DIW Wochenbericht 47 / 2024, S. 742
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Frau Schmitz, inwiefern hat die Einführung von Umweltzonen die Luftqualität in deutschen Städten verbessert? Umweltzonen beschränken in städtischen Gebieten die Zufahrt für bestimmte Fahrzeuge mit hohen Emissionen, also zum Beispiel alte Dieselfahrzeuge. Unsere Studie zeigt, dass sich dadurch in Umweltzonen die Feinstaubbelastung um etwa zehn Prozent und die Belastung mit Stickstoffdioxid um etwa 15 Prozent verringert hat.
Welche Schadstoffe haben eine besonders schädliche Wirkung und welche gesundheitlichen Probleme werden durch sie verursacht? Besonders problematisch sind Feinstaub und Stickoxide. Diese Partikel sind so klein, dass sie beim Einatmen tief in unsere Lunge gelangen, und in manchen Fällen können Sie auch in den Blutkreislauf gelangen. Zum einen wissen wir schon länger, dass sich dadurch das Risiko für Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen erhöht und zum anderen zeigen jüngere Studien, dass es auch Auswirkungen auf das Gehirn geben kann.
Welche gesundheitlichen Effekte gehen mit der Luftverbesserung einher? Dass sich Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität, wie zum Beispiel Umweltzonen, positiv auf Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Gesundheit auswirken, war bereits bekannt. Was wir uns in unserer Studie nun angeschaut haben, sind die Auswirkungen auf die mentale Gesundheit. Dafür nutzen wir anonymisierte Krankenkassendaten von neun Millionen Versicherten in ganz Deutschland und haben herausgefunden, dass es durch die Einführung von Umweltzonen zu einem geringeren Risiko für Depressionen und Angststörungen kam. Außerdem wurden Antidepressiva verschrieben und weniger Menschen haben Psychotherapeut*innen und Psychiater*innen aufgesucht.
Wie wirkt sich die bessere Luftqualität in Umweltzonen auf den Lernerfolg von Schulkindern aus? Unsere Studie zeigt, dass es Auswirkungen der Luftqualität auf den Bildungserfolg gibt. Dazu haben wir uns Schulübergangsdaten aus Nordrhein-Westfalen angeschaut. Die Entscheidung, auf welche weiterführende Schule ein Kind nach der Grundschule wechselt, ist ganz entscheidend für den späteren Bildungserfolg und auch für die Arbeitsmarktperspektiven. Wir haben herausgefunden, dass sich in Nordrhein-Westfalen die Übergangsrate auf das Gymnasium durch die Einführung von Umweltzonen und der damit einhergehenden Verbesserungen der Luftqualität um einen Prozentpunkt erhöht hat.
In welchem Alter machen sich die von Ihnen gemessenen Effekte bemerkbar? In Bezug auf die mentale Gesundheit finden wir die stärksten Effekte auf die 15- bis 30-jährigen, also Jugendliche und junge Erwachsene. In Bezug auf die Bildung schauen wir auf Kinder am Ende der Grundschulzeit, also Kinder in der vierten Klasse. Hier kommen wir zu dem Schluss, dass in jedem Fall Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sehr von diesen Maßnahmen zur Luftreinhaltung profitieren.
Welche Schlüsse könnte die Politik aus Ihren Ergebnissen ziehen? Unsere Ergebnisse sind relevant für die aktuellen Debatten in der Bildungs- und Gesundheitspolitik, weil wir dort vor großen Herausforderungen stehen. Zum Beispiel schnitten deutsche Schülerinnen und Schüler bei der letzten Pisa-Studie 2022 schlechter ab denn je und bei Kindern und Jugendlichen werden immer mehr Depressionen diagnostiziert. Gleichzeitig wohnen immer mehr junge Menschen in Städten. Insbesondere in sozioökonomisch benachteiligten Gebieten, in denen die Luftschadstoffbelastung besonders hoch ist, können Maßnahmen wie Umweltzonen Ungleichheiten im Bildungs- und Gesundheitswesen reduzieren. Somit werden Maßnahmen wie die Einrichtung von Umweltzonen auch in der Zukunft dringend gebraucht.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
Themen: Verkehr, Umweltmärkte, Ressourcenmärkte, Gesundheit, Bildung