DIW Wochenbericht 34 / 2024, S. 532
Daniel Graeber, Erich Wittenberg
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Herr Graeber, welche ökonomische Bedeutung haben das subjektive Wohlbefinden und die Lebenszufriedenheit? Wir Ökonom:innen gehen davon aus, dass Menschen bei ihren Konsumentscheidungen versuchen, ihren Nutzen zu maximieren. Das subjektive Wohlbefinden könnte eine Annäherung dafür sein. Wir wissen aber auch aus anderen Studien, dass Individuen, die ein hohes subjektives Wohlbefinden haben, bessere soziale Beziehungen führen, produktiver sind und auch eine längere Lebenserwartung haben. Die kognitive Komponente des subjektiven Wohlbefindens ist die Lebenszufriedenheit. Die Daten dazu werden in Befragungen erfasst.
Was ist das Besondere an Ihrer Studie? In vorausgegangenen Studien zur allgemeinen Lebenszufriedenheit wurde selten betrachtet, dass die allgemeine Lebenszufriedenheit als Zusammenfassung der Zufriedenheit in verschiedenen Lebensbereichen interpretiert werden könnte. Wir argumentieren hingegen, dass die Analyse der Zufriedenheit in verschiedenen Lebensbereichen auch Aufschlüsse darüber bieten kann, was zur allgemeinen Zufriedenheit beitragen kann, wo es noch Handlungsbedarf gibt und wo es Unterschiede zwischen verschiedenen Individuen gibt.
Sie haben die Zufriedenheit der Menschen in Deutschland in den Bereichen Einkommen, Arbeit und Gesundheit analysiert. Wie hat sich die Zufriedenheit in diesen Bereichen in Ihrem Untersuchungszeitraum entwickelt? Grundsätzlich ist die Zufriedenheit in diesem Zeitraum (2004 bis 2021) eigentlich in allen Bereichen gestiegen, lediglich während der Wirtschaftskrise gab es einen kurzen Einbruch. In den einzelnen Bereichen fallen die ökonomischen Komponenten auf, denn die Zufriedenheit mit dem persönlichen Einkommen, aber auch die Zufriedenheit mit der Arbeit ist gestiegen. Hingegen ist die Zufriedenheit mit der Gesundheit über die längste Zeit des untersuchten Zeitraums stabil geblieben. Lediglich während der Corona-Pandemie haben wir einen Sondereffekt.
Stimmt das Klischee, dass Menschen, die mehr Geld haben, auch zufriedener sind? Das stimmt. Unsere Analyse zeigt, dass die Personen, die höhere Einkommen haben, in den verschiedenen Lebensbereichen auch glücklicher sind. Allerdings ist die Zufriedenheit mit dem persönlichen Einkommen oft nicht linear. Das heißt, die Abstände zwischen oben und unten und der mittleren Gruppe sind nicht konstant.
Inwieweit unterscheiden sich die Ergebnisse für Männer und Frauen? Frauen sind weniger zufrieden mit ihrem persönlichen Einkommen. Überraschenderweise sind sie aber mit ihrer Arbeit genauso zufrieden wie Männer. Mit ihrer Gesundheit hingegen sind sie systematisch unzufriedener. Allerdings zeigt sich in unserer Analyse, dass bei der Zufriedenheit mit dem persönlichen Einkommen der Abstand zwischen Frauen und Männern im Untersuchungszeitraum stark abnimmt.
Wie groß sind die Unterschiede in der Zufriedenheit zwischen Ost- und Westdeutschland? Es gibt zwischen Ost- und Westdeutschland schon Unterschiede in der Zufriedenheit mit dem persönlichen Einkommen, mit der Arbeit oder auch mit der Gesundheit. Ein sehr positiver Befund ist aber, dass die Abstände in der Zufriedenheit in allen Bereichen abgenommen haben. Das heißt, Ost- und Westdeutschland gleichen sich in der Zufriedenheit einander an.
Gibt es ein Ergebnis, dass Sie überrascht hat? Was uns sehr überrascht hat ist, dass sich die Zufriedenheit mit dem persönlichen Einkommen und mit der Arbeit nicht zwischen Personen mit und Personen ohne Kindern unterscheidet. Das war für uns ein überraschender Befund, da sich durch Kinder die Lebensumstände und damit auch die Ansprüche an das persönliche Einkommen und die Arbeit ändern.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.