DIW Wochenbericht 23 / 2025, S. 342
Hermann Buslei, Peter Haan, Johannes Geyer
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Die neue Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) hat kürzlich dafür plädiert, auch Beamt*innen, Abgeordnete und Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen. Die Debatte um diese Reform ist wichtig und sollte besser früh als spät geführt werden. Denn die Rentenkasse gerät absehbar unter Druck, wenn jetzt die großen Babyboomer-Jahrgänge in Rente gehen. Schon jetzt zeichnen sich kontroverse Positionen ab – von der Einschätzung, dies sei ein notwendiger Schritt zur Stabilisierung des Rentensystems, bis hin zur Kritik, es handle sich um ein Nullsummenspiel.
Eine Einbeziehung neuer Gruppen in die gesetzliche Rente führt zunächst zu zusätzlichen Einnahmen, da aus diesen Gruppen selbst noch niemand eine Rente bezieht. Dieser sogenannte „Einführungsgewinn“ könnte die Rentenkassen über Jahrzehnte entlasten. Zwar werden langfristig auch die Ausgaben steigen – doch in welchem Umfang, lässt sich heute nur schwer abschätzen. Jede Gruppe, die einbezogen werden soll, bringt eigene Besonderheiten und Herausforderungen mit. Bei Selbstständigen ohne obligatorische Alterssicherung besteht derzeit eine Versicherungslücke. Ohne Pflichtversicherung sparen viele zu wenig für das Alter und könnten später auf Grundsicherungsleistungen angewiesen sein – ein Risiko, das derzeit die Solidargemeinschaft trägt. Eine Pflichtversicherung könnte nicht nur die Rentenkasse stabilisieren, sondern auch das soziale Sicherungssystem entlasten. Schätzungen zufolge könnte dies die Rentenbeiträge langfristig um bis zu einen Beitragspunkt senken.
Bei Beamt*innen ist die Lage komplexer. Sie stehen in einem besonderen Dienstverhältnis, das ihnen ein finanziell abgesichertes Berufsleben garantiert. Eine Einbeziehung in die gesetzliche Rentenversicherung würde steuerfinanzierte Beiträge zur Rentenkasse bedeuten und damit eine Verbesserung für die Rentenversicherung – eine Umlagerung der Kosten, die insgesamt aber wenig am staatlichen Finanzierungsbedarf ändern würde. Zudem wäre eine Reduktion der Pensionsansprüche politisch und rechtlich schwierig umzusetzen. Der Staat kann bei den Beamt*innen aber nur wirklich sparen, wenn er auch die Absicherung reduzieren würde. Ein pragmatischer Ansatz wäre, künftig weniger Berufsgruppen zu verbeamten. Stattdessen könnten mehr Beschäftigte als Angestellte arbeiten, ähnlich wie es Österreich bereits umgesetzt hat. Dort wurde das Beamtenrecht reformiert, die Zahl der hoheitlichen Tätigkeiten reduziert und die Pensionsregelungen an das allgemeine Rentensystem angeglichen.
Auch in Deutschland könnte eine solche Reform die Rentenversicherung stärken. Dabei müsste der Übergang schrittweise erfolgen, etwa indem nur neu eingestellte Staatsbedienstete weniger häufig verbeamtet werden. Langfristig würden dann Beamt*innen und Angestellte ähnliche Versorgungsansprüche haben, was dann aber eine Verschlechterung für viele Beamt*innen bedeuten würde. Der Effekt wäre zwar geringer als bei einer vollständigen Abschaffung des Beamtenstatus, aber immer noch spürbar. Auch Abgeordnete weisen Besonderheiten auf, etwa die befristete Dauer ihrer Amtszeit. Eine Integration in die gesetzliche Rentenversicherung müsste diese Besonderheiten berücksichtigen, um für diese Gruppe eine faire Lösung zu finden. Der Vorwurf, dass die Integration von Beamt*innen, Abgeordneten und Selbstständigen in die Rentenversicherung ein Nullsummenspiel sei, greift also zu kurz. Ebenso wie der Vorwurf, dass es im schlimmsten Fall aufgrund der im Durchschnitt hohen Lebenserwartung von Beamt*innen sogar eine negative Rechnung für die Rentenversicherung sei.
Reformen, die neue Beitragszahlende in die Rente holen, können die Rentenversicherung über Jahre entlasten, auch wenn das Entlastungsvolumen je nach Ausgestaltung begrenzt wäre. Die Einbeziehung neuer Gruppen ist kein Allheilmittel, sondern nur ein Teil einer umfassenderen Rentenreform. Unter anderem sollte auch die private Altersvorsorge gestärkt werden, etwa durch Regulierung privater Anbieter oder staatliche Vorsorgeangebote, die verlässliche Renditen oberhalb der Lohnwachstumsrate ermöglichen. Das wäre ein weiterer Schritt, das Rentensystem langfristig zu stabilisieren.
Dieser Kommentar ist in einer längeren Version am 18. Mai 2025 bei t-online.de erschienen.
Themen: Rente und Vorsorge