DIW Wochenbericht 40 / 2024, S. 623
Alexander S. Kritikos, Erich Wittenberg
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Herr Kritikos, Sie haben untersucht, welchen Einfluss Unternehmer*innen auf den Gender Pay Gap haben. Warum haben Sie für diese Studie Daten aus Finnland verwendet? Mit deutschen Daten war es nicht möglich, diese Studie durchzuführen, es fehlt in Deutschland der Zugang zu Informationen über das Geschlecht der Eigentümer*innen von Firmen, verknüpft mit Informationen zu den Stundenlöhnen der dort Beschäftigten. Für finnische Unternehmen gibt es einen solchen Zugang.
Wie groß ist das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern in Unternehmen, die im Besitz eines Mannes sind, und wie groß ist es für Unternehmen, die im Besitz einer Frau sind? Das Lohngefälle beträgt bei Unternehmen in der Hand von Männern nach unseren Daten durchschnittlich rund elf Prozent und es sinkt um etwas mehr als zwei Prozentpunkte, also auf rund neun Prozent, in Unternehmen, die in der Hand von Frauen sind.
Wie ist es zu erklären, dass vornehmlich Unternehmerinnen den Gender Pay Gap verringern? Wir gehen davon aus, dass ein Teil des Gender Pay Gaps auf Diskriminierungspraktiken zurückzuführen ist, denn man vermutet, dass Männer in ihren Unternehmen weibliche Beschäftigte schlechter bezahlen als männliche Beschäftigte in vergleichbaren Positionen. Die Frage ist dann, ob Frauen, die ein Unternehmen besitzen, diesen Teil des Gender Pay Gaps, der auf Diskriminierung zurückzuführen ist, durch eine andere Lohnpolitik reduzieren.
Inwieweit sind die Effekte, die sie gemessen haben, branchenspezifisch? Tatsächlich gibt es sehr große branchenabhängige Unterschiede. In traditionell eher männlich dominierten Branchen, wie zum Beispiel dem verarbeitenden Gewerbe oder dem Baugewerbe, sind Unternehmerinnen nicht bereit oder nicht in der Lage, Frauen gleich viel zu zahlen wie Männern. Ganz anders ist es in den Branchen des modernen Dienstleistungsgewerbes. Dort stellen Frauen eher mehr Frauen ein als Männer und wenn sie das tun, sorgen sie gleichzeitig auch dafür, dass Frauen und Männer auf gleichen Positionen mehr oder weniger das gleiche Gehalt bekommen.
Welche Rolle spielt die Firmengröße? Die Firmengröße spielt eine große Rolle, denn Eigentümerinnen haben natürlich mehr Einfluss in Unternehmen, die klein sind. Dort kann man davon ausgehen, dass sie direkt über die Löhne ihrer Beschäftigten entscheiden. In größeren Unternehmen, etwa mit mehr als 200 Leuten, entscheiden meistens die Führungskräfte der ersten und zweiten Ebene über die Lohnhöhe. Dort üben dann Eigentümerinnen wohl keinerlei Einfluss mehr auf die vereinbarten Verdienste und damit auf die Reduktion des Gender Pay Gaps aus.
Wie genau spiegeln die finnischen Daten die Situation in Deutschland wider? Ich denke, die finnischen Daten sind ein geeigneter Vergleich zu Deutschland. Wir haben in Finnland eine ähnlich hohe Beschäftigtenquote unter den Frauen wie in Deutschland, und viele Menschen, sowohl in der finnischen als auch in der deutschen Gesellschaft, sind uneingeschränkt offen dafür, dass Frauen ebenso am Arbeitsleben teilnehmen wie Männer.
Was bedeuten Ihre Ergebnisse für zukünftige politische Weichenstellungen? Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass Frauen, denen ein zumindest kleines Unternehmen gehört, dazu bereit sind, den Gender Pay Gap zu reduzieren. Das ist ein weiterer guter Grund, um mehr Frauen in die Selbstständigkeit zu bringen, also um mehr Unternehmerinnen zu haben. Auf diese Weise hätten Gründungen nicht nur grundsätzlich einen positiven Effekt auf das wirtschaftliche Wachstum und die wirtschaftliche Entwicklung, sondern würden auch die Tendenz unterstützen, Männer und Frauen in vergleichbaren Positionen gleich gut zu bezahlen.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
Themen: Unternehmen, Ungleichheit, Gender, Arbeit und Beschäftigung