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Mit der Google-Entscheidung in den USA ändern sich die globalen Vorzeichen für Digitalkonzerne: Kommentar

DIW Wochenbericht 34 / 2024, S. 536

Hannes Ullrich

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In den vergangenen zwei Jahrzehnten haben wenige große Digitalkonzerne weltweit enorme Datenmengen angesammelt und damit Geschäfte gemacht. Wurden zunächst die Innovationskraft und der wirtschaftliche Erfolg dieser Konzerne bestaunt, kristallisiert sich zunehmend heraus, wie wohlfahrtsschädigend ihre zunehmende Marktmacht ist. Zwar gab es bereits, vor allem in Europa, wichtige Wettbewerbsfälle in einzelnen digitalen Märkten und prominente Regulierungswerke. Was aber bisher fehlte, war eine globale Richtungsentscheidung für diese weltweit agierenden Unternehmen. Eine gerichtliche Entscheidung in den USA setzt nun mit einem Urteil gegen Google genau dieses Signal und weist den großen Digitalkonzern in die Schranken.

In der international vielbeachteten Entscheidung des Bundesgerichts in Washington wird befunden, dass die Exklusivvereinbarungen, die Google mit Unternehmen wie Apple bezüglich der Nutzung der Google-Suchmaschine geschlossen hat, gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen. Google hatte diverse Betriebssystemhersteller dafür bezahlt, dass sie Google als Standard-Suchmaschine einstellen. Der Konzern nutze zudem seine Monopolstellung aus, um die Preise im Markt für Online-Werbung in die Höhe zu treiben, befand das Gericht.

In der Entscheidung wird auch deutlich die Rolle von Datenmengen hervorgehoben, die diese digitalen „Ökosysteme“ in ihren eigenen Systemen und über Verträge mit anderen Dienstleistern ansammeln und für zielgerichtete Inhalte und Werbung nutzen können. Dies bestätigt, wie zunehmend relevant Größe und inhaltliche Breite von Daten sind, um Monopolstellungen in Online-Märkten zu erreichen. Zwar hat sich gezeigt, dass Skalenerträge in einzelnen Datenquellen abnehmen, was das Erreichen einer Monopolstellung eher erschwert. Es häufen sich jedoch Erkenntnisse, dass die Kombination sich komplementierender Datenquellen Unternehmen wie Google unüberwindbare Wettbewerbsvorteile verleihen kann.

Interessanterweise stützt sich die gerichtliche Entscheidung dabei auch auf die ökonomische Theorie von Datennetzwerkeffekten. Nach dieser Theorie gibt es einen sich verstärkenden Kreislauf, in dem durch steigende Nutzerzahlen zunächst mehr Werbetreibende als Kunden angeworben werden, die so durch mehr geschaltete Werbeanzeigen das Sammeln von mehr Daten ermöglichen. Diese Daten können wiederum genutzt werden, um Inhalte und Werbung zu verbessern, die zu höheren Einnahmen und damit zu höheren Investitionen in die Entwicklung und Vermarktung von Inhalten genutzt werden können. Dies führt schlussendlich zu einer Steigerung der Nutzerzahlen, womit sich der Kreis schließt. In diesem Kreislauf kommen den Datenmengen und insbesondere der Kombination sich ergänzender Datenquellen eine entscheidende Rolle zu. Exklusive Verträge wie die zwischen Google und Apple erlauben hierbei zweierlei, nämlich die Beschleunigung dieses Kreislaufs durch Zugang zu Nutzer*innen und Daten sowie die Monetarisierung dieses Zugangs zu den Nutzer*innen durch den Verkauf zielgerichteter Werbung.

Doch das Gerichtsurteil setzt noch keinen Schlusspunkt unter die Causa Google; erst jetzt wird es spannend. Dem Gerichtsurteil folgen nun Beratungen und Verhandlungen zu möglichen Auflagen, die Google erfüllen muss. Hierbei wird insbesondere in Europa aufmerksam beobachtet, inwieweit die Auflagen mit den kürzlich in Europa beschlossenen Regeln im Digital Markets Act korrespondieren, weniger stark in den Markt eingreifen oder vielleicht sogar über die in Europa geltenden Maßnahmen hinausgehen. Dies könnte vielleicht auch die europäischen Gesetzgeber dazu ermutigen, die Durchsetzung der neuen Regulierungen zu intensivieren.

In jedem Fall ist das Urteil ein deutlicher Schritt, um die enorme Macht von Google zu begrenzen. Google ist aber nur einer der großen Ökosystembetreiber. Das Urteil ist daher auch ein wichtiges Signal an die weiteren Unternehmen in digitalen Märkten, dass Gerichte bereit sind, Regeln durchzusetzen und Marktmacht auch in neuen, komplexen Märkten Schranken zu setzen. Insbesondere vor dem Hintergrund von KI-Modellen, deren Entwicklung dank ihrer Datenschätze und Ökosysteme von denselben Unternehmen dominiert wird, lässt das Urteil für den Wettbewerb als Garant für gesellschaftlich nachhaltige Wertschöpfung hoffen.

Hannes Ullrich

Stellvertretender Abteilungsleiter in der Abteilung Unternehmen und Märkte

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