Medien und Politik beeinflussen sich beim Thema Wohnungsmarkt kaum gegenseitig: Interview

DIW Wochenbericht 18 / 2025, S. 261

Caroline Stiel, Erich Wittenberg

get_appDownload (PDF  102 KB)

get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF  2.3 MB - barrierefrei / universal access)

Frau Stiel, der Wohnungsmarkt ist nicht nur aktuell ein Thema, er war es auch schon in den zurückliegenden Jahrzehnten. Sie haben bis 1950 zurückgeschaut und die Entwicklung sowohl der politischen als auch der medialen Auseinandersetzung mit dem Thema untersucht. Was genau wollten Sie herausfinden? Zunächst haben wir untersucht, welche Bedeutung dem Wohnungsmarkt in der politischen Debatte zukommt. Darüber hinaus hat uns interessiert, inwiefern der Bundestag die ökonomischen Entwicklungen am Wohnungsmarkt, zum Beispiel die Mietpreisentwicklung, aufgreift und wie sich die Debatte inhaltlich über die Jahre verändert hat. Zusätzlich hat uns interessiert, inwiefern sich die politische und die mediale Debatte gegenseitig beeinflussen. Dazu haben wir alle Plenarprotokolle des Bundestags und alle Bundestagsdrucksachen zwischen 1950 und 2024 sowie Zeitungsartikel verschiedener Leitmedien aus diesem Zeitraum mithilfe einer computergestützten Textanalyse untersucht.

Hat die Politik das Thema Wohnungsmarkt aufgegriffen, weil sich die Medien dafür interessierten oder war es umgekehrt? Das kann man so pauschal nicht sagen. Zum Beispiel wurde die Mietpreisbremse das erste Mal im Februar 2013 im Bundestag erwähnt und dann auch relativ schnell in den Medien aufgegriffen. Bis zum Jahr 2024 wurde die Mietpreisbremse immer wieder in der Politik und auch in den Medien diskutiert. Wir haben herausgefunden, dass sich die beiden Debatten kurzfristig innerhalb von einer Woche gegenseitig beeinflussen, aber keinen langfristigen Effekt über mehrere Monate festgestellt. Das Ausmaß der gegenseitigen Beeinflussung ist jedoch gering: Nur etwa zwei Prozent der wöchentlichen Schwankungen in den Redebeiträgen im Bundestag lassen sich durch ein erhöhtes Artikelaufkommen in den Medien erklären. Bei der Zahl der Medienbeiträge sind knapp sechs Prozent der Schwankungen durch einen Anstieg der Redebeiträge im Bundestag zu erklären. Das bedeutet: Ja, die Debatten beeinflussen sich gegenseitig, aber es ist nicht so, dass die eine Seite die andere vor sich her treibt.

Was unterscheidet die Debatte zum Wohnungsmarkt in den 1950er Jahren von der heutigen Debatte? In den 1950er Jahren war die Priorität, schnell viel Wohnraum zu schaffen, denn ein Fünftel der Wohngebäude wurden im Krieg zerstört und es gab einen starken Zuzug aus den ehemaligen deutschen Gebieten. Parallel dazu fand eine Diskussion über die Verteilung der Kompetenzen in der noch jungen Bundesrepublik statt. Man wollte klären, wie die Kompetenzen in der Wohnungspolitik zwischen Bund, Ländern und Kommunen verteilt werden sollten, um die Wohnungsnot zu bekämpfen. Heutzutage hat sich die Debatte etwas verschoben, denn wir haben mit einer sinkenden Leerstandsquote in den Großstädten und einer entspannteren Lage im ländlichen Raum starke regionale Disparitäten. Trotzdem schließt sich hier der Kreis, weil auch jetzt wieder eine Debatte anfängt, ob die Kommunen eventuell mehr Kompetenzen erhalten sollten, um die Probleme auf regionaler Ebene zu lösen.

Kann man anhand des Textes im aktuellen Koalitionsvertrag erahnen, welche Rolle das Thema Wohnungsmarkt in den nächsten Jahren haben wird? Wenn man sich den Anteil anschaut, den der Wohnungsmarkt im aktuellen Koalitionsvertrag im Vergleich zu anderen Themen hat, dann sieht man eine gewisse Kontinuität, denn dieser Anteil liegt, genauso wie im letzten Koalitionsvertrag, bei etwa drei Prozent. Inhaltlich kann man an dieser Stelle noch keine Aussage treffen, es kommt sehr stark darauf an, was die Parteien am Ende wirklich aufgreifen und umsetzen.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton von Caroline Stiel
Medien und Politik beeinflussen sich beim Thema Wohnungsmarkt kaum gegenseitig - Interview von Caroline Stiel

Caroline Stiel

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt

keyboard_arrow_up