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Um die Klimaziele zu erreichen, muss in den nächsten fünf Jahren noch viel passieren: Interview

DIW Wochenbericht 45 / 2024, S. 702

Sophie M. Behr, Erich Wittenberg

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Frau Behr, nach dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine haben sich Gas und andere Heizenergieträger deutlich verteuert. Inwieweit war die Gaspreiskrise 2023 noch spürbar? Die Gaspreiskrise war auch 2023 noch sehr deutlich spürbar. Die Preise sind für die Haushalte in Deutschland im Vergleich zum Jahr 2022 um ein Drittel gestiegen. Das bedeutet, dass die Heizenergiepreise seit 2021 insgesamt um ungefähr drei Viertel gestiegen sind.

Wo gab es die höchsten und wo die niedrigsten Preissteigerungen? Die höchsten Preissteigerungen beobachten wir im Süden Deutschlands, in Baden-Württemberg, Hessen und besonders in Rheinland-Pfalz mit 45 Prozent. In Hamburg waren die Preissteigerungen mit nur neun Prozent am geringsten. Dabei ist die Fernwärme zum ersten Mal Teil der Analyse für diesen Wärmemonitor.

Wie hat sich der Heizenergiebedarf in Zwei- und Mehrparteienhäusern im Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr entwickelt? Der Heizenergiebedarf ist 2023 um knapp vier Prozent zurückgegangen. Das heißt, er ist nicht so stark gesunken, wie die Preise gestiegen sind. 2022, wo wir einen ähnlichen Preisanstieg von ungefähr einem Drittel beobachten, war der Bedarf noch um über fünf Prozent gefallen.

Inwieweit kann dieser Rückgang auf die Preissteigerungen zurückgeführt werden? In der Analyse ist der kausale Zusammenhang von Preissteigerungen und der Veränderung des Bedarfs nicht ersichtlich. Das heißt, wenn man die Deutschlandkarten mit der Bedarfsänderung und der Preisveränderung nebeneinander legt, dann sieht man keinen klaren Zusammenhang zwischen Preissteigerungen und Bedarfsrückgang. Neben dem Preis spielen sicherlich auch andere Faktoren wie die mediale Aufmerksamkeit oder eine Änderung der Gewohnheiten eine wichtige Rolle.

Wie groß sind die regionalen Unterschiede beim Heizenergiebedarf? Die regionalen Unterschiede beim Heizenergiebedarf sind groß. In Mecklenburg-Vorpommern war der Heizenergiebedarf am niedrigsten, im Saarland hingegen wurde am meisten geheizt. Insgesamt war der Heizenergiebedarf im Osten und Süden Deutschlands deutlich niedriger als im Westen und Nordwesten. Unter anderem vermuten wir, dass die höhere Sanierungsrate im Osten in den neunziger Jahren dabei eine große Rolle spielt und die Gebäude dort deshalb im Durchschnitt energieeffizienter sind.

Die Bundesregierung hatte einen Preisdeckel für Energie eingeführt. Warum sind Heizenergiekosten dennoch weiter angestiegen? Dafür gibt es mehrere Gründe. Dieser Preisdeckel galt nur für 80 Prozent des historischen Verbrauchs und dieser bezog sich auf den September 2022. Hätte man also 2022 und 2023 gleich viel verbraucht, dann hätten sich die hohen Preisanstiege für 20 Prozent des Verbrauchs trotzdem bemerkbar gemacht. Außerdem lagen besonders die Gaspreise 2022 deutlich unterhalb des Preisdeckels, damit gab es also einen größeren Spielraum für Anstiege. Zudem gab es für Heizöl zwar Kompensationszahlungen, aber keinen Deckel wie für Fernwärme oder Gas und, da Heizöl ein Teil unserer Analyse ist, können wir auch dort hohe Preisanstiege beobachten.

Wie weit sind wir noch davon entfernt, die Klimaziele zu erreichen? Die temperaturbereinigten CO2-Emission sind im vergangenen Jahr um 4,3 Prozent zurückgegangen. 2023 lag der Ausstoß im Gebäudesektor insgesamt aber immer noch bei 102 Millionen Tonnen. Das nächste Zwischenziel bis 2030 wäre, dass er weniger als 67 Millionen Tonnen CO2 ausstößt. In den nächsten fünf Jahren muss also noch viel passieren. Die Reduktionen durch Verhaltensänderungen sind weitgehend ausgeschöpft. Daher sollte der Fokus auf die Umstellung von Heizungssystemen oder auf energetische Sanierungen gelegt werden.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton von Sophie M. Behr
Um die Klimaziele zu erreichen, muss in den nächsten fünf Jahren noch viel passieren - Interview mit Sophie M. Behr

Sophie M. Behr

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Klimapolitik

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