DIW Wochenbericht 29 / 2024, S. 467
Katharina Wrohlich, Erich Wittenberg
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Frau Wrohlich, inwieweit werden geschlechtsspezifische Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt durch eine Elternschaft verstärkt? In Deutschland geht mit der Elternschaft vor allem eine ungleiche Aufteilung der unbezahlten Sorgearbeit einher, insbesondere der Kinderbetreuung. Mütter gehen viel länger in Elternzeit als Väter. Nach Ablauf der Elternzeit sind Mütter sehr häufig in Teilzeit erwerbstätig, um weiter den Großteil der Kinderbetreuung zu übernehmen. Die ungleiche Aufteilung der Sorgearbeit geht also einher mit einer ungleichen Aufteilung der Erwerbsarbeit. Dadurch verstärken sich die geschlechtsspezifischen Ungleichheiten auf dem Arbeitsmarkt.
Wie teilen sich Paare mit Kindern die Erwerbsarbeit im Allgemeinen auf? „Vater arbeitet Vollzeit und die Mutter in Teilzeit“ ist das häufigste Modell, wie Eltern die Erwerbs- und Sorgearbeit in Deutschland aufteilen. Es kommt auch vor, dass beide Eltern in Vollzeit erwerbstätig sind. Dieses Modell finden wir häufiger in Ostdeutschland. Nicht mehr so häufig ist das klassische „Hausfrauenmodell“, in dem der Vater Vollzeit arbeitet und die Mutter nicht erwerbstätig ist.
Inwieweit ändert sich die Aufteilung der Erwerbsarbeit, wenn die Kinder älter sind? Man könnte ja meinen, dass die Arbeitszeit beider Elternteile wieder zunimmt, wenn die Kinder älter werden, aber das zeigen unsere Daten nicht. Wir sehen, dass die Väter praktisch über den ganzen Erwerbsverlauf Vollzeit arbeiten. Die Mütter hingegen beginnen mit der Teilzeit, wenn die Kinder klein sind und bleiben dann meist dabei, auch wenn die Kinder älter sind.
Woran liegt das? Eine naheliegende Erklärung wäre zum Beispiel, dass es eine gesellschaftliche Erwartung ist, dass Frauen in Teilzeit arbeiten. Allerdings finden wir keine Hinweise darauf. Fragt man die Menschen in Deutschland, äußern zwar Familien mit sehr jungen Kindern die Erwartung, dass nicht beide Elternteile Vollzeit arbeiten und speziell Mütter in Teilzeit. Wenn aber die Kinder älter werden, wird erwartet, dass die Erwerbsarbeitszeit wieder steigt. Wir stellen also eine gewisse Diskrepanz zwischen der tatsächlich gelebten Arbeitsaufteilung und der als ideal erachteten Arbeitsaufteilung fest.
Wie ist diese Diskrepanz zu erklären? Ist es so, dass viele Familien die Erwerbsarbeit gerne anders aufteilen wollen, es aber nicht können? Diese Vermutung liegt nahe und es mag dafür viele individuelle Gründe geben. Es könnte aber auch an finanziellen Anreizen liegen, die vom Steuer- und Transfersystem ausgehen. Diesen Aspekt haben wir uns genauer angesehen und haben für verschiedene Arbeitszeitkonstellationen das Haushaltsnettoeinkommen berechnet. Das ist natürlich am höchsten, wenn beide Elternteile Vollzeit arbeiten. Aber wenn man schaut, wie viel netto pro geleisteter Arbeitsstunde übrigbleibt, dann sieht man, dass es in dem Modell „Vater arbeitet Vollzeit und die Mutter in einem Minijob“ pro geleisteter Arbeitsstunde am meisten ist. Dass dieses Modell finanziell extrem attraktiv ist, liegt an der Progression des Einkommensteuersystems, den Steuerregeln für Minijobs, am Ehegattensplitting und auch an der beitragsfreien Mitversicherung für Ehepartner*innen in der gesetzlichen Krankenversicherung.
Wie könnte eine gleichmäßigere Aufteilung der Erwerbs- und Sorgearbeit attraktiver gemacht werden? Neben grundsätzlichen Bedingungen, wie einer guten und hochwertigen Infrastruktur von Kinderbetreuungseinrichtungen, wäre es wichtig, an bestimmten Stellen im Steuer- und Transfersystem anzusetzen. Insbesondere müsste die steuerliche Behandlung von Einkünften aus Minijobs verändert und das Ehegattensplitting reformiert werden.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
Themen: Steuern, Gender, Familie, Arbeit und Beschäftigung