DIW Wochenbericht 25 / 2025, S. 403
Stefan Bach, Erich Wittenberg
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Herr Bach, was soll mit der von der neuen Regierungskoalition geplanten Aktivrente erreicht werden und wie funktioniert sie? Die Grundidee ist, dass man fitte Rentner*innen im Arbeitsmarkt halten will, denn der demografische Wandel setzt jetzt voll ein. Wir verlieren jährlich Hunderttausende, die nicht durch Migration ersetzt werden können. Vor diesem Hintergrund will man ältere Menschen zu mehr Arbeit motivieren.
Wie viele Rentner*innen wären von einer solchen Aktivrente betroffen und welche Gruppe von Rentner*innen würde davon profitieren? Die Aktivrente soll Rentner*innen, die jenseits der Regelaltersgrenze weiterarbeiten, steuerlich entlasten. Derzeit sind das etwa eine Million. Davon aber haben nur etwa 300000 sogenannte sozialversicherungspflichtige Beschäftigungen jenseits des Minijobs und zahlen dann auch Lohnsteuer. Nur diese Personen würden von der Aktivrente profitieren, die Minijobber*innen profitieren jetzt bereits.
Was würde die Aktivrente den Staat kosten? Zunächst einmal würden die lohnsteuerpflichtig arbeitenden Rentner*innen entlastet. Das würde nach unseren Simulationen etwa 800 Millionen Euro im Jahr bedeuten. Angenommen, die Zahl der Beschäftigten, die im Durchschnitt 20 Stunden pro Woche arbeiten, steigt um 75000, würde das die Mindereinnahmen bei der Einkommensteuer deutlich senken, zusätzliche Sozialbeiträge generieren, indirekte Steuern erhöhen und ein bisschen das Wachstum stärken. Dann würde für den Staat sogar ein kleiner Überschuss herauskommen.
Wie gerecht ist die Regelung gegenüber Selbstständigen, die teilweise gezwungen sind, auch im Alter weiterzuarbeiten? Den Selbstständigen wird man diese Aktivrente wahrscheinlich nicht vorenthalten können. Das Problem dabei ist, dass man hier deutlich höhere Mitnahmeeffekte hat. Selbstständige arbeiten ja häufig im Alter weiter, aber es lässt sich schwer unterscheiden, ob das aktive Einkünfte von Leuten sind, die noch im Betrieb arbeiten oder nur passive Gewinnentnahmen, beziehungsweise Kapitaleinkünfte. Das ist bürokratisch relativ kompliziert auseinanderzuhalten.
Das heißt, theoretisch würden sich die staatlichen Mindereinnahmen erhöhen, wenn man die Selbstständigen mit in die Aktivrente einbezieht. Ja, das ist richtig. Die staatlichen Mindereinnahmen würden durch Mitnahmeeffekte bei den bereits aktiven Selbstständigen und auch bei den Kapitalanleger*innen steigen. Gegebenenfalls würden sogar Anreize geschaffen, von anderen Investments in gewerbliche Beteiligungen zu investieren, um von der Aktivrente zu profitieren, obwohl dabei keine zusätzliche Beschäftigung entsteht.
Ist es nicht ein Widerspruch, dass einerseits der vorzeitige Erwerbsaustritt und die Altersteilzeit gefördert werden und andererseits jetzt die sogenannte Aktivrente eingeführt werden soll? Ja, das ist ein Widerspruch. Vor allem würden bisher die Besserverdienenden davon profitieren und das gilt tendenziell auch für die zusätzlichen Beschäftigten, denn die haben ja häufig Jobs, die man noch bis ins hohe Alter ausüben kann. Zudem sind sie auch häufig gesünder. Von der sozialen Dimension her ist die Aktivrente also nicht optimal.
Wo sehen Sie insgesamt die Vorteile und wo die Nachteile der geplanten Aktivrente? Vorteile sind, dass man Anreize für ältere Beschäftigte setzt und die sehr hohen Grenzbelastungen abbaut. Nachteil ist, dass die Aktivrente keine riesigen Beschäftigungseffekte auslöst, auch eher Besserverdienende fördert und dass man sie eigentlich den Selbstständigen schwer vorenthalten kann. Und wenn man sie denen auch gewährt, sind höhere Mitnahmeeffekte und teilweise bürokratische Probleme zu erwarten.
Das Gespräch führte Erich Wittenberg.