Deutsche Konjunktur dank Finanzpaket vor Aufschwung – Unsicherheiten in der Weltwirtschaft

  • Deutsche Wirtschaft schleppt sich aus dem Konjunkturtief, nach holprigem Jahresstart geht es fortan langsam aufwärts – Mini-Wachstum von voraussichtlich 0,2 Prozent in diesem Jahr
  • Aufschwung steht dank Finanzpaket für Infrastruktur und Klimaschutz, höheren Ver-teidigungsausgaben und steuerlichen Investitionsanreizen unmittelbar bevor
  • Wirtschaftsleistung dürfte 2026 um 1,7 Prozent und 2027 um 1,8 Prozent steigen
  • Konjunktur wird vor allem von Binnenwirtschaft gestützt, Außenhandel verliert an Bedeutung – Strukturelle Probleme der deutschen Wirtschaft bleiben bestehen
  • Internationales Umfeld von Unsicherheit geprägt, Zollkurs der USA belastet vielerorts – Weltwirtschaft wird 2025 wohl um 3,7 Prozent, 2026 um 3,3 Prozent und 2027 um 3,5 Prozent wachsen

„Die deutsche Wirtschaft erholt sich untypischerweise nicht durch einen starken Außenhandel, sondern durch binnenwirtschaftliche Kräfte und hier vor allem durch die Ausweitung des öffentlichen Sektors. Der positive Effekt der enormen öffentlichen Gelder verschleiert in den kommenden Jahren die strukturellen Wachstumsprobleme, die wir in Deutschland haben.“ Geraldine Dany-Knedlik

Die deutsche Wirtschaft schleppt sich derzeit langsam aus dem Konjunkturtief. Nach einem holprigen Jahresstart, der von zollbedingten Sondereffekten geprägt war, bleibt das Wachstum in diesem Jahr mit 0,2 Prozent unter dem Strich verhalten. Die Konjunktur nimmt aber bereits ab dem laufenden dritten Quartal nach und nach Fahrt auf. In den kommenden beiden Jahren wird sich dies in einem spürbaren Wirtschaftswachstum von 1,7 beziehungsweise 1,8 Prozent niederschlagen.

Haupttreiber sind das umfangreiche Finanzpaket für Infrastruktur und Klimaschutz, höhere Verteidigungsausgaben sowie steuerliche Anreize für Unternehmensinvestitionen. Sie kurbeln vor allem den Staatskonsum und öffentliche Investitionen an, selbst wenn – wie in dieser Prognose unterstellt – die Mittel deutlich langsamer abfließen als im aktuellen Haushaltsentwurf veranschlagt. Da die Produktionskapazitäten derzeit unterausgelastet sind, besteht aber zumindest in der Hinsicht die Chance, dass geplante Projekte schnell umgesetzt werden. Gleichwohl kaschiert die expansive Finanzpolitik die strukturellen Schwächen der deutschen Wirtschaft nur. Die Industrie steckt in der Krise: Hohe Produktionskosten, schwindende Wettbewerbsfähigkeit und die demografische Entwicklung bremsen die Dynamik. Der traditionell starke Außenhandel verliert weiter an Gewicht. Gestützt wird die Konjunktur vor allem von der Binnenwirtschaft. Der private Konsum wächst weiter, wenn auch gedämpft. Während die derzeit hohe Arbeitslosigkeit und damit einhergende Arbeitsplatzsorgen noch bremsen, dürfte eine günstigere Lage auf dem Arbeitsmarkt ab dem Jahr 2026 wieder für mehr Sicherheit sorgen. Stützend wirken zudem wachsende Reallöhne und eine gesunkene Inflation. Die Verbraucherpreisinflation beträgt in diesem Jahr voraussichtlich 2,1 Prozent. 2026 dürfte sie mit 2,0 Prozent genau der Zielmarke der Europäischen Zentralbank entsprechen und 2027 im Zuge der expansiven Finanzpolitik wieder leicht auf 2,2 Prozent anziehen.

Nachdem zu Jahresbeginn aus Furcht vor den von US-Präsident Trump angedrohten Zöllen Ausfuhren in die USA vorgezogen wurden, folgte mit Inkrafttreten der neuen Handelsschranken ein Einbruch. Zwar stabilisiert die vorläufige Einigung zwischen der EU und den USA die Lage etwas und reduziert die Unsicherheit, dennoch werden die Handelsbarrieren und der vergleichsweise starke Euro die deutschen Exporte weiter belasten. Die robuste Nachfrage aus europäischen Partnerländern sorgt für eine gewisse Entlastung.

Das internationale Umfeld bleibt von erheblichen Unsicherheiten geprägt. Der Zollkurs der US-Regierung schwächt den Welthandel und trifft zunehmend auch die Vereinigten Staaten selbst. In China lasten die Immobilienkrise und strukturelle Probleme auf dem Wachstum. Schwellenländer bleiben der Motor der Weltwirtschaft, während die fortgeschrittenen Volkswirtschaften schwächeln. Insgesamt dürfte die Weltwirtschaft in diesem Jahr um 3,7 Prozent zulegen, 2026 um 3,3 Prozent und 2027 um 3,5 Prozent.

Öffentliche Ausgaben kaschieren strukturelle Probleme der deutschen Wirtschaft

Die deutsche Wirtschaft schleppt sich allmählich aus dem Konjunkturtief. Zwar war die Rezession seit dem Ausbruch der Energiekrise deutlicher als es zunächst aussah.infoLaut neuestem Datenstand des Statistischen Bundesamts ist das Bruttoinlandsprodukt in den vergangenen beiden Jahren nicht wie zuvor errechnet nur leicht (um 0,3 beziehungsweise 0,2 Prozent) zurückgegangen, sondern deutlich (um 0,9 beziehungsweise 0,5 Prozent). Wesentliche Gründe für die deutlichen Revisionen waren zum einen die Einarbeitung neuer Informationen aus den Strukturstatistiken, die detaillierte Angaben der Unternehmen zu Umsätzen, Investitionen und Kostenstrukturen enthalten, aber erst 18 Monate nach Ende eines Berichtsjahres zur Verfügung stehen. Zum anderen wurde mit neu vorliegenden Daten aus der Input-Output-Rechnung die Preisbereinigung überarbeitet, wodurch vor allem die Produktionswerte und Vorleistungen der Unternehmen neu bewertet wurden. Vgl. Statistisches Bundesamt (2025): Sommerüberarbeitung 2025 der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen – Revisionen und Hintergründe (online verfügbar; abgerufen am 29. August 2025. Dies gilt auch für alle anderen Onlinequellen dieses Berichts, sofern nicht anders vermerkt). Den Aufschwung muss sich die deutsche Wirtschaft deshalb aber keineswegs abschminken. Überlagert von einem durch die Zollunsicherheit volatilen Außenhandel zeichnet sich für das laufende Jahr eine leichte Erholung der Binnenwirtschaft ab, die in den kommenden Jahren wohl merklich an Fahrt gewinnen wird. Angeschoben wird der Aufschwung von den enormen Finanzpaketen für Infrastruktur und Klimaschutz, den Verteidigungsausgaben und Anreizen für private Investitionstätigkeit. Zur dringlich benötigten Typveränderung verhelfen sie der deutschen Wirtschaft allerdings nicht, denn die schwindende Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie dürfte anhalten und der Außenhandel entsprechend weiter schwächeln.

Zollchaos überzeichnet Dynamik im ersten Halbjahr

Nach einem merklichen Zuwachs zum Jahresauftakt ist das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal um 0,3 Prozent zurückgegangen (Abbildung 1).infoAusführliches Zahlenmaterial zur Prognose der deutschen Wirtschaft ist im Online-Anhang unter www.diw.de/konjunkturzahlen zu finden Diese Entwicklung dürfte aber zumindest teilweise durch die Folgen der Zollpolitik der US-Regierung überzeichnet sein. So war das erste Quartal davon bestimmt, dass US-Präsident Trump massive Einfuhrzölle im weltweiten Handel mit den USA androhte, weshalb dort Importe in großem Maße vorgezogen wurden. Dementsprechend stark wuchsen die deutschen Ausfuhren, wobei in die USA insbesondere Kraftwagen und Pharmazeutika exportiert wurden. Im zweiten Vierteljahr und mit der Einführung massiver Zollraten folgte eine Gegenbewegung: Beherrscht von einem Einbruch der Ausfuhren in die USA sanken die Warenexporte „Made in Germany“ zwischen April und Juni im Vergleich zum Vorquartal merklich um 0,6 Prozent. Vor allem die Exporte chemischer Erzeugnisse und von Maschinen wurden zurückgefahren. Eine robuste Ausweitung der Güterausfuhren in das europäische Ausland, die zwei Drittel der deutschen Exporte insgesamt ausmachen, federte den Rückgang ab. Dazu kam ein kräftiger Zuwachs der Dienstleistungsausfuhren, sodass im zweiten Vierteljahr unter dem Strich nur ein leichtes Minus für die deutschen Exporte zu Buche stand (Tabelle 1). Die Importe – insbesondere von Gütern – wurden derweil merklich ausgeweitet; sowohl Investitions- als auch Konsumgüter trugen zur kräftigen Dynamik bei. In der Gesamtbetrachtung ergibt sich somit für das zweite Quartal ein negativer Außenbeitrag (Tabelle 2).

Tabelle 1: Quartalsdaten zur Entwicklung der Verwendungs- und Entstehungskomponenten des realen Bruttoinlandsprodukts in Deutschland

In Prozent (jeweils gegenüber dem Vorquartal, saison- und kalenderbereinigt)

2024 2025 2026 2027
I II III IV I II III IV I II III IV I II III IV
Privater Verbrauch 0,4 0,1 0,2 0,4 0,6 0,1 0,1 0,2 0,3 0,3 0,3 0,3 0,3 0,2 0,2 0,2
Öffentliche Konsumausgaben 0,0 1,8 1,0 0,5 −0,3 0,8 0,7 0,7 0,7 0,7 0,8 0,7 0,6 0,5 0,5 0,5
Bruttoanlageinvestitionen −0,6 −1,6 −0,5 0,6 0,3 −1,4 0,9 1,0 1,2 1,4 1,5 1,3 1,0 0,8 0,7 0,7
Bauten 0,5 −1,7 −0,7 0,7 0,2 −2,1 0,8 0,7 0,8 1,0 1,1 1,0 1,0 0,9 0,8 0,8
Ausrüstungen −0,9 −3,1 −1,0 0,0 0,2 −1,9 1,1 1,5 1,8 1,9 2,1 1,7 1,0 0,6 0,3 0,3
Sonstige Investitionen −3,1 1,2 0,9 1,1 0,6 1,2 0,7 1,0 1,3 1,5 1,5 1,3 1,2 1,0 1,0 1,0
Lagerveränderung1 0,2 0,0 0,6 0,7 −0,4 0,5 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0 0,0
Inländische Verwendung 0,2 0,1 0,9 1,2 −0,1 0,4 0,4 0,5 0,5 0,6 0,6 0,6 0,5 0,4 0,4 0,4
Außenbeitrag −0,3 −0,3 −0,8 −1,0 0,4 −0,7 −0,2 −0,1 −0,1 −0,1 −0,1 −0,1 −0,1 −0,1 −0,1 −0,1
Export −1,0 0,6 −1,7 −2,1 2,5 −0,1 −0,1 0,2 0,3 0,4 0,4 0,4 0,3 0,3 0,3 0,3
Import −0,3 1,5 0,2 0,2 1,6 1,6 0,5 0,6 0,6 0,7 0,7 0,6 0,5 0,5 0,5 0,5
Bruttoinlandsprodukt −0,1 −0,3 0,0 0,2 0,3 −0,3 0,1 0,3 0,4 0,5 0,5 0,5 0,4 0,4 0,3 0,3
Bruttowertschöpfung −0,8 −0,2 −0,4 −0,3 0,6 −0,2 0,1 0,3 0,4 0,5 0,5 0,5 0,4 0,4 0,3 0,3
Verarbeitendes Gewerbe −1,5 −0,8 −1,4 −0,9 1,6 −0,3 0,1 0,2 0,3 0,4 0,4 0,4 0,3 0,2 0,2 0,2
Baugewerbe 1,0 −2,0 −2,1 −1,3 1,3 −3,7 0,8 0,8 0,8 1,0 1,1 1,0 1,0 0,9 0,8 0,8
Handel, Gastgewerbe, Verkehr −0,7 −0,5 0,2 0,3 0,7 −0,6 0,1 0,2 0,3 0,5 0,5 0,5 0,4 0,4 0,3 0,3
Unternehmensdienstleister 0,1 0,5 −0,6 −0,6 -0,3 0,5 0,0 0,3 0,4 0,5 0,5 0,5 0,4 0,3 0,3 0,3
Öffentliche Dienstleistungen, Erziehung, Gesundheit 0,6 0,8 0,4 0,4 0,4 0,1 0,2 0,3 0,5 0,6 0,7 0,6 0,6 0,5 0,4 0,3

1 Wachstumsbeitrag in Prozentpunkten.

Anmerkung: Prognose ab dem dritten Quartal 2025.

Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW-Konjunkturprognose Herbst 2025.

Tabelle 2: Beiträge zur Veränderung des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland

In Prozentpunkten (preisbereinigt)

Veränderungsbeiträge
2024 2025 2026 2027
Konsumausgaben 0,8 1,0 1,2 1,2
Private Haushalte 0,3 0,5 0,6 0,6
Staat 0,6 0,5 0,6 0,6
Bruttoanlageinvestitionen −0,7 −0,1 1,0 0,9
Bauten −0,4 −0,1 0,4 0,4
Ausrüstungen −0,4 −0,1 0,4 0,3
Sonstige Anlagen 0,0 0,1 0,2 0,2
Vorratsveränderungen 0,1 0,8 0,1 0,0
Inländische Verwendung 0,2 1,7 2,3 2,1
Außenbeitrag −0,7 −1,5 −0,6 −0,2
Exporte −0,9 0,0 0,6 0,7
Importe −0,2 1,4 1,2 0,9
Bruttoinlandsprodukt1 −0,5 0,2 1,7 1,8

1 Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent; Abweichungen in den Summen durch Runden der Zahlen.

Anmerkung: Prognose ab dem Jahr 2025.

Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW-Konjunkturprognose Herbst 2025.

Auch die Binnenwirtschaft hat sich im zweiten Quartal schwächer entwickelt als zu Jahresbeginn (Abbildung 2). Zwar stützt die nachhaltige Erholung des privaten Verbrauchs die deutsche Konjunktur seit mehr als einem Jahr, zuletzt allerdings etwas weniger:infoDie Datenrevision des Statistischen Bundesamts zeigt, dass der private Verbrauch im vergangenen Jahr angesichts der kräftigen Reallohnsteigerungen stärker zugelegt hat als zunächst errechnet. Die zunehmenden Arbeitsplatzsorgen aufgrund der weiterhin hohen Arbeitslosigkeit und die abnehmende Dynamik bei der Lohnentwicklung haben die Kauflaune im vergangenen Quartal wohl gebremst (Tabelle 3). So legten die privaten Konsumausgaben nur leicht zu. Die Sparquote blieb, nachdem sie zum Jahreswechsel deutlich gesunken war, in etwa konstant auf ihrem langjährigen Durchschnittsniveau von 10,2 Prozent.

Tabelle 3: Eckdaten zur Wirtschaftsentwicklung in Deutschland

2024 2025 2026 2027
Bruttoinlandsprodukt1 −0,5 0,2 1,7 1,8
Erwerbstätige2 (1000 Personen) 45987 46002 46023 46071
Arbeitslose (1000 Personen) 2787 2946 2890 2731
Arbeitslosenquote BA3 (in Prozent) 6,0 6,3 6,2 5,8
Verbraucherpreise4 2,3 2,1 2,0 2,2
Lohnstückkosten5 5,6 3,7 1,8 1,6
Finanzierungssaldo des Staates6
in Milliarden Euro −115,3 −106,1 −149,5 −167,7
in Prozent des nominalen BIP −2,7 −2,4 −3,2 −3,5
Leistungsbilanzsaldo
in Milliarden Euro 243,8 219,1 204,7 192,1
in Prozent des nominalen BIP 5,6 4,9 4,4 4,0

1 Preisbereinigt. Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent.

2 Inlandskonzept.

3 Arbeitslose in Prozent der zivilen Erwerbspersonen (Definition gemäß der Bundesagentur für Arbeit).

4 Veränderung gegenüber dem Vorjahr.

5 Im Inland entstandene Arbeitnehmerentgelte je Arbeitnehmerstunde bezogen auf das reale BIP je Erwerbstätigenstunde.

6 In Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (ESVG).

Anmerkung: Prognose ab dem Jahr 2025.

Quellen: Statistisches Bundesamt; DIW-Konjunkturprognose Herbst 2025.

Während der Konsum – auch dank hoher Ausgaben der öffentlichen Hand – das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal insgesamt stützte, ging die Investitionstätigkeit im gleichen Zeitraum merklich zurück. Sowohl die Ausrüstungs- als auch die Bauinvestitionen verzeichneten empfindliche Einbrüche. Erstere waren von einem zweistelligen Minus bei den öffentlichen Investitionen in Ausrüstungen bestimmt – hier dürften vor allem Verzögerungen bei der Herstellung und Auslieferung bereits bestellter Rüstungsgüter eine Rolle gespielt haben. Die Entwicklung im Baubereich war durch neuerliche massive Rückgänge der privaten Investitionen in Wohnungen und gewerbliche Gebäude geprägt. Dabei dürften die weiterhin schwache konjunkturelle Lage und damit einhergehende Arbeitsplatz- und Standortsorgen ausschlaggebend gewesen sein. Aber auch Unsicherheiten über die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen haben wohl eine Rolle gespielt und die Haushalte von neuen Bauprojekten und Unternehmen von Kapazitätsausweitungen abgehalten. Lediglich die sonstigen Anlagen, die unter anderem Ausgaben für Forschungs- und Entwicklungsleistungen umfassen, wurden – insbesondere im öffentlichen Bereich – ausgeweitet.

Die Entwicklung der Verwendungskomponenten hat sich im zweiten Quartal auch in den Produktionszahlen widergespiegelt: Die Wertschöpfung im Produzierenden Gewerbe ging erneut spürbar zurück, wobei vor allem das Baugewerbe einen deutlichen Einbruch verzeichnete. Im Verarbeitenden Gewerbe fiel der Rückgang moderater aus. Bei den Dienstleistungen war das Bild gemischt: Während die konsumnahen Dienstleister negative Raten verbuchen mussten, legte die Produktion der öffentlichen Dienstleister erneut leicht und die der Unternehmensdienstleister überraschend kräftig zu.

Drittes Quartal: Mächtiger Staat, schmächtige Private

Die Europäische Union (EU) und die Trump-Administration haben im Zollstreit in den Sommermonaten deutliche Fortschritte erzielt. Auch wenn die Bedingungen für die europäischen Länder an vielen Stellen gegenüber den USA nachteilig sind, dürfte die vorläufige Einigung dennoch die Unsicherheit reduzieren und den Außenhandel mit den USA stabilisieren. Insbesondere die deutsche Automobilindustrie kann sich über wesentliche Erleichterungen im Vergleich zur Zollanhebung vom Frühjahr freuen: Die Zölle auf Automobilimporte in die USA sinken von 27,5 auf 15 Prozent. Der „Trade Policy Uncertainty Index“, ein textbasierter Unsicherheitsindikator, der aus amerikanischen Tageszeitungen gewonnen wird, ist im Laufe des Augusts merklich zurückgegangen.infoVgl. Economic Policy Uncertainty (2025): Trade Policy Uncertainty (online verfügbar). Wenngleich die Zölle auf typische deutsche Warenausfuhren im Schnitt unter denen anderer exportstarker Länder liegen (Kasten 1), dürfte die deutsche Exportwirtschaft davon auf dem US-Markt kaum profitieren. Zwar sind die Zölle im Vergleich zu asiatischen Produkten geringer, das schwache Tauschverhältnis zwischen US-Dollar und Euro (Kasten 2) kompensiert den relativen Preisvorteil allerdings größtenteils wieder.

Die Handelshemmnisse haben seit Beginn des zweiten Quartals dieses Jahres weiter zugenommen. Am 2. April verkündete US-Präsident Trump an dem von ihm betitelten „Liberation Day“ länderspezifische und güterübergreifende Basiszollsätze für mehr als 100 Handelspartner. Sie traten mit sofortiger Wirkung in Kraft. Beispielsweise wurden für Waren aus China und der EU Basiszölle von 34 beziehungsweise 20 Prozent verhängt. Dieses Vorgehen sorgte für Turbulenzen an den Aktien- und Anleihemärkten, was wohl auch dazu beitrug, dass die US-Regierung am 9. April viele der sehr hohen Zollsätze vorübergehend aussetzte. So wurde der Basiszollsatz für Einfuhren aus der EU für 90 Tage von 20 auf zehn Prozent reduziert.

Im Laufe des Sommers kamen in der US-Handelspolitik unter anderem mit der EU, China und Japan erste vorläufige Einigungen zustande. Gleichzeitig setzte die US-Regierung andere Länder wie Brasilien und Indien mit massiven Erhöhungen von Importzöllen unter Druck.

In dieser Prognose wird angenommen, dass sowohl die bisherigen Einigungen als auch die derzeit geltenden vorläufigen Handelshemmnisse bestehen bleiben (Tabelle). Im Vergleich zu den in der Sommerprognose unterstellten Handelshemmnissen hat die Zollbelastung global gesehen zugenommen. Die universellen US-Zölle auf Einfuhren aus Europa, Kanada, Japan und Südkorea haben sich erhöht. Zudem gelten die US-Zölle auf Aluminium und Stahl nun auch für über 400 weitere Produkte, die Aluminium und Stahl enthalten.

Tabelle: Handelspolitische Annahmen

Zollerhebendes Land Handelspartner Zollsatz/Bemerkung
USA EU Pauschalzollsatz von 15 Prozent, höher bezollt nur Stahl, Aluminium und Kupfer sowie deren Derivate mit 50 Prozent
USA China

Durchschnittlicher Zollsatz von 40 Prozent

Pausierung der Zölle von über 100 Prozent bis 10. November 2025

USA Mexiko 25 Prozent, ausgenommen USMCA-konformer Handel
USA Kanada 35 Prozent, 10 Prozent Energie und Kali, ausgenommen USMCA-konformer Handel
USA Vereinigtes Königreich Basiszollsatz von 10 Prozent, erste 100000 Autos 10 Prozent Zoll
USA Weitere Länder Indien und Brasilien: 50 Prozent, Japan und Südkorea: 15 Prozent, Schweiz: 39 Prozent, Basiszollsatz: 10 Prozent
USA Welt 50 Prozent auf Stahl und Aluminium (inklusive Derivate) und Kupfer; ausgenommen Vereinigtes Königreich
Gegenzölle
China USA

Bezollung ausgewählter Waren mit 10 bzw. 15 Prozent

Pausierung der Zölle von über 100 Prozent bis 10. November 2025

Kanada USA 25 Prozent auf Autos, Stahl und Aluminium (ursprünglich etwa 29,8 Milliarden kanadische Dollar an Waren betroffen, inzwischen teilweise aufgehoben)

Quelle: DIW-Konjunkturprognose Herbst 2025.

Die Fortschritte und Einigungen bei handelspolitischen Verhandlungen zwischen den USA und wichtigen Volkswirtschaften wie China und der EU haben die Unsicherheiten bezüglich der handelspolitischen Rahmenbedingungen deutlich verringert. Trotzdem bleibt die US-Handelspolitik unberechenbar – auch weil für entsprechende Vereinbarungen noch keine konkreten bindenden Abkommen vorliegen.

Die Einigung hat die starke Aufwertung des Euro seit den Zollankündigungen am Liberation Day nicht umgekehrt; dazu dürfte auch die erwartete konjunkturelle Abkühlung in den USA beigetragen haben. Die Aktienmärkte haben ihre Verluste rund um den Liberation Day aufgeholt und notieren inzwischen erneut auf Rekordniveau.

Es ist davon auszugehen, dass die sprunghafte Handelspolitik der USA auch in der zweiten Jahreshälfte die Handelsflüsse und die weltweite Produktion prägen wird. Vor allem dürften die negativen Folgen des Zollkonflikts stärker zum Tragen kommen und den Welthandel dämpfen, da viele Strategien zur Zollvermeidung, etwa das Vorziehen von Lieferungen, nun wegfallen.

Handelspolitische Rahmenbedingungen für die EU und Deutschland

Am 27. Juli 2025 haben sich die EU und die USA auf Eckpunkte für ein zukünftiges Handelsabkommen geeinigt. In der von der EU bekanntgegebenen Erklärung gibt es eine Reihe konkreter Sofortmaßnahmen und einige weitere Maßnahmen. Für letztere gibt es allerdings noch keine konkrete Ausgestaltung und rechtliche Grundlage, sodass sie nicht Teil der Annahmen dieser Prognose sind und nur die Sofortmaßnahmen unterstellt werden.

Die Sofortmaßnahmen umfassen die Einführung einer einheitlichen Zoll-Obergrenze von 15 Prozent für fast alle EU-Ausfuhren in die USA. Dies bedeutet eine Erleichterung für Pkw und Kfz-Teile, da diese zuletzt mit Zöllen von bis zu 27,5 Prozent belegt wurden. Gerade für den deutschen Außenhandel, der stark von der Automobilindustrie geprägt ist, stellt dies eine Erleichterung dar. Auch bei anderen strategisch wichtigen Produkten wie Flugzeugen oder Chemikalien soll es eine Rückkehr zu den Zollsätzen von vor Januar 2025 geben. Zudem soll der Höchstsatz von 15 Prozent auch für Zölle auf Arzneimittel und Halbleiter gelten, selbst wenn diese unter Handelsmaßnahmen aus Gründen der nationalen Sicherheit fallen würden.infoSection 232 ist eine Bestimmung im US Trade Expansion Act von 1962, die es dem Präsidenten der Vereinigten Staaten erlaubt, Handelsmaßnahmen aus Gründen der nationalen Sicherheit zu ergreifen – insbesondere Zölle auf Importe, wenn diese als Bedrohung für die heimische Industrie oder Infrastruktur angesehen werden. Das US-Handelsministerium führt eine Untersuchung durch, ob bestimmte Importe die nationale Sicherheit gefährden. Falls ja, kann der Präsident Zölle oder andere Handelsbeschränkungen verhängen – ohne Zustimmung des Kongresses.

Die weiteren Maßnahmen, die noch präzisiert werden müssen, umfassen Zolltarifkontingente, die den Import festgelegter Mengen von Stahl, Aluminium und Kupfer in die USA zu einem deutlich niedrigeren Zollsatz als die bestehenden 50 Prozent ermöglichen würden. Auf EU-Ebene werden ebenfalls Marktöffnungen in Erwägung gezogen, beispielsweise die komplette Abschaffung bestehender EU-Zölle auf US-Industriegüter oder die Anpassung der Zolltarifkontingente für US-Fischereierzeugnisse und Agrarprodukte. Eine weitere Maßnahme für die Verbesserung der mittel- bis langfristigen Handelsperspektiven ist die beidseitige Reduktion nichttarifärer Handelshemmnisse, beispielsweise im Bereich der Fahrzeugnormen oder der Kooperation bei Investitionsprüfungen und Exportkontrollen. Zudem hat die EU Energieimporte aus den USA im Wert von 750 Milliarden US-Dollar (LNG, Öl, Kernenergie) in Aussicht gestellt, außerdem den Kauf von KI-Chips im Wert von 40 Milliarden US-Dollar und private Investitionen in den USA von zusätzlichen 600 Milliarden US-Dollar bis Ende 2028.

Der Prognose liegen Annahmen zum Verlauf der Leitzinsen, Wechselkurse und Rohstoffpreise zugrunde (Tabelle). Diese Annahmen basieren auf bisherigen Entwicklungen, den Preisen an Terminmärkten sowie den Schlussständen zum Stichtag der Prognose am 14. August 2025. Die Inflation im Euroraum befindet sich bei zwei Prozent und entspricht somit dem Inflationsziel der EZB. Vor diesem Hintergrund ließ der EZB-Rat die Leitzinsen im Euroraum in seinem letzten Zinsentscheid unverändert bei 2,0 Prozent (Einlagesatz) beziehungsweise 2,15 Prozent (Hauptrefinanzierungssatz). Somit dürfte die europäische Geldpolitik nun neutral ausgerichtet sein.infoVgl. Europäische Zentralbank (2024): Economic Bulletin Issue 1 (online verfügbar). In dieser Prognose wird angenommen, dass die Zinsen bis zum Ende des Prognosehorizonts auf dem aktuellen Niveau verbleiben werden. Damit sind die geldpolitischen Annahmen im Vergleich zur DIW-Konjunkturprognose vom Sommer unverändert. Im Einklang mit den Leitzinsen sind auch die Geldmarktzinsen stetig gesunken und dürften, geknüpft an die Leitzinsen, nun auf einem Niveau von knapp unter zwei Prozent verharren. Eine ähnliche Tendenz zeichnet sich auch in sinkenden Refinanzierungskosten für Unternehmen und Kreditkosten für Haushalte ab. Aufgrund der zeitlichen Verzögerung geldpolitischer Wirkungen wird für die Prognose davon ausgegangen, dass die Kreditzinsen auch nach dem Ende der geldpolitischen Lockerung noch weiter sinken werden.

Tabelle: Annahmen dieser Prognose

2024 2025 2026 2027
EZB-Einlagefazilität1 (Jahresende) Prozent 3,0 2,0 2,0 2,0
EZB-Leitzins (Jahresende) Prozent 3,2 2,15 2,15 2,15
Geldmarktzins EURIBOR-Dreimonatsgeld in Prozent 3,6 2,1 1,9 2,1
Kapitalmarktzins Rendite für Staatsanleihen im Euroraum mit zehnjähriger Restlaufzeit 3,0 3,1 3,2 3,2
Kapitalmarktzins Rendite für Staatsanleihen in Deutschland mit zehnjähriger Restlaufzeit 2,4 2,6 2,7 2,7
Wechselkurs US-Dollar/Euro 1,08 1,15 1,17 1,17
Erdölpreis US-Dollar/Barrel 79,7 69,4 65,2 65,1
Gaspreis Euro/Megawattstunde 34,5 38,1 33,4 29,5

1 Die EZB steuert die Wirtschaft aktuell über den Einlagefazilität, nicht den Hauptrefinanzierungssatz (Leitzins).

Anmerkung: Jahresdurchschnittswerte; EZB-Einlagefazilität-Werte zum Jahresende.

Quellen: Europäische Zentralbank; European Money Markets Institute (EMMI); Eurex Exchange; Deutsche Bundesbank; Federal Reserve; Energy Information Administration (EIA); Intercontinental Exchange (ICE); CME Group; DIW-Konjunkturprognose Herbst 2025.

Ähnlich wie in der DIW-Prognose vom Sommer 2025 wird angenommen, dass die Kapitalmarktzinsen über den Prognosehorizont weitestgehend unverändert bei 2,7 Prozent für Deutschland und 3,2 Prozent für den Euroraum liegen werden. Der Euro hat gegenüber dem Dollar zuletzt aufgewertet. Es wird angenommen, dass der Wechselkurs auf dem zum Datenschluss erreichten Niveau von 1,17 US-Dollar pro Euro verbleibt, leicht höher als noch im Sommer unterstellt. Der Preis für Brent-Rohöl stieg im Mai aufgrund des Israel-Iran-Konflikts sprunghaft an, ist aber insbesondere durch eine Angebotsausweitung der OPEC+ zuletzt wieder gesunken. Basierend auf Future-Preisen wird angenommen, dass der Preis von Rohöl nur noch leicht sinken wird und im laufenden Jahr im Durchschnitt rund 69 US-Dollar pro Barrel beträgt und in den kommenden zwei Jahre jeweils rund 65 US-Dollar. Damit ist im Vergleich zum Sommer ein um jeweils etwa sechs beziehungsweise fünf Prozent höherer Rohölpreis für die Jahre 2025 beziehungsweise 2026 unterstellt. Die Großhandelspreise für Gas (TTF) sind in der ersten Jahreshälfte stark gesunken und seit dem Sommer auf einem stabilen Niveau angelangt. Die Preiserwartungen haben sich seit der DIW-Sommerprognose nicht verändert und liegen in diesem Jahr bei im Schnitt 38 Euro je Megawattstunde. In den Jahren 2026 und 2027 dürften sie auf rund 33 Euro beziehungsweise 30 Euro je Megawattstunden sinken. Dieser Prognose liegen zudem handelspolitische Annahmen zugrunde.infoSiehe dazu auch Kasten 1 in diesem Bericht.

Die Ausgaben- und Anreizprogramme des Finanzpakets der neuen Bundesregierung konkretisieren sich derweil zunehmend. Im Sommer wurde der Bundeshaushalt für die Jahre 2025 und 2026 vom Bundeskabinett beschlossen, mit ambitionierten Zeitplänen für staatliche Investitionen und Konsumausgaben. Dazu kommen Anreizprogramme für Unternehmensinvestitionen wie Steuererleichterungen und beschleunigte Abschreibungen, von denen einige rückwirkend greifen werden, wenn das Haushaltsgesetz für das laufende Jahr voraussichtlich Mitte September vom Bundestag verabschiedet wird und damit die vorläufige Haushaltsführung endet (Kasten 3).

Die Finanzpolitik ist in allen Jahren des Prognosehorizonts expansiv ausgerichtet (Tabelle). Maßgeblich hierfür ist die Nutzung der erweiterten Verschuldungsspielräume für Infrastruktur und Verteidigung. Von der Einnahmenseite gehen hingegen insgesamt leicht restriktive Impulse aus. Zwar werden die privaten Haushalte bei der Einkommensteuer entlastet und die Unternehmen profitieren vom Investitionssofortprogramm. Steigende Ausgaben der Sozialversicherungen üben allerdings massiven Druck auf die Beitragssätze aus, sodass Unternehmen und vor allem Haushalte hier mit deutlichen Mehrbelastungen konfrontiert sind.

Tabelle: Finanzpolitische Maßnahmen: Be- (–) und Entlastungen (+) des gesamtstaatlichen Haushalts

In Milliarden Euro (gegenüber dem Vorjahr)

2025 2026 2027
Einnahmen der Gebietskörperschaften
Jahressteuergesetz 2022 1,0 −1,1 2,9
Inflationsausgleichsgesetz (Anpassung Einkommensteuertarif) −2,4 −1,0 −1,0
Anpassungen zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums −3,3 1,3 0,0
Erhöhung Pendlerpauschale 0,0 −1,1 −0,2
Steuerfortentwicklungsgesetz −7,2 −6,3 −0,9
Abgabenfreiheit Inflationsausgleichsprämie 6,0 0,0 0,0
Jahressteuergesetz 2024 −0,8 0,3 −0,1
Änderungen bei Agrardiesel-Rückvergütung 0,1 −0,4 0,0
Absenkung der Stromsteuer −2,6 2,5 −1,6
temporäre Umsatzsteuersenkung auf Gas 1,0 0,0 0,0
temporäre Umsatzsteuersenkung in der Gastronomie 0,5 0,0 0,0
Erlöse Brennstoffemissionshandel (BEHG) 3,2 3,0 3,6
Degressive AfA (Zweites und Viertes Corona-Steuerhilfegesetz) 5,0 3,8 1,5
Investitionssofortprogramm (Degressive AfA, steuerliche Begünstigung Elektro-Autos, Ausweitung Forschungszulage) −2,5 −5,6 −3,7
Anhebung LKW-Maut 0,9 0,2 0,0
Wachstumschancengesetz −2,1 −0,7 0,1
Anhebung der Tabaksteuer 0,9 0,8 0,0
Zukunftsfinanzierungsgesetz −0,2 −0,1 0,0
Globale Mindestbesteuerung (Säule 2) 0,0 1,0 −0,3
Plastikabgabe 0,0 1,4 0,0
Sonstige steuerliche Maßnahmen 0,2 0,2 −0,1
Einnahmen der Sozialversicherungen
Erhöhung durchschnittlicher Zusatzbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung 13,5 4,0 4,0
Erhöhung Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung 0,0 0,0 2,4
Erhöhung Beitragssatz in der gesetzlichen Pflegeversicherung 2,6 1,3 1,3
Abgabenfreiheit Inflationsausgleichsprämie 8,1 0,0 0,0
Erhöhung Insolvenzgeldumlage 1,1 0,0 0,0
Ausgaben der Gebietskörperschaften
Strom- und Gaspreisbremsen 1,3 0,0 0,0
Wohngeldreform −0,4 0,4 0,0
Deutschland-Ticket −0,1 −0,2 −0,2
Kürzungen beim Elterngeld für Spitzenverdienende 0,3 0,1 0,0
Startchancenprogramm für Schulen −0,5 −0,5 −0,3
BAföG-Reform −0,2 0,0 0,0
Rentenpaket 2025 0,0 0,3 0,1
Leistungsrechtanpassungsgesetz 0,0 −0,1 0,0
Sondervermögen KTF −7,7 3,6 −0,9
Mehrausgaben für Infrastruktur und Klimaneutralität (ohne KTF) −7,2 −21,8 −12,9
Mehrausgaben für Verteidigung (inkl. Sondervermögen Bundeswehr) −10,5 −18,0 −14,3
Ausgaben der Sozialversicherungen
Grundrente −0,1 −0,1 −0,1
Zuschlag Erwerbsminderungsrente −1,3 0,0 0,2
Krankenhausreform −0,4 0,0 0,2
Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz −3,0 −0,2 −0,3
Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz −0,4 0,0 0,0
Verlängerung Bezugsdauer Kurzarbeitergeld −0,3 0,3 0,0
Insgesamt −7,6 −32,6 −20,6
In Relation zum Bruttoinlandsprodukt in Prozent −0,2 −0,7 −0,4

1 Sonstige steuerliche Maßnahmen beinhalten das Jahressteuergesetz 2020, das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts, die Anhebung der Kinderfreibeträge in den Jahren 2025 und 2026 sowie die Ausweitung der Forschungszulage. Nicht berücksichtigte Maßnahmen sind das Aus- und Weiterbildungsgesetz, auslaufende Corona-Maßnahmen (Unternehmenshilfen) sowie das 29. BaföG-Änderungsgesetz.

Anmerkung: Ohne makroökonomische Rückwirkungen.

Quellen: Bundesregierung (Haushaltsplan, Gesetzesentwürfe, Monatsberichte des Bundesfinanzministeriums, Finanzberichte der Jahre 2021 bis 2024, Datensammlung zur Steuerpolitik); DIW-Konjunkturprognose Herbst 2025.

Einnahmenseitig werden die Gebietskörperschaften im laufenden Jahr noch Mehreinnahmen durch den Wegfall pandemie- und energiepreisbedingter Maßnahmen generieren. Insbesondere die ausgelaufene Inflationsausgleichsprämie macht sich hier bemerkbar, zumindest in dem Maße, in dem sie durch steuerpflichtige Lohnbestandteile ersetzt wird. Des Weiteren trägt die Erhöhung der CO2-Abgabe in den Bereichen Wärme und Verkehr zum Jahreswechsel 2026 zu deutlichen Mehreinnahmen bei. Zum 1. Januar 2027 wird sie in den zugehörigen Europäischen Emissionshandel überführt und der Preis am Markt gebildet. Um exzessive Preisanstiege zu verhindern, sollen bei einem Preis von mehr als 45 Euro weitere Zertifikate freigegeben werden. Es wird unterstellt, dass der CO2-Preis daher moderat auf etwa 70 Euro pro Tonne ansteigt und robuste Mehreinnahmen generiert. Die im Vorjahr umgesetzte Anhebung und Ausweitung der Lkw-Maut und der Tabaksteuer ziehen vor allem im laufenden Jahr Mehreinnahmen nach sich. Zudem werden auf Initiative der EU eine globale Mindestbesteuerung und eine Plastikabgabe eingeführt, die im kommenden Jahr erstmalig für Einnahmen sorgen werden.

Zusätzlich zu Anpassungen des Einkommensteuertarifs, um die kalte Progression auszugleichen, und der Anhebung der Grund- und Kinderfreibeträge, um das Existenzminimum steuerlich freizustellen, werden die privaten Haushalte im kommenden Jahr auch durch eine erhöhte Pendlerpauschale entlastet. Unternehmen profitieren im Rahmen des Investitionssofortprogramms von der fortdauernden und ausgeweiteten steuerlichen Begünstigung von Investitionen und Forschungsausgaben sowie weiteren Steuererleichterungen, zum Beispiel für die Anschaffung von Elektroautos. Zudem können landwirtschaftliche Betriebe von einer wiedereingeführten Agrardiesel-Rückvergütung im kommenden Jahr profitieren und – ebenso wie Betriebe des Produzierenden Gewerbes – von einer verstetigten Absenkung der Stromsteuer.

Auf Seiten der Sozialversicherungen sorgt der Wegfall der Inflationsausgleichsprämie ebenfalls für deutlich höhere Einnahmen im laufenden Jahr. Während dieser Effekt allerdings als temporär anzusehen ist, senden steigende Sozialbeiträge über den gesamten Prognosehorizont restriktive Impulse aus. So liegt der durchschnittlich erhobene Zusatzbeitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2025 nach aktuellem Stand um 1,2 Prozentpunkte höher als im Vorjahr und wird in den kommenden beiden Jahren erneut um jeweils 0,3 Prozentpunkte zulegen. Der Beitragssatz zur gesetzlichen Pflegeversicherung wurde im laufenden Jahr bereits um 0,2 Prozentpunkte angehoben. Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt stabilisieren ihn im weiteren Jahresverlauf. Für die Jahre 2026 und 2027 wird ein weiterer Anstieg des Beitragssatzes um jeweils 0,1 Prozentpunkte unterstellt. Da die Haltelinie für das Rentenniveau im Rahmen des Rentenpakets bis 2031 verlängert wurde, kommt es 2027 voraussichtlich zu einer Erhöhung des Beitragssatzes in der gesetzlichen Rentenversicherung. Insgesamt ist die Finanzpolitik auf der Einnahmenseite im laufenden Jahr deutlich restriktiv und in den kommenden Jahren neutral beziehungsweise leicht restriktiv ausgerichtet.

Die finanzpolitische Gestaltung der Ausgabenseite des Staates hat im Prognosehorizont hingegen einen deutlich expansiven Charakter. Zwar gehen von den ausgelaufenen Strom- und Gaspreisbremsen im laufenden Jahr noch letzte ausgabenmindernde Impulse aus, wie auch von Kürzungen beim Elterngeld. Auf der anderen Seite entstehen durch das Startchancenprogramm und die Weiterführung des Deutschlandtickets Mehrausgaben, auch wenn bei Letzterem zum Jahreswechsel 2026/27 mit einer Preissteigerung zu rechnen ist.

Der weitaus größte expansive Impuls geht von den erweiterten Verschuldungsspielräumen für Infrastruktur, Klimaschutz und Verteidigung aus. Aus dem aufgestockten Klima- und Transformationsfonds (KTF) wird im laufenden Jahr unter anderem der Ausgleich der Gasspeicherumlage finanziert. In den kommenden Jahren dürften die Programmausgaben stabil bleiben. Stattdessen werden sich die Ausgaben aus dem Sondervermögen für Infrastruktur und Klimaschutz ohne Berücksichtigung der KTF-Aufstockung deutlich beschleunigen, nachdem sie im laufenden Jahr nicht unerheblich ausfallen, aber weit hinter einer hypothetischen Gleichverteilung des Finanzspielraums von 33 Milliarden Euro (400 Milliarden Euro ohne KTF-Aufstockung, verteilt über zwölf Jahre) zurückbleiben. Betrachtet man, wie schnell oder langsam die Gelder aus vorherigen Sondervermögen abgeflossen sind, liegt der Mittelabruf insbesondere im ersten Jahr zumeist deutlich darunter, da neue Projekte erst initiiert und genehmigt werden müssen. Aus dem Sondervermögen Bundeswehr sind über den Prognosehorizont ebenfalls steigende Entnahmen zu erwarten, wenn bestellte Ausrüstungsgüter nach und nach geliefert werden. Zusätzlich unterstellt diese Prognose für alle Jahre zusätzliche Ausgaben im Rahmen des erweiterten Verteidigungsbegriffs. Das Ziel ist, die NATO-Quote von 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung im Jahr 2029 zu erreichen.

Auf der Ausgabenseite der Sozialversicherungen gehen im laufenden Jahr insbesondere vom Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz expansive Impulse aus. Auch Maßnahmen wie der Zuschlag zur Erwerbsminderungsrente, das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz und die Krankenhausreform gehen mit Mehrausgaben einher. In den kommenden Jahren dürften die finanzpolitischen Maßnahmen hier neutral ausgerichtet sein.

Alles in allem beläuft sich die Budgetwirkung der finanzpolitischen Maßnahmen im laufenden Jahr auf −7,6 Milliarden Euro (−0,2 Prozent in Relation zum nominalen Bruttoinlandsprodukt), im Jahr 2026 auf −32,6 Milliarden Euro (−0,7 Prozent) und im Jahr 2027 auf −20,6 Milliarden Euro (−0,4 Prozent).

Der Umfang der finanzpolitischen Maßnahmen für das Jahr 2027 unterliegt erheblicher Unsicherheit. Wenn die Maßnahmen nicht – wie in der vorliegenden Prognose unterstellt – in ausreichendem Maße Wirtschaftswachstum generieren und damit die strukturelle Nettokreditaufnahme des Staates stabilisieren, sind im Jahr 2027 gegebenenfalls Konsolidierungsmaßnahmen erforderlich.

Die Weichen für eine Erholung der deutschen Wirtschaft sind damit wohl gestellt. Die vorsichtig positive Stimmung hiesiger Unternehmen verfestigt sich derzeit. Das vom ifo-Institut gemessene Geschäftsklima ist im August zum fünften Mal in Folge gestiegen. Vor allem die aktuelle Lage bewerten die Unternehmen positiver als zuvor. Dabei zeigen sich insbesondere die Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes optimistischer, während die Zuversicht im Dienstleistungsbereich etwas nachgelassen hat. Dieses Muster spiegelt sich auch im Einkaufsmanagerindex wider, der sich für die Industrie seit Beginn des Jahres kontinuierlich auf die Expansionsschwelle von 50 Punkten zubewegt und aktuell nur noch leicht darunter liegt. Im Dienstleistungsbereich ist der Index mittlerweile unter die Expansionsschwelle gerutscht.

Die deutsche Wirtschaft wird im laufenden Quartal voraussichtlich um 0,1 Prozent zulegen, wobei das Verarbeitende Gewerbe leicht und die Bauwirtschaft deutlicher expandieren dürften. Die Dienstleistungen werden wohl ebenfalls positiv zur Wirtschaftsleistung beitragen (Tabelle 1).

Getragen werden dürfte das leichte Wachstum im dritten Quartal von den öffentlichen Ausgaben. So wird der Staatskonsum aufgrund des weiteren Beschäftigungsaufbaus im öffentlichen Dienstleistungsbereich und der steigenden Vorleistungskäufe, unter anderem für Verteidigung, wohl weiter kräftig expandieren. Auch dürfte der Staat nach dem Rückgang im vergangenen Quartal wieder merklich mehr investieren, wenn im Rahmen des Sondervermögens Bundeswehr bestellte Rüstungsgüter geliefert werden und bereits bestehende Infrastrukturprojekte, zum Beispiel der Ausbau des Schienennetzes, Gestalt annehmen.

Von privaten Haushalten und Unternehmen sind im dritten Quartal noch keine wesentlichen Impulse für die konjunkturelle Dynamik zu erwarten. Indikatoren für die Konsumstimmung deuten weiterhin auf eine gesteigerte Sparneigung und verminderte Ausgabenbereitschaft der Verbraucher*innen hin. Aufgrund der anhaltend schwierigen Arbeitsmarktlage wird diese Zurückhaltung wohl bestehen bleiben und den privaten Konsum dämpfen. Darauf deutet auch die Unternehmensstimmung im konsumnahen Einzelhandelsbereich sowie bei den Konsumgüterherstellern hin, die sich zuletzt etwas eingetrübt hat. Zudem zeigt sich bei der Prognose der Arbeitseinkommensverteilung, dass vor allem Haushalte mit mittleren bis höheren Einkommen von den Reallohnzuwächsen der vergangenen Jahre profitiert haben (Kasten 4). Diese Haushalte reagieren auf wirtschaftliche Unwägbarkeiten jedoch mit einer erhöhten Sparneigung, was die positiven Auswirkungen auf den privaten Konsum dämpfen dürfte.

Das DIW Berlin hat ein Modell entwickelt, das die Arbeitseinkommensungleichheit bis an den aktuellen Rand prognostizieren kann (sogenannter Nowcast). Es kombiniert jährlich vorliegende mikroökonomische Daten aus dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) mit einer Vielzahl höherfrequenter gesamtwirtschaftlicher Indikatoren und Arbeitsmarktindikatoren sowie den aktuellen Ergebnissen der DIW-Konjunkturprognose in einem makroökonometrischen Modell. So lassen sich die durchschnittlichen Arbeitseinkommen verschiedener Einkommensgruppen fortschreiben. Auf Basis der Modellergebnisse kann unter bestimmten Verteilungsannahmen eine Arbeitseinkommensverteilung für die Gesamtbevölkerung erstellt werden.

Die SOEP-Daten liegen aktuell bis zum Jahr 2022 (Welle v39) vor. Somit wird das Modell genutzt, um die Entwicklung der Ungleichheit für die Jahre 2023, 2024 und 2025 zu schätzen. Dabei beruht die Schätzung für 2023 und 2024 ausschließlich auf makroökonomischen Daten aus der öffentlichen Statistik, während der Nowcast für das aktuelle Jahr auch die Konjunkturprognose des DIW Berlin beinhaltet.

Die Modellergebnisse zeigen, dass sich die Arbeitseinkommen seit 2023 wieder etwas ungleicher über die erwerbstätige Bevölkerung verteilen, nachdem die Ungleichheit vor allem in der Corona-Pandemie, aber auch während der Energiekrise kontinuierlich abgenommen hat (Abbildung). Der Gini-Koeffizient steigt leicht von 0,375 im Jahr 2022 auf 0,377 im Jahr 2023 und verharrt seitdem in etwa auf diesem Niveau. Dass die Ungleichheit vor allem 2023 zugenommen hat, dürfte in erster Linie daran liegen, dass die mittleren bis topverdienenden Haushalte von den Lohnverhandlungen und entsprechend kräftigen Reallohnzuwächsen nach der Energiekrise profitiert haben – besonders im Vergleich zum untersten Ende der Verteilung. Dies legt nahe, dass die finanzpolitische Ausrichtung in Deutschland einen Anstieg der Arbeitseinkommensungleichheit zumindest nicht verhindern konnte. Erkennen lässt sich das auch daran, dass die Einkommensverhältnisse zwischen Spitzen- und Niedrigverdienenden (P90/10) sowie zwischen der Mitte und dem unteren Ende der Verteilung (P50/10) seit dem Jahr 2023 ebenfalls steigen.

Der Wohnungsbau hat seine Talsohle zwar offenbar erreicht, angesichts anhaltend geringer Genehmigungs- und Auftragszahlen wird er aber wohl keine großen Sprünge machen. Auf der Unternehmensseite dürften die Investitionsanreize erst nach und nach anfangen zu wirken, sodass die Zuwächse der gewerblichen Investitionstätigkeit im laufenden Quartal wohl noch gering ausfallen werden.

Im dritten Quartal dürfte die verschärfte Zollpolitik der US-Regierung den Welthandel zunehmend belasten, auch da kurzfristige Ausweichstrategien wie vorgezogene Lieferungen weitgehend erschöpft sind. Dies wird wohl auch die deutschen Exporte weiter belasten – so haben sich die Exporterwartungen laut ifo-Umfragen zuletzt eingetrübt. Zudem hat der Euro seit dem zweiten Quartal fast kontinuierlich aufgewertet, was die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Exportunternehmen schmälert. Die wirtschaftliche Erholung im europäischen Ausland dürfte die Nachfrage nach deutschen Gütern derweil stabilisieren. Die Importe werden wohl weiter robust ausgeweitet.

Weiterer Prognoseverlauf: Aufschwung durch öffentliches Finanzpaket

Nachdem der lang ersehnte wirtschaftliche Aufschwung holprig begonnen hat, dürfte die deutsche Wirtschaft im weiteren Verlauf schnell an Fahrt aufnehmen. Obwohl in dieser Prognose geringere Mittelabflüsse aus den Sondervermögen angenommen werden als im Bundeshaushalt vorgesehen,infoEine Betrachtung vergangener Sondervermögen (zum Beispiel dem Energie- und Klimafonds und dem Sondervermögen Digitale Infrastruktur) legt nahe, dass die tatsächlich abgerufenen Mittel besonders zu Beginn neuer Vermögensbereitstellungen in der Regel niedriger sind, als es die Budgetplanungen der Bundesregierung vorsehen. ergeben sich durch die vermehrten Ausgaben in den kommenden Jahren trotzdem bereits enorme Zuwächse beim Staatskonsum und den öffentlichen Investitionen. Für die Jahre 2026 und 2027 werden finanzpolitische Impulse von nominal rund 33 und 21 Milliarden Euro unterstellt, etwa 22 und 13 Milliarden Euro davon aus dem Sondervermögen Infrastruktur und rund 17 beziehungsweise zwölf Milliarden Euro für zusätzliche Verteidigungsausgaben. Die Differenz zu den Gesamtimpulsen erklärt sich durch kleinere auslaufende ausgabenseitige Maßnahmen sowie einnahmenseitige restriktive Impulse, insbesondere durch die Erhöhung der Sozialbeiträge. Insgesamt wird die Finanzpolitik in den kommenden Jahren expansiv ausgerichtet sein, sodass sich die Fehlbeträge im gesamtstaatlichen Haushalt 2025 von −2,4 Prozent in Relation zur Wirtschaftsleistung auf −3,2 Prozent im Jahr 2026 und −3,5 Prozent im Jahr 2027 ausweiten werden. Bereinigt um die Konjunkturkomponente und Zinszahlungen ergibt sich somit ein strukturelles Primärdefizit in Relation zum potenziellen Bruttoinlandsprodukt von −0,4 Prozent im laufenden Jahr, −1,5 Prozent im kommenden und −2,3 Prozent im Jahr 2027 (Abbildung 3).

In den kommenden Quartalen werden die Effekte der expansiven Finanzpolitik wohl vor allem direkter Natur sein. Zum einen dürfte der staatliche Konsum deutlich ausgeweitet werden, nicht nur durch Neueinstellungen im öffentlichen Sektor in den Bereichen Sicherheit und Verteidigung, sondern auch durch Vorleistungskäufe, beispielsweise für die Planung und Umsetzung von Projekten für Infrastruktur und ökologische Transformation. Zudem dürften die Investitionen in Nichtwohnbauten – insbesondere in den Tiefbau, also die analoge sowie digitale Infrastruktur – und Ausrüstungen zunehmen. Die gesteigerte staatliche Güternachfrage im Rahmen der geplanten Verteidigungsausgaben dürfte vor allem die verhältnismäßig kleine deutsche Rüstungsindustrie betreffen. So wird der Impuls auf die privaten Ausrüstungsinvestitionen wohl moderat ausfallen – auch deshalb, weil die Rüstungsunternehmen zumindest teilweise bestehende Produktionsstätten der schwächelnden restlichen Industrie umfunktionieren können.infoSo hat beispielsweise der Rüstungskonzern KNDS zu Jahresbeginn ein Werk des Zugherstellers Alstom in Görlitz übernommen – mit dem Plan, die dortige Produktion bis 2027 von Zugwaggons auf Kampf- und Schützenpanzer umzustellen. Vgl. Pressemitteilung von Alstom vom 5. Februar 2025: Alstom und KNDS erzielen Einigung: Gute Zukunft für Industriestandort Görlitz (online verfügbar). Hingegen dürfte der „Investitions-Booster“ die privaten Anschaffungen von Maschinen und Geräten in den kommenden Jahren beleben. Die Finanzierungskosten werden wohl ungefähr auf ihrem aktuellen Niveau verbleiben und die Investitionstätigkeit zusätzlich stützen. So dürften Wohnungs- und Wirtschaftsbau ebenfalls leicht zulegen.

Die öffentlichen Mehrausgaben werden die Konjunktur in Deutschland ab dem kommenden Jahr wohl deutlich beleben. Ein Faktor dabei ist, dass sich die deutsche Wirtschaft derzeit in einer starken Unterauslastung befindet und Kapazitäten frei sind. Das gilt auch für die dann besonders gefragten Wirtschaftszweige, etwa den Tiefbau. Der konjunkturelle Aufschwung dürfte im Prognoseverlauf den Arbeitsmarkt beleben. Ab Jahresende ist mit einem Rückgang der Arbeitslosigkeit zu rechnen. Gleichzeitig dürften die Effektivverdienste sowie die real verfügbaren Einkommen in den kommenden Jahren weiter robust expandieren und somit den privaten Verbrauch anschieben.infoDie geplanten Mindestlohnerhöhungen auf 13,90 Euro pro Stunde im Januar 2026 und auf 14,60 Euro pro Stunde im Januar 2027 dürften zudem die Effektivverdienste stützen.

Die Effekte der finanzpolitischen Impulse kleiden die strukturellen Probleme der deutschen Wirtschaft nur in ein schöneres Gewand, denn sie bleiben im Prognoseverlauf weiter bestehen. Steigender internationaler Wettbewerb, hohe Produktionskosten und auch die demografische Entwicklung bremsen die Dynamik. Insbesondere das Verarbeitende Gewerbe und damit einhergehend der Außenhandel sind von dieser Entwicklung betroffen und dürften im Gesamtbild weiter an Bedeutung verlieren. Zwar werden die Exporte dank der stabilen Nachfrage europäischer Handelspartner wohl wieder leicht ausgeweitet werden. Ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt dürfte dennoch weiter zurückgehen. Die Importe werden – auch angesichts verstärkter Rüstungsimporte – wohl weiter robust expandieren. So ergibt sich für die kommenden Jahre insgesamt ein negativer Beitrag des Außenhandels zum Wirtschaftswachstum.

Alles in allem dürfte das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt in Deutschland in diesem Jahr um 0,2 Prozent zulegen. Für die kommenden beiden Jahre ist mit deutlichen Ausweitungen der Wirtschaftsleistung um 1,7 beziehungsweise 1,8 Prozent zu rechnen. Vor allem die Ausgaben der öffentlichen Hand für Konsum und Investitionen und Investitionszuschüsse im Rahmen der erweiterten fiskalischen Spielräume sind dafür verantwortlich. Für das laufende Jahr senkt das DIW Berlin seine Wachstumsprognose aufgrund des schwachen ersten Halbjahres damit leicht um 0,1 Prozentpunkte. Für 2026 bleibt die Vorhersage im Vergleich zur Sommerprognose unverändert.

Das potenzielle Wachstum des Bruttoinlandsprodukts liegt in der mittleren Frist im Durchschnitt bei rund 0,4 Prozent (Tabelle 4). Das Arbeitsvolumen dürfte aufgrund der demografischen Alterung weiter sinken. Angesichts der nur leichten Belebung der Wirtschaftsleistung im Jahr 2025 dürfte sich die Produktionslücke ausweiten und im Jahresdurchschnitt −1,4 Prozent des potenziellen Bruttoinlandsprodukts betragen. Mit der konjunkturellen Erholung schließt sich die Produktionslücke bis zum Ende des Jahres 2026. Im Jahr 2027 dürfte die Wirtschaft mit einer Produktionslücke von 0,8 Prozent dann sogar überausgelastet sein. Aufgrund der erwarteten öffentlichen Mehrausgaben ist auch in der Mittelfrist mit einer Überauslastung zu rechnen.

Tabelle 4: Wachstum des realen Produktionspotenzials

Jahresdurchschnittliche Veränderung in Prozent

2020–2024 2024–2030
Produktionspotenzial 0,5 0,4
Wachstumsbeiträge
Arbeitsvolumen 0,7 −0,1
Kapitalvolumen 0,3 0,3
Totale Faktorproduktivität 0,2 0,2

Quellen: Statistisches Bundesamt; Europäische Kommission; DIW-Konjunkturprognose Herbst 2025.

Die Verbraucherpreisinflation wird in diesem Jahr aufgrund der stärkeren Raten zu Jahresbeginn wohl noch leicht über dem Zwei-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB) liegen. Vor allem weiter sinkende Energiepreise und die Abschwächung des hartnäckigen Preisauftriebs im Dienstleistungssektor dürften eine stabile Inflation im weiteren Verlauf begünstigen. Somit hält das DIW Berlin seine Inflationsprognose für 2025 konstant; für 2026 wird sie um 0,2 Prozentpunkte gesenkt. Im Jahr 2027 dürften die Verbraucherpreise aufgrund der expansiven Fiskalpolitik wieder etwas deutlicher, um 2,2 Prozent, steigen.

Die Risiken für diese Prognose sind erheblich. So ist weiterhin unklar, wie das Handelsabkommen zwischen der EU und den USA im Detail ausgestaltet wird. Insbesondere Fragen zu den vereinbarten zusätzlichen Energieimporten aus den USA und den Investitionen europäischer Unternehmen in den USA sind nicht abschließend geklärt. Diese Unsicherheit könnte Investitionsentscheidungen hemmen, die Handelsströme zum Teil deutlich beeinflussen und das Wachstum dämpfen. Käme es beispielsweise tatsächlich zu Mehrinvestitionen europäischer Unternehmen in den USA in Höhe von 600 Milliarden US-Dollar, würde der europäischen Wirtschaft Kapital fehlen, mit negativen Folgen für das Wirtschaftswachstum auch in Deutschland.

Zudem zeigen sich Umlenkungseffekte bei Importen aus Asien: Güter, die zuvor primär in die USA geliefert wurden, werden vermehrt nach Europa verschifft. Dies kann zu einer Substitution heimischer Produkte führen und die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Hersteller schmälern und Gewinne mindern.

Bei den Ausgaben für Rüstungsgüter ist der Anteil der importierten Güter mit größerer Unsicherheit behaftet. Er hängt stark davon ab, welche Güter beschafft werden sollen und ob hierzulande produzierte Rüstungsgüter aufgrund sicherheitspolitischer Überlegungen bevorzugt werden. Eine hohe Importquote würde das inländische Wachstum tendenziell dämpfen, da die Wertschöpfung im Ausland erfolgt. Eine niedrigere Importquote, also eine stärkere Produktion im Inland, würde mittelfristig zwar wachstumsfördernd wirken, jedoch mit längeren Produktions- und Lieferzeiten verbunden sein, was die kurzfristige Dynamik ebenfalls abschwächen würde.

Die Antwort auf die Frage, wie schnell die finanziellen Mittel aus den öffentlichen Haushalten abfließen und ob sie wirklich zusätzlich verwendet werden, spielt eine zentrale Rolle für die konjunkturelle Wirkung. Während im dieser Prognose unterstellten Haushaltsplan ein langsamerer Mittelabfluss unterstellt wird als offiziell von der Bundesregierung in Aussicht gestellt, könnten zum Beispiel schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren dafür sorgen, dass die Gelder früher abgerufen werden und damit kurzfristig stärkere Wachstumsimpulse setzen („Frontloading“). Umgekehrt würde ein verzögerter Mittelabfluss („Backloading“) die Wirkung auf spätere Zeiträume verschieben und die Wachstumsdynamik vorläufig abschwächen.

Aggressive US-Handelspolitik bremst Weltwirtschaft

Nach einer Phase soliden Wachstums hat die Weltwirtschaft im ersten Halbjahr 2025 etwas an Dynamik eingebüßt. Das globale Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg im ersten und zweiten Quartal um jeweils 0,9 Prozent im Vergleich zum Vorquartal (Abbildung 4). Dabei hat sich das Wachstum in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften beschleunigt, während sich die Konjunktur in den Schwellenländern etwas abkühlte. Für die kommenden Quartale ist mit einer Verlangsamung des Wirtschaftswachstums zu rechnen. Die gestiegenen Handelshemmnisse und Unsicherheiten durch die US-Zollpolitik belasten den Handel und damit vielerorts auch die Produktion – insbesondere in den USA. Hinzu kommt, dass die binnenwirtschaftliche Entwicklung in vielen anderen wirtschaftsstarken Volkswirtschaften wie der EU und China in den vergangenen Jahren im Gegensatz zu den USA auch wegen schwelender struktureller Probleme eher schleppend war.

Im zweiten Quartal verschärften sich die Handelshemmnisse spürbar. Zudem sorgte die zeitweise Aussetzung der Zölle, die US-Präsident Donald Trump an dem von ihm so bezeichneten „Liberation Day“ angekündigt hatte, für erhebliche Unsicherheit und erschwerte Unternehmen weltweit die Planung. Dies spiegelte sich auch im Welthandel wider: Nachdem das globale Importvolumen im ersten Quartal durch Vorzieheffekte mit Blick auf erwartete höhere Zölle kräftig gestiegen war, ging es im zweiten Quartal zurück.

Am deutlichsten zeigte sich diese Entwicklung in den USA: Nach einem außergewöhnlich starken Anstieg zu Jahresbeginn sanken die Importe im zweiten Quartal spürbar. Der dadurch entstandene stark positive Wachstumsbeitrag aus den Importen überdeckte eine lediglich moderat expandierende Binnenwirtschaft. So kam es in den USA zu einem kräftigen Quartalswachstum von 0,8 Prozent, das maßgeblich zur Beschleunigung in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften beitrug. Im Euroraum wuchs die Wirtschaft im zweiten Quartal hingegen nur um 0,1 Prozent. Besonders die Rückgänge in Deutschland und Irland infolge starker Einbrüche des US-Handels belasteten die Konjunktur. Auf der anderen Seite stützten Zuwächse des privaten Verbrauchs getragen von steigenden Reallöhnen das Wachstum in den großen EU-Mitgliedsländern – mit Ausnahme von Frankreich. Das Vereinigte Königreich wuchs robust mit 0,3 Prozent, vor allem infolge einer expansiven Finanzpolitik durch vorgezogene Ausgaben in Gesundheit und Bildung sowie zusätzliche Investitionsausgaben in Verteidigung.

Ungeachet der US-Handelspolitik verlangsamte sich das Wachstum in den Schwellenländern nur leicht. Ein wesentlicher Grund war, dass der Rückgang der chinesischen Exporte in die USA durch eine Ausweitung des Handels mit anderen asiatischen Ländern bislang weitgehend kompensiert wurde. Zwar belastete die anhaltende Immobilienkrise weiterhin die Binnenwirtschaft, doch die Exporte legten trotz bestehender US-Zölle kräftig zu. Dazu trugen nicht zuletzt Handelsumleitungen über ASEAN-Länder in die USA bei.

Im laufenden dritten Quartal sind die durchschnittlichen Zollsätze auf US-Importe niedriger als noch im Frühling, bleiben im Vergleich zur DIW-Sommerprognose jedoch weiterhin erhöht (Kasten 1). Auch die Unsicherheit nahm in diesem Quartal etwas ab (Abbildung 5). Dazu dürften vor allem die Fortschritte bei Zollverhandlungen zwischen den USA und für den Welthandel bedeutenden Volkswirtschaften beigetragen haben.

Vor diesem Hintergrund hat sich die Stimmung der Unternehmen aufgehellt, sowohl im Dienstleistungssektor als auch zunehmend im Verarbeitenden Gewerbe. Während Dienstleistungen weiterhin von einer vielerorts robusten Binnenwirtschaft profitieren, hat sich auch die Aussicht in der Industrie zuletzt verbessert. Temporär entlastend dürften hier jüngst Fortschritte bei US-Handelsabkommen gewirkt haben. Es zeichnet sich ab, dass es wohl auf eine geringere Zollbelastung hinausläuft als noch im April von der US-Regierung angedroht. Zudem verringerten die Gespräche und Einigungen die Unsicherheit über die künftigen handelspolitischen Rahmenbedingungen. Alles in allem verbessert dies die Exportaussichten im Vergleich zum Frühling. Entsprechend stieg der Einkaufsmanagerindex für die Industrie in vielen wirtschaftsstarken Volkswirtschaften wieder über die Expansionsschwelle von 50 Punkten.

Trotz verbesserter Stimmung ist mit einer gedämpften Expansion im laufenden Quartal zu rechnen. Durch die jüngsten handelspolitischen Einigungen sind zwar die Rahmenbedingungen etwas planbarer geworden. Die verschärften handelspolitischen Rahmenbedingungen schlagen nun aber stärker durch, da Vorzieheffekte und Umleitungen weitgehend erschöpft sind. Die US-Handelspolitik scheint auch unerwartete Verschiebungen preislicher Wettbewerbspositionen auszulösen. So hat der US-Dollar seit Jahresbeginn gegenüber dem Euro rund zwölf Prozent abgewertet. Für europäische Exporteure bedeutet dies – zusätzlich zu den US-Zöllen – eine spürbare Verschlechterung der Wettbewerbsposition durch einen starken Euro auf dem US-Markt. Insgesamt dürfte sich dies vielerorts bereits ab dem laufenden Quartal auf die Produktion und damit auf den Welthandel niederschlagen. Für das dritte Quartal wird ein Zuwachs von 0,7 Prozent gegenüber dem Vorquartal erwartet. Insbesondere China dürfte nur noch um 0,7 Prozent zulegen und auch die USA wird wohl mit einem Quartalsplus von 0,4 Prozent nur moderat wachsen. Im Euroraum dürfte die Wirtschaft mit einer Rate von 0,2 Prozent leicht anziehen.

Vielerorts expansive Finanzpolitik dürfte Weltkonjunktur stützen

Im laufenden und nächsten Jahr dürften ungünstigere handelspolitische Rahmenbedingungen das weltwirtschaftliche Wachstum ausbremsen. Die gestiegenen Einfuhrzölle der USA, dem weltweit größten Importland, dürften die Nachfrage zunächst belasten und die weltweite Produktion in exportorientierten Branchen dämpfen. Zugleich ist die Unsicherheit durch die häufigen Richtungswechsel der US-Regierung immer noch stark erhöht, was Investitionen abschwächen dürfte.

Die vielerorts expansiv ausgerichtete Finanzpolitik wird der Weltkonjunktur Schwung verleihen. In der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich ist die Finanzpolitik leicht expansiv ausgerichtet. Vor allem aus Deutschland sind Impulse zu erwarten. Es ist davon auszugehen, dass die Finanzpolitik in den kommenden Jahren deutlich expansiver ausgerichtet sein wird. Grund dafür sind die gelockerten europäischen Fiskalregeln („Bereitschaft 2030“infoEuropäische Kommission (2025): Weißbuch zur europäischen Verteidigung – Bereitschaft 2030 (online verfügbar).), die durch Ausnahmen bei Verteidigungsausgaben und erweiterte Spielräume für Haushaltsziele zusätzliche Ausgaben auch in anderen Mitgliedsländern der EU ermöglichen. Hinzu kommt der jüngste Beschluss der NATO-Staaten, die Ausgaben für Verteidigung auf 3,5 Prozent des nationalen BIP zu erhöhen, sowie weitere 1,5 Prozent für kritische Infrastruktur aufzuwenden. Dieses Ziel soll aber erst 2035 erreicht werden. Da die meisten Mitgliedsstaaten zwar Mehrausgaben angekündigt, jedoch abgesehen von Deutschland noch keine Finanzierungspläne vorgelegt haben, ist dies in dieser Prognose nicht berücksichtigt.

In den USA sind die Zolleinnahmen seit Jahresbeginn deutlich gestiegen. Dennoch dürfte die Finanzpolitik insgesamt expansiv ausgerichtet sein, da mit der Verabschiedung des ‚One Big Beautiful Bill Act‘ nicht nur Steuererleichterungen aus Trumps erster Amtszeit verlängert, sondern auch zusätzliche Maßnahmen wie die Anhebung der Abzugsobergrenze für bundesstaatliche und lokale Steuern beschlossen wurden. Die daraus resultierenden Impulse dürften allerdings begrenzt bleiben, da vor allem höhere Einkommen mit geringer Konsumneigung davon profitieren. Das Paket dürfte kurzfristig Konsum und Investitionen stützen, mittelfristig jedoch durch Einschnitte bei Sozialprogrammen und geringere öffentliche Investitionen weitgehend neutralisiert werden.

Auch in Japan und China stützen finanzpolitische Maßnahmen die Konjunktur. In Japan wurden neben Unterstützungen für Haushalte auch umfangreiche Hilfen für Unternehmen zur Abfederung der Exportverluste infolge der US-Zölle verabschiedet. In China dürften höhere Infrastrukturausgaben, Subventionen und Sozialleistungen Investitionen und Konsum stabilisieren.

Zumeist keine größeren Impulse von der Geldpolitik zu erwarten

In den meisten fortgeschrittenen Volkswirtschaften werden von der Geldpolitik wohl keine Impulse ausgehen. Im Euroraum ist die Geldpolitik neutral ausgerichtet, da sich die Inflation mit 2,0 Prozent auf dem Zielwert der Zentralbank eingependelt hat. Da die Inflation in den USA hingegen weiterhin erhöht ist, bleibt die US-Geldpolitik im restriktiven Korridor von 4,25 bis 4,50 Prozent. Zwar dürfte der Preisdruck nicht zuletzt durch die Einfuhrzölle bestehen bleiben, doch hat der Chef der US-Notenbank Federal Reserve (Fed), Jerome Powell, zuletzt Zinssenkungen in Aussicht gestellt. Dies ist durch das duale Mandat der Fed begründet, das neben stabiler Preise auch Vollbeschäftigung umfasst. Angesichts des spürbar abgekühlten Arbeitsmarkts – im Juli entstanden außerhalb der Landwirtschaft lediglich 73000 neue Stellen, zudem wurden die Vormonatswerte deutlich nach unten revidiert – dürfte die Fed ihre geldpolitische Haltung in den kommenden Monaten lockern.

Die Inflation im Vereinigten Königreich hat zuletzt wieder angezogen und liegt aktuell bei 3,8 Prozent, was vor allem auf gestiegene Transportkosten und höhere Lebensmittelpreise zurückzuführen ist. Dies dürfte die Kauflaune der Haushalte trotz gestiegener Nominallöhne bremsen. Vor diesem Hintergrund wird in dieser Prognose angenommen, dass die Zentralbank die Zinsen in diesem Jahr unverändert lässt.

Hingegen ist in China neben der Finanzpolitik auch die Geldpolitik expansiv ausgerichtet. Hier hat die Notenbank zu Beginn des dritten Quartals erstmals seit Oktober die Leitzinsen gesenkt, um die negativen Effekte der neuen US-Zölle abzufedern und Kreditvergabe sowie Konsum anzukurbeln.

Die bislang schwache binnenwirtschaftliche Entwicklung Chinas hat sich in den letzten Jahren auch in einer mehr oder weniger stagnierenden Preisentwicklung niedergeschlagen.

Im Gegensatz dazu zogen die globalen Preise bis zum Vorjahr kräftig an (Abbildung 6). Fallende Energiepreise bremsten die weltwirtschaftliche Teuerung. Die derzeit weiterhin niedrigen Energiepreise dürften die globale Konjunktur stützen.

Trumps Handelspolitik trifft USA besonders hart

Insgesamt wird die weltweite Konjunktur im Prognosezeitraum wohl durch die US-Handelspolitik belastet bleiben. Besonders deutlich zeigt sich dies in den USA selbst, wo die Wirtschaftsleistung 2025 voraussichtlich auf 1,8 Prozent sinkt und sich 2026 mit rund 1,3 Prozent weiter verlangsamt. Erst im Jahr 2027 dürfte das Wachstum mit 1,8 Prozent wieder an Fahrt aufnehmen, bedingt durch nachlassende Preiseffekte der Zölle und einer damit einhergehenden Belebung des privaten Konsums. Zwar dürfte der One Big Beautiful Bill Actkurzfristig den Konsum und in begrenztem Umfang auch die Investitionstätigkeit der Unternehmen stützen. Mittelfristig werden jedoch voraussichtlich dämpfende Faktoren überwiegen: Der private Konsum wird wohl angesichts höherer Preise und einer Eintrübung am Arbeitsmarkt an Schwung verlieren, während Unternehmen aufgrund politischer Unsicherheiten Investitionen zurückhalten.

Im Euroraum ist im laufenden und kommenden Jahr mit einem Plus von je 1,3 Prozent zu rechnen, bevor das Wachstum sich im Jahr 2027 leicht auf 1,4 Prozent beschleunigt. Getragen wird der Aufschwung in den kommenden Jahren von einer anziehenden binnenwirtschaftlichen Entwicklung. Diese dürfte von weiterhin steigenden Reallöhnen sowie einer sich allmählich entfaltenden Wirkung der enormen öffentlichen Mehrausgaben in Deutschland gestützt werden.

In den Schwellenländern wird sich das Wachstum voraussichtlich verlangsamen. Vor allem China kämpft weiter mit strukturellen Herausforderungen. Zwar dürften die fiskalischen und geldpolitischen Maßnahmen kurzfristig zur Stabilisierung der Konjunktur beitragen, durch die anhaltend schwache Entwicklung der Immobilienbranche und einem schwächeren Außenhandel bedingt durch US-Handelshemmnisse wird aber voraussichtlich das Wachstumsziel von fünf Prozent pro Jahr nicht erreicht werden. Auch Indiens Wirtschaftsdynamik dürfte sich durch die Einfuhrzölle von 50 Prozent abkühlen.

Insgesamt wird für dieses Jahr ein Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften und von 4,7 Prozent in den Schwellenländern erwartet. Für die globale Wirtschaft wird mit einer Wachstumsrate von 3,7 Prozent im Jahr 2025 und 3,3 Prozent im Jahr 2026 gerechnet. Für das Jahr 2027 wird eine leichte Beschleunigung auf 3,5 Prozent prognostiziert (Tabelle 5).

Tabelle 5: Reales Bruttoinlandsprodukt, Verbraucherpreise und Arbeitslosenquote in der Weltwirtschaft

In Prozent

Bruttoinlandsprodukt Verbraucherpreise Arbeitslosenquote in Prozent
Veränderung gegenüber dem Vorjahr in Prozent
2024 2025 2026 2027 2024 2025 2026 2027 2024 2025 2026 2027
Europa
Europäische Union 1,0 1,5 1,6 1,9 2,6 2,4 2,2 2,2 6,0 5,9 5,7 5,6
Euroraum 0,9 1,3 1,3 1,4 2,4 2,0 1,8 1,9 6,4 6,2 6,1 5,9
… ohne Deutschland* 1,4 1,2 1,2 1,3 2,2 1,8 1,8 1,8 7,8 7,4 7,4 7,4
Frankreich 1,1 0,6 0,7 1,0 2,3 1,0 1,2 1,4 7,4 7,2 7,3 7,4
Italien 0,5 0,6 0,9 1,0 1,1 1,8 1,9 2,0 6,6 6,3 6,3 6,3
Spanien 3,2 2,7 2,2 2,1 2,9 2,3 2,1 2,0 11,4 10,5 9,7 9,4
Niederlande 1,1 1,5 1,2 1,3 3,2 2,9 2,4 2,1 3,7 3,7 3,6 3,6
Vereinigtes Königreich 1,1 1,4 1,3 1,3 2,5 3,4 2,6 2,0 4,3 4,4 4,3 4,3
Schweiz 1,4 1,4 0,8 1,6 1,1 0,5 0,8 1,1 4,3 4,5 4,4 4,2
Mittel- und Südosteuropa 1,9 2,6 2,9 3,5 4,0 3,9 3,3 3,1 3,7 3,9 3,7 3,5
Türkei 3,2 2,9 3,1 3,5 58,5 36,6 29,7 28,2 8,7 8,6 8,5 8,5
Russland1 4,3 1,2 1,1 1,2 8,5 9,7 8,1 7,7 2,5 2,4 2,4 2,4
Amerika
USA 2,8 1,8 1,3 1,8 3,0 2,6 2,5 2,0 4,0 4,2 4,3 4,3
Mexiko 1,2 0,6 1,2 2,1 4,7 3,9 3,7 3,5 2,7 2,8 3,4 3,3
Brasilien 3,0 2,4 1,5 2,2 4,4 5,5 4,3 3,6 6,9 6,5 6,9 6,8
Asien
Japan 0,1 1,1 0,5 0,4 2,7 3,0 1,9 1,8 2,5 2,5 2,3 2,2
Südkorea 2,0 0,8 1,6 1,6 2,3 2,2 1,9 1,4 2,8 2,8 3,0 3,0
China 5,0 4,7 3,8 3,6 0,0 −0,1 0,8 4,5 5,1 5,1 5,0 4,8
Indien 6,9 6,7 6,2 6,6 4,9 2,0 3,8 3,1 8,0 7,6 7,5 7,4
Total
Fortgeschrittene Volkswirtschaften 1,9 1,5 1,3 1,6 3,3 2,9 2,5 2,2 4,5 4,5 4,5 4,4
Schwellenländer 5,0 4,7 4,2 4,3 5,6 4,7 5,2 6,3 6,0 5,8 5,8 5,6
Welt 4,0 3,7 3,3 3,5 3,9 3,4 3,5 3,9 5,7 5,5 5,5 5,4
Nachrichtlich:
Exportgewichtet2 2,9 2,6 2,3 2,6
BIP in USD gewichtet3 3,1 3,0 2,6 2,8

* Wird ohne Irland ausgewiesen, da das dortige BIP von den Aktivitäten multinationaler Konzerne stark verzerrt wird.

1 Die für Russland prognostizierten Daten sind mit großen Unsicherheiten behaftet. Russland hat nur geringes Gewicht in der Gesamtprognose.

2 Gewichtung der Welt mit den Anteilen an der deutschen Ausfuhr über das Jahr 2024 aus deStatis.

3 Gewichtung der Welt mit dem Bruttoinlandsprodukt in US-Dollar über 2024–2027.

Anmerkungen: Die schwarzen Zahlen sind abgerechnete Zahlen. Die Werte der Ländergruppen sind ein gewichteter Durchschnitt, wobei für die Gewichtung des BIP und der Verbraucherpreise das jeweilige Bruttoinlandsprodukt in Kaufkraftparitäten aus IMF World Economic Outlook für die Jahre 2024–2027 verwendet wird. Für die Gewichtung der Arbeitslosenzahlen in den Ländergruppen wird die Erwerbsbevölkerung (15–64 Jahre) des jeweiligen Landes für das Jahr 2023 verwendet. MOE besteht aus: Polen, Rumänien, Tschechische Republik und Ungarn.

Quellen: Nationale statistische Ämter; DIW-Konjunkturprognose Herbst 2025.

Die DIW-Prognose für dieses Jahr fällt damit um 0,4 Prozentpunkte höher aus als noch im Frühjahr. Die Aufwärtsrevision ist vor allem auf das starke zweite Quartal zurückzuführen, das durch das überzeichnete US-BIP infolge stark gefallener Importe sowie überraschend kräftige chinesische Exporte geprägt war. Für 2026 wurde die Prognose hingegen um 0,1 Prozentpunkte nach unten revidiert, da sich dann die inzwischen höheren Handelshemmnisse stärker in Handel und Produktion niederschlagen dürften.

Der Ausblick für die Weltwirtschaft bleibt mit erheblichen Risiken behaftet. Insbesondere besteht die Gefahr, dass die jüngsten handelspolitischen Einigungen doch keinen Bestand haben. Denn beispielsweise ist bei der Vereinbarung zwischen den USA und der EU für einige in Aussicht gestellte Punkte wie etwa den privaten Investitionen in den USA die Rechtsgrundlage für ein entsprechendes Abkommen unklar. So bleibt das Risiko hoch, dass in nachfolgenden Verhandlungen für die EU restriktivere Bedingungen entstehen als in dieser Prognose unterstellt. Zudem könnten auch die handelspolitischen Verhandlungen zwischen den USA und China platzen. Das weltwirtschaftliche Wachstum könnte dadurch erheblich geringer ausfallen – bedingt durch realwirtschaftliche Verwerfungen durch höhere Handelshemmnisse.

Ein weiteres Risiko besteht darin, dass die politische Unabhängigkeit der US-Notenbank Fed untergraben wird. Nachdem US-Präsident Trump in den vergangenen Monaten bereits vehement Zinssenkungen gefordert hatte, erreichte der Konflikt mit der Entlassung der Fed-Gouverneurin Lisa Cook einen neuen Höhepunkt. Ein Verlust an geldpolitischer Glaubwürdigkeit könnte das Vertrauen der Finanzmärkte schwächen und das Risiko einer Finanzkrise in den USA erhöhen.

Angelina Hackmann

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Makroökonomie

Nina Maria Brehl

Doktorandin in der Abteilung Makroökonomie

Ruben Staffa

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Makroökonomie

Teresa Schildmann

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Makroökonomie

Jan-Christopher Scherer

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Makroökonomie

Frederik Kurcz

Doktorand in der Abteilung Makroökonomie

Hannah Magdalena Seidl

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Makroökonomie

Laura Pagenhardt

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Makroökonomie

Geraldine Dany-Knedlik

Stellvertretende Abteilungsleiterin in der Abteilung Makroökonomie

Konstantin A. Kholodilin

Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Makroökonomie

Hella Engerer

Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt

Themen: Konjunktur



JEL-Classification: E32;E66;F01
Keywords: Business cycle forecast, economic outlook
DOI:
https://doi.org/10.18723/diw_wb:2025-36-2

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