DIW Wochenbericht 12 / 2025, S. 183-189
Peter Haan, Michaela Kreyenfeld, Sarah Schmauk, Tatjana Mika
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„Frauen sind durch die gesetzliche Rente schlechter abgesichert als Männer. Unterschiede bei den Rentenanwartschaften aufgrund vergangener Entscheidungen können durch Kindererziehungszeiten abgefedert werden, zusätzlich sind steuer- und arbeitsrechtliche Maßnahmen notwendig, um Müttern die Arbeitsaufnahme zu erleichtern.“ Peter Haan
Der Gender Pension Gap, der den Unterschied bei den Rentenansprüchen zwischen Männern und Frauen misst, liegt laut Daten der Deutschen Rentenversicherung im Alter von 60 Jahren bei 32 Prozent. Darüber hinaus zeigt sich auch ein deutlicher Unterschied bei den gesetzlichen Rentenansprüchen zwischen Müttern und kinderlosen Frauen (Motherhood Pension Gap). Diesem Gap wirken die im Jahr 1986 eingeführten und seither mehrfach modifizierten Kindererziehungszeiten entgegen. Die Anrechnung von Kindererziehungszeiten reduziert die Unterschiede der Rentenanwartschaften zwischen kinderlosen Frauen und Müttern zwar deutlich, allerdings nur für die Jahre nach der Geburt. Für die Geburtsjahrgänge 1952 bis 1959 liegt der Motherhood Pension Gap im Alter von 60 Jahren in Westdeutschland bei 26 Prozent: Kindererziehungszeiten können den Rentennachteil von Müttern nicht ausgleichen. Weitere sozial- und steuerpolitische Maßnahmen, die eine gleichberechtigte Aufteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit fördern, sind notwendig. Neben dem Ausbau der Kinderbetreuung sind Reformen des Ehegattensplittings und der Minijobs sowie ein Umbau der Arbeitswelt erforderlich, der die Bedürfnisse von Sorgetragenden stärker berücksichtigt.
Frauen verdienen auf dem Arbeitsmarkt im Durchschnitt deutlich weniger als Männer. Im Jahr 2024 betrug der sogenannte Gender Pay Gap, der den Unterschied der Bruttostundenlöhne misst, in Deutschland 16 Prozent.Vgl. Statistisches Bundesamt (2025): Gender Pay Gap sinkt 2024 im Vergleich zum Vorjahr von 18 Prozent auf 16 Prozent. Pressemitteilung Nr. 056 vom 13. Februar 2025 (online verfügbar; abgerufen am 18. Februar 2025. Dies gilt auch für alle anderen Onlinequellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). Da die Rentenansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland direkt von den Löhnen abhängen, überträgt sich diese Lohndifferenz auch auf Unterschiede bei den Rentenansprüchen. Der Unterschied zwischen Männern und Frauen wird als Gender Pension Gap bezeichnet.Vgl. Markus M. Grabka et al. (2017): Der Gender Pension Gap verstärkt die Einkommensungleichheit von Männern und Frauen im Rentenalter. DIW Wochenbericht Nr. 5, 87–96 (online verfügbar); Peter Haan, Anna Hammerschmid und Carla Rowold: (2017): Geschlechtsspezifische Renten- und Gesundheitsunterschiede in Deutschland, Frankreich und Dänemark. DIW Wochenbericht Nr. 43, 971–977 (online verfügbar). Die unterschiedlichen Löhne sind aber nur ein Faktor für die Differenz. Weitere Gründe sind häufige Erwerbsunterbrechungen von Frauen, beispielsweise wegen Kinderbetreuung oder der Pflege von Angehörigen, Segregation auf dem ArbeitsmarktSegregation auf dem Arbeitsmarkt bezieht sich auf die Konzentration von Beschäftigten mit bestimmten Merkmalen (vor allem Geschlecht) auf bestimmte Branchen und Berufsgruppen. oder Unterschieden bei der Teilzeiterwerbstätigkeit, die sich auf geschlechtsspezifische soziale Normen und Stereotype zurückführen lassen.Es ist zu beachten, dass Rentenanwartschaften nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze akquiriert werden können. Ohne Obergrenze würde der Gender Pension Gap noch höher ausfallen, denn das Bruttoentgelt von Männern überschreitet diese häufiger als das von Frauen.
Mit der Einführung der Kindererziehungszeiten im Jahr 1986, die durch mehrere Reformen ausgeweitet wurden, sollten die individuellen Rentenansprüche von Müttern erhöht werden. Damit sollte langfristig der Gender Pension Gap und auch der Motherhood Pension Gap, also der Unterschied zwischen den Rentenansprüchen von Frauen mit und ohne Kinder, reduziert werden.Eine Regelung, die vor allem darauf abzielte, die Rentenanwartschaften von Frauen zu erhöhen, war auch die 1973 eingeführte Rente nach Mindesteinkommen. Diese sah eine Aufwertung von „niedrigen“ Rentenanwartschaften, die bis 1972 erzielt wurden, vor. Vgl. Johannes Steffen (2011): Instrumente zur Absicherung von Beschäftigungszeiten mit Niedriglohn in der gesetzlichen Rentenversicherung. Arbeitnehmerkammer Bremen, Nr. 07 (online verfügbar).
In diesem Wochenbericht werden auf Basis der Versichertenkontenstichprobe (VSKT) der Deutschen Rentenversicherung die Unterschiede bei den gesetzlichen Rentenansprüchen von Männern und Frauen sowie für Frauen nach Anzahl der Kinder untersucht (Kasten 1). Darüber hinaus zeigen die Auswertungen, welche Rolle die Kindererziehungszeiten knapp 40 Jahre nach ihrer Einführung spielen.
Diese Studie basiert auf Daten der Deutschen Rentenversicherung (VSKT 2020).Forschungsdatenzentrum der Deutschen Rentenversicherung (2022): FDZ-Biografiedatensatz für die Biografiedaten der Versicherten (VSKT) 2020. Codeplan (VSKT 2020). Deutsche Rentenversicherung. Die Daten enthalten monatliche Informationen über die erzielten Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung. Bestimmte Personen- und Berufsgruppen (beispielsweise Beamt*innen oder Selbständige) sind in den Daten nicht enthalten. Zielvariable der Analysen sind die Entgeltpunkte, aus denen sich die Rentenanwartschaften berechnen lassen. Für die Analysen werden die Entgeltpunkte, die Personen in ihren Konten bei der gesetzlichen Rentenversicherung bis zum Alter von 60 Jahren erworben haben, in Rentenzahlbeträge umgerechnet. Die betrachteten Jahrgänge haben das 60. Lebensjahr erreicht, aber noch nicht das reguläre Renteneintrittsalter. Daher zeigen die dargestellten Werte nicht den endgültigen Rentenanspruch, sondern die bis zu diesem Zeitpunkt erworbenen Rentenanwartschaften. Für die Umrechnung der Entgeltpunkte in Rentenzahlbeträge (Entgeltpunkte x Rentenwert) wurde der Rentenwert für das Jahr 2024 zu Grunde gelegt (39,32 Euro pro Entgeltpunkt). Berechnet wurden die Rentenzahlbeträge nach Alter, Geburtsjahrgang, Geschlecht und für Frauen nach der Kinderzahl.
Um die Auswirkungen der Kindererziehungszeiten zu quantifizieren, werden zwei Berechnungsszenarien gegenübergestellt:
Dieser Vergleich verdeutlicht den Einfluss der Kindererziehungszeiten auf die spätere Rentenhöhe und zeigt, wie stark diese Regelung zur Absicherung von Müttern beiträgt.
Die Rentenansprüche im Deutschen Rentensystem hängen maßgeblich vom vorherigen Lebenseinkommen und Erwerbsverlauf ab.Im Einigungsvertrag vom 31.08.1990 wurde die Überleitung der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) auf das Beitrittsgebiet beschlossen (Art. 30 Abs. 5). Die grundlegende Idee war, die ostdeutschen Erwerbsbiografien in die Systematik der GRV zu integrieren. Dazu wurden bis zur Herstellung „einheitlicher Einkommensverhältnisse“ eine Reihe von Sonderregelungen in das Sozialgesetzbuch VI aufgenommen. Vgl. Hermann Buslei, Johannes Geyer und Peter Haan (2020): Gesetzliche Renten gleichen sich in Ost- und Westdeutschland an – dennoch klaffen Alterseinkommen auseinander. DIW Wochenbericht Nr. 38, 713–719 (online verfügbar). Damit spiegeln sich im Gender Pension Gap immer auch andere vorgelagerte „Gaps“ wider, wie der Gender Pay Gap oder der Gender Care Gap.Vgl. dazu den Eintrag „Gender Care Cap“ im Glossar auf der Website des DIW Berlin (online verfügbar).
Die zwischen 1952 und 1959 geborenen Jahrgänge sind nur zum Teil schon verrentet. Zwar kann für diese Kohorten daher noch nicht der finale Gender Pension Gap berechnet werden, jedoch kann bestimmt werden, welche Rentenanwartschaften bis zum Alter von 60 Jahren erworben wurden (Kasten 1). Für diese Jahrgänge liegt der Gender Pension Gap im Alter von 60 Jahren bei 32 Prozent (Tabelle 1). Dabei gibt es jedoch große regionale Unterschiede.Die Zuordnung zu West- und Ostdeutschland erfolgte anhand des Wohnsitzes im Berichtsjahr 2020, wobei Berlin Ostdeutschland zugeordnet wurde. Der Gender Pension Gap im Alter von 60 Jahren ist in Westdeutschland mit 37 Prozent deutlich höher als in Ostdeutschland, wo er nur bei zehn Prozent liegt. Der Hauptgrund für diesen Unterschied liegt in der unterschiedlichen Erwerbsbeteiligung und Beschäftigungsstruktur in West- und Ostdeutschland. Ostdeutsche Frauen der betrachteten Jahrgänge waren häufiger vollzeitbeschäftigt als ihre westdeutschen Altersgenossinnen. Gleichzeitig sind die Erwerbseinkommen von westdeutschen Männern im Durchschnitt höher als die von ostdeutschen Männern, so dass die Rentenansprüche von westdeutschen Männern im Alter von 60 Jahren basierend auf den Entgeltpunkten des Jahres 2024 mit durchschnittlich 1420 Euro deutlich über denen von Männern im Osten (1220 Euro) liegen.
Durchschnitt in Euro
Westdeutschland | Ostdeutschland | Deutschland | |
---|---|---|---|
Frauen | 890 | 1100 | 940 |
Männer | 1420 | 1220 | 1370 |
Gender Pension Gap in Prozent | –37 | –10 | –32 |
Anmerkung: Es handelt sich um fiktive Rentenanwartschaften auf der Grundlage eines Rentenalters von 60 Jahren. Ergebnisse sind gerundet. Zur Berechnung der monatlichen Rente wurde der Rentenwert für das Jahr 2024 zu Grunde gelegt. Die Zuordnung zu Ost- und Westdeutschland wurde auf Basis der Information zum Wohnort im Berichtsjahr 2020 festgelegt.
Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis von VSKT2020 (Fallzahl=163943).
Die durchschnittlichen Rentenanwartschaften unterscheiden sich nicht nur zwischen Männern und Frauen, sondern auch zwischen Frauen mit und ohne Kinder. Das gilt insbesondere in Westdeutschland. Kinderlose westdeutsche Frauen, die zwischen 1952 und 1959 geboren wurden, hatten im Jahr 2020 im Alter von 60 Jahren im Durchschnitt Rentenanwartschaften, die einem gesetzlichen Renteneinkommen von 1200 Euro entsprachen, während Frauen mit zwei Kindern nur 830 Euro und Frauen mit drei und mehr Kindern nur 750 Euro erzielten (Tabelle 2). Werden kinderlose Frauen und Mütter (unabhängig von der Kinderzahl) verglichen, so liegt der Motherhood Pension Gap in Westdeutschland bei 26 Prozent, wenn die bis zum Alter von 60 Jahren erzielten Rentenanwartschaften zu Grunde gelegt werden.
Durchschnitt in Euro
Westdeutschland | Ostdeutschland | Deutschland | |
---|---|---|---|
Frauen mit einem Kind | 920 | 1120 | 970 |
Frauen mit zwei Kindern | 830 | 1180 | 920 |
Frauen mit drei und mehr Kindern | 750 | 1030 | 800 |
Alle Frauen mit Kindern | 830 | 1140 | 910 |
Kinderlose Frauen | 1120 | 840 | 1080 |
Motherhood Pension Gap in Prozent | –26 | 35 | –16 |
Anmerkung: Es handelt sich um fiktive Rentenanwartschaften auf der Grundlage eines Rentenalters von 60 Jahren. Ergebnisse sind gerundet. Zur Berechnung der monatlichen Rente wurde der Rentenwert für das Jahr 2024 zu Grunde gelegt. Die Zuordnung zu Ost- und Westdeutschland wurde auf Basis der Information zum Wohnort im Berichsjahr 2020 festgelegt.
Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis von VSKT2020 (Fallzahl=84146).
In Ostdeutschland zeigt sich hingegen nur ein geringer Zusammenhang zwischen der Kinderzahl und den Rentenanwartschaften von Frauen. Kinderlose Frauen in Ostdeutschland haben im Durchschnitt sogar niedrigere Rentenanwartschaften als Frauen mit Kindern. In Ostdeutschland haben Mütter damit einen Rentenvorsprung.
Um die divergierenden Muster in den beiden Landesteilen zu verstehen, ist es wichtig, sich die Ost-West-Unterschiede bei der Erwerbstätigkeit von Müttern und bei den Familienmustern vor der Wiedervereinigung in Erinnerung zu rufen.Johannes Huinink, Michaela Kreyenfeld und Heike Trappe (2012): Familie in Ost- und Westdeutschland: Ähnlich und doch immer anders. Budrich, Opladen. In der ehemaligen DDR war Kinderlosigkeit gering, was auch mit sozialpolitischen Maßnahmen in Verbindung stand, die eine frühe Elternschaft förderten (wie eine bevorzugte Wohnungsvergabe an Eltern oder die Verfügbarkeit von institutioneller Kinderbetreuung). Kinderlosigkeit lag bei ostdeutschen Frauen der Jahrgänge, die um 1955 geboren wurden, etwas unter zehn Prozent. In Westdeutschland war Kinderlosigkeit für diese Jahrgänge relativ hoch (etwa 20 Prozent) und hing mit den veränderten Einstellungen, Werten und Beschäftigungsmustern der Frauen zusammen.Michaela Kreyenfeldund Dirk Konietzka (2017): Childlessness in Europe: Contexts, Causes, and Consequences. Springer (online verfügbar). Die Kinderlosigkeit war in Westdeutschland für diese Geburtsjahrgänge vor allem deshalb hoch, weil die Vorstellungen der Frauen oft mit den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen kollidierten, die immer noch davon ausgingen, dass sich Frauen in erster Linie um die Kindererziehung und die Haushaltsführung kümmern sollten und somit keiner Beschäftigung, insbesondere keiner Vollzeitbeschäftigung, nachgehen konnten.
Die Rentenanwartschaften werden nicht nur durch die Erwerbshistorie und die damit verbundenen Rentenbeiträge bestimmt, sondern auch durch die Kindererziehungszeiten. Die Kindererziehungszeiten wurden im Zuge einer großen Rentenreform im Jahr 1986 eingeführt (Kasten 2). Die Reform war mit der Erwartung verbunden, dass die Kindererziehungszeiten zusammen mit einer steigenden Erwerbsbeteiligung von Frauen die individuellen Rentenansprüche der Frauen erhöhen und langfristig sowohl den Gender Pension Gap als auch den Motherhood Pension Gap schließen würden. Über die Zeit wurde die Bezugsdauer der Kindererziehungszeiten und damit die Ansprüche durch weitere Reformen erhöht. Nach derzeitigen Regelungen erhält eine MutterIm Prinzip können die Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten auch auf Väter übertragen werden, was allerdings bislang nur in seltenen Fällen praktiziert wird. in der Regel für die Kinder, die 1992 oder später geboren wurden, für jedes Jahr in den drei Jahren unmittelbar nach der Geburt einen Entgeltpunkt wobei ein Punkt dem durchschnittlichen Einkommen entspricht.Eine Anrechnung erfolgt allerdings nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze. Wenn beispielsweise die Summe aus Entgeltpunkten von Einkommen und Kindererziehungszeiten über der Beitragsbemessungsgrenze liegt, werden die Entgeltpunkte, die über der Grenze liegen, gekappt. Durch die Einführung der so genannten „Mütterrente“ im Jahr 2014 wurden die Kindererziehungszeiten für Kinder, die vor 1992 geboren wurden, erhöht.
Seit 1986 gibt es Kindererziehungszeiten im deutschen Rentensystem. Kindererziehungszeiten werden auf das Rentenversichertenkonto des Elternteils gebucht, der die Hauptverantwortung für die Erziehung und Betreuung eines Kindes trägt, also in der Regel der Mutter. Bei der Antragstellung können die Eltern auch beschließen, die Kindererziehungszeiten dem Vater zukommen zu lassen, was bisher jedoch nur in Ausnahmefällen (in weniger als fünf Prozent aller Fälle) geschehen ist.
Kindererziehungszeiten beinhalten, dass in den drei Jahren unmittelbar nach Geburt eines Kindes ein Entgeltpunkt pro Jahr auf das jeweilige Versichertenkonto gutgeschrieben wird. Ein Entgeltpunkt entspricht dabei dem Durchschnittseinkommen aller Versicherten des Jahres. Seit Juli 1998 ist es möglich, die Kindererziehungszeiten mit Rentenansprüchen aus einer Erwerbstätigkeit bis zur Beitragsbemessungsgrenze aufzustocken, die etwa einem doppelten Durchschnittsverdienst entspricht (7550 Euro pro Monat im Jahr 2024).
Die Höhe der Kindererziehungszeiten variiert nach dem Geburtsjahr der Kinder. Mütter erhalten drei Entgeltpunkte für nach dem 1. Januar 1992 geborene Kinder. Vor den Gesetzesreformen in den Jahren 2014 und 2019 (Mütterrente I und II) wurde den Müttern, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, ein Rentenpunkt für das unmittelbar auf die Geburt folgende Jahr gutgeschrieben.
Ohne Kindererziehungszeiten liegen die Anwartschaften von Müttern, die in den Jahren 1952 bis 1959 geboren wurden, immer niedriger als die von Frauen ohne Kinder (Abbildung 1). Im Durchschnitt läge der Motherhood Pension Gap im Alter von 60 Jahren bei 31 Prozent, wenn die Kindererziehungszeiten nicht berücksichtigen würden. Unter Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten steigen die Anwartschaften und der Motherhood Pension Gap schließt sich in den Jahren der Familiengründung.Das durchschnittliche Alter bei Erstgeburt liegt für die untersuchten Jahrgänge für ostdeutsche Frauen bei 22,7 Jahren und für westdeutsche Frauen bei 24,9 Jahren. Allerdings ist das nur ein kurzfristiger Effekt. Danach steigt der Motherhood Pension Gap stark an. Der Grund für dieses Muster ist einfach: Die Kindererziehungszeiten werden nur in den drei Jahren unmittelbar nach der Geburt des Kindes gewährt. Die Erwerbskarrieren westdeutscher Frauen waren aber über diesen Zeitraum hinaus von der Geburt des ersten Kindes beeinträchtigt, da die meisten Mütter nicht in eine Vollzeitbeschäftigung zurückkehren.Vgl. Annekatrin Schrenker und Aline Zucco (2020): Gender Pay Gap steigt ab dem Alter von 30 Jahren stark an. DIW Wochenbericht Nr. 10, 137–146 (online verfügbar); Boryana Ilieva und Katharina Wrohlich (2022): Gender Gaps in Employment, Working Hours and Wages in Germany: Trends and Developments Over the Last 35 Years. CESifo Forum Nr. 2, 17–19 (online verfügbar). Die Kindererziehungszeiten haben damit nur eine geringe Auswirkung auf den Motherhood Pension Gap. Auch unter Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten liegt der Motherhood Pension Gap bei 26 Prozent und schließt sich damit gerade mal um fünf Prozentpunkte im Vergleich zum Wert, wenn Kindererziehungszeiten nicht berücksichtigt würden. Die Auswirkungen auf den Gender Pension Gap fallen ähnlich gering aus. Dieser hat sich im Alter von 60 Jahren von 41 Prozent auf 37 Prozent verringert.
Vorliegende Daten lassen es lediglich zu, Gender Pension Gap und den Motherhood Pension Gap für Jahrgänge zu bestimmen, die kurz vor dem Renteneintritt stehen oder bereits verrentet sind. Auch für jüngere Jahrgänge dürften sie aber noch erheblich sein. Grundsätzlich hat der Anteil vollzeitbeschäftigter Mütter in Westdeutschland in den letzten Jahrzehnten zwar zugenommen und der Gender Pension Gap und Motherhood Pension Gap dürften leicht zurückgegangen sein, aber auch unter Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten werden sie sich in absehbarer Zukunft nicht schließen. Dafür sind die Geschlechterunterschiede auch für die jüngeren Jahrgänge bei der Sorge- und Erwerbstätigkeit noch zu groß, so dass sich die Rentenansprüche zwischen Männern und Frauen auch weiterhin stark unterscheiden werden.
Die Rentenansprüche ostdeutscher Frauen der Jahrgänge 1952 bis 1959 unterscheiden sich deutlich von denen westdeutscher Frauen (Abbildung 2). Bereits ohne die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten liegen die Anwartschaften für Frauen mit einem oder zwei Kindern eng beieinander und sind höher als die Anwartschaften kinderloser Frauen. Nach Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten haben ostdeutsche Frauen mit Kindern zu jedem Zeitpunkt ihres Lebensverlaufs sogar höhere Rentenanwartschaften als kinderlose Frauen. Darüber hinaus sind die geschlechtsspezifischen Unterschiede in Ostdeutschland deutlich geringer als in Westdeutschland, so dass der Gender Pension Gap nach Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten für Mütter mit zwei Kindern im Vergleich zu Männern kaum noch vorhanden ist. Zu beachten ist, dass Kinderlosigkeit, wie schon oben erwähnt, in Ostdeutschland für diese Jahrgänge niedrig war. Nicht selten standen hinter der Kinderlosigkeit gesundheitliche Probleme, die auch das Erwerbseinkommen beeinflusst haben dürften.
Obwohl der Gender Pension Gap derzeit in Ostdeutschland noch gering ist, ist davon auszugehen, dass er in Zukunft steigen wird, da der Anteil teilzeitbeschäftigter Mütter in den jüngeren ostdeutschen Kohorten und auch die Kinderlosigkeit in Richtung des hohen westdeutschen Niveaus angestiegen ist.
Die Einführung von Kindererziehungszeiten im Jahr 1986 war mit der Erwartung verbunden, dass, zusammen mit der zunehmenden Erwerbsbeteiligung von Frauen, sich die individuellen Anwartschaften von Frauen in der gesetzlichen Rentenversicherung verbessern und sich langfristig sowohl der Gender Pension Gap als auch der Motherhood Pension Gap schließen würden.Ähnliche Überlegungen lagen damals der Rente nach Mindesteinkommen zu Grunde. Auch war die Maßnahme zeitlich begrenzt in der Erwartung, dass „Niedriglöhne für die Zukunft als strukturell womöglich dauerhaftes Problem ausgeschlossen“ werden konnten. Vgl. Steffen (2011), a.a.O., 2. Heute, und damit fast 40 Jahre später, zeigt sich, dass die Einführung der Kindererziehungszeiten nur teilweise als Erfolg gefeiert werden kann: Mütter in Westdeutschland weisen nach wie vor deutlich niedrigere Rentenansprüche auf als kinderlose Frauen und als Männer. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Kindererziehungszeiten ihren Zweck nur dann erfüllen können, wenn Frauen die Möglichkeit haben, zeitnah nach der Geburt eines Kindes in eine Vollzeit- oder vollzeitnahe Beschäftigung zurückzukehren.
In Ostdeutschland hingegen gibt es für die untersuchten Kohorten (1952 bis 1959) kaum Unterschiede zwischen Frauen mit und ohne Kinder oder zwischen Frauen und Männern. Neben der stärkeren Erwerbsbeteiligung von Frauen in Ostdeutschland erklärt sich der niedrige Gender Pension Gap auch durch die relativ niedrigen Löhne von ostdeutschen Männern.
Der große Gender Pension Gap und die niedrigen Rentenanwartschaften von Frauen mit Kindern wurden im Westen oft in der unausgesprochenen Annahme akzeptiert, dass Frauen im Haushaltskontext oder durch „abgeleitete Ansprüche“, wie beispielsweise die Hinterbliebenenrente, ausreichend unterstützt würden. Angesichts der zunehmenden Vielfalt von Familienformen wäre es jedoch fahrlässig, die niedrigen individuellen Anwartschaften von Müttern zu ignorieren. Hinzu kommt, dass Frauen oft weniger Zugang zu anderen Formen der Alterssicherung haben als Männer, etwa zur privaten Altersvorsorge (mit Ausnahme der Riester-Rente), zu Vermögen (Gender Wealth Gap) oder zu betrieblichen Renten.Ute Klammer (2017): Alterssicherung von Frauen revisited. Aktuelle Entwicklungen und zukünftige Perspektiven. Sozialer Fortschritt 5(66), 359–375 (online verfügbar).
Heutige Rentenanwartschaften spiegeln immer die Erwerbs- und Einkommensmuster der Vergangenheit wider. Viele Mütter, die kurz vor dem Rentenalter stehen, haben keine ausreichenden individuellen Rentenanwartschaften für eine gesicherte Altersversorgung erworben. Sie können ihre früheren Arbeitsmarktentscheidungen jedoch nicht rückgängig machen. Um dieser Situation, die aus der geschlechtsspezifischen Verteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit entstanden ist, heute entgegenzutreten, sind auch weiterhin rentenrechtliche Maßnahmen erforderlich. Die Kindererziehungszeiten sind ein hilfreiches Mittel. Sie stellen einen nachgelagerten (ex post) Ausgleich dar, der notwendig ist, wenn andere Maßnahmen während der Erwerbsphase versagt haben. Die politischen Entscheidungsträger*innen müssen daher weiterhin derartige Ex-Post-Maßnahmen bereithalten, um soziale Härten und geschlechtsspezifische Ungleichheiten zu verringern.Vgl. Maximilian Blesch et al. (2024): Abschaffung der Mütterrente würde Altersarmut erhöhen. DIW Wochenbericht Nr. 31/32, 495–502 (online verfügbar). In diese Richtung wirkt beispielsweise auch die im Jahr 2021 eingeführte Grundrente.Vgl. Johannes Geyer, Peter Haan und Michelle Harnisch (2020): Zur Wirkung der Grundrente und der Mütterrente auf die Altersarmut: Gutachten für den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Arbeitspapier 07/2020 (online verfügbar).
Die Lösung zur Schließung des Gender Pension und des Motherhood Pension Gaps liegt jedoch zweifellos in einer zukunftsorientierten Familienpolitik. Diese sollte darauf abzielen, eine gleichberechtigte Aufteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit zwischen Eltern zu fördern, eine flexible Betreuungsinfrastruktur aufzubauen und die Arbeitswelt und die gesellschaftlichen Institutionen für die Bedürfnisse von sorgetragenden Erwerbstätigen zu sensibilisieren. Dafür ist es auch notwendig, Arbeitsanreize im Steuersystem durch eine Reform des Ehegattensplittings und der Minijobs zu erhöhen.Ludovica Gambaro, et al. (2024): Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit bei Eltern: Wunsch und Wirklichkeit liegen teils weit auseinander. DIW Wochenbericht Nr. 29, 459–466 (online verfügbar).
JEL-Classification: I14;J38
Keywords: Pensions, old-age security, female employment, maternal employment
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2025-12-1