DIW Wochenbericht 40 / 2024, S. 624
get_appDownload (PDF 75 KB)
get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF 2.44 MB - barrierefrei / universal access)
Der nächste Streit in der Bundesregierung ist mit der Debatte im Bundestag zum Rentenpaket II entbrannt. Dabei ist der Streit unnötig – und lösbar. Das Rentenpaket II ist ein richtiger Schritt. Doch egal, wie man es dreht und wendet: In der jetzigen Form ist es eine Umverteilung von Jung zu Alt und schwächt die Generationengerechtigkeit. Es besteht aus zwei Kernelementen: der Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent, die durch eine stufenweise Erhöhung der Beitragssätze finanziert wird, und dem so genannten Generationenkapital.
Die Perfidität des Generationenkapitals zeigt sich darin, dass die Bundesregierung 200 Milliarden Euro größtenteils an Schulden – und an der Schuldenbremse vorbei – in ausländische Unternehmen investieren will. Schulden, die sie bisher nicht gewillt war, für Investitionen in Bildung, Ausbildung, Infrastruktur bei Kitas und Schulen, Klimaschutz und weitere Dinge zu tätigen, die primär der jungen und den künftigen Generationen zugutekommen.
Das richtige und notwendige Element des Rentenpakets ist hingegen die Stabilisierung des Rentenniveaus. Dies ist alternativlos für die vielen Millionen Menschen in Deutschland heute, die für ihren Lebensunterhalt primär auf die gesetzliche Rente angewiesen sind. Die Altersarmut wird sich in den nächsten 15 Jahren deutlich verschärfen. Die Bundesregierung hat also keine andere Wahl, als das Rentenniveau für Menschen mit geringen und mittleren Einkommen zumindest zu stabilisieren.
Der zentrale Fehler im Streit um die gesetzliche Rente liegt darin, dass diese ausschließlich als ein Verteilungskampf zwischen Jung und Alt und zwischen Arm und Reich gesehen wird. Bei der gesetzlichen Rente geht es jedoch nicht nur um einen solchen Verteilungskampf, sondern es gibt ein riesiges Potenzial, durch Reformen den Kuchen zu vergrößern, also allen Gruppen gleichermaßen zu helfen. Die Bundesregierung sollte daher das Rentenpaket II abändern und durch weitere Maßnahmen ergänzen.
Die erste notwendige Reform ist, das Generationenkapital zu streichen und die dafür vorgesehenen 200 Milliarden Euro in ein Sondervermögen für Bildung, Qualifizierung und Infrastruktur zu stecken. Ein besseres Bildungssystem erhöht die Produktivität und damit das Lohnniveau und die Rentenbeiträge der Beschäftigten. Eine solche Umwidmung wäre im besten Interesse der jungen und künftigen Generationen. Eine Stärkung der privaten Vorsorge nach Vorbild Schwedens sollte ein weiteres Element sein, ist jedoch grundlegend anders als ein staatliches Generationenkapital, das durch öffentliche Schulden finanziert wird.
Ein zweiter Bereich sind Reformen im Arbeitsmarkt. Der beste Weg, um das Rentenniveau zu stabilisieren, sind nicht Beitragserhöhungen, sondern mehr Menschen zu besseren Löhnen und mehr Stunden in Arbeit zu verhelfen. Reformen von Ehegattensplitting, Versicherung und Minijobs würden schnell zu mehr Beschäftigung und damit zu einem höheren Beitragsaufkommen für die gesetzliche Rente führen. Zu den notwendigen Reformen gehört auch eine Erhöhung des Renteneintrittsalters. Die Bundesregierung hat diesbezüglich gute Reformen auf den Weg gebracht und macht es nun älteren Menschen leichter, über das Renteneintrittsalter hinaus zu arbeiten. Das dritte Element sind Anpassungen im Rentensystem selbst, vor allem beim so genannten Äquivalenzprinzip und der Versicherung von Beamten und Selbstständigen in der gesetzlichen Rente.
Der Streit um das Rentenpaket II ist symptomatisch für die Ampel: Gute Arbeit wird schlecht geredet, so dass gesellschaftliche Ablehnung entsteht und Vertrauen schwindet. Anstatt das Rentenpaket II nun zu torpedieren, sollte die Politik das Paket durch weitere Reformen ergänzen. Und sie sollte das Rentenpaket II in einem wichtigen Punkt ändern – nämlich das Generationenkapital in ein Sondervermögen für Bildung, Qualifizierung und Infrastruktur überführen. Dann wäre dies eine gute Rentenreform, die auch im Sinne künftiger Generation ist.
Der Beitrag ist am 27. September 2024 in einer längeren Fassung bei Zeit Online erschienen.