Kinderstartgeld – gute Gründe, aber auch viele Fragen: Kommentar

DIW Wochenbericht 44 / 2024, S. 688

Lukas Menkhoff

get_appDownload (PDF  88 KB)

get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF  2.72 MB - barrierefrei / universal access)

Die Wirtschaftsweisen haben jüngst ein Kinderstartgeld vorgeschlagen. Demzufolge sollen Kinder zwischen sechs und 18 Jahren monatlich zehn Euro erhalten, die am Kapitalmarkt anzulegen sind, bevorzugt in Aktien. Die Motivation für diesen Vorschlag ist der im internationalen Vergleich geringe Anteil deutscher Anleger*innen am Kapitalmarkt. Deutsche sparen überwiegend in festverzinslichen Anlagen, wie Termingeldern und Spareinlagen, die zwar vor Verlusten geschützt sind, aber eben auch vergleichsweise geringe Renditen abwerfen.

Dieses Verhalten ist verteilungspolitisch problematisch, denn renditestärkere Anlagen werden primär von den bereits wohlhabenderen Haushalten gehalten. Dadurch wird die Vermögensverteilung in Deutschland ungleicher. Es ist ehrenwert, diesen Zustand ändern zu wollen und konkrete Vorschläge zu unterbreiten. Fraglich ist allerdings, wie weit der Vorschlag eines Kinderstartgelds trägt, um das Problem wirksam anzugehen.

Der Ansatzpunkt für das Kinderstartgeld ist wohlbegründet. Finanzielles Verhalten „verbessert“ sich mit größerem finanziellem Wissen, aber auch mit einschlägigen Erfahrungen. So kann ein frühzeitiger Umgang mit Aktienanlagen die Hürde reduzieren, generell in Aktien oder anderen Kapitalmarktprodukten anzulegen. Tatsächlich hängen Finanzentscheidungen von Erwachsenen mit davon ab, ob sie als Kinder ihr Taschengeld planen konnten und ihre Eltern mit ihnen über Geldthemen gesprochen haben. Insofern kann man erwarten, dass ein Kinderstartgeld ebenfalls Früchte trägt. Allerdings entscheiden zwischen dem 6. und 14. Lebensjahr die Eltern über die Anlage des Geldes. Auch bei Erwachsenen verbessern Erfahrungen im Umgang mit Geld ihre Finanzentscheidungen; im besten Fall kann man hier also eine doppelte Dividende erwarten.

Neben diesen Vorteilen gibt es aber drei problematische Aspekte des Vorschlags. Erstens ist nicht klar, ob die Höhe der Beträge, 120 Euro im Jahr, ausreichend motivieren, sich gründlicher mit Anlagealternativen zu beschäftigen. Wie der Sachverständigenrat konzediert, entscheiden viele Berechtigte in solchen Situationen nichts, so dass eine festgelegte Standardanlage zum Tragen kommt. Dies mag rational sein, führt aber dazu, dass das eigentliche Ziel verfehlt wird. Von daher wären deutlich höhere Beträge vorteilhaft.

Zweitens ist die Haltedauer des Kinderstartgelds recht kurz, vielleicht zu kurz, um Kursschwankungen von Aktien auszugleichen. Zwar läuft das Programm je Kind über zwölf Jahre, aber die tatsächliche Bindungsdauer des Kapitals liegt unter sechs Jahren. Über solche Perioden schneiden Aktienmärkte oft schlechter ab als sichere Anlagen, so dass die Erfahrungen möglicherweise negativ sind. Insofern wäre eine längere Haltedauer, wie bei einem Start von Geburt an, hilfreich.

Drittens ist der finanzielle Aufwand in der gegenwärtigen Haushaltslage ein starkes Gegenargument. Selbst wenn im Einführungsjahr weniger als 100 Millionen Euro aufzubringen sind, die Haushaltslage wird zukünftig nicht einfacher werden.

Zwei Alternativen sind denkbar. Aufkommensneutralität wäre erreichbar, sofern Studiengebühren eingeführt würden. Wenn diese zum Beispiel 1 000 Euro pro Semester betragen, im Durchschnitt zehn Semester lang studiert wird und die Hälfte eines Jahrgangs studiert, macht das Kinderstartgeld in der Summe rund 5 000 Euro pro Kind aus. Dies kann wie ein kleines Grunderbe funktionieren. Es deckt zum Beispiel die Hälfte künftiger Studiengebühren.

Manche Wirkungen eines Kinderstartgelds lassen sich anders erreichen. Sofern es um das Anlegen in Aktien geht, könnte man die geplante Aktienrente (oder einen Teil davon) entsprechend ausgestalten. Dies würde vielen Erwachsenen Erfahrungen im Umgang mit Aktienanlagen bringen. Bei Kindern kann man sich in der Schule altersgerechte Spiele oder Geschichten vorstellen, die in der künftigen nationalen Strategie für Finanzbildung verankert werden. In jedem Fall ist das Anliegen wichtig, möglichst früh und umfassend den informierten Zugang zur Anlage an Kapitalmärkten zu erleichtern.

Der Beitrag ist am 17. Oktober 2024 bei Focus Online erschienen.

Lukas Menkhoff

Senior Research Associate in der Abteilung Makroökonomie

keyboard_arrow_up