DIW Wochenbericht 36 / 2024, S. 574
Geraldine Dany-Knedlik, Erich Wittenberg
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Frau Dany-Knedlik, für die deutsche Wirtschaft lief es in diesem Jahr bislang nicht wirklich gut. Ist die erhoffte Erholung eingetreten? Die erhoffte Erholung lässt noch auf sich warten. Zwar hatten wir einen starken Jahresauftakt im ersten Quartal, das zweite Quartal hat dann allerdings mit einer leicht negativen Wachstumsrate enttäuscht.
Mit welchen Wachstumszahlen rechnen Sie? Wir rechnen mit einer Stagnation in diesem Jahr und mit einer Erholung von 0,9 Prozent im kommenden Jahr. 2026 dürfte die deutsche Wirtschaft unseren Berechnungen zufolge um 1,4 Prozent wachsen.
Woran liegt es, dass die Wirtschaft nicht so rund läuft wie zuletzt noch erhofft? Zum einen ist die ersehnte Erholung in der Industrie, die sich noch im ersten Quartal angedeutet hat, leider nicht eingetreten. Zum anderen enttäuschen die Konsumzahlen. Im ersten Quartal hat der Konsum noch angezogen, im zweiten Quartal ist er dann aber deutlich schwächer ausgefallen.
Wo liegen dafür die Gründe? Immerhin steigen die Reallöhne seit Mitte des vergangenen Jahres. Das ist richtig, die Reallöhne und auch die verfügbaren Einkommen sind seit dem Ende der Energiekrise deutlich gestiegen. Die vorherigen Verluste wurden jedoch erst teilweise kompensiert. Der andere Faktor ist, dass die Verbraucher*innen durch die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen stark verunsichert sind. Zudem ist die Arbeitslosigkeit gestiegen, weil der Beschäftigungsaufbau gerade im Verarbeitenden Gewerbe zurückgegangen ist. Zwar steigt die Beschäftigung insgesamt nach wie vor, allerdings fast ausschließlich in den öffentlichen Sektoren, also beispielsweise im Bildungsbereich.
Wie werden sich die Preise entwickeln? Die Verbraucherpreise haben sich zuletzt stabil entwickelt und sind knapp unter die Zwei-Prozent-Marke gefallen. Das ist ein positives Signal, das wir auch so in der Sommerprognose vorhergesagt hatten. Das dürfte also nicht auf dem privaten Konsum lasten, sondern eher ein Zeichen dafür sein, dass auch in Zukunft mit stabilen Inflationsraten zu rechnen ist und die Europäische Zentralbank die Zinsen in den kommenden Quartalen noch weiter senken dürfte.
Wie läuft es bei der Industrie und im Verarbeitenden Gewerbe? Das Verarbeitende Gewerbe und die Industrie sind unsere Sorgenkinder. Seit längerem liegen die Produktionszahlen auf einem abwärts gerichteten Trend und am aktuellen Rand hat sich die Stimmung im Verarbeitenden Gewerbe, gemessen an Einkaufsmanagerindizes, wieder eingetrübt. Wir hatten zum Jahresauftakt gehofft, dass sich im ersten Quartal eine leichte Erholung einstellt, aber gerade im Hinblick auf eine Abkühlung der Weltwirtschaft, die insbesondere auf China zurückgeht, sehen wir, dass die Industrie im zweiten Quartal doch wieder geschwächelt hat. Das zieht die Exporte sowie die Ausrüstungsinvestitionen hierzulande herunter, die sich in den kommenden Jahren wohl nur allmählich wieder erholen dürften. Das dämpft das deutsche Wirtschaftswachstum.
Die Bundesregierung hat im Juli ein Wachstumspaket beschlossen. Wird das die Konjunktur retten? Unserer Einschätzung nach sind durch das Wachstumspaket kurzfristig nur sehr geringe Impulse zu erwarten. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat selbst ausgerechnet, dass – wenn alle 49 Maßnahmen des Wachstumspakets im kommenden Jahr in Kraft treten würden – mit einer Erhöhung des Wirtschaftswachstums um 0,5 Prozentpunkte zu rechnen ist. Wir denken aber, dass ein Großteil der Maßnahmen erst im Laufe des Jahres anlaufen wird. Entsprechend gering dürfte der von diesem Wachstumspaket ausgehende Impuls ausfallen.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
Themen: Konjunktur