Trockenmilch, Kohlen, Schnürsenkel – das DIW berechnet Transporte der Luftbrücke

Rosinen berechnen die Ökonomen des DIW zwar nicht für die Flieger während der Berlin-Blockade, aber sonst alles, was die Berliner zum Leben brauchen. Die Menschen in Berliner verlieren während der fast einjährigen Blockade ihren Humor nicht und nennen die Flugzeuge der westalliierten Luftbrücke „Rosinenbomber“. Sie versorgen die Stadt vom 26. Juni 1948 bis zum 12. Mai 1949 mit allen lebenswichtigen Gütern.

Ein "Rosinenbomber", aufgenommen am 20. Juni 2019 auf dem Flugplatz in Tannheim.
© Adobe Stock/ Klaus Brauner

Rationen akribisch berechnet

Akribisch berechnen die DIW-Statistiker die notwendigen Rationen an Lebensmitteln, Steinkohle, Stoffen, Schuhen, Papier und anderen „Rohstoffen und Halbfabrikaten“ für jede Berlinerin und jeden Berliner. Ferdinand Grünig übernimmt die Leitung der Planung, DIW-Präsident Friedensburg leitet die Berechnungen an die Stadtverwaltung weiter (Quelle: Rolf Krengel, Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (Institut für Konjunkturforschung) 1925 - 1979, DIW-Publikation, Berlin 1985, S. 128). Grünig stellt fest, dass die vorhandenen Flugzeuge nicht ausreichten, um die eingeschlossenen Westsektoren zu versorgen:

 „Bei rund 2,1 Mill. Einwohnern und einem Tagesbedarf von 4,6 kg je Einwohner hätten auf der Luftbrücke täglich 9600 t Versorgungsgüter herangeschafft werden müssen, um das Versorgungsniveau des Jahres 1947 aufrechtzuerhalten. Daran war ... zu Beginn des (sic!) Blockade nicht zu denken, da die Leistungsfähigkeit des Luftverkehrs zunächst sehr gering war. Allerdings waren beträchtliche Vorräte … vorhanden.“ (Krengel, S. 129)

Auf diesem Foto stehen deutsche Kinder auf einem Schuttberg und beobachten ein US-Flugzeug, das über sie hinwegfliegt.
© Henry Ries / USAF, Public domain, via Wikimedia Commons

Weniger Nahrungsmittel pro Person

Grünig geht in seinen Berechnungen davon aus, dass die Flugzeuge täglich 6000 Tonnen oder 2,85 Kilogramm pro Einwohner*in nach Berlin transportieren können. Dabei sollen 650 Gramm für Nahrungsmittel pro Menschen und Tag ausreichen. Ein Jahr vor der Blockade hatte jeder Bewohner Berlins 950 Gramm Nahrungsmittel pro Tag benötigt, wissen Grünig und die Statistiker vom DIW. Grünig geht bei seinen knapperen Berechnungen allerdings davon aus, dass konzentrierte Lebensmittel wie Trockenmilch und Trockeneier mit den Rosinenbombern nach Berlin kamen. Und tatsächlich wird das Gewicht der Nahrungsmittel im Laufe der Blockade auf 600 Gramm pro Tag und Mensch gesenkt werden. Kohlehydrate werden durch Eiweiß und Fett ersetzt.

Trockenmilch aus britischen Armeebeständen

Zur Versorgung der Berlinerinnen und Berliner beigetragen hat die Trockenmilch aus den Kriegsbeständen der britischen Armee, an die sich der deutsche Werner Klatt in den Diensten der British Foreign Office erinnert. Klatt war in den 1930er Jahren „der Abteilung Landwirtschaft des Instituts (Anm.: IfK/DIW) freundschaftlich verbunden“ (Quelle: Krengel S. 128). Im Januar 1939 war Klatt nach Großbritannien geflohen und befreite mit der britischen Armee Nazi-Deutschland. Klatt kam als Angehöriger des englischen Foreign Offices nach Berlin und suchte im DIW den Landwirtschaftsexperten Hans Liebe auf.  “Im Juli 1948 regte Klatt zusammen mit englischen Kollegen im Ministry of Food an, Kriegsrestbestände an konzentrierten Nahrungsmitteln (Kartoffelpulver, Trockenmilch und Trockeneipulver) nach Berlin zu senden. Auf diese Weise war eine Arbeitsteilung zwischen den kleinen Maschinen der Royal Air Force und den großen Maschinen der US-amerikanischen Luftwaffe, die den Rohstofftransport übernahmen, möglich.“ (Krengel, S. 128)  

Am Ende der Luftbrücke veröffentlichten die Forscher*innen des DIW Berlin eine Schlussbilanz. Im Wochenbericht vom 13. Januar 1950 (Seite 3) ist genau aufgeschlüsselt, welche Güter in welchen Mengen nach Berlin eingeflogen und von Berlin ausgeflogen worden sind.

Im Wochenbericht vom 13. Januar 1950 erschien eine Schlussbilanz der Luftbrücke.
© DIW Berlin

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