Gender Pay Gap sinkt in vielen Branchen, wenn Unternehmen im Besitz von Frauen sind

DIW Wochenbericht 40 / 2024, S. 615-622

Alexander S. Kritikos, Mika Maliranta, Veera Nippala, Satu Nurmi

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  • Erstmalige Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Geschlecht der Unternehmer*innen und dem Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen
  • Berechnung auf Basis von finnischen Daten gehen von einem Lohngefälle von insgesamt elf Prozent zwischen Männern und Frauen aus
  • Studie zeigt, dass Lohnlücke in Unternehmen im Eigentum von Frauen um mehr als zwei Prozentpunkte niedriger ausfällt als in Unternehmen von Männern
  • Erhebliche Branchenunterschiede: Geschlecht der Eigentümer*innen spielt im verarbeitenden Gewerbe keine Rolle, in Dienstleistungsbranchen ist der Verdienstabstand deutlich geringer
  • Anreize für Frauen, Unternehmen zu gründen, könnten Gender Pay Gap reduzieren und wirtschaftliches Wachstum fördern

„Der Gender Pay Gap ist besonders groß in männerdominierten Branchen wie dem verarbeitenden Gewerbe, unabhängig davon, ob die Unternehmen im Besitz von Männern oder von Frauen sind. Im Dienstleistungsbereich zeigt sich ein anderes Bild, hier sind die Verdienstabstände nahezu null, wenn Unternehmen in der Hand von Frauen sind.“ Alexander Kritikos

Welchen Einfluss haben Frauen in Führungspositionen auf den Gender Pay Gap? Um dieser Frage nachzugehen, untersucht der Bericht erstmalig den Zusammenhang zwischen dem Geschlecht von Unternehmer*innen und den Löhnen, die den weiblichen Beschäftigten im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen gezahlt werden. Dazu werden mit Deutschland vergleichbare Daten aus Finnland analysiert. Ausgehend von einem geschlechtsspezifischen Lohngefälle von rund elf Prozent ist die Lohnlücke in Unternehmen im Eigentum von Frauen mehr als zwei Prozentpunkte niedriger als in Unternehmen im Eigentum von Männern. Darüber hinaus lassen sich erhebliche Branchenunterschiede feststellen. Während etwa im verarbeitenden Gewerbe das Geschlecht der Unternehmer*innen keine Rolle für den geschlechtsspezifischen Verdienstabstand spielt, gibt es in Dienstleistungsbranchen wie der Informations- und Kommunikationstechnologie oder in den Unternehmensdienstleistungen keinen oder nur einen vernachlässigbaren geschlechtsspezifischen Verdienstabstand, allerdings nur, wenn die Unternehmen im Besitz von Frauen sind. Deshalb lohnt es, Frauen auf dem Weg in die Selbstständigkeit stärker zu unterstützen und bestehende Hürden zu reduzieren. Neben positiven Wirkungen für wirtschaftliches Wachstum wäre eine weitere Reduktion des Gender Pay Gaps zu erwarten.

Nach wie vor gibt es in Deutschland wie in den meisten anderen Ländern Europas beträchtliche geschlechtsspezifische Unterschiede in den Löhnen abhängig Beschäftigter zulasten von Frauen.infoJulia Schmieder und Katharina Wrohlich (2021): Gender Pay Gap im europäischen Vergleich: Positiver Zusammenhang zwischen Frauenerwerbsquote und Lohnlücke. DIW Wochenbericht Nr. 9, 141–147 (online verfügbar, abgerufen am 1. September 2024. Dies gilt auch für alle anderen Online-Quellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). Die als ‚Gender Pay Gap‘infoZur Diskussion des Begriffs siehe den Eintrag Gender Pay Gap im Glossar des DIW Berlin (online verfügbar). bezeichnete Lohnlücke erfasst die prozentualen Unterschiede in den Bruttostundenlöhnen zwischen weiblichen und männlichen Beschäftigten. In Deutschland liegt die so genannte unbereinigte Lohnlücke seit vielen Jahren bei 20 Prozent, Tendenz leicht sinkend.infoVirginia Sondergeld und Wrohlich (2024): Gender Pay Gap in einem Betrieb sinkt mit mehr Frauen in Führungspositionen. DIW Wochenbericht Nr. 3, 38–43 (online verfügbar).

In der öffentlichen Diskussion stellt sich zunehmend die Frage, inwieweit die geschlechtsspezifische Zusammensetzung des Unternehmensmanagements Einfluss auf die Verdienstlücke von Frauen haben kann.infoSondergeld und Wrohlich (2024), a.a.O. Weibliche Vorgesetzte können in der Lage sein, dieses Lohngefälle zu verringern, und zwar in dem Maße, in dem der Gender Pay Gap auf diskriminierende Praktiken gegenüber weiblichen Beschäftigten zurückzuführen ist. Gleichzeitig müssen weibliche Vorgesetzte aber auch motiviert sein, diese Art von Diskriminierung abzubauen oder sich für Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern einzusetzen. Die meisten (aber nicht alle) Forschungsarbeiten in diesem Bereich deuten auf eine moderate, aber signifikante Verminderung der Verdienstlücke hin, wenn Unternehmen mit überwiegend männlichen Führungskräften mit Unternehmen mit überwiegend weiblichen Führungskräften verglicheninfoSiehe für Deutschland beispielsweise Anja-Kristin Abendroth et al. (2017): Women at Work: Women’s Access to Power and the Gender Earnings Gap. ILR Review 70, 190–222, oder zuletzt Sondergeld und Wrohlich (2024), a.a.O. oder wenn die Auswirkungen eines Wechsels von einer männlichen zu einer weiblichen Führungskraft auf die Lohnstruktur der Beschäftigten analysiert werden.infoSiehe zum Beispiel Lena E. Hensvik (2014): Manager Impartiality: Worker-Firm Matching and the Gender Wage Gap. ILR Review 67, 395–421. Da weibliche Führungskräfte jedoch in der Regel weder Mehrheitsaktionärinnen noch Eigentümerinnen dieser Unternehmen sind, können sie womöglich nicht frei über Lohnvereinbarungen entscheiden. Ihr moderierender Einfluss auf das geschlechtsspezifische Lohngefälle wäre somit eingeschränkt.

Dagegen wurde bisher nicht untersucht, inwieweit das Geschlecht von Firmeneigentümer*innen (Unternehmer*innen) Einfluss auf die Verdienstlücke von Frauen haben kann. Unternehmerinnen haben durch ihre Kapitalinvestitionen und Gewinnbeteiligung mehr organisatorische Macht. Gleichzeitig haben sie auch ein größeres Eigeninteresse an ihrer Unternehmung als die zumeist abhängig beschäftigten Managerinnen. Unternehmerinnen können daher freier über die Löhne ihrer Beschäftigten entscheiden als Managerinnen. Insbesondere in eher kleinen Unternehmen könnte es keine Eingriffe durch andere leitende Angestellte in den Lohnprozess geben. Zusätzlich kommt hinzu, dass Unternehmerinnen in der Lage sind, vom ersten Tag der unternehmerischen Aktivitäten an auf Lohngleichheit zu achten, wenn sie die Unternehmung selbst gegründet haben. Im Gegensatz dazu werden Frauen, die in bereits etablierten Unternehmen als Führungskräfte starten, in laufende Lohnfindungsprozesse einbezogen. Dort finden sie häufig geschlechtsspezifische Lohngefälle vor, bei denen es schwerer sein kann, vorhandene Lohnlücken zu reduzieren.

Vor diesem Hintergrund untersucht der vorliegende Bericht welche Rolle das Geschlecht von Unternehmer*innen für die Lohnstruktur in den jeweiligen Unternehmen spielt, mithin also welche Bruttostundenlöhne Frauen relativ zu Männern in Unternehmen im Besitz von Frauen im Vergleich zu Unternehmen im Besitz von Männern gezahlt werden.infoDieser Wochenbericht basiert auf Alexander S. Kritikos, Mika Maliranta, Veera Nippala, Satu Nurmi (2024): Does Gender of Firm Ownership Matter? Female Entrepreneurs and the Gender Pay Gap. Journal of Population Economics 37 (2024), Art. 52, 31 S (online verfügbar). Dafür werden Daten für Finnland verwendet, da für Deutschland eine solche Analyse aus Datenbeschränkungen nicht möglich ist. Finnland ist in diesem Zusammenhang durchaus vergleichbar mit Deutschland. Der unbereinigte Gender Pay Gap lag in Finnland zuletzt bei rund 17 Prozent, in Deutschland war dieser im gleichen Jahr 2017 bei 20 Prozent. Die Frauenerwerbsquote ist in beiden Ländern ähnlich hoch mit 74 Prozent in Deutschland und 76 Prozent in Finnland. Auch ist der Anteil der Bevölkerung mit „traditionellem Rollenbild“ in beiden Ländern ähnlich niedrig.infoFür alle Vergleiche siehe die Tabelle in Schmieder und Wrohlich (2021), a.a.O.

Warum das Geschlecht von Unternehmer*innen eine Rolle spielt

Die Fähigkeit, den Teil des beobachtbaren geschlechtsspezifischen Verdienstabstandes zu verringern, der auf diskriminierende Praktiken zurückzuführen sein könnte, ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung, um diesen Teil des Lohngefälles zu reduzieren. Unternehmerinnen (wie auch Managerinnen) müssen auch den Willen und die Bereitschaft dazu haben, diesen Teil des Verdienstabstands zu beseitigen. In der theoretischen Forschung herrscht Uneinigkeit darüber, inwieweit weibliche Vorgesetzte diese Bereitschaft mitbringen.

Einerseits spricht die Forschung vom „same gender approach“. Demnach haben weibliche Vorgesetzte – hier Unternehmerinnen – homophile Präferenzen, die zu gemeinsamen Interessen zwischen ihnen und den weiblichen Beschäftigten im Betrieb führen.infoSiehe Laurie A. Rudman und Stephanie A. Goodwin (2004): Gender Differences in Automatic In-Group Bias: Why Do Women Like Women More Than Men Like Men? Journal of Personality and Social Psychology 87, 494–509. Mithin können Unternehmerinnen weibliche Beschäftigte unterstützen, ihnen helfen oder als Mentorinnen fungieren, etwa indem sie diese häufiger befördern oder ihnen eben relativ höhere Löhne zahlen.infoDavid A. Matsa und Amalia R. Miller (2011): Chipping away at the Glass Ceiling: Gender Spillovers in Corporate Leadership. American Economic Review 101, 635–639. Eine alternative Erklärung für homophile Bindungen ist, dass Vorgesetzte aufgrund von geschlechtsspezifischen Unterschieden im Kommunikationsstil die Fähigkeiten ihrer Beschäftigten besser einschätzen können, wenn diese dem gleichen Geschlecht angehören.infoSiehe Luca Flabbi et al. (2019): Do female executives make a difference? The impact of female leadership on gender gaps and firm performance. Economic Journal 129(622), 2390–2423.

Aber es gibt auch Zweifel an diesem Ansatz, wonach die hierarchische Beziehung zwischen Unternehmerinnen und ihren weiblichen Beschäftigten homophilen Präferenzen entgegenwirkten. Frauen können den Wunsch von Männern teilen, Frauen in niedrigeren Positionen zu diskriminieren.infoSameer B. Srivastava und Eliot L. Sherman (2015): Agents of Change or Cogs in the Machine? Reexamining the Influence of Female Managers on the Gender Wage Gap. American Journal of Sociology 120, 1778–1808. Unternehmerinnen, die in männerdominierten Branchen arbeiten, müssten „Teil des Teams“ bleiben, um von ihren männlichen Beschäftigten akzeptiert zu werden. Andere argumentieren, dass es kulturell bedingte, hartnäckige Überzeugungen über den Geschlechterstatus geben könnte. Demnach würden sowohl weibliche als auch männliche Vorgesetzte implizit von Männern zumindest in bestimmten Branchen größere Kompetenz erwarten.infoCecilia L. Ridgeway (1997): Interaction and the Conservation of Gender Inequality: Considering Employment. American Sociological Review 62, 218. In eine ähnliche Richtung weist das „Bienenköniginnen-Syndrom“,infoSteven Bednar und Dora Gicheva (2014): Are Female Supervisors More Female-Friendly? American Economic Review 104, 370–375. wonach sich individuell erfolgreiche Frauen (insbesondere in männerdominiertem Umfeld) durch andere Frauen bedroht fühlen oder negative stereotype Ansichten über das berufliche Engagement anderer Frauen haben.infoBelle Derks et al. (2011): Do sexist organizational cultures create the Queen Bee? British Journal of Social Psychology 50, 519–535. Diese Ansätze ließen erwarten, dass Unternehmerinnen nicht den Anteil des geschlechtsspezifischen Verdienstabstands verringern würden, der auf diskriminierende Praktiken am Arbeitsplatz zurückzuführen ist.infoSrivastava und Sherman (2015), a.a.O.

Es ist somit eine empirische Frage, welcher der beiden Effekte überwiegt, das heißt, welche Löhne Unternehmerinnen ihren weiblichen Beschäftigten im Vergleich zu ihren männlichen Beschäftigten zahlen. Für beide Effektrichtungen findet sich beim Vergleich von Managerinnen mit Managern empirische Evidenz, wobei die überwiegende Zahl der empirischen Forschung auf die Lohnlücke reduzierende Ergebnisse in Unternehmen mit mehr weiblichem Management hinweist. Aus der Diskussion wird auch deutlich, dass „männerähnliche“ Verhaltensweisen von Unternehmerinnen vor allem in Konstellationen zu erwarten sind, in denen sie in einem von Männern dominierten Umfeld agieren. In einem solchen Umfeld, wie zum Beispiel im verarbeitenden Gewerbe, ist nicht nur das Geschlechtergefälle im Unternehmertum groß, sondern auch das Personal überwiegend männlich. Und es fällt auf, dass die beiden Analysen, in denen für Managerinnen keine moderierenden Effekte beobachtet werden, tatsächlich in männerdominierten Wirtschaftszweigen wie dem verarbeitenden Gewerbe durchgeführt wurden.infoSiehe Srivastava und Sherman (2015), a.a.O. und Flabbi et al. (2019), a.a.O. Dementsprechend könnte der Lohnfindungsprozess für Unternehmerinnen in einem Umfeld, in dem das Geschlechterverhältnis ausgewogener ist oder in dem mehrheitlich Frauen beschäftigt sind, anders aussehen.

Wie zuvor schon angedeutet, ist damit zu rechnen, dass bei dieser Analyse auch die Unternehmensgröße eine Rolle spielt. Insbesondere stellt sich die Frage, ob sich der Einfluss des Geschlechts der Unternehmer*innen auf das geschlechtsspezifische Lohngefälle mit zunehmender Unternehmensgröße verändert. Es ist mithin wichtig, eine Heterogenitätsanalyse durchzuführen, die nach Branchen und Unternehmensgröße differenziert.

Viel weniger Unternehmen im Besitz von Frauen als von Männern

Für die Analysen, inwieweit das Geschlecht von Unternehmer*innen für den geschlechtsspezifischen Verdienstabstand von Bedeutung ist, verwendet der Bericht finnische Registerdaten (Kasten 1). Insgesamt liegen Informationen über knapp 470000 Beschäftigte in 9193 Unternehmen des privaten Wirtschaftssektors in Finnland vor. Davon sind 831 Unternehmen im Besitz von Frauen, 779 Unternehmen im gemischten Besitz und 4196 Unternehmen im Besitz von Männern. Die übrigen abhängig Beschäftigten sind in 3387 dann großen Unternehmen beschäftigt, bei denen das Geschlecht der Eigentümer*innen unbekannt ist. Das im Hinblick auf Unternehmertum ungleiche Geschlechterverhältnis, das sich Deutschland und in vielen anderen industrialisierten Volkswirtschaften vorfindet, wird somit auch für Finnland bestätigt.infoMarco Caliendo et al. (2015): The Gender Gap in Entrepreneurship: Not just a Matter of Personality. CESifo Economic Studies 61, 202–238.

Um zu untersuchen, wie sich das Verhältnis der Löhne von weiblichen zu männlichen abhängig Beschäftigten in Unternehmen im Besitz von Frauen von dem Lohnverhältnis in Unternehmen im Besitz von Männern unterscheidet, werden verschiedene finnische Registerdaten zu privatwirtschaftlichen Unternehmen und ihren Beschäftigten genutzt, die vom finnischen Statistikamt für Forschungszwecke verwaltet werden. Darunter finden sich für den Zeitraum 2006 bis 2015 die Verdienststrukturstatistik (SES), die finnischen Längsschnittdaten zu Arbeitgebern und abhängig Beschäftigten (FLEED), die finnischen Längsschnittdaten zu Eigentümer*innen und Arbeitnehmer*innen (FLOWN) sowie Daten des finnischen Patent- und Registeramts. FLEED wurde 2016 eingestellt.

Der Datensatz verknüpft Eigentümer*innen und abhängig Beschäftigte so, dass daraus Informationen über die Beschäftigungsstruktur in den Unternehmen resultieren, das Geschlecht aller Beschäftigten und ihre Löhne lassen sich somit mit dem Geschlecht der Unternehmer*innen und anderen Unternehmensmerkmalen in Beziehung setzen. Die Zielpopulation sind die im finnischen Unternehmensregister erfassten privaten Unternehmen mit beschränkter Haftung mit mindestens einer abhängig beschäftigten Person.

Die Unternehmensinformationen sind mit den jährlichen Personaldaten und den Daten der Verdienststrukturstatistik (SES) vom finnischen Statistikamt verknüpft, die detaillierte Informationen über die Stunden- und Monatsverdienste aller abhängig Beschäftigten sowie über Teilzeitbeschäftigung enthalten. Die SES-Daten ermöglichen die Berechnung von Monatslöhnen ohne Sonderzahlungen, zum Beispiel für Überstunden, Schichtarbeit oder atypische Arbeitszeiten, Bereitschaftsdienste oder Zulagen. Die Stundenverdienste können um zusätzliche Jahresprämien und Zulagen bereinigt werden. Der Erfassungsgrad der Daten für den privaten Sektor liegt je nach Jahr und Branche zwischen 55 und 75 Prozent der gesamten Beschäftigung im privaten Sektor.

Schließlich werden diese Daten mit Informationen über die Eigentumsverhältnisse der Unternehmen aus den finnischen Längsschnittdaten (FLOWN) des finnischen Statistikamtes verknüpft. Die finnische Steuerbehörde verlangt von den Unternehmen die Angabe der zehn größten Anteilseigner*innen. Bei mehr als zehn Anteilseigner*innen werden diejenigen berücksichtigt, die mindestens zehn Prozent der Unternehmensanteile halten. Um den Erfassungsgrad der Daten zu den persönlichen Anteilseigner*innen zu erhöhen, wurden die persönlichen Anteilseigner*innen in drei Kategorien eingeteilt: Unternehmen mit einem Frauenanteil unter den Eigentümer*innen von mehr als 60 Prozent werden als Unternehmen im Besitz von Frauen, Unternehmen mit einem Männeranteil unter den Eigentümer*innen von mehr als 60 Prozent als Unternehmen im Besitz von Männern definiert. Gemischt geführte Unternehmen haben einen Anteil von 40 bis 60 Prozent männlicher und weiblicher Eigentümer*innen. Die übrigen werden als Unternehmen mit unbekannter Eigentümerstruktur kategorisiert. Diese letzte Kategorie ist die größte in Bezug auf die Beschäftigung, da sie börsennotierte Unternehmen und größere Unternehmen im Streubesitz umfasst.

Auch die Größenverteilung der Unternehmen unterscheidet sich nach dem Geschlecht der Unternehmer*innen. Unternehmen im Besitz von Frauen sind tendenziell kleiner als Unternehmen im Besitz von Männern. Unternehmen mit weniger als zehn Beschäftigten machen 70 Prozent der Unternehmen in weiblichem, aber nur 56 Prozent der Unternehmen in männlichem Besitz aus. Unternehmen im Besitz von Männern haben häufiger zehn bis 50 und 50 bis 250 Beschäftigte als Unternehmen im Besitz von Frauen. Bei den größten Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten handelt es sich überwiegend (aber nicht ausschließlich) um Unternehmen mit unbekannter Eigentümerstruktur.

Lohnunterschiede in Unternehmen im Besitz von Frauen kleiner

Das Hauptergebnis der empirischen Untersuchung des geschlechtsspezifischen Verdienstabstands für die gesamte Stichprobe (Kasten 2) zeigt: In Finnland beträgt der angepasste Teil des Gender Pay Gaps auf Stundenbasis im Beobachtungszeitraum 2006 bis 2015 11,6 Prozent. Diese Lücke ist in den von Unternehmerinnen geführten Unternehmen um 2,3 Prozentpunkte geringer. Weiterhin fällt auf, dass die Verringerung des geschlechtsspezifischen Lohnunterschieds in Unternehmen, die sich im Besitz von Frauen befinden, hauptsächlich durch niedrigere Löhne für männliche Beschäftigte erreicht wird, weniger durch höhere Löhne für weibliche Beschäftigte (Tabelle).

Tabelle: Unterschiede in den Stundenlöhnen und Effekte nach Geschlecht der Unternehmer*in

In Prozent beziehungsweise Prozentpunkten

Unterschiede in Stundenlöhnen …
… der weiblichen Beschäftigten in Unternehmen im Besitz von Männern (Prozent) −11,3***
… aller Beschäftiger in Unternehmen im Besitz von Frauen (Prozentpunkte) −1,4*
… von weiblichen Beschäftigten in Unternehmen im Besitz von Frauen im Vergleich zu Unternehmen im Besitz von Männern (Prozentpunkte) 2,3**
Anzahl der Beobachtungen 5024475

Anmerkungen: In den Schätzungen werden unternehmensspezifische fixe Effekte berücksichtigt und es werden Alter, Anzahl der Kinder unter sieben Jahren, Bildung (zweistellig), Beruf (dreistellig), Unternehmensgröße, Alter des Unternehmens, Wirtschaftszweig (zweistellig) und Jahresdummies berücksichtigt. Die Modelle werden für den Zeitraum 2006 bis 2015 geschätzt. Sternchen bezeichnen das Signifikanzniveau, das die statistische Genauigkeit der Schätzung angibt. Je mehr Sternchen, desto geringer die Irrtumswahrscheinlichkeit: ***, ** und * geben die Signifikanz auf dem 0,1-, Ein- und Fünf-Prozent-Niveau an.

Quelle: Eigene Berechnungen.

Um den Zusammenhang zwischen dem Geschlecht der Unternehmer*innen und dem geschlechtsspezifischen Lohngefälle entlang verschiedener Dimensionen zu testen, werden zwei Arten von so genannten (logarithmischen) Mincer-Lohnregressionen auf der Ebene der Beschäftigten geschätzt. Im ersten Ansatz wird das Geschlecht der abhängig Beschäftigten, das Geschlecht der Unternehmer*innen und deren Interaktion berücksichtigt, ebenso wie mehrere Kontrollvariablen, von denen bekannt ist, dass sie einen Großteil des geschlechtsspezifischen Lohnunterschieds erklären.infoFrancine D. Blau und Lawrence M. Kahn (2017): The Gender Wage Gap: Extent, Trends, and Explanations. Journal of Economic Literature 55, 789–865. Im zweiten Ansatz werden OLS-Regressionen mit (logarithmierten) Mincer-Lohngleichungen getrennt nach Unternehmen im Besitz von Männern und Frauen durchgeführt. Außerdem werden diese von Unternehmen, in denen die Anteile von Männern und Frauen (fast) gleich sind, getrennt betrachtet, ebenso wie von Unternehmen mit unbekannten Eigentümer*innen – in der Regel größere Unternehmen im Streubesitz, einschließlich börsennotierter Unternehmen. Um verschiedene Heterogenitäten in den Lohnunterschieden aufzudecken, werden separate Regressionen nach Sektor und Unternehmensgröße durchgeführt. Bei allen Schätzungen werden unternehmensspezifische fixe Effekte berücksichtigt, die unbeobachtete Firmeneigenschaften einbeziehen, die die Lohnfestsetzung und die Auswahl der abhängig Beschäftigten durch die Unternehmen beeinflussen können.infoFür weitere Details siehe Kritikos et al. (2024), a.a.O.

Die nach dem Geschlecht der Unternehmer*innen aufgeschlüsselten Schätzungen bestätigen die zuvor berichtete Beobachtung einer um 2,3 Prozentpunkte niedrigeren Lohnlücke in Unternehmen im Besitz von Frauen. In Unternehmen mit gemischten Eigentumsverhältnissen ist der Verdienstabstand ähnlich groß wie in Unternehmen, die sich im Besitz von Frauen befinden, in Unternehmen mit unbekannten Eigentumsverhältnissen ist der Verdienstabstand erstaunlicherweise genauso groß wie in männergeführten Unternehmen. In großen Unternehmen mit unbekannten Eigentumsverhältnissen wäre aufgrund der intensiven öffentlichen Diskussion eine stärkere Sensibilität für das Thema zu erwarten gewesen (Abbildung 1).

Große Unterschiede je nach Wirtschaftsbereich und Firmengröße

Es ist wichtig, die Analyse der Lohnunterschiede nach Branchen zu differenzieren, da es Branchen gibt, in denen mehr Männer als Frauen beschäftigt sind und umgekehrt. Frühere Forschungsarbeiten deuten auf mögliche Unterschiede hin: In männerdominierten Branchen könnten Unternehmerinnen (wie auch Managerinnen) dazu neigen, männlichen Beschäftigten zu signalisieren, dass sie, in dem Fall die Eigentümerinnen, „zu den Jungs gehören“. Diese Differenzierung nach Bereichen führt zu erheblich unterschiedlichen Ergebnissen (Abbildung 2).

Das geschlechtsspezifische Lohngefälle ist in den Branchen des sekundären Sektors (verarbeitendes Gewerbe und Baugewerbe) und in den traditionelleren Bereichen des tertiären Sektors (Groß- und Einzelhandel) im Allgemeinen größer als in den anderen Bereichen des Dienstleistungssektors. Eine genauere Betrachtung zeigt, dass in den drei oben genannten Branchen der geschlechtsspezifische Verdienstabstand in Unternehmen, die sich im Besitz von Männern befinden, bei 12 bis 13 Prozent liegt. In Unternehmen, die sich im Besitz von Frauen befinden, ist der geschlechtsspezifische Verdienstabstand kaum geringer – wenn er auch im Baugewerbe in Unternehmen, die sich im Besitz von Frauen befinden, zumindest um drei Prozentpunkte kleiner ist.

Ganz anders sieht es in den meisten Bereichen des Dienstleistungssektors aus. In den Wirtschaftszweigen Information und Kommunikation, Grundstücks- und Wohnungswesen und Erbringung von sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen ist in Unternehmen, die sich im Besitz von Frauen befinden, überhaupt kein signifikanter Verdienstabstand zwischen den Geschlechtern zu beobachten. Ein nicht signifikantes Ergebnis spricht hier dafür, dass der Gender Pay Gap nicht messbar, also Null ist. In den Wirtschaftszweigen Verkehr und Lagerei sowie Erbringung von freiberuflichen, wissenschaftlichen und technischen Dienstleistungen nur ein geringer Verdienstabstand von weniger als fünf Prozent. In diesen Wirtschaftszweigen beträgt das geschlechtsspezifische Lohngefälle in Unternehmen, die sich im Besitz von Männern befinden, immer noch rund zehn Prozent. Somit gibt es hier große Unterschiede zwischen Unternehmen im Eigentum von Frauen und solchen im Eigentum von Männern, interessanterweise auch im Bereich Information und Kommunikation. Eine Ausnahme von diesen Beobachtungen bildet das Beherbergungs- und Gaststättengewerbe, in dem der geschlechtsspezifische Verdienstabstand unabhängig vom Geschlecht der Unternehmer*innen gering ist (circa vier Prozent).

Aus früheren Untersuchungen ist bekannt, dass die Unternehmensgröße einen Einfluss auf das Ausmaß des geschlechtsspezifischen Lohngefälles haben kann.infoMelanie Jones und Ezgi Kaya (2023): The UK gender pay gap: Does firm size matter? Economica 90, 937–952. Die Ergebnisse für drei verschiedene Unternehmensgrößen (kleine, mittlere und größere Unternehmen) lassen zwei Muster erkennen. Zum einen nimmt der geschlechtsspezifische Verdienstabstand mit zunehmender Unternehmensgröße grundsätzlich zu. Andererseits nimmt der Einfluss von Unternehmerinnen auf die Verringerung des geschlechtsspezifischen Verdienstabstandes mit der Unternehmensgröße ab. Während in kleinen Unternehmen der geschlechtsspezifische Verdienstabstand in Unternehmen im Besitz von Frauen mit vier Prozent nur halb so groß ist wie in Unternehmen im Besitz von Männern, ist der Verdienstabstand in größeren Unternehmen mit rund zwölf Prozent mehr oder weniger identisch. In größeren Unternehmen scheint also der Einfluss von Unternehmerinnen auf den geschlechtsspezifischen Verdienstabstand zu schwinden, und die Entscheidung über die Höhe der Verdienste dürfte in diesen Unternehmen wohl stärker in den Händen der dort beschäftigten Manager*innen liegen (Abbildung 3).infoSondergeld und Wrohlich (2024), a.a.O.

Fazit: Mehr Unternehmerinnen könnten Gender Pay Gap reduzieren

Ein Teil der Untersuchungen zum Gender Pay Gap befasst sich mit der Frage, ob das Geschlecht der Vorgesetzten das Ausmaß des Verdienstabstandes zwischen männlichen und weiblichen Beschäftigten beeinflusst. Während sich bislang alle vorhandenen Studien zu diesem Thema auf den Vergleich der Verdienstunterschiede in Unternehmen mit mehr weiblichen zu Unternehmen mit mehr männlichen abhängig beschäftigten Führungskräften stützen, konzentriert sich dieser Bericht auf das Geschlecht von Unternehmer*innen.

Für die mit finnischen Daten durchgeführten Analysen lässt sich beobachten, dass ausgehend von einem geschlechtsspezifischen Lohnunterschied von rund elf Prozent bei den Stundenlöhnen dieser Unterschied in Unternehmen im Besitz von Frauen mehr als zwei Prozentpunkte niedriger ist als in Unternehmen im Besitz von Männern. Auffallend ist, dass diese Angleichung eher durch eine vergleichsweise niedrigere Entlohnung von Männern in Unternehmen im Besitz von Frauen erfolgt, Frauen hingegen in den Unternehmen unabhängig vom Geschlecht der Unternehmer*innen ähnliche Stundenverdienste erzielen. Dieses Ergebnis kann somit dahingehend interpretiert werden, dass diese mehr als zwei Prozentpunkte des bisher unerklärten Teils des geschlechtsspezifischen Verdienstabstandes weniger auf Diskriminierung von Frauen als vielmehr auf Begünstigungen von männlichen Beschäftigten in Unternehmen in männlichem Besitz zurückzuführen sind. Gleiches gilt für Unternehmen mit unbekannter Eigentümerstruktur in größeren Unternehmen.

Wichtiger noch ist, dass sich große Branchenunterschiede beobachten lassen. In den eher traditionellen und männerdominierten Branchen wie dem verarbeitenden Gewerbe oder dem Baugewerbe sind die geschlechtsspezifischen Verdienstunterschiede insgesamt überdurchschnittlich groß. Auch Unternehmerinnen gelingt es in diesen Branchen nicht, den Gender Pay Gap wesentlich zu vermindern. In weiten Teilen des Dienstleistungssektors sind hingegen die Verdienstunterschiede insgesamt geringer. Vor allem realisieren aber Unternehmerinnen relative Lohnverhältnisse zwischen ihren weiblichen und männlichen Beschäftigten, die den geschlechtsspezifischen Verdienstabstand deutlich sinken lassen.

Die Untersuchung verschiedener Unternehmensgrößen offenbart, wo der Einfluss des Geschlechts der Unternehmer*innen endet. Während Unternehmerinnen in kleinen Unternehmen den ohnehin geringeren geschlechtsspezifischen Verdienstabstand halbieren, ist ihr Einfluss auf den Verdienstabstand in größeren Unternehmen begrenzt. Stünde das Ziel eines geringen Gender Pay Gaps oben auf der Agenda von Eigentümerinnen großer Unternehmen, müssten sie Führungskräfte einstellen, die wiederum bereit sind, sich mit dem Abbau des geschlechtsspezifischen Verdienstabstandes zu befassen.

Das Geschlecht der Unternehmer*innen ist somit für den Gender Pay Gap von Bedeutung. Vor allem führen Unternehmerinnen in Branchen mit tendenziell eher ausgeglichener Geschlechterstruktur der Beschäftigten geschlechtsneutrale Löhne ein. Zukünftige Forschung sollte daher untersuchen, inwieweit sich diese branchenabhängigen Unterschiede auch in Deutschland finden, und, wichtiger noch, welche Hintergründe für das Ergebnis der geschlechtsneutralen Entlohnung in Unternehmen im Besitz von Frauen in spezifischen Branchen verantwortlich ist.

Insgesamt sind diese Beobachtungen ein Grund mehr dafür, Frauen auf dem Weg in die Selbstständigkeit zu unterstützen und bestehende Hürden abzubauen, vor allem wenn Unternehmerinnen Personal einstellen wollen. Neben positiven Wirkungen für wirtschaftliches Wachstum wäre eine weitere Reduktion des Gender Pay Gaps zu erwarten.



JEL-Classification: J16;J24;J71;L26;M13
Keywords: gender pay gap, discrimination, female firm ownership
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2024-40-1

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