Roman Wilhelm ist einer von drei Kommunikationsdesigner*innen am DIW Berlin und prägt mit seiner Arbeit das visuelle Erscheinungsbild des Instituts. Im Interview spricht er über die von ihm eigens entwickelte Schrift Schumpeter Sans, die Geschichte des DIW-Logos und die Rolle von Humor in der Infografikgestaltung. Dabei wird deutlich: Visuelle Kommunikation ist Teamarbeit – und ein kreativer Prozess, der vom Diskurs lebt.
Der Styleguide legt fest, wie ein Logo zum Einsatz kommen darf und wie nicht.
© DIW Berlin
Sie haben für das DIW Berlin eine eigene Schrift erschaffen. Wie kam es dazu und wofür steht diese Schrift?
Roman Wilhelm: Als wir den DIW Wochenbericht neu konzipiert und auch visuell überarbeitet haben, haben wir auch über neue Schriften nachgedacht. Ich habe dann angefangen, nach einer Schrift zu suchen, hatte aber eine ziemlich genaue Vorstellung davon, was diese Schrift leisten müsste. Sie sollte natürlich das Wissenschaftliche, die Fakten transportieren, aber gleichzeitig auch die Meinung und Positionierung in den Wochenberichten, beispielsweise in Interviews und Kommentaren, verdeutlichen. Die Schrift sollte gleichzeitig sachlich sein, aber auch mal grummelig – im Englischen sagt man dazu grumpy – rüberkommen. Da hatte ich viel gesucht, aber nichts Passendes gefunden, und angefangen, selbst ein bisschen zu zeichnen. Ich bin von Beruf auch Schriftgestalter. Meine Chefin fand die Skizzen gut, und so kam diese in den Wochenberichten zum Einsatz. Inzwischen habe ich sie für die Kampagnen-Webseite der 100 Geschichten aus 100 Jahren DIW Berlin noch einmal überarbeitet. Bis 2027 wollen wir sie in allen Publikationen des Instituts nutzen, online sowie offline.
Sie haben die Schrift Schumpeter genannt, nach dem Ökonomen Joseph Schumpeter. Wie sind Sie darauf gekommen? Was ist die Geschichte dahinter?
Wilhelm: Ich bin selbst kein Wirtschaftswissenschaftler. Als ich den Namen Schumpeter zum ersten Mal gehört habe, fand ich, dass er gut klingt, irgendwie eigenwillig, kannte aber den Ökonomen noch gar nicht. Als ich mich mit Joseph Schumpeter beschäftigt habe, fand ich das sehr passend. Als Ökonom war er sehr sozial unterwegs, das passt zum DIW Berlin. Als Österreicher ging er in die USA, als die Nazis an die Macht kamen. Er hat auch zu den Thesen von Karl Marx publiziert. Es ging Schumpeter um die sozialen Implikationen der Wirtschaft. Das hat mir sehr gut gefallen, genau wie der Klang des Namens, weswegen unsere Schrift jetzt so heißt.
Sie haben sich für die 100 Geschichten aus 100 Jahren DIW Berlin auch mit der Geschichte des DIW-Logos befasst. Was haben Sie herausgefunden, was hat Sie überrascht?
Wilhelm: Die Recherchen waren spannend. Was ich bis dahin nicht wusste, ist, dass das erste Logo des DIW Berlin aus dem Jahre 1960 ein richtiges Kunstwerk ist. Das Logo wurde von Walter Niemann entworfen, einem anerkannten Künstler aus Worpswede. Erst hatte ich vermutet, dass das Logo eventuell durch einen anderen Walter Niemann erstellt wurde, weil es ungewöhnlich ist, dass ein Künstler Logos entwickelt. Dann fand ich heraus, dass Niemann Kindersachbücher von Ursula Ziebarth illustriert hat, die zeitweise Leiterin der DIW-Bibliothek war – daher kam wahrscheinlich die Verbindung. Das Logo aus den 1960er Jahren war inspiriert von der Lochkarte.
Dieses Logo entwickelte der Künstler Walter Niemann 1960 für das DIW Berlin.
© Walter Niemann/DIW Berlin
Wie hat sich denn das Logo des DIW Berlin seitdem entwickelt? Was waren wichtige Meilensteine?
Wilhelm: Interessant war, dass sich das DIW Berlin lange Zeit gelassen hat, nur diesen einen Namen zu verwenden. Weil es als Institut für Konjunkturforschung gegründet wurde, stand dieser alte Name viele Jahre gleichberechtigt neben dem neuen. Vielleicht hatte man Angst, dass man nicht mehr erkannt wird, wenn man nur den neuen Namen Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung trägt. Mit dem Logo von Walter Niemann hat sich das geändert. Bei den Weiterentwicklungen des Logos und der Entwicklung einer visuellen Identität für das Institut, beispielsweise dem Einsatz der Grüntöne, haben sich auch spätere Designer*innen am Niemann-Logo orientiert. Etwa, als aus den Lochkarten einander überschneidende Kreise wurden, die im heutigen DIW-Logo auf zwei Kurven reduziert sind. Was diese beiden Linien bedeuten, können wir nicht eindeutig sagen. Sie könnten für Angebot und Nachfrage stehen, oder für die Beziehung von Indikatoren zueinander. Doch darin steckt ein Anteil Kunst. Meine Kollegin Eva Kretschmer hat dann für das 100-jährige Jubiläum ein bunteres Logo entwickelt, das den gesamten Farbraum abdeckt, was mir auch sehr gut gefällt und das vielfältig zum Einsatz kommt.
Das Logo zum 100-jährigen Bestehen des DIW Berlin hat Grafikerin Eva Kretschmer entwickelt.
© DIW Berlin
Wilhelm: Als wir 2017 das Layout der Wochenberichte neu aufgesetzt haben, ging es auch um die Infografiken. Wir haben darüber diskutiert, was diese leisten können müssen. Uns war klar, dass die Infografik auf der Seite „Auf einen Blick“ einen Kernpunkt der Studien und der Forschung darstellen und nicht etwa den ganzen Inhalt des Wochenberichtes zusammenfassen soll. Zweiteres wäre einfach viel zu viel Information und würde die Grafik überladen. Deshalb konzentrieren wir uns bei der Infografik auf einen bestimmten Aspekt der Forschung, den wir erklären und visualisieren wollen. Welcher das ist, erarbeiten wir mit den Redakteur*innen des Wochenberichtes. Die Infografik ist ein Aushängeschild des Wochenberichtes. Sie ist das, was man als allererstes sieht – zusammen mit der Überschrift. In der Umsetzung versuchen wir dann, die Dinge zu illustrieren und checken mit den Kolleg*innen, ob die Bilder und Illustrationen funktionieren. Wichtig ist, dass die Infografik auch für sich alleine stehen muss, etwa auf der Webseite oder in den sozialen Medien. Bei der Gestaltung der Infografik spielt auch der Humor mit rein. Meine Kolleginnen Eva Kretzschmar, Steffi Reeg und ich machen dabei keine Witze, versuchen aber mit einer gewissen Freude und einem gewissen Spaß auch an ernste Themen zu gehen und sie lockerer wirken zu lassen. Manchmal sind wir dabei sehr offensichtlich, manchmal eher subtil. Während Eva Kretschmer und ich aus dem weiteren Kontext des Editorial Design ans DIW Berlin gekommen sind, verfügt Stefanie Reeg in unserem Team über am meisten Expertise auf dem Gebiet der Informationsgestaltung.
Die Infografik hat eine relativ lange Geschichte am DIW Berlin, beispielsweise wurde schon der Schweinepreis-Zyklus in den 1920er-Jahren mit einer Grafik bebildert. Wie hat sich die Nutzung von Grafiken seitdem verändert?
Wilhelm: Als ich mir die alten Wochenberichte angeschaut habe, hat mich überrascht, wie viel mir doch bekannt vorkam. Es gibt quasi Klassiker in der Darstellung von Konjunkturzyklen und anderen Themen, die damals wie heute am DIW Berlin wichtig waren und sind. Karten und Diagramme aller Art wurden früh genutzt. Wir führen mit den Infografiken eine Tradition fort, die uns auch heute noch inspiriert. Zum einen geht es noch immer um Einfachheit, um die Grafik eindeutig verstehbar zu machen. Zum anderen darf es auch mal knallen. Wir wollen Aufmerksamkeit generieren. Natürlich haben sich die Mittel der technischen Reproduktion stark weiterentwickelt. Heute haben wir dank der kompletten Digitalisierung der Prozesse dazu viel mehr Möglichkeiten als früher.
Wenn es eine Sache gibt, die alle Menschen über die visuelle Kommunikation am DIW Berlin wissen sollten, was wäre das?
Wilhelm: Visuelle Kommunikation ist nicht nur die Aufgabe von uns Designer*innen, es schließt das gesamte Institut mit ein. Die Weiterentwicklung der visuellen Kommunikation, gerade der Infografiken für den Wissenstransfer, liegt in der Verantwortung aller Mitarbeitenden des Instituts. Dafür ist es so wichtig, dass wir Designer*innen fester Teil der Kommunikationsabteilung sind und viel im Diskurs mit Kolleginnen und Kollegen. Da gibt es natürlich auch mal Uneinigkeiten, aber das ist Teil dieses wichtigen Prozesses, den ich als sehr fruchtbar empfinde. Es ist ein großes Privileg als Grafiker*in fester Teil des Teams zu sein und gemeinsam über Jahre die visuelle Kommunikation zu gestalten und weiterzuentwickeln.
Das Interview führte Lena Högemann.