DIW Wochenbericht 20 / 2025, S. 298
get_appDownload (PDF 118 KB)
get_appGesamtausgabe/ Whole Issue (PDF 2.59 MB - barrierefrei / universal access)
Die neue Bundesregierung muss dringend eine gemeinsame europäische Antwort auf Trumps Handelskonflikt auf den Weg bringen. Das Verhalten der EU wird mitentscheiden, ob sich Chinas Streben nach einem multilateralen Handelssystem oder Trumps USA mit der Zerstörung dieses Systems durchsetzen werden. Ein Kardinalfehler der alten Bundesregierung und der Europäischen Kommission war es, Donald Trump nachzugeben, indem sie anders als China nicht strikt mit Gegenzöllen dagegengehalten haben, sondern auf Verhandlungen setzen. Der wirtschaftliche Schaden durch die direkten Auswirkungen der Zölle ist dabei das geringere Problem. Der wirkliche Schaden besteht darin, dass Trumps Zollpolitik das Ende der multilateralen Weltordnung im Bereich Wirtschaft und Handel markiert.
Es könnte aber auch anders kommen: Die von Trump angekündigte 90-tägige Pause wurde ihm durch die Kapitalmärkte aufgezwungen. Durch den Handelskonflikt sind die Börsen eingebrochen und haben Milliardenwerte zerstört, insbesondere bei den US-Oligarchen, die das Rückgrat von Trumps MAGA-Bewegung bilden. US-Staatsanleihen haben als Resultat ein Stück weit ihren Status als der global sicherste Vermögenswert verloren. Dies wird höhere Zinsen zur Folge haben, daraus werden unweigerlich eine hohe Inflation, der Verlust von Kaufkraft und Wohlstand, Rezession, Arbeitslosigkeit und die Vernichtung privater Vermögen resultieren. Die größten Verlierer dieser Politik sind US-Bürger*innen in strukturschwachen Regionen, die weniger Qualifikation, Einkommen und Mobilität haben – also allen voran Trumps Wähler*innen. Ein solches Szenario könnte den Verlust beider Kammern des US-Kongresses bei den Midterms im nächsten Jahr bedeuten – und damit das politische Ende Donald Trumps
Dieses Szenario wird jedoch unwahrscheinlich, wenn Donald Trump seinen wirtschaftlichen Irrsinn durch bilaterale Abkommen in einen politischen Sieg umwandeln kann. Der entscheidende Player ist nun die EU: Wenn sie anders als China Trumps Forderung nachgibt und mit ihm ein bilaterales Abkommen aushandelt, dann unterstützt sie explizit das Ende des Multilateralismus. Deutschland sollte sich als Teil der EU daher umgehend auf die Seite des Multilateralismus und damit auf die Seite Chinas stellen, mit Gegenzöllen reagieren und zwei zentrale Bedingungen in die Verhandlungen mit den USA einbringen.
Erstens eine unverzügliche Rückkehr zum Multilateralismus als Grundlage des globalen Handels- und Wirtschaftssystems. Dies beinhaltet nicht nur, Zölle und andere Handelsbarrieren mindestens auf das Vorkrisenniveau abzusenken, sondern auch die multilateralen Institutionen wie die Welthandelsorganisation (WTO) zu stärken. Zweitens die Stärkung eines fairen Wettbewerbs und gemeinsamer Regeln, insbesondere auch für Digitalkonzerne. Dies könnte die letzte Chance für die EU sein, die schädliche Abhängigkeit von US-Digitalkonzernen zu reduzieren.
Die Stärkung des Multilateralismus erfordert insbesondere von China und der EU wichtige Reformen. Durch gigantische Förderung der eigenen Unternehmen verschafft China sich unfaire Vorteile bei den Exporten. Ähnliches gilt für die EU beziehungsweise Deutschland: Unsere Leistungsbilanzüberschüsse sind primär das Resultat einer überbordenden Regulierung, die zulasten ausländischer Unternehmen und ihrer Exporte nach Deutschland geht. Korrekturen durch China und die EU würden auch erhebliche Vorteile für US-Unternehmen schaffen. Daher gibt es berechtigte Hoffnung, dass ein derartiges Abkommen Donald Trump zum Einlenken bewegt.
Diese Krise ist eine Chance für Europa, seine Rolle als Vermittler und Garant des Multilateralismus in einer neuen, multipolaren Welt zu finden. Trump hat möglicherweise einen fatalen Fehler begangen, indem er mit allen Volkswirtschaften weltweit gleichzeitig einen Konflikt angezettelt hat. Dies ist auch für Deutschland und Europa kurzfristig schädlich – unvergleichlich schädlicher für Wirtschaft und Demokratie wäre es jedoch, Donald Trump gewähren und die multilaterale Weltordnung zerstören zu lassen.
Dieser Beitrag ist in einer längeren Fassung am 9. Mai 2025 bei Zeit Online erschienen.
Themen: Europa