Blog Marcel Fratzscher vom 2. Januar 2025
Ökonom Marcel Fratzscher zeigt sich schockiert über unlautere Wahlversprechen. Milliardenschwere Steuerentlastungen hält er für unrealistisch. Was ihm in der aktuellen Lage trotzdem Hoffnung macht.
Herr Fratzscher, die schlechten Nachrichten aus der Wirtschaft reißen nicht ab. VW steckt in der Krise, die Insolvenzen steigen bedenklich, der Ausblick ist trüb. Gibt es etwas, das Ihnen als Ökonom Hoffnung macht für das neue Jahr?
MARCEL FRATZSCHER: Was mir Hoffnung macht, ist, dass der Kern unserer Wirtschaft – die mittelständischen Unternehmen – immer noch intakt ist. Klar, auch da sind die Bedrohungen groß und die Rahmenbedingungen in Deutschland haben sich verschlechtert. Aber wir haben immer noch diese Unternehmen, die hochinnovativ sind, hochanpassungsfähig und sehr wettbewerbsfähig. Die haben in Märkten weltweit ihre Nische. Und all die Stärken, die uns über die letzten 75 Jahre stark gemacht haben, die sind immer noch vorhanden. Das haben wir in den vergangenen fünf Jahren nicht über Bord geworfen oder verloren.
Das Interview führte Christian Grimm in der Augsburger Allgemeine am 2. Januar 2025.
Zuletzt konnte man den Eindruck gewinnen, Deutschland habe all seine Stärken verspielt und sei wieder der kranke Mann Europas.
MARCEL FRATZSCHER: Natürlich gibt es viel zu tun. Aber ich sprach bereits vom Mittelstand, der häufig in Familienhand ist. Diese Unternehmer denken langfristig. Hinzu kommen ein starker Rechtsstaat und funktionierende Institutionen, wie Gerichte, die Polizei, das Parlament und Behörden. Da schütteln jetzt viele sicher mit dem Kopf, wenn sie das hören. Aber ein starker Rechtsstaat ist in 90 Prozent der Länder der Welt nicht vorhanden. Wir nehmen das als eine Grundvoraussetzung, aber es ist keine Selbstverständlichkeit. Und die dritte große Stärke ist unsere soziale Marktwirtschaft. Dass wir versuchen, alle Menschen mitzunehmen, dass wir gerade die verletzlichsten Gruppen unterstützen, dass es einen eingespielten Ausgleich gibt zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften. Ich glaube, sich immer wieder diese Stärken bewusst zu machen, ist die halbe Miete.
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Themen: Konjunktur , Öffentliche Finanzen