Homeoffice bleibt – aber es fehlt noch an klaren Regelungen: Interview

DIW Wochenbericht 43 / 2024, S. 675

Jan Goebel, Erich Wittenberg

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Herr Goebel, in Deutschland ist das Homeoffice eigentlich erst seit der Corona-Pandemie ein größeres Thema. Welche Rolle spielte die Heimarbeit vor der Pandemie? Eine Studie des DIW aus dem Jahr 2016 hat gezeigt, dass vor der Pandemie nur sehr wenige Beschäftigte tatsächlich das Homeoffice nutzten. Damals waren 75 bis 80 Prozent nie im Homeoffice.

Im Januar 2021 wurden die Arbeitgeber verpflichtet, ihren Angestellten die Heimarbeit zu ermöglichen. Im Verlauf der Pandemie wurden die Angestellten verpflichtet, das Angebot auch anzunehmen, wenn nichts dagegen sprach. Wie stark stieg der Anteil der Heimarbeit dadurch an? Der Anstieg war sehr deutlich. Der Anteil der Beschäftigten, die nie im Homeoffice waren, sank um fast 20 Prozentpunkte. Während der Pandemie arbeiteten zeitweise mehr als 40 Prozent der Beschäftigten im Homeoffice.

Im Frühjahr 2022 wurde die Pflicht zur Heimarbeit wieder zurückgenommen. Wie viele Arbeitnehmende nutzen die Möglichkeit zur Heimarbeit auch danach noch? Unsere Daten zeigen, dass diese quasi verpflichtende Einführung von Homeoffice-Möglichkeiten einen bleibenden Effekt hatte. Wir sind nicht auf das Vor-Pandemie-Niveau zurückgefallen, das ja über mehrere Jahre konstant blieb, sondern wir sind inzwischen bei einem Wert von 40 Prozent der Beschäftigten, die mindestens einmal oder seltener das Homeoffice in Anspruch nehmen. Der Anteil der Beschäftigten, der mindestens einmal pro Woche das Homeoffice in Anspruch nimmt, ist von elf auf ungefähr 29 Prozent gestiegen.

Wo hat sich das Homeoffice am meisten durchgesetzt, wenn man nach Branche, Unternehmensgröße und Qualifikationsniveau unterscheidet? Wir sehen deutliche Unterschiede in den einzelnen Wirtschaftssektoren. Insbesondere dort, wo man durch Digitalisierung auch im Homeoffice arbeiten kann, ist das Homeoffice weit verbreitet, zum Beispiel im Informationsbereich. In der öffentlichen Verwaltung sehen wir jedoch eher geringere Werte, was vielleicht auch auf die fehlende Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung hinweist. Zudem wird gerade in größeren Unternehmen die Möglichkeit zum Homeoffice sehr viel stärker genutzt als in kleinen und mittleren Unternehmen. Auch bei höher qualifizierten Beschäftigten sehen wir einen höheren Anteil der Personen, die das Homeoffice nutzen.

Welche Auswirkungen hat die Heimarbeit auf die Arbeitszeit und die Arbeitszufriedenheit? In unseren Befragungen zeigt sich, dass die Arbeitszeit durch Homeoffice tatsächlich nicht verringert wird. Teilweise wird im Homeoffice sogar mehr Arbeitszeit geleistet. Wir sehen aber den positiven Effekt, dass die Arbeitszufriedenheit mit dem Homeoffice steigt und das auch unabhängig vom Qualifikationsniveau der Arbeitnehmenden.

Was bedeuten Ihre Ergebnisse für zukünftige arbeitspolitische Weichenstellungen? Was derzeit in Deutschland noch fehlt, sind klare gesetzliche Regelungen, wie Homeoffice angeboten werden sollte oder angeboten werden kann. Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung wurde von einer Erörterungspflicht gesprochen, die einen Arbeitgeber verpflichten würde, zu prüfen, ob betriebliche Gründe gegen das Homeoffice sprechen. Diese ist aber bisher noch nicht gesetzlich umgesetzt. Solch eine Erörterungspflicht wäre zumindest der erste Schritt dahingehend, dass Arbeitnehmende stärker von dieser Flexibilisierung profitieren können.

Wer würde am ehesten von der Heimarbeit profitieren? Profitieren würden insbesondere Personen mit Kindern, weil hier natürlich das Homeoffice eine Möglichkeit wäre, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton von Jan Goebel
Homeoffice bleibt – aber es fehlt noch an klaren Regelungen - Interview mit Jan Goebel

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