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Wichtig ist es, die Innovationseffekte der vielen Übernahmen zu berücksichtigen

DIW Wochenbericht 37 / 2024, S. 586

Jo Seldeslachts, Erich Wittenberg

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Herr Seldeslachts, Sie haben Übernahmen in der pharmazeutischen Industrie im schnell wachsenden Markt für Antidiabetika untersucht. Wie häufig kommt es in diesem Bereich zu Firmenübernahmen? Wir haben für den Zeitraum von 1997 bis 2017 auf dem Markt für Antidiabetika 186 Eigentümerwechsel identifiziert.

Wer schluckt da wen? Ist es wie häufig so, dass die Großen die Kleinen übernehmen? Nein, das ist nicht so. Erstens finden die meisten Übernahmen in frühen Forschungsphasen statt, in denen die Projekte noch weit von der Marktreife entfernt sind. Zweitens halten sich die großen Branchenführer eher zurück, wenn es um die Übernahme von Projekten im Frühstadium geht, und setzen auf die Entwicklung im eigenen Unternehmen. Die Erwerber der meisten Projekte sind eher kleine Unternehmen. Unsere Ergebnisse relativieren also die Behauptung, dass meist große etablierte Unternehmen kleine Unternehmen mit Projekten kurz vor der Markteinführung übernehmen.

Wo liegen die Gründe für die Übernahmen? Werden sie dazu genutzt, potenzielle Wettbewerber aus dem Markt zu drängen? Das ist anhand der Daten schwer zu sagen. Informelle Gespräche mit diesen kleinen Unternehmen im Bereich der Entwicklung von Antidiabetika haben jedoch gezeigt, dass bei Übernahmen viele Motive eine Rolle spielen. Wichtig sind den Unternehmen der Erwerb von Fachwissen, die Vergrößerung ihres Portfolios und die Risikostreuung. Die Unsicherheit über die weitere Entwicklung der Projekte ist groß, deshalb ist Diversifizierung gut, zudem gibt es auch Synergiegewinne. Aber natürlich kommt es auch vor, dass Konkurrenten ausgeschaltet werden sollen.

Welche Auswirkungen haben die Übernahmen auf den Wettbewerb und die Innovationskraft in der Pharmabranche? Wichtig ist es, die Innovationseffekte der vielen Übernahmen von Projekten im Frühstadium zu berücksichtigen. Die meisten Projekte werden zwar aufgrund ihres hohen Risikos wahrscheinlich ohnehin nicht auf den Markt kommen. Dennoch erfordert es eine sorgfältige Analyse, welche Auswirkungen es hat, wenn sich die Eigentumsverhältnisse während einer erfolgversprechenden Entwicklungsphase verändern. Einerseits könnte das Potenzial für „Killer-Akquisitionen“, das normalerweise nur mit großen etablierten Erwerbern in Verbindung gebracht wird, auch bei Transaktionen zwischen kleinen, innovativen Unternehmen in den frühen Forschungsphasen vorhanden sein. Es muss also geklärt werden, ob nach einer Übernahme ein Projekt nicht weiterentwickelt wird, weil es das nicht soll oder aber, weil es doch nicht das nötige Potenzial hat. Andererseits könnten einige dieser Transaktionen aufgrund von Synergien zu positiven Ergebnissen führen, da kleine innovative Erwerber mit größerer Wahrscheinlichkeit auch ein neuartiges Projektportfolio haben.

Was bedeuten Ihre Ergebnisse für die Wettbewerbsbehörden? Wie sollten sich die Wettbewerbsbehörden verhalten? Die Wettbewerbsbehörden sollten die Bedeutung der technologischen Dimension erfassen. Ihr derzeitiger Fokus auf Übernahmen von marktnahen Projekten durch große etablierte Unternehmen erscheint zu eng. Wir plädieren dafür, die Untersuchung auf die Wechselwirkung zwischen Übernahmen und Innovation auszuweiten. Das heißt, es sollten auch die Transaktionen zwischen kleinen Unternehmen, die typischerweise in einem Frühstadium der Forschung stattfinden, einbezogen werden. Auch wenn diese schwerer zu bewerten sind, ist dies anhand von Patentmerkmalen durchaus machbar.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton von Jo Seldeslachts
Wichtig ist es, die Innovationseffekte der vielen Übernahmen zu berücksichtigen - Interview mit Jo Seldeslachts

Jo Seldeslachts

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Unternehmen und Märkte

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