhin rückläufig (online verfügbar). Im Folgenden werden daher die durchschnittlichen Pro-Kopf-Emissionen in Deutschland in den Bereichen Wohnen, Ernährung und Mobilität anhand individueller und haushaltsbasierter Informationen berechnet und analysiert.
Die Analysen basieren auf unveröffentlichten Vorabdaten der Befragung des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) aus dem Jahr 2023.Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) ist eine repräsentative Wiederholungsbefragung privater Haushalte, die seit 1984 jährlich in Westdeutschland und seit 1990 auch in Ostdeutschland durchgeführt wird, vgl. Jan Goebel et al. (2018): The German Socio-Economic Panel (SOEP). Journal of Economics and Statistics, 239(29), 345–360. Anhand von Angaben der Befragten zu ihrem Konsumverhalten wurde der Pro-Kopf-CO2-FußabdruckDer CO2-Fußabdruck gibt an, wie viele Tonnen CO2-Äquivalente (tCO2e) eine Person pro Jahr erzeugt. Er ist ein Maß für die Wirkung des Einzelnen auf das Klima, vgl. DIW Glossar zum CO2-Fußabdruck (online verfügbar). privater Haushalte in den Bereichen Wohnen, Ernährung und Mobilität berechnet (Kasten). Dabei wird zuerst der CO2-Fußabdruck des gesamten Haushalts bestimmt. Anschließend werden die Gesamtemissionen im Haushalt durch die Anzahl der Haushaltsmitglieder (Kinder mit eingerechnet) geteilt.
Der CO2-Fußabdruck der Haushalte in Deutschland aus den Bereichen Wohnen, Ernährung und Mobilität wird auf Basis von Vorabdaten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) im Jahr 2023 berechnet. Da aktuell noch keine Gewichtungsfaktoren für das Jahr 2023 vorliegen, werden Vorabgewichte aus der Befragung des Vorjahres verwendet, die den Ausfall von Haushalten seit der letzten veröffentlichten Befragung im Jahr 2021 mit einrechnet. Personen, die erst 2023 Teil der Erhebung wurden, werden dadurch nicht berücksichtigt. Weiterhin nicht berücksichtigt werden sämtliche Geflüchteten-Stichproben. Durch diese Einschränkungen verringert sich die untersuchte Stichprobe auf 7304 Haushalte.
Die Berechnungen basieren auf individuellen und haushaltsbezogenen Informationen aus den Haushalts- und Personenfragebögen. In jedem der drei Konsumbereiche wird ein ähnlicher Ansatz verfolgt: Angaben der Befragten zu Ausgaben und Verbrauchsmengen von Gütern, deren Produktion zur Emission von Treibhausgasen führt, werden unter Verwendung der entsprechenden Emissionsfaktoren pro Verbrauchseinheit in CO2-Äquivalente umgerechnet. Dazu werden Emissionsfaktoren aus offiziellen Quellen verwendet, da sich die Wertschöpfungsketten in den einzelnen Ländern unterscheiden und die Verwendung nationaler Quellen daher für die Emissionsberechnungen am geeignetsten und genauesten ist.Für Elektrizität im Wohnbereich, Erdgas, Flüssiggas, Nah-/und Fernwärme, Kohle (Mittelwert aus Stein- und Braunkohle), Heizöl, Biogas, Autogas, Holz wurden die Emissionsfaktoren des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (2022): Informationsblatt CO2-Faktoren (online verfügbar) verwendet. Für Diesel und Benzin werden Emissionsfaktoren des Umweltbundesamts (2022): CO2-Emissionsfaktoren für fossile Brennstoffe (online verfügbar) verwendet.
Für die Berechnung der Emissionen aus den spezifischen Bereichen wird wie folgt vorgegangen. Die Emissionen für den Energieverbrauch in Privathaushalten werden über die Art der verwendeten Ressourcen (Strom, Gas, Fernwärme, Heizöl, Solarenergie, Umweltwärme, Holz, Kohle, Biomasse und Flüssiggas) und die verbrauchte Energiemenge für jede der verwendeten Ressourcen aus dem Haushaltsfragebogen berechnet. Die Emissionen für die Mobilität basieren auf Daten zu Autobesitz, Kraftstoffart und Ausgaben sowie zur Häufigkeit von Kurz- und Langstreckenreisen mit Bus, Bahn, Straßenbahn und Flugzeug. Die Emissionen aus der Ernährung werden auf der Grundlage der Angaben aus dem persönlichen Fragebogen zu Geschlecht, Alter, Gewicht und der Häufigkeit des Verzehrs von Fleisch und Fisch berechnet.
Fehlende Informationen zur Art der Heizung werden logisch imputiert. Konkret heißt das, dass davon ausgegangen wird, dass ein Haushalt dieselbe Heizungsart nutzt wie in der letzten Umfrage, sofern er nicht umgezogen ist. Fehlende Angaben zu den Ausgaben oder den Verbrauchsmengen werden im Bereich Wohnen nicht imputiert. Bei der Berechnung der Ernährung wird angenommen, dass das durchschnittliche Ernährungsprofil der Erwachsenen im Haushalt auch für deren Kind(er) gilt. Im Bereich Mobilität wurden die oberen und unteren ein Prozent durch die Perzentilgrenzen ersetzt.Zur Berechnung der Perzentile wird ein der Größe nach geordneter Datensatz in 100 gleiche Teile zerlegt. Ausreißer mit Werten größer als das 99. Perzentil der Stichprobe und kleiner als das unterste erste Perzentil werden durch Grenzwerte ersetzt.
Die Analysen umfassen für jeden der drei Konsumbereiche jeweils alle Haushalte, für die die bereichsspezifischen Informationen vorhanden waren. Das heißt, die Fallzahlen unterscheiden sich zwischen den einzelnen Bereichen.
Die Berechnungen umfassen eine Datenbereinigung in mehreren Phasen der bereichsspezifischen Emissionsberechnungen. In ähnlicher Weise wird auch sichergestellt, dass alle Ausreißer für jeden einzelnen Bereich berücksichtigt werden. Diese Prozesse können dazu führen, dass die Unterschiede in den Emissionen nach Einkommen weniger stark ausfallen.
Den SOEP-Befragungsdaten zufolge liegen die jährlichen Pro-Kopf-Emissionen in den drei Bereichen Wohnen, Ernährung und Verkehr bei etwa 6,5 Tonnen CO2-Äquivalenten (tCO2e) im Jahr. Davon emittiert jede Person in Deutschland durchschnittlich 0,7 tCO2e durch die Nutzung von Elektrizität im häuslichen Umfeld (Abbildung 1). Weitere 2,2 tCO2e werden durch das Heizen und die Warmwasseraufbereitung verursacht. Die Ernährung schlägt im Durchschnitt mit 1,6 tCO2e zu Buche, das Mobilitätsverhalten mit 2,0 tCO2e. Die Berechnungen auf Basis des SOEP liegen damit sehr nahe an den Berechnungen des Umweltbundesamts, die auf Basis einer anderen Methodik erstellt wurden.Vgl. auf der Website des Umweltbundesamts: Durchschnittlicher CO2-Fußabdruck pro Kopf in Deutschland (Stand: 2024) (online verfügbar). Die Werte liegen in beiden Berechnungen deutlich über den maximal ein bis drei Tonnen pro Person und Jahr, die je nach Berechnung, von Klimaexpert*innen und dem Umweltbundesamt als klimaverträglich eingestuft werden.Vgl. Umweltbundesamt (2024): Wie hoch sind die Treibhausgasemissionen pro Person? (online verfügbar). Hans Joachim Schellnhuber, ein Klimaforscher vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), errechnet für Deutschland einen CO2-Fußabdruck von rund drei Tonnen pro Jahr und pro Person, der für das Einhalten des Pariser Klimaabkommens erreicht werden müsste – sozusagen ein individuelles CO2-Budget, vgl. Dirk Messner et al. (2010): The Budget Approach: A Framework for a Global Transformation toward a Low-Carbon Economy. Journal of Renewable and Sustainable Energy 2(3), 031003 (online verfügbar). Wie genau diese Zahl zustande kommt, ist auf der Website der ARD-Sendung Panorama (FAQ: Wer verursacht wie viele Treibhausgase?) sehr gut erklärt (online verfügbar).
Die Berechnungen bestätigen, dass sich der CO2-Fußabdruck der Haushalte mit steigendem Äquivalenzeinkommen vergrößert.Mithilfe von Äquivalenzeinkommen kann die Einkommenssituation von Haushalten unterschiedlicher Größe und Zusammensetzung vergleichbar gemacht werden. Dazu werden die Einkommen aller im Haushalt lebenden Personen addiert und mithilfe einer Bedarfsskala passend für die Struktur des Haushalts umgerechnet, vgl. DIW Glossar zum Äquivalenzeinkommen (online verfügbar). Zum CO2-Fußabdruck der Haushalte in Deutschland vgl. Gilang Hardadi, Alexander Buchholz und Stefan Pauliuk (2021): Implications of the distribution of German household environmental footprints across income groups for integrating environmental and social policy design. Journal of Industrial Ecology 25(1), 95–113. Dieser Zusammenhang ist vor allem auf höhere Emissionen im Bereich der Mobilität zurückzuführen (Abbildung 2). Bei der Ernährung und beim Heizen haben Haushalte mit höheren Einkommen tendenziell sogar etwas geringere Pro-Kopf-Emissionen. In den folgenden Abschnitten wird genauer betrachtet, wie sich die Emissionen in den einzelnen Bereichen zusammensetzen und wodurch die Unterschiede zwischen den Einkommensgruppen erklärt werden können. Dafür werden jeweils die Informationen aller Haushalte und Personen genutzt, für die der bereichsspezifische Fußabdruck berechnet wurde.
Emissionen aus der häuslichen Nutzung von Elektrizität, Heizen und Warmwasseraufbereitung werden im Folgenden gemeinsam betrachtet. Im Durchschnitt werden pro Person 2,9 tCO2e pro Jahr im Bereich Wohnen emittiert. Aufgrund der gemeinsamen Nutzung von Strom und Wärme ist die Anzahl der Menschen, die gemeinsam im Haushalt leben, entscheidend für die Emissionen, die pro Person im Bereich Wohnen verursacht werden: Ein Vierpersonenhaushalt verursacht im Durchschnitt 1,5 tCO2e pro Person, ein Einpersonenhaushalt dagegen knapp 4,0 tCO2e (Abbildung 3).
Mithilfe eines linearen Regressionsmodells wird der Zusammenhang zwischen den verschiedenen Merkmalen von Haushalten und Wohngebäuden und den Energieemissionen pro Person im Bereich Wohnen untersucht (Tabelle). Entscheidend ist demnach die Anzahl der Personen im Haushalt. Daneben hat auch die Wohnfläche, die pro Person zur Verfügung steht, einen signifikanten, wenn auch kleineren Einfluss auf die Emissionen: Für jeden zusätzlichen Quadratmeter steigen die Treibhausgasemissionen pro Person um 0,022 tCO2e pro Jahr. Diese beiden Einflussfaktoren erklären knapp die Hälfte der beobachteten Unterschiede bei den Pro-Kopf-Emissionen im Bereich Wohnen. Keinen signifikanten Effekt hat dagegen das pro Person zur Verfügung stehende Einkommen, wenn die übrigen Einflussgrößen berücksichtigt werden.
In Tonnen CO2-Äquivalenten
Mittelwert | 95-Prozent-Konfidenzintervall | ||
---|---|---|---|
Referenz: Einpersonenhaushalt | |||
Zweipersonenhaushalt | −0,82 | −0,91 | −0,738 |
Dreipersonenhaushalt | −1,15 | −1,28 | −1,02 |
Vierpersonenhaushalt | −1,33 | −1,49 | −1,18 |
> Vierpersonenhaushalt | −1,52 | −1,76 | −1,28 |
Äquivalenzeinkommen (in tausend Euro) | 0,01 | −0,004 | 0,02 |
Quadratmeter pro Person | 0,022 | 0,021 | 0,023 |
Konstante1 | 2,16 | 2,03 | 2,29 |
Beobachtungen | 4056 |
1 Die Konstante zeigt die durchschnittlichen Emissionen eines Einpersonenhaushalts. Addiert man den Schätzwert der anderen Haushaltsgrößen zur Konstante hinzu, erhält man die durchschnittlichen Pro-Kopf-Emissionen der jeweiligen Haushaltsgröße.
Anmerkungen: Lineares Regressionsmodell. Das 95-Prozent-Konfidenzintervall bedeutet, dass in 95 Prozent der Fälle der unbekannte tatsächliche Wert in diesem Intervall liegt. Die Fehlerwahrscheinlichkeit beträgt entsprechend fünf Prozent. Je enger das Intervall, desto genauer ist der geschätzte Effekt. Die Schätzungen des Einflusses der Haushaltsmerkmale basieren auf den Informationen von 4056 Haushalten.
Lesehilfe: Ein Zweipersonenhaushalt emittiert pro Jahr 0,82 Tonnen CO2-Äquivalent weniger als ein Einpersonenhaushalt. Jeder Quadratmeter Wohnfläche mehr führt zu 0,022 Tonnen CO2e-Emissionen mehr pro Jahr und pro Kopf.
Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis von Vorabdaten der SOEP-Befragungen im Jahr 2023 (v40), gewichtet mit vorläufigen Gewichten der Welle v39 (2022).
Daneben zeigt sich, dass auch Gebäudeart und Alter der Wohngebäude eine Rolle spielen: Personen, die in Mehrfamilienhäusern mit mehr als vier Wohneinheiten leben, verursachen etwa eine halbe Tonne weniger Emissionen als Menschen in freistehenden Ein- bis Zweifamilienhäusern und landwirtschaftlichen Wohngebäuden (Abbildung 4). Außerdem ist der CO2-Fußabdruck von Menschen, die in neueren Gebäuden wohnen, geringer.Vgl. Bundesministerium der Justiz: Gesetz zur Einsparung von Energie und zur Nutzung erneuerbarer Energien zur Wärme- und Kälteerzeugung in Gebäuden (Gebäudeenergiegesetz/GEG) 10§–45§ (online verfügbar). Ferner zeigen die Berechnungen, dass die Nutzung von Solarenergie den Pro-Kopf-CO2-Fußabdruck im Haushalt im Durchschnitt um etwa 0,7 tCO2e verringert.
Etwa ein Viertel der weltweiten Treibhausgasemissionen entsteht in der Nahrungsmittelproduktion – insbesondere durch Viehzucht, Fischerei und Landnutzung.Hannah Ritchie (2019): Food production is responsible for one-quarter of the world’s greenhouse gas emissions. Our world in data (online verfügbar). Im Vergleich zur Viehzucht und der Futtermittelproduktion haben pflanzliche Lebensmittel einen deutlich geringeren Treibhausgasfußabdruck. Die Häufigkeit des Verzehrs von tierischen Produkten ist damit ein Faktor für die individuellen Emissionen aus der Ernährung. Studien zeigen, dass die Herkunft der Lebensmittel weniger ins Gewicht fällt, da die Transportemissionen deutlich geringer sind als die bei der Produktion entstehenden Emissionen.Christopher L. Weber und H. Scott Matthews (2008): Food-miles and the relative climate impacts of food choices in the United States. Environmental Science & Technology 42(10), 3508–3513 (online verfügbar); Hannah Ritchie (2020): You want to reduce the carbon footprint of your food? Focus on what you eat, not whether your food is local. Our world in data (online verfügbar).
Basierend auf den Informationen der Befragten zu ihren Ernährungspräferenzen und der wöchentlichen Häufigkeit des Verzehrs von Fleisch, Geflügel und Fisch werden in Kombination mit Geschlecht und Alter als Indikatoren für den individuellen Kalorienbedarf der Befragten die Treibhausgasemissionen, die sie durch ihre Ernährung verursachen, berechnet.Um den Kalorienbedarf der Personen im Haushalt abzuschätzen, werden alters- und geschlechtsspezifische Durchschnittsgewichte genutzt, vgl. Statista (2021): Mittelwerte von Körpergröße, -gewicht und BMI bei Männern in Deutschland nach Altersgruppe im Jahr 2021 (online verfügbar); Statista (2021): Mittelwerte von Körpergröße, -gewicht und BMI bei Frauen in Deutschland nach Altersgruppe im Jahr 2021 (online verfügbar); Robert Koch Institut (2007): Körpermaße bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland (online verfügbar). Die Ernährungsprofile werden in Übereinstimmung mit dem CO2-Rechner des Umweltbundesamts fünf Kategorien zugeordnet: vegane, vegetarische, fleischreduzierte, gemischte und fleischlastige Ernährung. Eine fleischreduzierte Ernährung entspricht einem durchschnittlichen Fleischkonsum von 50 Gramm pro Tag, während eine gemischte und eine fleischlastige Ernährung einen täglichen Fleischkonsum von 165 Gramm beziehungsweise 290 Gramm bedeuten.Diese Beschreibung basiert auf den Definitionen des Umweltbundesamts, vgl. UBA (2024): Mein CO2-Schnellcheck (online verfügbar). Bei der SOEP-Befragung wurde nach Häufigkeit des Fleischkonsums pro Woche oder Monat gefragt. Diese Angaben wurden für die vorliegende Auswertung in Gramm umgerechnet. Die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung verzeichnet seit einigen Jahren einen Trend zu einem geringeren Fleischverzehr in Deutschland.Pressemitteilung vom 4. April 2024 der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (2024): Pro-Kopf-Verzehr von Fleisch sinkt auf unter 52 Kilogramm (online verfügbar). Im Jahr 2023 war der Rückgang am stärksten beim besonders klimaschädlichen Rindfleisch zu beobachten.Verschiedene Arten von Fleisch sind unterschiedlich emissionsintensiv: Die Produktion von Rindfleisch verursacht pro Kilogramm mehr als doppelt so viele Emissionen wie Lammfleisch und mehr als das Sechsfache der Emissionen von Geflügelfleisch, vgl. Statista (2020): Ökologischer Fußabdruck von Fleisch, Fisch und Fleischalternativen in Deutschland im Jahr 2019 (online verfügbar).
Ein Prozent der SOEP-Befragten gibt an, sich vegan zu ernähren, und zwölf Prozent ernähren sich ihren Angaben zufolge vegetarisch.Zu ähnlichen Ergebnissen kommen auch andere repräsentative Studien, vgl. Forsa (2023): Ernährungsreport 2023. Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung (online verfügbar). Demnach beträgt der Anteil der Veganer*innen in Deutschland zwei Prozent und von Vegetarier*innen acht Prozent. Von diesen gibt ein hoher Anteil dennoch an, hin und wieder (weniger als einmal im Monat) Fleisch oder (weniger als zwei bis drei Mal in der Woche) Fisch zu essen. Nur ein Prozent der Befragten gibt an, niemals irgendeine Art von Fleisch oder Fisch zu essen. Die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung ernährt sich fleischreduziert (47 Prozent) oder gemischt (42 Prozent). Etwa jede*r Zehnte isst mehrmals täglich Fleischprodukte.
Pro Kopf (Kinder mit eingerechnet) betragen die durchschnittlichen ernährungsbedingten Emissionen in Deutschland 1,6 tCO2e. Vegetarier*innen verursachen durch ihre Ernährungsgewohnheiten im Durchschnitt nur 1,2 tCO2e im Jahr (Abbildung 5). Wer weniger als einmal die Woche Fleisch isst, verursacht im Schnitt etwa 1,5 tCO2e pro Jahr; Personen, die mehrmals täglich Fleisch konsumieren, erzeugen etwa 2,0 tCO2e pro Jahr.
Die Berechnung der mobilitätsbedingten Emissionen basiert auf haushaltsbezogenen Informationen zum Besitz von Pkw und zur Kraftstoffart sowie auf personenbezogenen Informationen zur Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs (Kurzstreckenpendeln mit allen öffentlichen Verkehrsmitteln sowie Langstreckenpendeln mit Zügen und Bussen) und der Anzahl der innerdeutschen, innereuropäischen und transkontinentalen Flüge und unternommenen Kreuzfahrten.
Im Durchschnitt betragen die Pro-Kopf-Emissionen, die durch Mobilität entstehen, etwa 2,0 tCO2e pro Jahr. Davon machen Emissionen durch Autofahrten etwa die Hälfte aus. Der größte Teil der mobilitätsbedingten Emissionen ist auf Flüge zurückzuführen. Eine durchschnittliche Reise mit dem Flugzeug innerhalb Deutschlands stößt 0,24 tCO2e aus. Für dieselbe Menge an Emissionen könnte man auch 8000 Kilometer mit dem Zug fahren.
Laut Zahlen des Umweltbundesamts verursacht eine Flugreise im Inland oder innerhalb Europas im Durchschnitt 0,2 beziehungsweise 0,5 tCO2e, während eine Transkontinentalflugreise 4,7 tCO2e emittiert.Umweltbundesamt (2022): Flugreisen möglichst vermeiden und Alternativen nutzen (online verfügbar). Daher gibt es große Unterschiede bei den Mobilitätsemissionen pro Person, je nachdem, ob und wohin sie fliegt. Während jede Person in Deutschland durchschnittlich nur eine Flugreise pro Jahr unternimmt, fliegen die Vielflieger*innen zehnmal oder sogar öfter. Personen, die gar nicht fliegen, haben einen mobilitätsbedingten Fußabdruck von rund 1,0 tCO2e (Abbildung 6). Personen, die innereuropäisch fliegen, emittieren laut den Berechnungen etwa 2,3 tCO2e im Jahr. Für Personen, die einen oder mehrere Interkontinentalflüge unternommen haben, betragen die mobilitätsbedingen Emissionen im Schnitt 9,3 tCO2e.
Personen im höchsten Einkommensdezil (zehn Prozent der höchsten Haushaltseinkommen) emittieren im Bereich Mobilität mehr als siebenmal so viel CO2e wie Personen im niedrigsten Einkommensdezil (Abbildung 7). Emissionen vom Autofahren variieren zwischen 0,3 tCO2e pro Person im untersten Einkommensdezil und 1,4 tCO2e in den höheren Einkommensdezilen. Die flugbedingten Emissionen sind im höchsten Einkommensdezil mit 4,1 tCO2e rund zehnmal höher als im untersten Einkommensdezil mit 0,4 tCO2e. Die häufige Nutzung von Transkontinentalflügen treibt die Emissionen des höchsten Einkommensdezils auf ein Niveau, das 40 Prozent über dem des nächstniedrigerem Einkommensdezils liegt.
Die Berechnungen der Treibhausgasemissionen deutscher Haushalte in den Bereichen Wohnen, Ernährung und Mobilität haben gezeigt, dass es in jedem Bereich klare Hauptverursacher gibt: Im Bereich Wohnen ist vor allem die Anzahl der im Haushalt lebenden Personen entscheidend für den individuellen CO2-Fußabdruck. Im Bereich der Ernährung ist die Häufigkeit des Fleischverzehrs ein Hauptverursacher der Treibhausgasemissionen, und im Bereich der Mobilität schlägt vor allem das Fliegen zu Buche. Während in den Bereichen Wohnen und Ernährung die einkommensabhängigen Unterschiede gering sind und höhere Einkommensgruppen tendenziell sogar geringere Pro-Kopf-Emissionen aufweisen, verursachen im Bereich Mobilität Personen aus besserverdienenden Haushalten ein Vielfaches mehr an Emissionen als Personen aus Haushalten mit geringen Einkommen.
Um das im deutschen Klimaschutzgesetz festgelegte Ziel der CO2-Neutralität bis 2045 zu erreichen, sind in allen Bereichen massive individuelle, aber auch politische Anstrengungen erforderlich: Politische Entscheidungsträger*innen müssen Maßnahmen umsetzen und unterstützen, die die Energieeffizienz beim Wohnen erhöhen, umweltfreundliche Ernährungsgewohnheiten fördern, nachhaltige Mobilitätsoptionen ausbauen und emissionsintensive verteuern. Neben der Förderung klimafreundlicher Technologien, deren Erforschung und Pilotierung sowie wirtschaftlichen Anreizsetzungen und flankierenden Sozialausgleichsmaßnahmen sind im Übergang in eine kohlenstoffarme Wirtschaft auch regulationsbasierte Politikinstrumente sinnvoll.
Die vorliegenden Analysen deuten dabei auf einige Politikmaßnahmen hin, die einer ökologischen Transformation unter sozialem Vorzeichen zuträglich wären. So könnte eine Wärmedämmstrategie für die ineffizientesten Gebäude die höchsten Emissionseinsparungen erzielen und Haushalte mit geringem Einkommen unabhängiger von Energiepreisschwankungen machen.Sophie Behr et al. (2024): Sanierung sehr ineffizienter Gebäude sichert hohe Heizkostenrisiken ab. DIW Wochenbericht Nr. 19, 279–286 (online verfügbar). Zudem ließen sich die größten Einsparungen im Gebäudesektor durch eine effizientere Nutzung des vorhandenen Wohnraums erzielen. Ein Instrument hierfür wäre die Vereinfachung des Wohnungstauschs, wie es im Jahr 2023 im Bundestag diskutiert wurde und wie es bereits seit 1982 im österreichischen Mietrechtsgesetz verankert ist.Jusline (2021): Gesamte Rechtsvorschriften MRG (online verfügbar). Dies würde nicht nur der Wohnungsknappheit entgegenwirken, sondern auch die Emission von Treibhausgasen im Bereich Wohnen verringern.
Im Bereich Mobilität bietet die Reduzierung von Flügen das größte Potenzial zur Emissionsminderung. Die zum 1. Mai dieses Jahres erhöhte Luftverkehrssteuer, die bei einer vollen Weitergabe an die Kund*innen Flugtickets im Kurzstreckenbereich um 15 Euro und im Langstreckenbereich um 70 Euro erhöht, wird vermutlich nur geringe Auswirkungen auf die Nachfrage nach Flügen haben – insbesondere unter den häufiger fliegenden höheren Einkommensgruppen. Das Anfang 2023 in Frankreich unter Nutzung einer Umweltschutzklausel im europäischen RechtVgl. Artikel 20 der EU-Verordnung 1008/2008 (online verfügbar). implementierte Verbot von Inlandsflügen über Distanzen, die in 2,5 Stunden mit der Bahn erreichbar sind, geht hier wesentlich weiter und setzt auch positive Anreize für den Ausbau des Bahnverkehrs.Zentrum für Europäischen Verbraucherschutz e.V. (2023): Frankreich verbietet kurze Inlandsflüge (online verfügbar). Studien zeigen, dass durch den Ersatz von Kurzstreckenflügen bis zu 400 Kilometern durch Bahnreisen die Emissionen ohne Einbußen von Reisezeit um 95 Prozent gesenkt werden können. Die Einführung von Kurzstreckenflugverboten senkt zudem die Zeit, die eine neu gebaute Bahn-Schnelltrasse bis zur Amortisation der beim Bau entstehenden Treibhausgasemissionen betrieben werden muss, von 60 auf zehn Jahre. Vgl. Anne de Bortoli und Adélaïde Féraille (2024): Banning short-haul flights and investing in high-speed railways for a sustainable future? Transportation Research Part D: Transport and Environment, 128, 103987 (online verfügbar). Auch wenn Kurzstreckenflüge nur einen geringen Teil der Flugemissionen ausmachen, sind sie – auf die Strecke gerechnet – besonders schädlich, da während des Start- und Landevorgangs die meisten Treibhausgase emittiert werden.D.M.M.s. Dissanayaka, Varuna Adikariwattage und H.R. Pasindu (2020): Evaluation of CO2 Emission at Airports from Aircraft Operations within the Landing and Take-Off Cycle. Transportation Research Record, 2674(6), 444–456. Paola Di Mascio et al. (2022): Optimization of Aircraft Taxiing Strategies to Reduce the Impacts of Landing and Take-Off Cycle at Airports. Sustainability 14(15), 9692 (online verfügbar). Aus klimapolitischer Sicht wäre es noch wichtiger, die Zahl der Langstreckenflüge durch internationale Abkommen zu begrenzen.
Politische Maßnahmen, die auf die Veränderung von Ernährungsgewohnheiten abzielen, können kritisch gesehen werden, da kulturelle Gewohnheiten eine wichtige Rolle bei der Wahl der Ernährungsweise spielen. Eine Verringerung von hohem Fleischkonsum wäre jedoch Studien zufolge nicht nur aus klimapolitischen, sondern auch aus gesundheitlichen Gründen sinnvoll.Wenming Shi et al. (2023): Red meat consumption, cardiovascular diseases, and diabetes: a systematic review and meta-analysis. European Heart Journal 44(28), 2626–2635; Huifeng Zhang et al. (2021): Meat consumption and risk of incident dementia: Cohort study of 493 888 UK Biobank participants. The American Journal of Clinical Nutrition, 114(1), 175–184; Tian-Shin Yeh, Deborah Blacker und Alberto Ascherio (2021): To meat or not to meat? Processed meat and risk of dementia. The American Journal of Clinical Nutrition, 114(1), 7–8. Die Anfang dieses Jahres vieldiskutierte Tierwohlabgabe, die sowohl vom Bundesrat als auch den Bauernverbänden befürwortet wurde, wäre ein Schritt in diese Richtung.Bundesrat (2021): Drucksache 105/21 (online verfügbar). Studien zeigen, dass bei geringeren Preissteigerungen von etwa 19 Cent pro Kilogramm Fleisch recht hohe Zustimmungsraten (50 bis 70 Prozent) erzielt werden können – insbesondere bei einer inhaltlichen Verknüpfung mit dem Tierwohl.Grischa Perino und Henrike Schwickert (2023): Animal Welfare Is a Stronger Determinant of Public Support for Meat Taxation than Climate Change Mitigation in Germany. Nature Food 4(2), 160–169 (online verfügbar). Eventuelle leicht regressive Wirkungen könnten durch eine Absenkung der Mehrwertsteuer auf pflanzliche Lebensmittel zumindest abgemildert werden.David Klenert, Franziska Funke und Mattia Cai (2023): Meat Taxes in Europe Can Be Designed to Avoid Overburdening Low-Income Consumers. Nature Food 4(10), 894–901 (online verfügbar). Insgesamt wird es also Maßnahmen sehr unterschiedlicher Art brauchen, um die Treibhausgasemissionen privater Haushalte zu senken.
Themen: Verteilung, Verkehr, Ungleichheit, Umweltmärkte, Klimapolitik
JEL-Classification: Q51;Q58
Keywords: greenhouse gas emissions, consumption behavior, emissions
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2024-27-2