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Verkehrswende als Teil der sozialökologischen Transformation denken: Editorial

DIW Wochenbericht 47 / 2024, S. 731-732

Franziska Holz, Alexander Schiersch

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In den nächsten Jahren ist eine tiefgreifende Transformation der Wirtschaft notwendig, um das Ziel der EU und Deutschlands zu erreichen, bis zur Mitte des Jahrhunderts klimaneutral zu wirtschaften. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) begleitet diese sozial-ökologische Transformation mit gezielter Forschung zu verschiedenen Aspekten derselben.

Entsprechend der Ausrichtung des Instituts konzentrieren sich die Forschenden dabei auf drei Bereiche. Dies ist zum einen der Themenkomplex „Energiewende und Ressourcenmärkte“. Hier liegt der Fokus auf Fragen rund um die Energiewende, zum Beispiel wie die Vollversorgung mit erneuerbaren Energien gelingen kann. Zudem geht es um die Ausgestaltung der entstehenden Märkte für künftig wichtige Energieträger wie Wasserstoff. Damit verbunden ist der Umbau der Infrastruktur ein wichtiger Fokus sowohl hinsichtlich der Investitionen als auch der Regulierung der Netze und ihres Umbaus. Ebenso wird die Verbrauchsseite betrachtet, sei es in der Forschung zur Wärmewende, der Verkehrswende oder der Umstellungs- und Anpassungsprozesse in der Industrie.

Damit verknüpft sind die Fragestellungen im zweiten Themenkomplex „Dekarbonisierung von Unternehmen und Haushalten“. Ein wichtiger Aspekt ist hier die Kapitalstocktransformation, die erforderlich ist, um CO2-arm zu produzieren, zu konsumieren und zu wohnen. Die Forschung umfasst die notwendigen Maßnahmen und potenziellen Folgen der Kapitalstocktransformation in der Immobilien- und Bauwirtschaft sowie in der Grundstoffindustrie. Zugleich werden die Auswirkungen der Transformation auf die Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes untersucht, deren bisheriger Kapitalstock an Wert verliert und durch Investitionen angepasst werden muss. Diese Themen sind eng verbunden mit der Forschung zur Technologieadaption, etwa zur Digitalisierung, der Forschungs- und Entwicklungstätigkeit von Unternehmen sowie zu Green Finance. Da die deutsche Wirtschaft stark in die internationalen Handelsnetze eingebunden ist, werden auch Wertschöpfungsketten und internationaler Handel im Hinblick auf den CO2-Gehalt von Gütern untersucht.

Ein Schwerpunkt der Forschung am DIW Berlin sind Verbraucher*innen und Haushalte. Deren Reaktion auf politische Maßnahmen und die Veränderung ihrer Präferenzen und ihres Verhaltens kann mithilfe der am DIW Berlin vorliegenden Datensätze, insbesondere dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) fundiert untersucht werden. Hierzu zählen beispielsweise Analysen zu CO2-relevanten Konsumgewohnheiten privater Haushalte und deren Veränderungen über die Zeit, um etwa die Klimafolgen ökonomischer Ungleichheiten sowie die Wirksamkeit politischer Anreizsetzungen zu erfassen.

Eng damit verbunden ist der dritte Themenkomplex, der sich mit den „Wohlfahrtswirkungen und sozialen Implikationen“ der Transformation beschäftigt. Neben den Verteilungswirkungen der ökologischen, wirtschaftlichen und regulatorischen Veränderungen ist hier die Anpassungsfähigkeit der Haushalte ein zentrales Thema, um die Lenkungswirkung politischer Maßnahmen zu beurteilen und ihre sozial gerechte Ausgestaltung zu ermöglichen. Daneben werden auch die Auswirkungen der Transformation auf die Sorgen und Einstellungen der Menschen sowie auf das individuelle Wohlergehen untersucht, von Einkommen über die Gesundheit bis hin zur gesellschaftlichen Teilhabe und Anerkennung.

Entsprechend der Methodenvielfalt werden sowohl Ex-post-Betrachtungen auf Basis von Datensätzen als auch Ex-ante-Untersuchungen mit Hilfe von numerischen Simulationen vorgenommen. Ex-post-Untersuchungen ermöglichen es, Effektivität und Effizienz von politischen Maßnahmen zu evaluieren und (möglicherweise unbedachte) Nebenwirkungen zu identifizieren. Ex-ante-Modellierungen berücksichtigen in der Regel mehrere Szenarien, um verschiedene Zukunftspfade miteinander zu vergleichen und Erfolgskriterien für Politikmaßnahmen zu erkennen.

Seit dem ersten Halbjahr 2024 publiziert das DIW Berlin regelmäßig Themenhefte zur sozialökologischen Transformation im DIW Wochenbericht. Im Heft 27/2024 wurden erste Ergebnisse zum Thema Haushalte und Konsum veröffentlicht. Zwei Forschungsteams gingen der Frage nach, wie Einkommensungleichheit nachhaltigen Konsum beeinflusst und zeigten auf, wie die Ernährungsgewohnheiten, das Mobilitätsverhalten und die Wohnsituation den CO2-Fußabdruck deutscher Haushalte bestimmen. Unter anderem wurde deutlich, dass das Mobilitätsverhalten einen starken Einfluss auf die Höhe des CO2-Fußabdrucks hat. Auch gesamtwirtschaftlich haben die Emissionen aus dem Verkehrssektor mit rund 20 Prozent einen hohen Anteil an den deutschen Treibhausgasemissionen und sinken nur sehr langsam.

In diesem zweiten Themenheft zur sozial-ökologischen Transformation werden daher schwerpunktmäßig neue Forschungsergebnisse für den Verkehrssektor präsentiert. Die Berichte beleuchten zum einen die Auswirkungen von Luftverschmutzung des bisher emissionsintensiven Verkehrs und zum anderem die für die Verkehrswende notwendigen Veränderungen im Straßengüterverkehr.

Der erste Bericht untersucht die Auswirkungen von Feinstaubbelastung und Stickoxidemissionen des Verkehrssektors und deren Änderung durch die 2008 eingeführten Umweltzonen. Infolge der reduzierten Luftverschmutzung verbesserten sich unter anderem die schulischen Leistungen und die mentale Gesundheit der Bewohner*innen von Umweltzonen, die zudem im Durchschnitt einen schlechteren sozioökonomischen Status haben als im deutschlandweiten Mittel. Diese Ergebnisse lassen hoffen, dass eine erfolgreiche Verkehrswende die Bildungschancen und mentale Gesundheit der städtischen Bevölkerung verbessern kann.

Im zweiten Bericht zeichnen die Autoren die Entwicklung und den aktuellen Stand bei der Dekarbonisierung des Straßengüterverkehrs mittels batterieelektrischer Lkw und Lkw mit Brennstoffzellen nach. Dabei wird deutlich, dass sowohl der Bestand batterieelektrischer Lkw als auch die Zahl verfügbarer Fahrzeugmodelle in Deutschland zuletzt deutlich gewachsen sind und somit die Entwicklung am Markt stark für batterieelektrische Lkw spricht. Hinzu kommen Vorteile bei Energieeffizienz, Kosten sowie bis 2030 realistisch zu erwartenden Treibhausgaseinsparungen. Ein wesentlicher Hebel für den weiteren Markthochlauf von Batterie-Lkw ist ein schneller Ausbau der Ladeinfrastruktur.

Alexander Schiersch

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Unternehmen und Märkte

Franziska Holz

Stellvertretende Abteilungsleiterin in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt

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