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Erstgeborene, Sandwichkinder und Nesthäkchen: Geschwisterposition hat nur sehr geringen Einfluss auf die Persönlichkeit

Pressemitteilung vom 20. Oktober 2015

Welche Persönlichkeit uns als Erwachsene auszeichnet, hängt kaum damit zusammen, wo wir – wenn wir Geschwisterkinder sind   –  in der Geburtenreihenfolge zwischen unseren Geschwistern stehen. Zu diesem Ergebnis kommt eine international vergleichende Studie von Psychologen der Universitäten Leipzig und Mainz, die unter anderem auf Basis von Daten der Langzeitstudie Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) erstellt wurde. Die Studie wurde jetzt in der renommierten Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America“ (PNAS) veröffentlicht.

Die Frage, ob die Geschwisterposition einen Einfluss auf die Persönlichkeit hat, beschäftigt Wissenschaftler schon seit weit über 100 Jahren. Sowohl in der wissenschaftlichen als auch in der Laien-Psychologie gibt es dabei vielfältige Annahmen: So sollen Erstgeborene beispielsweise besonders perfektionistisch, Sandwichkinder hingegen kooperativ und Nesthäkchen rebellischer sein.

Um die bislang uneinheitlichen Befunde zu diesen Annahmen zu klären, analysierten Professor Stefan Schmukle und Julia Rohrer von der Universität Leipzig sowie Professor Boris Egloff von der Universität Mainz  Daten von mehr als 20.000 Erwachsenen aus Deutschland, den USA und Großbritannien. Dabei zeigte sich  für alle drei Länder, dass die zentralen Persönlichkeitseigenschaften Extraversion, Emotionale Stabilität, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit nicht statistisch signifikant mit der Geschwisterposition in der Herkunftsfamilie zusammenhängen. Lediglich bei der Selbsteinschätzung des Intellekts fanden sich minimale Unterschiede: Erstgeborene berichteten beispielsweise häufiger, über einen großen Wortschatz zu verfügen und abstrakte Ideen gut begreifen zu können.

Ganz aus der Luft gegriffen scheint diese Selbsteinschätzung nicht, schließlich konnten die drei Autoren auch den bereits länger bekannten Effekt der Geschwisterposition auf die gemessene Intelligenz bestätigen: Vom Erstgeborenen zum Letztgeborenen sinken die durchschnittlichen kognitiven Fähigkeiten leicht ab. „Dieser Effekt auf die Intelligenz lässt sich in großen Stichproben zuverlässig finden, ist aber auf der individuellen Ebene wenig aussagekräftig. Wenn man zwei Geschwister vergleicht, wird dennoch in über 40 Prozent der Fälle das später geborene den höheren IQ haben. Und die gefundenen Effekte sind so klein, dass es zweifelhaft ist, ob sie für den Lebensweg bedeutsam sind“, erläutert Schmukle. „Unser zentraler Punkt ist, dass die Geschwisterposition für die Persönlichkeit keine große Rolle spielt. Für Intelligenz und Intellekt finden wir sehr kleine Effekte, für die anderen Persönlichkeitseigenschaften gar keine, was sowohl prominenten psychologischen Theorien als auch weit verbreiteten Vorstellungen in der Bevölkerung widerspricht.“

Ermöglicht wurde die Studie durch mehrere großangelegte Längsschnittstudien, das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) im Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), die National Longitudinal Survey of Youth (NLSY) des US-amerikanischen Bureau of Labor Statistics und die National Child Development Study (NCDS) am Centre for Longitudinal Studies der Universität London.

Die Studie:

Julia M. Rohrer, Boris Egloff und Stefan C. Schmukle, Examining the effects of birth order on personality, Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America, 19. Oktober 2015

DOI:10.1073/pnas.1506451112

Weitere Informationen:

Prof. Dr. Stefan Schmukle, Universität Leipzig; tel: +49-3419735902; e-mail: schmukle@uni-leipzig.de

Julia Rohrer, Universität Leipzig; tel: +49-1744736433; e-mail: julia.rohrer@uni-leipzig.de

Prof. Dr. Boris Egloff, Universität Mainz; Tel:  +49-6131 39-39156; E-Mail: egloff@uni-mainz.de

Themen: Persönlichkeit

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