DIW Wochenbericht 27 / 2024, S. 430
Merve Küçük, Erich Wittenberg
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Frau Küçük, Sie haben den Pro-Kopf-CO2-Fußabdruck von Privathaushalten in Deutschland in den Bereichen Wohnen, Ernährung und Mobilität berechnet. Wie groß ist insgesamt der Anteil der Emissionen, die auf das Konsumverhalten privater Haushalte zurückgeführt werden können? Es gibt hierzu verschiedene Berechnungsmethoden, demnach in Deutschland fast ein Drittel der gesamten CO2-Emissionen durch den Konsum privater Haushalte verursacht wird.
Wie viel CO2 emittiert im Durchschnitt jede Person in Deutschland? Der Durchschnitt liegt bei 6,5 Tonnen CO2 pro Person im Jahr. Das ist mehr als das Doppelte des Emissionsbudgets von drei Tonnen CO2 pro Jahr, das für Haushalte in Deutschland angestrebt wird, um damit eine Erwärmung um zwei Grad Celsius nicht zu überschreiten.
In welchen der von Ihnen untersuchten Bereiche werden von den Haushalten die meisten CO2-Emissionen freigesetzt? Wir sehen in unserer Analyse, dass die meisten Emissionen in den Bereichen Wohnen und Mobilität entstehen. Beim Wohnen ist es vor allem die Anzahl der im Haushalt lebenden Personen, die einen großen Unterschied macht. Im Bereich der Mobilität entscheidet insbesondere das Fliegen über einen großen oder einen kleinen CO2-Fußabdruck.
Welcher der drei Bereiche bietet das größte Potenzial zur Emissionsminderung? Eigentlich gibt es in allen drei Bereichen Potenziale zur Emissionsminderung, aber die größte Reduzierung mit dem geringsten Aufwand ließe sich erreichen, wenn sich das Mobilitätsverhalten ändert. Einfach den Zug nehmen, wenn es möglich ist, anstatt zu fliegen kann zu dieser Reduzierung deutlich beitragen.
Inwieweit unterscheidet sich die Größe des CO2-Fußabdrucks, wenn man nach dem Einkommen unterscheidet? Wir analysieren den CO2-Fußabdruck nach Einkommensdezilen und dabei sehen wir, dass Menschen im höchsten Einkommensdezil fast doppelt so viele CO2-Emissionen verursachen wie Menschen im niedrigsten Einkommensdezil. Es zeigt sich hier also auf jeden Fall ein großer Unterschied, wenn man nach Einkommen unterscheidet.
Wie ist das zu erklären? Vor allem im Bereich Mobilität kommt das Flugverhalten ins Spiel. Eine einzige Interkontinentalflugreise verursacht im Schnitt 4,7 Tonnen CO2 und damit mehr als Wohnen und Ernährung in einem ganzen Jahr. Weil Menschen mit höherem Einkommen häufiger und auch größere Entfernungen fliegen, verursachen sie auch mehr Emissionen.
Was könnte jeder Einzelne tun, um effektiv den individuellen CO2-Fußabdruck zu verkleinern? Auf jeden Fall weniger fliegen und öffentliche Verkehrsmittel bevorzugen. Wenn man zu seinem Zielort auch mit dem Zug fahren kann, lässt sich auf das Flugzeug verzichten. Auch durch gemeinsames Wohnen lassen sich viele Emissionen sparen. Zudem kann man vielleicht einmal pro Woche auf Fleisch verzichten. Das würde schon einen Unterschied ausmachen.
Welche politischen Maßnahmen wären denkbar, um auf das Emissionsverhalten jedes Einzelnen einzuwirken? Zum Beispiel gibt es eine Flugsteuer, die dieses Jahr erhöht wurde. Obwohl das ein großer Schritt war, fragt sich, ob diese Steuer tatsächlich vom Fliegen abschreckt. In Frankreich wurden Inlandsflüge, die durch die Bahn in zweieinhalb Stunden Fahrzeit ersetzt werden können, komplett verboten. Das ist eine Maßnahme, die wesentlich weiter geht und auch positive Anreize für den Ausbau des Bahnverkehrs setzt. Im Bereich Wohnen könnte es durch eine effizientere Nutzung des vorhandenen Wohnraums große Einsparungen im Gebäudesektor geben. Das ließe sich erreichen, wenn der Wohnungstausch vereinfacht würde.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
Themen: Verteilung, Verkehr, Ungleichheit, Umweltmärkte, Klimapolitik