Plötzlich Medienstar – wie ein IT-Mitarbeiter in den Tagesthemen die Konjunkturprognose kommentierte

Die Erkenntnisse der DIW-Wissenschaftler*innen sollen nicht nur in Fachkreisen oder elitären politischen Zirkel diskutiert werden, nicht in Bibliotheken verstauben oder gar in Schubladen verschwinden. Erklärtes Ziel ist es seit jeher, die gewonnenen Erkenntnisse mit möglichst vielen Menschen zu teilen und allgemein zugänglich zu machen. Deshalb setzt das Institut auf Wissenstransfer mit möglichst vielen Beteiligten. Im DIW Berlin sprechen nicht nur der Präsident oder die Abteilungsleiter*innen öffentlich. Bereits junge Wissenschaftler*innen werden in der Kommunikation geschult und bei der eigenen Kommunikation unterstützt, etwa für den Auftritt und Umgang mit den Sozialen Medien. Manchmal treten aber auch Kolleg*innen in den Medien prominent in Erscheinung, die wohl selbst am wenigsten damit gerechnet hätten.  Einer dieser Medienstars ist Werner Beesch, der etwas überraschend einen Tagesthemen-Beitrag im Januar 2011 dominierte.

Herr Beesch, von wann bis wann waren Sie am Institut? Und was Ihre eigentliche Aufgabe?

Werner Beesch: Ich habe 1995 am DIW Berlin angefangen. Nach der Wende habe ich zunächst in der Industrie gearbeitet, war dann arbeitslos und habe dann bei AEG in der Poststelle angefangen. Das war nicht mein Fachgebiet - in der DDR habe ich Dreher gelernt und meinen Meister im Werkzeugbau gemacht - aber ich war froh, Arbeit zu haben. Nach fünf Jahren musste ich mir etwas Neues suchen. Über einen Kollegen erfuhr ich, dass das DIW Berlin jemanden für die Poststelle suchte. Ich habe mich beworben und den Job bekommen. Am Anfang war ich Bote, Fahrer für den Präsidenten und für die Post zuständig. Dann wurde alles auf EDV umgestellt. Als der Kollege, der die Kopierer betreute, in Rente ging, fragte man mich, ob ich das übernehmen wolle. Meine Frau besuchte damals einen PC-Kurs, und so begann ich mich für Computer zu interessieren. Wir haben das quasi zusammen gelernt. Nach und nach wurde ich in die EDV eingebunden: Kopierer, Telefonanlagen, später auch Diensthandys und Telefonanlagen. Schließlich wechselte ich ganz in die IT-Abteilung und kümmerte mich um die Technik für Videokonferenzen und andere IT-Systeme.

Sie sind im DIW Berlin unter anderem sehr bekannt, weil sie in einem Beitrag der Tagesthemen sehr präsent waren. Dort wurden Sie allerdings als Hausmeister vorgestellt wurden. Was genau ist da passiert?

Beesch: Ja, das war eine sehr kuriose Geschichte. Es wurde angekündigt, dass viele Leute zur Pressekonferenz kommen würden, also habe ich alles vorbereitet – den Laptop vorne aufgestellt, die Beleuchtung eingerichtet und dafür auch eine Leiter geholt, um die Scheinwerfer richtig auszurichten. Während ich das gemacht habe, kamen die Journalisten rein und fragten mich, warum ich hier die Pressekonferenz vorbereite. Ich habe einfach erklärt, dass ich die Technik einrichte, aber von „Hausmeister“ habe ich kein Wort gesagt. Wie es dann dazu kam, dass ich im Beitrag plötzlich als Hausmeister bezeichnet wurde, weiß ich nicht. Das haben sich die Leute von der Presse wohl selbst so zusammengereimt. Das Lustige war: Im Beitrag hieß es ja, dass ich bald in Rente gehe. Nachdem die Sendung ausgestrahlt wurde, gingen bei uns viele Anrufe ein – in der Personalstelle haben sich plötzlich Leute gemeldet, die sich auf die angebliche Hausmeisterstelle bewerben wollten.

Werner Beesch - eigentlich Mitarbeiter in der IT - im Beitrag der Tagesthemen, die ihn zur Konjunkturprognose befragten und als Hausmeister betitelten.
© Screenshot Tagesthemen

Im fertigen Beitrag, der in den Tagesthemen lief und von Caren Miosga vor dem Bild einer Glaskugel anmoderiert wurde, sind Sie zu sehen, wie sie auf eine Leiter steigen, die Schweinwerfer fürs Podium zurechtrücken, damit die Wissenschaftler im richtigen Licht erscheinen. Dann sieht man sie am Rande Saals voller Journalisten sitzen und der Konferenz lauschen. Wann haben Sie gemerkt, dass eine Kamera öfter auf Sie schwenkte als auf den damaligen DIW-Präsidenten?

Beesch: Als ich da während der Pressekonferenz saß, ist mir schon aufgefallen, dass die Kamera immer wieder auf mich geschwenkt hat – öfter als auf den damaligen Präsidenten, aber ich dachte, die machen da einen Schwenk über die Journalisten. Warum genau die mich gefilmt haben, das weiß ich bis heute nicht. Aber am Ende war es eine unterhaltsame Geschichte, über die wir alle herzlich gelacht haben.

Sie wurden für den Beitrag vom Journalisten gefragt, ob Sie sich jetzt angesichts des prognostizierten Wirtschaftswachstums auf mehr Geld freuen. Sie waren da skeptisch. Warum?

Beesch: Ja, ich erinnere mich. Ich habe zu dem Zeitpunkt eigentlich gut verdient und hatte keine großen Ansprüche. Natürlich wäre ein höheres Gehalt schön gewesen, aber ich wusste bereits, wie meine Rente ungefähr ausfallen würde – und damit war ich zufrieden.

Von der Pressekonferenz selbst kommt gar kein Live-Ton vor, der Präsident sagt nur kurze Sätze. Am Ende waren Sie im Beitrag der Tagesthemen länger zu sehen als der Chef. Was haben Sie gedacht, als Sie den Beitrag gesehen haben?

Beesch: So genau kann ich Ihnen das gar nicht sagen. Ich fand es lustig, dass die Journalisten unseren damaligen Chef quasi als Wahrsager dargestellt hatten, obwohl die DIW-Prognosen ja immer sehr ernst genommen wurden und der Presseandrang immer groß war. Das war schon sehr ironisch, aber wir haben alle darüber gelacht. 

Zu Besuch im DIW Berlin: Werner Beesch findet sogar die Leiter, auf der er damals in dem Tagesthemen-Beitrag stand und eine Lampe richtig ausrichtete.
© DIW Berlin

Wie hat der damalige Chef verkraftet, dass Sie länger zu sehen waren als er?

Beesch: Darüber habe ich gar nicht mit ihm gesprochen. Es war einfach ein Zufall, dass die Kamera bei der Pressekonferenz mehr auf mich gerichtet war. Der Chef stand gerne im Mittelpunkt, das muss man ja auch als DIW-Präsident, vielleicht wollten ihn die Medien auf die Schippe nehmen. Aber Ärger gab es keinen – keiner hat mir irgendetwas vorgeworfen oder in irgendeiner Weise darauf angesprochen. Es war einfach eine lustige Anekdote, die niemand wirklich ernst genommen hat.

Haben Sie Freunde und Familie vorgewarnt oder sind sie aus den Socken gekippt, als Sie in den Tagesthemen die Wirtschaftsprognose kommentiert haben?

Beesch: Nee, ich habe niemanden vorgewarnt. Ich habe es erst später zufällig erfahren, als mir jemand sagte: „Hast du das gesehen? Du warst im Fernsehen!“. Für mich war das kein großes Ding, und ich habe auch niemandem extra Bescheid gesagt. Ich bin nicht der Typ, der sagt: „Ich bin jetzt im Fernsehen, das muss jeder wissen.“

In einigen Büros hängt auch heute noch eine Autogrammkarte von Ihnen. Wie kam es dazu?

Beesch: Das kann ich Ihnen gar nicht genau sagen. Das war ein Kollege. Im Organigramm gab es die Fotos. Und da hat er mein Foto genommen und diese Karte erstellt. Ich war selbst ziemlich erstaunt, als ich das gesehen habe, aber die Kollegen haben das einfach gemacht.

Werner Beesch hält seine Autogrammkarte, nachdem er in seiner Zeit am DIW Berlin einmal in den Tagesthemen die Konjunkturprognose kommentierte, obwohl er in der IT arbeitete.
© DIW Berlin

Nicht alle Mitarbeiter*innen der Verwaltung und der wissenschaftsunterstützenden Abteilungen werden so berühmt wie Sie. Trotzdem: ihre Arbeit war und ist sehr wichtig. Was hat denn für Sie die Arbeit am DIW ausgemacht?

Beesch: Mit hat die Arbeit am DIW wirklich Spaß gemacht. Die Kollegen waren nett, das gesamte Verhalten im Haus war prima. Es gab keinen Unterschied, ob jemand ein Professor, Doktor oder einfach ein Kollege war – alle waren sehr freundlich und kollegial, vom ersten Tag an. Sogar als ich noch als Bote unterwegs war, um Zeitungen und Briefe zu verteilen, war das Verhältnis unter den Kolleginnen und Kollegen sehr angenehm. Außerdem war da die Sicherheit des Jobs im öffentlichen Dienst. Alles in allem war es eine sehr positive Erfahrung, fürs DIW zu arbeiten.

Gibt es etwas, das Sie dem Institut zu seinem 100. Geburtstag wünschen?

Beesch: Auf jeden Fall, dass das DIW weiterhin bestehen bleibt und diese wichtige Arbeit weiter machen kann.

Autor*innen: Lena Högemann und Sabine Fiedler.

Konjunkturprognose heute

Geraldine Dany-Knedlik
Geraldine Dany-Knedlik

Leitung Prognose und Konjunkturpolitik in der Abteilung Makroökonomie

100 JAHRE DIW BERLIN IN FÜNF EPOCHEN

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