DIW Wochenbericht 41 / 2024, S. 634
Konstantin A. Kholodilin, Erich Wittenberg
get_appDownload (PDF 109 KB)
get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF 2.86 MB - barrierefrei / universal access)
Herr Kholodilin, wie stark sind in den letzten 30 Jahren die Mieten in Deutschland gestiegen? Der Anstieg der Angebotsmieten, also der Mieten von Wohnungen, die auf dem Markt angeboten werden, betrug zwischen 2010 und 2022 im Durchschnitt 50 Prozent für ganz Deutschland, in den großen Städten sogar 70 Prozent. Ein anderes Maß für die Mietinflation ist die Erfassung der tatsächlichen Mieten, also der Mieten, die für existierende Mietverträge bezahlt werden. Hier war der Anstieg deutlich niedriger und betrug im selben Zeitraum rund 19 Prozent.
Wie haben sich die Haushaltseinkommen im Verhältnis zu den Mieten entwickelt? Wenn wir die Entwicklung der Mietbelastungsquote, also den Anteil der Mietausgaben am Haushaltseinkommen, zwischen 1990 und 2021 beobachten, können wir drei Zeiträume unterscheiden. In den neunziger Jahren ist die Mietbelastungsquote sehr stark gestiegen. Das gilt insbesondere für Ostdeutschland, wo sie von fünf Prozent auf über 20 Prozent gestiegen ist, was mit der Wiedervereinigung und dem Übergang zur Marktwirtschaft zu tun hat. Dann hat sich die Quote etwa seit 2005 auf einem relativ hohen Niveau stabilisiert. Das lag daran, dass die Mieten im gleichen Tempo wie die Einkommen gestiegen sind. Seit ungefähr 2015 beobachten wir einen gewissen Rückgang der Mietbelastungsquote, was einerseits auf stärker steigende Einkommen zurückzuführen ist, andererseits wahrscheinlich mit der Einführung der Mietpreisbremse zu tun hat.
Für welche Einkommensgruppe ist die Mietbelastung am meisten gestiegen? In unserer Studie haben wir die Mietbelastungsquote nach Einkommensniveau untersucht. Dafür haben wir die Bevölkerung in fünf Einkommensgruppen aufgeteilt, sogenannte Quintile. Für das unterste Quintil, also für die 20 Prozent der Personen mit dem niedrigsten Einkommen, haben wir den stärksten Anstieg der Mietbelastungsquote festgestellt. Für die Quintile, die sich in der Mitte der Einkommensverteilung befinden, war die Entwicklung nicht so dramatisch. Für das oberste Quintil spielt die Bezahlbarkeit des Wohnraums keine Rolle.
Welches Bild zeigt sich, wenn man nicht nach Einkommen, sondern nach Haushaltstyp unterscheidet? Das hängt vor allem von der Anzahl der verdienenden Personen in einem Haushalt ab. Einpersonenhaushalte und Alleinerziehende haben die höchste Mietbelastung, weil es eben nur eine Person mit einem Einkommen gibt. Dagegen haben Haushalte mit zwei verdienenden Personen, insbesondere Paare ohne Kinder, die niedrigste Mietbelastungsquote.
Wie hat sich die Zahl der Haushalte entwickelt, für die die Mietbelastung das erträgliche Maß überschritten hat? In der statistischen Analyse der Mietbelastungsquote werden die Haushalte, die mehr als 40 Prozent ihres Einkommens als Miete bezahlen, als überbelastete Haushalte betrachtet. Der Anteil dieser Haushalte ist zwischen 1990 und 2021 von fünf auf 14 Prozent gestiegen, hat sich also fast verdreifacht.
Wie könnte die Situation gerade für die am stärksten belasteten Gruppen verbessert werden? Mögliche politische Maßnahmen wären zum Beispiel die Mietpreiskontrolle, die Mietpreisbremse oder der Mietendeckel. Zudem gibt es Fördermaßnahmen, wie die Wohnbauförderung oder das Wohngeld. Die Mietpreiskontrolle kann ziemlich effektiv sein, hat allerdings auch eine Reihe von unerwünschten Effekten. Deswegen ist es nicht klar, ob dieses Instrument wirklich geeignet ist. Ich würde daher eher fördernde Maßnahmen bevorzugen, wie zum Beispiel Wohngeld für die benachteiligten Haushalte oder das Fördern des Wohnungsbaus. Diese Maßnahmen sind zwar relativ kostspielig, helfen aber gezielt, die Wohnbedingungen der Haushalte zu verbessern.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
Themen: Verteilung, Ungleichheit, Immobilien und Wohnen, Familie