DIW Wochenbericht 19 / 2025, S. 278
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Etwa zehn Stunden war in Spanien und in Teilen von Portugal und Südfrankreich vergangene Woche der Strom weg – unvermittelt und großflächig. Die genaue Ursache muss noch herausgefunden werden, Fakt ist aber: Ein derart immenser Stromausfall ist extrem ungewöhnlich und eigentlich auch unwahrscheinlich. Wie konnte es dennoch zu diesem Blackout kommen?
Ein Hackerangriff wurde vom spanischen Netzbetreiber bereits ausgeschlossen. Das Stromnetz ist ein hochkomplexes System, es braucht ein Gleichgewicht zwischen der Zufuhr und der Entnahme von Strom. In Spanien ist der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromproduktion hoch, um die Mittagszeit wird üblicherweise viel Solarenergie ins Netz eingespeist. In eben dieser Mittagszeit sind kurz vor dem Blackout innerhalb von fünf Sekunden abrupt 15 Gigawatt (GW) Leistung weggefallen, was etwa 60 Prozent des nationalen Bedarfs entspricht. Ein solches Ereignis ist gelinde gesagt ungewöhnlich. Da Spanien in unzureichendem Maße an das europäische Netz angebunden ist, konnten Stromlieferungen aus dem Ausland den Leistungswegfall nicht kompensieren. Zudem gab es offenbar zu wenig Absicherungen durch andere Kapazitäten oder Speicheroptionen. Ob die Anlagen abgeschaltet wurden, weil sie – wie derzeit spekuliert wird – durch die Programmierung der Wechselrichter bei einer Frequenz über 50 Hertz dazu gezwungen werden, muss herausgefunden werden. In Deutschland wurde diese Art der Programmierung offenbar schon früher geändert, sodass nicht gleichzeitig tausende Photovoltaik- und Windkraftanlagen abgeschaltet werden. Es ist scheinbar extrem viel schiefgelaufen, was nicht hätte passieren dürfen.
Die volkswirtschaftlichen Folgen eines derartigen Stromausfalls sind groß, wie erste Schätzungen zeigen. Da quasi alles, was mit unserem Alltag und auch dem von Unternehmen zu tun hat, am Stromvernetz hängt, summieren sich die Schäden schnell auf mehrere Milliarden Euro. Ganz zu schweigen davon, dass das Sicherheitsgefühl sinkt und Anlass zu Spekulationen und Dramatisierungen jeglicher Art gegeben wird. Schnell wird von Verschwörungstheoretikern die Energiewende als Ursache und Sündenbock genannt, ganz nach gewohnten Mustern.
In Deutschland ist ein derart großflächiger, langanhaltender Blackout extrem unwahrscheinlich. Das deutsche Stromnetz ist redundant ausgelegt – wenn eine Leitung ausfällt, springt eine andere Leitung ein. Deutschland hat eines der sichersten Netze Europas. Steigende Anteile erneuerbarer Energien führen zwar zu mehr Schwankungen im Netz, aber nicht automatisch zu Blackouts. Wichtig ist aber, dass das System auf Flexibilität ausgerichtet wird und ausreichende Kapazitäten samt Speicher zur Verfügung stehen. Deutschland hat im Gegensatz zu Spanien den Vorteil, dass es sich im europäischen Verbund befindet und die Übertragungsnetze bis zum Ende des Jahres bis zu 70 Prozent ihrer grenzüberschreitenden Interkonnektoren-Kapazität für den Stromhandel zur Verfügung stellen werden, also insgesamt bis zu 30 GW. Somit könnte in einem ähnlichen Fall wie in Spanien das hiesige Stromnetz stabilisiert werden. Das europäische Netz ist insgesamt sehr robust und sehr stabil.
Die größte Gefahr besteht ohnehin nicht durch die Schwankungen erneuerbarer Energien, sondern durch Cyberangriffe oder Sabotage. Schon mehrfach haben Behörden davor gewarnt, dass Anlagen und Infrastruktur angegriffen und lahmgelegt werden könnten. Windenergieanlagen wurden in Deutschland schon einmal durch Hackerangriffe ausgeschaltet, auch die Software der Anlagensteuerungen von Solar-, Speicher- und Netzinfrastrukturen sind angreifbar. Vorbereitungen auf Sabotage und Cyberattacken und eine entsprechende Gefahrenabwehr sind unerlässlich. Auch Unternehmen sollten sich gut vorbereiten und beispielsweise Notstromaggregate vorhalten. Hilfreich ist auch, wenn eine eigene Energieversorgung vor Ort samt Speicher für gewisse Stunden zur Überbrückung bereitsteht. Aus der Erfahrung sollten die entsprechenden Lehren gezogen werden, wenn auch mit Ruhe und Bedacht. Erneuerbare Energien sind kein Sicherheitsrisiko für die Stromversorgung, wohl aber geopolitische Interessen und Einflüsse von außen.
Themen: Energiewirtschaft