Statement vom 29. Oktober 2024
Anlässlich des heute stattfindenden Industriegipfels bei Bundeskanzler Scholz und des Treffens der FDP-Fraktion mit Wirtschaftsverbänden ein Statement von Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin):
Sowohl der Industriegipfel bei Bundeskanzler Scholz als auch das Treffen der FDP-Fraktion mit Wirtschaftsverbänden sind gute Initiativen, um das stark angeschlagene gegenseitige Vertrauen zu verbessern. Die deutsche Wirtschaft war in den letzten 80 Jahren immer dann erfolgreich, wenn Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Politik vertrauensvoll zusammengearbeitet haben. Dieses Vertrauen fehlt derzeit – weil die Bundesregierung mutlos agiert und sie nicht mit einer Stimme spricht und weil viele Entscheider in den Unternehmen ihrer Verantwortung nicht gerecht werden. Ohne mehr Verantwortung und Vertrauen wird Deutschland nicht aus dieser wirtschaftlichen und politischen Krise herausfinden, stattdessen würde sich diese verschärfen.
Die beiden Treffen heute sollten drei Ziele verfolgen: Zum ersten benötigen wir dringend einen Schulterschluss zwischen Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu den zentralen Prioritäten in der Wirtschaftspolitik. Wir benötigen eine Verbindlichkeit der Absprachen von allen Seiten und keine vagen Versprechungen und gegenseitigen Schuldzuweisungen. Zum zweiten braucht es den Mut für eine wirtschaftspolitische Kehrtwende mit einem massiven Investitionsprogramm in Infrastruktur, Innovation, Bildung und Klimaschutz. Die Bundesregierung sollte ihre Obsession mit der Schuldenbremse aufgeben. Wirtschaft und Bürger*innen benötigen eine starke und glaubwürdige Entlastung, so dass Investitionen und Konsum die Wirtschaft wiederbeleben und die Transformation zum Erfolg führen. Dafür sind die jüngsten Vorschläge des Bundeswirtschaftsministers ein guter erster Schritt, der nun von der gesamten Bundesregierung finalisiert und zügig umgesetzt werden sollte.
Zum dritten sollte die Bundesregierung einen Kurswechsel in ihrer Industriepolitik vollziehen und ihre Klientelpolitik beenden. Die Bundesregierung sollte nicht einzelnen Unternehmen oder Branchen mit Subventionen unter die Arme greifen, sich in die Entscheidung einzelner Unternehmen einmischen und existierende Strukturen versuchen zu zementieren. Alle Unternehmen – insbesondere kleine und mittlere Unternehmen auch in den Dienstleistungsbranchen – brauchen bessere Rahmenbedingungen mit weniger Bürokratie, geringeren Steuern und einer besseren Infrastruktur.
Die Bundesregierung hat noch immer die Möglichkeit, einen Kurswechsel in ihrer Wirtschaftspolitik zu vollziehen und Deutschland erfolgreich aus dieser Krise zu führen. Nur durch Mut und entschiedenes Handeln aller Seiten kann Vertrauen wiederhergestellt und die deutsche Wirtschaft zukunftsfähig werden.
Themen: Konjunktur