DIW Wochenbericht 12 / 2025, S. 190
Peter Haan, Erich Wittenberg
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Herr Haan, wie groß ist in Deutschland der Motherhood Pension Gap, also der Unterschied in den Rentenansprüchen zwischen Müttern und kinderlosen Frauen? In Gesamtdeutschland haben Frauen ohne Kinder im Durchschnitt Renten in Höhe von ungefähr 1100 Euro. Im Gegensatz dazu haben Frauen mit Kindern im Durchschnitt ungefähr 900 Euro. Das heißt, der Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen und beträgt ca. 25 Prozent.
Gibt es dabei regionale Unterschiede? Es gibt beim Motherhood Pension Gap einen extrem starken Unterschied zwischen Ost- und Westdeutschland und zwar nicht nur quantitativ sondern auch qualitativ, denn in Ostdeutschland ist er sogar negativ. Das heißt, hier haben Frauen mit Kindern höhere Rentenansprüche als Frauen ohne Kinder.
Wie ist das zu erklären? Das ist historisch zu erklären. Die Fälle, die wir untersuchen, haben einen Großteil ihrer Biografie noch zu DDR-Zeiten gelebt und gearbeitet. Damals war Kinderlosigkeit in der DDR im Vergleich zu Westdeutschland ein eher seltenes Phänomen. Dazu kommt, dass Mütter zu DDR-Zeiten, und das gilt auch heute noch in Ostdeutschland, viel häufiger erwerbstätig waren und durch die Erwerbstätigkeit Rentenanwartschaften gesammelt haben, die jetzt als Rentenansprüche geltend gemacht werden können.
Im Zuge einer großen Rentenreform werden seit 1986 die Kindererziehungszeiten berücksichtigt. Wie hat sich das auf den Motherhood Pension Gap ausgewirkt? Durch diese Rentenreform wurden zusätzliche Rentenansprüche für Mütter gewährleistet. Bis zu drei Rentenpunkte kann man für ein Kind bekommen. In heutigen Werten wären das insgesamt pro Kind etwa 120 Euro zusätzlich. Das schließt den Motherhood Pension Gap schon, aber nicht wirklich erheblich. Warum ist das so? Weil ein Großteil der Mütter auch nachdem die Kinder schon älter sind, immer noch geringere Erwerbstätigkeitsquoten haben als Frauen ohne Kinder, denn wenn Frauen zurück in die Erwerbstätigkeit kommen, dann meistens nur in Teilzeitarbeit und damit erwirbt man nur die Hälfte der Rentenpunkte.
Welche rentenrechtlichen Maßnahmen könnten die Versorgungsrisiken abfedern, die durch die Mutterschaft entstehen? Wir können durch das Rentensystem und die Kindererziehungszeiten lediglich Unterschiede ausgleichen, die früh passiert sind und die man am Ende des Erwerbslebens nicht mehr zurückdrehen kann. Wichtig ist es daher, auch in anderen Bereichen anzusetzen, insbesondere im Steuerrecht oder auch bei der Familienpolitik, um dafür zu sorgen, dass auch die Erwerbstätigkeit von Müttern gefördert werden kann.
Wie könnte das aussehen? Ganz wichtig ist, dass die Kinderbetreuung weiter ausgebaut wird, sowohl in Quantität, aber auch in Qualität. Ein anderer Bereich ist das Steuersystem. Durch das Ehegattensplitting haben Frauen, die Zweitverdienerin sind, immer noch geringe Anreize, in Vollzeitbeschäftigung zu gehen. Hier bräuchten wir eine Reform des Ehegattensplittings, sodass die Arbeitsanreize insbesondere für Mütter steigen.
Wie wird sich der Motherhood Pension Gap in Zukunft entwickeln? Wir haben vor allem bei Müttern auch heute nach wie vor sehr hohe Teilzeitquoten. Das heißt, dieser Gap wird auch weiter bestehen bleiben. Interessant ist, dass sich das Bild in Ostdeutschland umdrehen wird und an Westdeutschland angleicht. Heute ist es in Ostdeutschland noch so, dass kinderlose Rentnerinnen geringere Rentenansprüche haben als Frauen, die Kinder hatten, aber für zukünftige Generationen wird das anders sein. Ein Grund ist, dass die Kinderlosigkeit jetzt auch in Ostdeutschland ein größeres Phänomen geworden ist, sodass sich die Situation an den Westen angeglichen hat.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.
JEL-Classification: J38
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2025-12-2