In einer Energiekrise können Appelle kurzfristig zu großen Einsparungen führen: Interview

DIW Wochenbericht 20 / 2025, S. 288

Till Köveker, Erich Wittenberg

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Herr Köveker, der russische Überfall auf die Ukraine im Jahr 2022 sorgte in Deutschland für eine Energiekrise. Wie stark sind die Verbraucherpreise für Heizenergie in der Folge angestiegen und wieviel Energie haben die Verbraucher*innen daraufhin insgesamt eingespart? Die von uns beobachteten Haushalte waren Preisanstiegen von durchschnittlich mehr als 40 Prozent ausgesetzt. Eingespart haben sie im Schnitt rund 16 Prozent. Das entspricht ungefähr dem bundesdeutschen Durchschnitt. Von diesen 16 Prozent ist allerdings nur ein relativ kleiner Teil auf die Preisanstiege zurückzuführen.

Wie kann man feststellen, aus welchem Grund jemand Energie einspart? Um festzustellen, welcher Teil der Einsparungen auf die Preiserhöhungen zurückzuführen ist, haben wir die beobachteten Haushalte in zwei Gruppen unterteilt: eine Gruppe, die in der Energiekrise 2022 tatsächlich Preiserhöhungen ausgesetzt war, und eine Kontrollgruppe, die in diesem Jahr keinen Preiserhöhungen ausgesetzt war. Dann haben wir für beide Gruppen berechnet, wie viel Heizenergie sie in diesem Jahr eingespart haben und die Ergebnisse verglichen. Der Unterschied in den Einsparungen zwischen den beiden Gruppen ist dann auf die Preiserhöhungen zurückzuführen. Dabei hat sich gezeigt, dass nur rund zwei Prozentpunkte der Gesamteinsparungen von 16 Prozent auf die Preiserhöhungen zurückzuführen waren.

Wie ist es zu erklären, dass die preisbedingten Einsparungen nur einen kleinen Teil der gesamten Einsparungen ausgemacht haben? In dieser allgemeinen Krisensituation hat die Bundesregierung Spartipps verbreitet und an alle Haushalte in Deutschland appelliert, Energie einzusparen, um eine potenzielle Gasmangellage zu vermeiden. Aus diesen nichtmonetären Gründen haben zahlreiche Haushalte schon recht viel eingespart. Dadurch hatten sie ihre Einsparpotenziale wahrscheinlich schon weitestgehend ausgeschöpft, sodass kaum noch zusätzlicher Spielraum blieb, um auf die höheren Preise zu reagieren. Ein weiterer Grund kann auch sein, dass die Preise im deutschen Heizenergiemarkt nicht besonders transparent sind. Um einen Brief zu verstehen, der über höhere Preise informiert, muss man erst einmal Begriffe wie Grundpreis, Arbeitspreis und Kilowattstunde verstehen. Noch dazu sind die Preiserhöhungen stark verzögert und nur einmal im Jahr mit der Jahresendabrechnung spürbar.

Wie hoch liegt die „Schmerzgrenze“, die überschritten werden muss, bevor Verbraucher*innen mit Einsparungen reagieren? Wir haben statistisch signifikante Einsparungen erst ab Preiserhöhungen von 25 Prozent beobachten können. Das bedeutet allerdings nicht unbedingt, dass die Haushalte bei geringeren Preiserhöhungen, gar nicht gespart haben. Vielleicht waren diese Einsparungen nur zu klein, um sie statistisch signifikant nachweisen zu können.

Was lässt sich aus Ihren Ergebnissen für künftige Energiekrisen lernen? Unsere Ergebnisse haben gezeigt, dass in einer Energiekrise nichtmonetäre Faktoren kurzfristig zu großen Einsparungen führen können. Das heißt, in einer Krisensituation, in der die Regierung den Energieverbrauch kurzfristig stark reduzieren muss, können Appelle zum Einsparen oder Spartipps sehr wirkungsvolle Instrumente sein. Wie wir in der Energiekrise gesehen haben, haben sie zumindest in der kurzen Frist von einem Jahr eine deutlich größere Rolle gespielt als die hohen Preisanstiege. Deshalb sollte man in zukünftigen Energiekrisen wieder diese nichtmonetären Instrumente nutzen und nicht ausschließlich darauf hoffen, dass Haushalte nur wegen der hohen Preisen ausreichend einsparen, um Energieknappheit zu vermeiden.

Das Gespräch führte Erich Wittenberg.

O-Ton von Till Köveker
In einer Energiekrise können Appelle kurzfristig zu großen Einsparungen führen - Interview mit Till Köveker

Till Köveker

Doktorand in der Abteilung Klimapolitik

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