DIW Wochenbericht 31/32 / 2024, S. 504
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Die Aufregung ist groß: Serbien soll ein wichtiger Lieferant des Leichtmetalls Lithium für die europäische Autoindustrie werden. Diesen Milliardendeal hat die Europäische Union jüngst im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz mit dem EU-Beitrittskandidaten Serbien vereinbart. Ziel ist es, die europäische Abhängigkeit von China zu verringern. Das ist zwar dringend nötig, aber nicht die Lösung des Problems.
Lithium ist der wichtigste Rohstoff für die Herstellung von Batterien für E-Autos. Lange haben Europa und vor allem die deutsche Autoindustrie es verschlafen, sich durch Rohstoffabkommen unabhängiger von Lieferländern wie China zu machen – andere Länder waren dabei schneller. China dominiert den Markt und beherrscht fast die gesamte Lieferkette für E-Auto-Batterien. Seit Jahren ist China auf dem internationalen Markt bei Abbau und Weiterverarbeitung von Lithium aktiv. Bis zu 60 Prozent des weltweit geförderten Lithiums werden derzeit von chinesischen Firmen zu nutzbaren Chemikalien weiterverarbeitet. Aus diesem Grund ist auch die deutsche Autoindustrie massiv abhängig von China.
Serbien will nun ebenfalls eine eigene Wertschöpfungskette aufbauen. So soll nur ein Teil des Lithiums als Rohstoff in die EU exportiert und der Rest im eigenen Land zu Batterien verarbeitet werden. In Zeiten von so vielen geopolitischen Krisen in der Welt ist es durchaus wichtig, dass die Rohstoffbezüge diversifiziert werden, und Serbien kann ein wichtiges Lieferland werden. Im Übrigen hat auch die Ukraine große Mengen an Lithium, die theoretisch erschlossen werden können.
Aus zwei Gründen ist dieses Abkommen aber dennoch problematisch: Erstens können die potenziellen Umweltschäden gravierend sein. Der Lithium-Abbau kann das Grundwasser mit Schwermetallen verunreinigen und das Trinkwasser belasten. Zu Recht weisen serbische Umweltschutzorganisationen seit langem darauf hin, dass die Umweltstandards von dem betreibenden Unternehmen nicht eingehalten werden, und beklagen, dass Deutschland die potenziellen Umweltschäden nur verlagert. Daher sollte die Rohstoffgewinnung lediglich gewährt werden, wenn Umwelt- und Sozialstandards eingehalten werden. Die deutsche Regierung und Europa sollten auf entsprechende Zertifizierungen pochen.
Zweitens müssen wir uns fragen: Von wem machen wir uns da eigentlich abhängig? Serbien ist EU-Beitrittskandidat, trägt aber die EU-Russland-Sanktionen nicht mit und hat ein Freihandelsabkommen mit China geschlossen. Zudem wird in Serbien die freie Presse unterdrückt, und die Justiz gilt als nicht vollkommen unabhängig. Serbien ist damit aus beiden Gründen nicht der ideale Partner.
Fakt ist aber auch, dass Lithium zentral für die Elektromobilität ist und damit für die Energie- und Verkehrswende sowie die Erreichung der Klimaziele. Da Lithium allerdings ein knapper und vor allem kostbarer Rohstoff ist, sollten die Bundesregierung und die EU nicht allein auf die Diversifizierung setzen, sondern dafür sorgen, dass der Bedarf an Rohstoffen minimiert wird. Rohstoffe müssen recycelt, zurückgewonnen und wiederverwertet werden; die Kreislaufwirtschaft ist elementar. Zudem sollten nicht immer mehr Fahrzeuge produziert werden. Oder eher „Stehzeuge“, denn statistisch gesehen stehen Autos 23 Stunden am Tag herum. Wir brauchen eine echte Verkehrswende mit einer Verkehrsvermeidung,- verlagerung und -optimierung. Wir benötigen mehr Mobilitätsdienstleistungen, besseren und preiswerteren öffentlichen Nah- und Schienenverkehr.
Zudem müssen Umweltstandards beim Abbau von Lithium eingehalten werden. Umweltschäden dürfen nicht verlagert werden. Wir können im Übrigen auch im eigenen Land Lithium abbauen. Zwar sind die potenziellen Mengen nicht so groß wie anderswo. Dennoch könnte Lithium durch die Erschließung von Geothermie im Oberrheingraben oder durch Minenabbau in Sachsen gewonnen werden. Zumindest würde dort die Einhaltung der Umweltstandards streng kontrolliert werden.
Energiewende, Verkehrswende und Klimaschutz sollten nicht einander ausschließen, sondern als gelebter Umweltschutz Hand in Hand gehen.
Der Beitrag ist am 19. Juli 2024 bei Focus online erschienen.
Themen: Umweltmärkte, Ressourcenmärkte, Europa, Energiewirtschaft